Aranysárkány fejléc kép
E.S
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Jegyzet Eckermann, Johann Peter (1792-1854), deutscher Schriftsteller, Sekretär und literarischer Mitarbeiter Goethes. Schrieb treulich seine »Gespräche mit Goethe« auf, als Zeuge von Wirken, Lebensverlauf und schließlich Tod seines abgöttisch geliebten Meisters.
AUFZEICHNUNGEN
 
 
Buddy Glass ist natürlich nur ein Pseudonym.  
Mein wahrer Name ist: Major George Fielding  
Anti-Climax. (Salinger: Seymour wird vorgestellt)  
 
 
  1 An einem »lächelnden Frühlingsmorgen«, einem Dienstag, suchte Péter Esterházy lange nach seiner Trainingshose und sagte schließlich ein wenig gereizt: »Ich finde sie nicht.« Sowohl für Esterházy als auch für Esterházys Frau war klar, dass dies in folgender Weise zu verstehen war: »Wo zum Henker hast du sie schon wieder hingetan?« - »Bist du blind?« Die Frau beantwortete die Frage schnörkellos mit einer Gegenfrage. Am Tag darauf konterte Esterházy also: »Ein Blinder weist dem anderen das Wort.« Aus diesem Stück Leben hatte der Meister diesen denkwürdigen Eröffnungssatz herausdestilliert, welchen ich hiermit als repräsentativ noch einmal festhalte: Wir finden keine Worte. (Ich hoffe, der Meister rügt mich nicht für meine Vorwitzigkeit. Denn es kam schon vor, dass er sich mit wütendem Gesichte giftete, ganz so, als würde ich seinen Roman »ausweiden«, und noch dazu hier, »vor aller Augen«. Aber ich nehme selbst das in Kauf: seinen Affekt gegen mich. Dieser Affekt gebar zu einem anderen Terminus folgende Worte von des Meisters Lippen: »Aber wie reden Sie, mon ami?! Was für ein stilistisches Geknäul ist das?! >Seinen Affekt gegen mich <, >zu einem anderen Terminus <, >Worte von den Lippen gebären< - ein normaler Mensch spricht so nicht!« Ich schwieg. Bin ich doch kein normaler Mensch, sondern des Meisters treuer Lebenszeuge. Treue und Respekt haben eben ihren Preis. Einen in Worten ausdrückbaren Preis. »Mein Ärmster«, sprach der Meister mit leisen Worten und streichelte sanft über meine Wange.)  
 
 
  2 Angesichts des eifrigen Bemühens des Autors dieser Zeilen hub er zu einem verzeihenden Lächeln an. Indem er am breiten, eleganten Revers seines seidenen Dichtermantels kratzte, murmelte er: »Was ist das für eine Idee, mon ami?! War es denn nicht genug?!« Doch alsdann schlug er in die Luft und gab eine zünftge Antwort: »Ächhh! Die Idee! Ideen sind endlich. Doch das Herz, das in ihnen schlägt, das ist endlos!« Weise fuhr er fort: »Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken.« Er hob seinen großen, durchdringenden Blick: »Was ist das wohl? Eierreste, mein Freund, oder Leim?« (Warum: Leim? Nun dies sind jene irrationalen Nuancen, die den Erwählten von unsereinem unterscheiden.) Er fuhr fort, die wunderbare Seide zu säubern. Herr Csucsu (der an jenem Tag, meinem mageren Urteil nach, wunderbar war: wie er an der Strafraumgrenze den Ball »dünn« wegzog ...! Der Trick war, wie immer, auch diesmal mehr, als notwendig gewesen wäre ... dennoch!) und der Libero (das ist ein Posten) sprachen ihm ungeduldig zu, er möge nicht so lange herummähren, sondern spielen. »Wissen Sie, mein Freund«, sagte er, minimal aus der Ruhe gekommen, während er die Streichholzschachtel auf die hässliche Tischplatte des Gastronomieobjekts stellte, »wissen Sie, der Humor hier ist weder >beißend< noch >gemütlich< «. Er schnippte. Pass. Doch nun, damit das Folgende in seinem vollständigen Lichte sich vor uns entfaltet, muss ich von einem Gespräch mit einem gewissen Herrn Péter (siehe Zeichnung S. 187) berichten, welches zeitlich ein anderes Mal stattfand. Zu einer frühen Stunde. Der Meister suchte Herrn Péter ohne vorangegangene Ankündigung auf; Herr Péter wirkte sehr verschlafen. Sie tranken Nescafé, er war grauenhaft. Das nur langsam in Gang kommende Gespräch wurde von einem Telefonanruf gestört. (Der Meister liebte die Langsamkeit seiner Treffen mit Herrn Péter sehr.) Am jenseitigen Ende der Telefonleitung wollte jemand Selbstmord verüben. Der Meister horchte: »Natürlich, mein Freund, das ist doch das Natürlichste.« Er regte sich sehr auf, anders als Herr Péter, der einigermaßen resigniert seine Antworten gab. »Das geht schon seit drei Wochen so«, sagte er später zum Meister. Später dann - nachdem sie ein Butterhonibrot (Wort des Meisters) verzehrt und über ein paar nach Tratsch schmeckende »Dinge« gesprochen hatten - sagte Herr Péter über die Arbeit des Meisters: »Ein bisschen vertrickst.« - »Ich weiß. Ja, leider, ein wenig. So ist es geworden. Die Clowns strömen herein, die Musik spielt, die Kinder kriegen was auf die Nuss, wenn sie nicht still sind, und die vielen Brezelverkäufer kommen. Verstehst du?« - »Ich verstehe«, nickte Herr Péter liebevoll, aus welchem Nicken auch die Anerkennung herauszulesen war bezüglich der zuvor in negativem Zusammenhang auftretenden Vertrickstheit.  
  Gemütlich, bemerkte ich dort, am antipathischen Kneipentisch. »Oh, ja, ja«, sagte er rasch, »doch das Gemütliche hat einen philosophischen Touch.« Oh, là, là, hätte eine freiere Seele statt meiner gesagt. »Getunkter Fünfer!«, rief Esterházy heraus, der damit die Führung übernommen hatte, und er setzte, dadurch angespornt, fort: »Gut wäre, wenn das Ganze wie eine Clownsnummer wäre. Und sehen Sie, mein Freund, es gibt Augenblicke, da denken wir: der Clown ist: ein Mensch: und wir lieben ihn. Und der Trick hier ist, dass: der Clown: ein Clown ist: und wir lieben ihn.« Nachdem Herr Icsi (der an diesem Tag, nach meiner mageren Beurteilung, nicht auf der Höhe seiner Aufgabe stand, denn zwar hatte er einige schöne Paraden, aber wenn er herauslief! ... Ein Glück, dass ...) einen gesalzenen, getunkten Zehner erreicht hatte, fand die Partie ein Ende. »Nicht wahr, was andererseits dieses Blättern anbelangt, zurück, dann wieder vor und so weiter, das muss man sich so vorstellen, wie liebliche Pfade, über die wir mit ihm Arm in Arm spazieren gehen ... mit wem, nun ja, mit dem, der mitspaziert. Abzweige, Einmündungen, der eine oder andere Ameisenhügel, aus der Ferne das Röhren von Hirschen und die Stimmen badender Mädchen sowie eine Fabriksirene; wir achten auf den Ausblick und überhaupt: das Schicksal des Spaziergängers liegt uns am Herzen. Wir bemühen uns, das ist alles, was wir tun können.« Er sprach, wie es nur Menschen können, die die Nähe anderer Menschen sehr zu wünschen Vorhaben. Hier lachte er heraus. »Und noch etwas: die Zahl der Lesezeichen. Darum kümmern wir uns noch.« Er winkte ab. »Doch grau, teurer Freund, ist alle Theorie.« Alsdann: »Oho, mein Freund, die Theorie ist grau, doch der Umschlag!, der ist bischofviolett  
  Der Meister bot der Runde Wein an. Herr Icsi wiegte den Kopf, doch auch seine Augen glänzten schon. Herr Csucsu nahm die Streichholzschachtel in die Hand. Er nahm auf irgendetwas Bezug, als er sagte: »Zu jener Zeit verriet ich eine recht gute Form.«  
  Hier trat Gábor Kacsoh ein, der KISZ-Sekretär der Fabrik, mit je einer Frau an seiner Seite. Mit breitem Lächeln sagte er: »Du sagst es: du Verräter«, und ließ sich am Tisch nieder. Herr Csucsu sprang mit blitzenden Augen auf. Er war sehr aufgewühlt. »Setz dich«, sagte Herr Icsi. Die Luft erstarrte. Dabei hatte sich das kleine Sportkollektiv gerade noch so gefreut! (Sie hatten die Qualifikation gewonnen, I. Mai Cup. »Vau Strich eins«, wie der Meister zu sagen pflegt.)  
  Esterházy gab für diese plötzliche Veränderung folgende Erklärung: »Wissen Sie, mon ami, dieser KISZ-Sekretär ist ein Egel. Ein verdammter Schädling, ein Wurm, eine Tollkirsche, ein Teufelsauge, ein schäbiger, gewitzter kleiner Karrierist, der auf der KISZ vorwärtsrutscht, hangelt sich mit ihr hierhin und dorthin, selbst auf Frauen.« Auf das labile seelische Gleichgewicht des Meisters achtend (welches von nationalem Wert und Interesse!) bin ich doch so frei anzumerken, dass die Tätigkeit des Gábor Kacsoh die auch vom Meister genossene finanzielle Basis der Mannschaft gewährleistet. Er ließ den Kopf sinken. »Ja, ich genieße sie.« Doch dann, wie eine Furie: »Darum haben Sie sich nicht zu kümmern. Das sagt nichts über seine Qualitäten aus; sondern über meine. Das ist meine Niederlage. Ich habe keinen Stolz«, er lächelte, » abgesehen hiervon; ich nehme das Geld an, sogar von ihm, damit es uns weiterhin gibt.« (Schuhe, Trikot, Erfrischungsgetränke, solche Dinge.) »Er hat die Fragen des Wer-weiß-wie-viel-über-die- Sowjetunion-Wettbewerbs für Geld verkauft«, fügte er noch gehässig hinzu. Aber das war nur ein Witz. »Ja«, sagte er ernst, »und jeder ist, wie für sein Gesicht, auch für seine Witze verantwortlich.« So was aber auch! Hier könnte man doch schon ein wenig Vorbehalt anmelden. Einmal zum Beispiel stand er knapp hinter der Strafraumlinie, es passierte gerade nichts, aber das wussten nicht alle. »Sehen Sie, mein Freund, jedes Innerhalb-des-Strafraums ist gleichzeitig ein Außerhalbdes- Strafraums. Aber nicht jedes, und darauf mache ich Sie nachdrücklich aufmerksam, nicht jedes Außerhalb-des-Strafraums ist gleichzeitig ein Innerhalb-des-Strafraums.« Solche Behauptungen können zu Tausenden gemacht werden. »Ja. Und?« Der Schiedsrichter näherte sich mit Siebenmeilenschritten. Der Meister senkte die Stimme und streichelte sein stoppeliges Kinn. »Wissen Sie, es ist sehr interessant. Dass es jeder als seine Pflicht empfindet, mir seine schlechten, reaktionären Witze zu erzählen.« Der Schiedsrichter kam an. »Noch so ein Ding«, er zeigte, woran er dachte, »und Sie können die Dusche anstellen.« — »Ist gut, ist gut«, beruhigte er auf übliche Weise den Herrn der Pfeife, der sich - ähnlich wie seine Kollegen - nicht beruhigte.  
  »Ich sehe, nur eine Geschichte vermag Sie zu beruhigen«, sprach er. Er wollte, was den KISZ-Sekretär anbelangte, reines Wasser einschenken. Er fing mit seiner tiefen, warmen Stimme zu erzählen an.  
  »Ich machte mich gerade auf einen meiner langen, traurigen abendlichen Spaziergänge. Den ganzen Nachmittag hatte unangenehmer Nordwind gepfiffen, die Fensterrahmen weinten, und ich konnte mich in noch so warmherzige Plaids hüllen: kalt fluchte ich auf den Icsi (Herrn Icsi - E.), schimpfte ihn dies und das, warum man bei so einem Wetter ein Spiel ansetzen muss. Aber ich bin ein disziplinierter Mensch (Was für eine Kundgabe! Was für eine offene Kundgabe!), ich nahm meinen Turnbeutel und machte mich auf den Weg. Ich will nicht zu viele Worte machen. In einer lieblichen Kurve des Wegs war Kacsoh gerade dabei, ein Material zu bearbeiten. Sie bemerkten mich nicht, ich verspürte keine Veranlassung, sie zu grüßen. Als ich an ihnen vorbeiging, rutschte eine Hand unter einen Pullover und ich hörte zugleich Folgendes: Laut Genossen Horváth sind wir solidarisch mit ihnen. Während er da an ihr herummacht.« Er rief mit großen Emotionen: »Überall diese beschissene Gekünsteltheit! Wie eine verpfuschte Predigt!« Aber da war der Schwung schon dahin. Er sagte mit tiefer Bitterkeit: »Werde ich hernach alles wiederhören müssen? Sollte ich unseren Verhältnissen dermaßen ausgeliefert sein? Meiner Lust-und-Laune?«  
 
 
  3 Esterházy eilte mit seinen langen - wie die Fama über ihn geht: »musizierenden« - Schritten die Treppen hinunter. Vor dem Haus ging ein Plakatkleber seiner täglichen Arbeit nach. Der Meister ließ nie eine Gelegenheit verstreichen, sich von der »vielfarbigen« Wirklichkeit berühren zu lassen. (Wie er zu sagen pflegt: »Wie der König Matthias.« Und wie fein diese Selbstironie ist, bei dem bekannten Profil!) Wie schon oft in seinem kurzen, jedoch bunten und bewegten Leben, sprach er in aller Einfachheit: »Guten Morgen!« Pahh! Hätte das einer gedacht?! Diese Sachlichkeit undsoweiter. Und bezeichnend ist auch, wie sehr die Welt ihm, dem Meister, »in die Hand spielt« (das ist einer seiner Lieblingsgedanken), dass ausgerechnet ... Bestimmt werden Sie es schon erraten haben. Der Arbeiter drehte sich um und trat ein wenig beiseite, wodurch sich die Sicht auf das Plakat öffnete. Der Meister war bass erstaunt über das Spiel der Proportionen. Die Luis-Bunuel-Figur auf dem Plakat - denn es war eine Luis- Bunuel-Figur auf dem Plakat - ward in einer gewissen Vergrößerung gezeichnet worden. »Zirka fünf zu vier ... Unheimlich. Alles ist gerade nur um so viel größer, dass man nicht gleich misstrauisch wird; alles kann gerade noch wahr aussehen. Überwältigend.« Der Meister war geradezu frappiert; er lobte die Arbeit des Arbeiters mit einigen spontanen Worten und ging (bewegte sich) anschließend, seinen Turnbeutel schwenkend, zur Bushaltestelle.  
 
 
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  5 »Sehen Sie, mein Freund, dieser Satz - ich habe ihn gemacht! - ist wie der Regenbogen. Schön zweideutig.« Der Regenbogen ist nicht zweideutig. Das ist die sogenannte künstlerische Übertreibung, welche sich, wie wir sehen können, häufig in Form der Reduktion zeigt.  
  Ich bin ein wenig der Zeit, welche um uns herum vergeht, vorausgeeilt, denn es ist notwendig; das macht mich vielleicht noch nicht »modern«, und vielleicht kann ich auch den Gefahren entgehen, generationstypisch modisch zu sein. Denn ganz entschieden möchte ich nicht, dass man mir irgendeine Verspieltheit unterstellt, eine dem Gegenstand - Esterházy selbst! - nicht angemessene mangelnde Ernsthaftigkeit (siehe auch weiter unten) ... Von den beiden Männern, die eines Sommerabends an der Tür des Meisters klingelten, war nur der eine sympathisch, der Dünne mit dem graumelierten Haar. Als sie sich vorstellten, und er seinen Namen hörte, nickte der Meister respektvoll (aber die Sympathie war schon vorher!). »Gewiss, selbstverständlich. Vom Namen her selbstverständlich.« Die Gattin des Meisters, die wundervolle Frau Gitti, empfing sie misstrauisch und fragte, ob sie einen Kaffee wollten. »Wenn es nicht zu viel Mühe macht, Küssdiehand «, sagte der weniger Sympathische. Als die Frau mit den beiden Kaffees das Zimmer betrat, sagte der Graumelierte gerade: »Und vergessen Sie nicht, Péter, mein Lieber, wir können alles, auf der politischen Schiene alles erledigen.« Bei dem Wort Schiene beschrieb er mit seiner Handfläche einen Halbkreis nach vorne, als würde er Brot schneiden. (»Na, mein Freund. Sie wissen, wie man >drüben< zeigt. Im Westen. Na. Das ist jetzt im Raum ins Vertikale gedreht.« - Man hätte es sehen müssen: wie er nachdenklich über seinen Notizen saß und fast eine halbe Stunde lang still vor sich hin zeigte, um dann, seiner selbst unsicher geworden - dahin ist die Spontaneität zerrüttet zur treuen Frau zu stürzen, damit diese es zeigte: Drüben, im Westen. Doch mit der Antwort war er weitestgehend unzufrieden: Frau Gitti stach mit dem Daumen nach hinten, als würde sie ein Auto anhalten wollen. Bumstili, um es mit Donko Mitics’ Worten zu sagen.) »Auf der politischen Schiene«, sagte der Meister und nickte. »Das ist vielleicht ein Kaffee, Küssdiehand«, tönte der andere. Bald darauf verabschiedeten sich die Besucher. Frau Gitti räumte aufgewühlt auf. »Die haben alles abgeweidet. Es sind nur noch die Knochen vom Tisch übrig.« Plötzlich kreischte sie heraus: »Schau! Da ist die Spur seiner Zunge auf der Tasse!« - »Sei nicht so zimperlich!«, antwortete der Mann gelassen, und er kluckte noch lange quasi bewegungslos in seinem riesigen Armsessel (welchen seine Frau für vierzig Forint im A&V gekauft hatte) und leckte versonnen seine wunde Hand.  
  Mich nimmt diese Sache ziemlich mit, dass wir so zerstückelt, in der Zeit vorausschnaubend und wieder zurück, wie eine damische Spinne zwischen den funkelnden Scherben der Geschichten hin und her gehen. Meine Hauptentschuldigung: er. Ihm diene ich mit meiner ganzen Liebe und was ich sonst noch habe, dem Verstand. Ich bin mir meiner Werte bewusst, welche der Fleiß ist, und meiner Endlichkeit, welche endlos ist, und auch den Leser vermag mein leisetreterisch Geschreib vielleicht nicht hinters Licht zu führen: auch ich, wie der gebeugte Leser (»Gebeugt, gebeugt, gebeugt ...«, sagte der Meister tausendmal Kapitän András, der »hoch wie eine Herberge ist«), also glaube ich, dass wir uns gleichermaßen nach der Ganzheit sehnen; wir erinnern uns noch, als die Geschichten am Anfang (mehr noch: an den Anfängen!) begannen, an ihrem Ende endeten - und oh, ihre Mittel Doch nicht weiter! Vorhin haben wir die Mitte von etwas gesehen, nun füge ich den Anfang an. Was für eine Welt, mein Gott, mein Gott! »Die Form, teurer Freund, will so gut verdauet sein als der Stoff; ja sie verdaut sich viel schwerer«, stieße er weise auf und sagte dankerfüllt: »Gittilein, was für Linsen! Unnachahmlich«, denn all dies ginge beim Mittagessen vor sich, wie ich sehr gut weiß. »Und noch etwas«, er beugt sich aus dem Bild zurück, in dem vor nicht allzu langer Zeit ein gehäufter Teller Linsen mit einem Stück Schulter stand, »mein Freund, vergessen Sie nicht: für die angebotenen Verwicklungen, die Schwierigkeiten bei der Auflösung, entschädige ich, vor allem ich, den Leser ein manches Mal mit meiner unverschämten Jugend, ein anderes Mal mit meinen oberflächlichen Räsonierereien und meinem leichtfüßigen Weltbild. Ist noch was von den Linsen da? Ein kleines bisschen?!« - »Pustekuchen«, würde die Frau trivial erwidern.  
  (Ich werde jetzt nicht auf die Bedenken eingehen, welche beim Erzählen - oder Verschweigen - gewisser Dinge in mir entstehen. Die Wahrheit ist eine Fackel, aber eine schreckliche; deswegen suchen wir alle nur blinzelnd so daran vorbeizukommen, in Furcht sogar, uns zu verbrennen. Aber ... Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorph er ist.) Sammeln wir uns am Fuße eines Abhangs, dessen Neigungswinkel - das Bild ist, leider Gottes!, anschaulich - der Meister selbst ist. Herr Icsi blickte mit rauer Liebe in sein totenbleiches Gesicht. Er war stark nach vorne geneigt, seine Hände auf der wohltätigen Kälte der Fliesen. »Siehst du, Alter«, sagte er mit jener kunstliebenden Verträumtheit, welche ihn selbst in harten Zeiten charakterisiert (und das war wirklich eine ziemlich harte Zeit, der Tag, der auf den »lächelnden Dienstagmorgen« folgte: sowohl kollektiv als auch individuell: das Halbfinale verloren, genauer gesagt 8:1, das heißt, nicht in einem gebührenden Verhältnis gewonnen, und der Meister war, gelinde gesagt, zerrüttet), »siehst du, wie schön schaumig das ist.« Er nahm eine Hand von den Fliesen. Weiter oben hing ein künstlerisches Foto des Veszprémer Viadukts: »Sehr schön schaumig. Wie eine Blume, eine Röchel-Blume.« Herr Icsi rechnete im Zusammenhang mit dem Meister möglicherweise mit dem Erwachen von einer Art schlechten Gewissens; dass dieser sich moralisch und nicht ästhetisch der Sache annähern würde. Aber er ...! Wir wissen ja. Auch die Antwort des Torhüters war nicht frei von fachlicher Voreingenommenheit (Mathematik), und ein etwas wacherer Meister hätte ihn zweifellos festgenagelt. Doch er war jetzt blutleer. »Darf ich dich darum bitten«, sagte das tigerreflexstarke Individuum knapp, »dass das Speibild zentralsymmetrisch ausfällt?« Leider war das der Tiefpunkt. Der Meister blickte verständnislos auf: beleidigt und ratlos. Herr Icsi eilte seinem Freund zu Hilfe. »Verzeihung, du hast recht. Natürlich bezogen auf den Abfluss.«  
  Doch entfernen wir uns von dem Wuchern der Natur, obwohl ich weiß, er ist der Ansicht: es gibt elementare Einheiten, in denen wir uns gleichen (wir Menschen nämlich), und die Erfassung dieser ist eine künstlerische Aufgabe. Gefällig. Ich habe mir sowieso nicht so eine Aufgabe gesetzt. Und der säuerliche Milchgeruch, »zweiten Frischegrades « (!), zog langsam in die Haut, in die Haare ein. Kurze Zeit später saß die Mannschaft auf dem Flachhang neben dem Spielfeld, die geschlagene Gewinnermannschaft. Der Nebel war aufgerissen, die Kraft der Sonne war angekommen, all dies, kombiniert mit den Farben des Grases, des Spielfelds und des Himmels, erwies sich als sehr gesund. Als Herr Icsi sich ans üppige Haar des Meisters lehnte - da er sich, das Gesicht in die Sonne haltend, geneigt hatte -, grimassierte dieser. »Also weißt du«, sagte er vorwurfsvoll zum Stürmer, aber wirklich das letzte Mal. »Gutes Publikum.« Der Meister nickte, um anzuzeigen, dass auch er die Mädchen sah.  
  Der Rechte Außenverteidiger, der wegen seiner Armee von Kindern, seinem großen Appetit und seiner wehrhaften Frau häufig eine Zielscheibe abgeben musste, unterbrach den traurigen Blues, den er (in pfeifender Weise) vorgetragen hatte. »Ein gutes Publikum, ist bloß nicht unsers.«  
  Seine Frau war schön, das Haar lang und schwarz, das Gesicht wie das einer Madonna. »Einer Madonna, die man monatelang hat hungern lassen.« Die Haut weiß, die Konturen scharf und streng. »Ein Mund wie eine Klinge.« Einmal sagte der Mittelstürmer, ein hochgewachsener Recke mit großer Schusskraft, natürlich nach dem Spiel: »Lasst uns ein Bierchen zischen. Sneci, mein Lieber, gib mal einen Zweier.« Der Rechte Außenverteidiger wandte sich, nachdem er seine Taschen abgetastet hatte, an seine Frau und bat sie um zwei Forint. Die Gattin knipste ihr Ridikül auf, knipste ihre Kleingeldbörse auf und überreichte die Münze im Werte von zwei Einheiten. »Lieber für mich ein Tonic«, sagte sie, während das Geld noch in der Luft war. Der Mittelstürmer bebte vor Lachen, als er das erzählte. (Man beachte: wie viele Übersetzungen! Ein Ereignis, ein Beobachter, ein Erzähler, ein Weitersager, ein Aufschreiber, ein Durchdenker, ein Leser. Darauf kann man alles sagen: 1. Viele Köche verderben den Brei. 2. Was für eine fortschreitende Klarheit. Wie nach der Reihe die vielen Schnörkel beiseitebleiben, damit nur noch der innerste Inhalt glänzt! Wie ein Diamant. Oder gar nicht glänzt. Wie ein Kirschkern. »Ach, wie weit sind wir davon entfernt!«) Dazu also das zitternde Gelächter des Mittelstürmers: »Ihr hättet das Gesicht vom Sneci sehen müssen: Wie er da spitzmündig bitte, bitte machte! Spi-hitz-mü-hün-dig! ...« Er wischte sich die Tränen aus den Augen. »Und dabei rot wurde!« — »Der Sneci?! Das glaub ich nicht.« - »Doch.« - »Hat bestimmt nur Blödsinn gemacht.« — »Ä-ä. Das war eins zu eins.« Der Meister schüttelte nur den Kopf und schoss traurige Gedanken in die taube Allheit bezüglich der Institution der Ehe. »Wissen Sie, mein Freund«, er schweifte in diesem Themenbereich weiter ab, »jedes erste Kind eines jeden Mitglieds des Mittelfelds war eine Frühgeburt. Eine murkelige kleine Frühgeburt von vier Kilo«, sagte er und zwinkerte humorig. »Jozef Veverka kann so zwinkern«, sagte er bei einer anderen Gelegenheit. »Ein wenig, hä-hä-hä, zu früh dran gewesen, du verstehst mich schon.« Eine ungeheuer strenge Frau war also diese aus schwarzem Holz geschnitzte Madonna, aber: »Peti, mein Lieber, das Geld teilt sie ein, dabei schwimmen wir nicht gerade darin, und kochen kann sie! Mein lieber Mann! Ich liebe es zu futtern. Besonders Fleisch.« Die Frau hat so einen wütend-bitteren Zug im Gesicht; er fängt dort an, wo ein mittlerer Schnurrbart aufhört, und verläuft weiter bis in die Höhe des Mundes, in einem leichten Bogen, das Ende schwenkt zum Mundwinkel hin. Der Meister hatte diese Frau nicht sehr oft getroffen, aber er hatte das Gefühl, diese müde Giftigkeit sei auch gegen ihn gerichtet. Sie ist gegen die Männer gerichtet, könnte ich mit der Gutinformiertheit der Doppelmoral sagen, gegen die Männer, denn die Frau war ehedem ... Und ich stammelte jenes Wort, welches einen in dieser schönen, neuen Welt nicht mehr existenten Beruf bezeichnet, dabei ist es doch ein »uraltes Gewerbe«, »eins der ältesten«. »Diese strenge Madonna soll eine Hure sein?« Er schüttelte ungläubig den Kopf. (Was in seinem Herzen, das lag dem Meister auch auf der Zunge, wie man gleich sehen wird.) Ich habe beobachtet, dass er diese Frau bei ihren folgenden seltenen Zusammentreffen so taktvoll, mit einer so ausnehmenden Höflichkeit und »verzärtelnden« Liebe umgab, dass es einem geradewegs Rückenschauer bereitete. Nicht mein Kaffee.  
  Der Rechte Außenverteidiger gab also den traurigen Blues auf, kehrte sozusagen zu seinen Mannschaftskameraden zurück und sprach es aus: »Nicht unser Publikum.« Was weitestgehend richtig war, denn - mit Ausnahme einer verschwindenden Minderheit der Fälle - das Publikum gehört dem Sieger. Plötzlich wurden sie sehr fremd dort, und auch der Meister fragte sich, was nicht oft der Fall war, aber dafür dann umso unglücklicher, wozu er jetzt hier sei? Denn er spielt gerade deswegen Fußball, weil diese Frage sich gar nicht stellt; umso größer das Malheur, wenn sie sich dann stellt. »Ein winziger Grund ...«  
  Um die Zeit schneller vergehen zu lassen, ließen sie die spannenderen Momente des tragischen Spiels (Tore, der eine oder andere besonders schöne oder törichte Schritt etc.) wieder aufleben. Bei so einer Gelegenheit erfährt der Meister viele interessante Sachen. »Er wurde vom Platz gestellt?«, erkundigte er sich auch diesmal verdutzt. »Bei welchem Match hast du mitgespielt, Täubchen?«, fragte Herr Csucsu gallig. Ja: der Meister lebt mit seinen Konzentrationsfähigkeiten ausschließlich für das Spiel, bei nebensächlichen Dingen ist er unaufmerksam. Natürlich nimmt er wahr, wenn zum Beispiel irgendwo ein Vakuum entsteht, weil zum Beispiel jemand vom Platz gestellt worden ist - aber das ist eine handwerkliche Angelegenheit. Ich glaube, er hat dieses Spiel, diese Bewegungsart im Blute. Er unterhält sich nicht mit seinem Aufpasser, lauter gnadenlose Mörder, und tritt kaum mal einen absichtlich. Er selbst kommentiert dies bescheiden so: »Ich bin zu dumm dafür. Ich kann nicht auf beides achten.« Alsdann blitzt in seinem Koboldgesicht »die alte Heiterkeit« auf. »Es reicht schon, sich zu begeistern; vor Begeisterung macht der Mensch genug Fehler ...« Ich bitte um Entschuldigung, aber das ist nun wirklich ... »Freundchen, achten Sie nur auf den Text, das stimmt schon ... Was meinen Gesichtsausdruck anbelangt, das nur deswegen, damit Sie mich nicht für vollkommen tölpelhaft halten ...« Er sann ein wenig nach, das Nachspiel geriet ein wenig ruppiger. »Respektive nicht ganz so. Ich spiele schon zu lange Fußball, um ein Schöngeist zu sein. Zwei Punkte sind zwei Punkte. Sie verstehen mich.« Gefällig. (Solcherart wehrte er den Verdacht ab, ein homo aestheticus und sapiens zu sein.)  
  »Und warum hat man ihn vom Platz gestellt?« Natürlich wusste er nicht einmal, um wen es sich handelte. »Er hat den Mala seine Mutter besuchen geschickt.« Der Meister winkte ab. »Deswegen hat man ihn vom Platz gestellt?« - »Deswegen.« - »Der Arme.« Dann, den ausschwärmenden Gedanken folgend: »Blödsinn. Der Mala wäre eh nicht gegangen.« - »Geistreich«, sagte der Rechte Außenverteidiger gemessen - dabei ist der Meister immerhin ein Mensch mit Universitasabschluss -, drehte den blonden Kopf weg und machte weiter mit dem traurig-schönen Blues.  
  Sie huckten da, Vögel mit hängenden Flügeln. Ein enthusiastisches Mädchen mit einem Korb Äpfeln kam. »Ihr seid die Besten.« Die Äpfel krachten zwischen ihren Zähnen. Das Mädchen sah dem wilden Schmaus zu - denn das war er: der Saft lief ihnen an den Mundwinkeln herunter, und die Zeit des nächsten Bissens war noch nicht gekommen, als bereits der nächste Bissen kam (die Tat, die Tat, die Tat!), die Backen füllten sich mit Aufgestautem -, das Mädchen im gelben Trikot sah sie sich an, fast schon mit unter den Brüsten verschränkten Armen, klassisch, wie eine Mutter ihre heißhungrigen Kinder, die sie nebenbei beim Duschen ausspannen. »Wer ist das?«, fragte der Meister taktloserweise. »Eine Verehrerin.« - »Heute Nacht ist Disco«, zwitscherte die Dame mit den Äpfeln im Weggehen. Herr Csucsu senkte seinen wohlgefälligen, dünnen Kopf. Der Meister liebte es sehr, dass er so vollständig bar jedes Draufgängertums war, er liebte es sehr.  
  Sie hievten sich hoch, um sich aufzuwärmen. Aber nein. Es ging nicht. Sie standen auf dem Trainingsplatz herum, mit Blick zum Hauptplatz (kein Witz: dahinter ist ein hoher Damm, darauf eine Lokomotive, die zum Ärger der Sportfreunde qualmt und qualmt; dass sie sich bewegt hätte, hat der Meister noch nie gesehen), wo das Finale im Gange war. »Was für ein Blödsinn, dass das Finale zuerst ist«, polterte der Rechtsaußen. »Der kann vielleicht poltern, mein Freund.« - »Wer wird uns nach dem Finale zuschauen.« Die Blicke, die er dafür erntete! Der Meister schmirgelte sich, wie es seine gute Gewohnheit ist, das Kinn. »Amateure«, sagte er ungerechterweise bezüglich der Teilnehmer des Finales.  
  Hier sprach ihn jemand mit gedämpfter Stimme an. Eine tiefe Männerstimme, leise wie sie war, war ihr anzuhören, dass sie mit großer Anstrengung gezügelt wurde. »Wie ein Bernhardiner im Salon, man mache sich die Vorstellung.« - »Entschuldigung, sind Sie der Péter Esterházy?« - »Das bin ich«, sagte er mit der Einfachheit großer Männer. Der Mann (denn ich brauche nicht extra zu erwähnen: es gibt keine Wunder: die tiefe Männerstimme brach aus einer Männerkehle hervor, und diese Männerkehle war von einem Männerhals umgeben und so weiter, beruhigenderweise) sah konspirativ nach vorne, als wäre er ein einfacher Schlachtenbummler. »Verzeihung«, sein Blick bewegte sich hin und her, runter, hoch und zur Seite, >als verfolgte er einen beschwipsten Spatzen<, »der Stürmer Péter Esterházy?« - »Jetzt sagen Sie, mein Freund, Sie haben doch für alles eine Erklärung, verraten Sie mir doch, wieso muss man diesen armen Spatzen betrunken machen?! Na?!« Ich hatte nur eine Sorge: wie könnte man jenes Getränk abrechnen? Fragen über Fragen, doch die Sterne sind stumm.  
  »Hoho, Freundchen, hier ergab sich der Fehler! Eine winzige Unaufmerksamkeit reicht aus, wie sie reichlich vorhanden war in jenem, man könnte sagen, geschockten Zustand, in dem wir zwischen zwei Spielen erstarrten, so viel reicht schon, damit ein Mensch - welcher er selbst ist - das Wort zwischen den Zähnen zur Seite presst und seine Aufmerksamkeit bei jenem Spatzen erschrocken verweilt. Und verweilt. « - »Péter, mein Lieber, Sie können ganz beruhigt sein, wir beobachten Sie. Konkretes später.« Wie der Meister sich zur Seite drehte, nunmehr mit seiner gesamten Persönlichkeit, offen, verwundbar, um halb aufgebracht wegen der Erniedrigung, halb hilfsbereit wegen der guten Erziehung zu sagen: »Wie bitte?!«, musste er ... musste er feststellen, dass dort niemand stand; er drehte sich ruckartig zur anderen Seite um, wie ein gewitzter Lehrer, aber auch dort war niemand! »Icsi, Icsi, mein Lieber!« Er stürzte auf den Torhüter zu, um dessen einwandfreie Sehkraft in Anspruch zu nehmen. (»Erinnern Sie sich, mein Freund, ich stand noch am Anfang meiner Karriere - hier richtet er sich das Haar wie eine populäre Hanna Honthy -, und davon unabhängig, wir kamen aus Siebenbürgen! Dieses große Rennen mit dem Autobianchi! Und Icsi, der permanent die entgegenkommenden Heuwagen sichtete! Um vom Tatrus gar nicht zu sprechen.« [Siehe Zeichnung S. 187.]) »Icsi, mein Lieber«, sagte er zum Kopf des Torhüters, welcher freudlos das Spiel beobachtete: er war (immer), als hätte man ihn aus Stein gehauen, aus einem schwarzen Stein (natürlich denken wir dabei nicht an Unrasiertheit; so eine Bagatelle ist die Situation nicht), es sei angemerkt, dass es noch jemanden gibt, der so einen Kopf hat: des Meisters Vater, nur dass der nicht aus schwarzem Stein ist, sondern aus weißem, »Icsi, schau doch mal bitte da hinüber, was siehst du da?« Herr Icsi blickte mit einer Nüchternheit, als wäre diese mit Gold gedeckt, auf den Meister herunter. »Was?« In seinen Augen glitzerte so viel Resignation, so viel Verzweiflung, dass der Stürmer sich ordentlich dafür schämte, ihn mit seinen selbstbezüglichen Angelegenheiten zu stören. »Sorry.« Und fügte dann, damit der scharfsichtige Torhüter es auch verstand, an: »Es wurden mir Avancen gemacht. «  
  Das Finale ging mit einem dreifachen - überhasteten - schiedsrichterlichen Pfiff zu Ende. Irgendjemand hatte gewonnen. Ein beträchtlicher Anteil Zuschauer machte sich auf den Weg nach Hause, oder, wenn auch nicht nach Hause, jedenfalls weg von der Sportstätte. Sie standen auf dem Platz; der Gegner schoss sich ein, sprintete, änderte die Richtung: ließ die Muskeln spielen.  
  Und was taten unsere guten Bekannten? Sie standen an der Strafraumgrenze herum, mancher innen, mancher außen, mancher auf der Linie, wie das bei solchen Klassifizierungen der Fall zu sein pflegt, sie standen auf dem Platz, dem Spielfeld, beieinander, bohrten mit dem Schuh in der Erde oder schlugen mit dessen Spitze auf diese ein, mancher vor sich hin starrend, mancher irgendwo nach vorne, wie zuvor. Hoho, nur dass die Lage nun eine andere war!!! Denn draußen ist eine Sache, und drinnen eine andere! Draußen ist so ein Herumglotzen vertretbar, wenn es noch so jämmerlich ist. (Wie wir wissen: das war es.) Aber was wird jetzt, hier! Es sah nicht danach aus, als ob sich die Lage bessern würde. (Hängen nicht begnadigen etc.) Der Meister war eins wie das andere. Er sah das herannahende Unheil, wie sollte er es auch nicht sehen; doch einen Balsam für das Beschwer fand er nicht. »Wissen Sie, mein Freund, philosophisch ist die Sache so, dass man uns die Möglichkeiten eines romantischen Verhaltens vor der Nase weggeschossen hat.« Ei, ei, ei. Ich könnte fragen, wäre ich in einer entsprechenden Lage, wer sie denn weggeschossen habe, wann und warum, und überhaupt, ist es die romantische Verhaltensweise, welche uns am ehesten fehlt? Doch ich kann das nicht fragen, denn wie passt das zusammen.  
  Esterházy liebt diesen Moment sehr, wenn sie auf das Spielfeld spazieren, quasi jeder aus einer anderen Richtung, ihre Hände sind hinter ihnen verschränkt oder schweben ungeschickt an ihrer Seite wie eine schlecht gebundene Krawatte, und sie wirken so verloren, so ungeschickt, dass der Zuschauer unmöglich ein mit Mitgefühl und Ungehaltensein vermischtes Oh unterdrücken kann.  
  »Oh.«  
  Wie die Musikclowns, die eine Weile zulassen, dass das Publikum johlt, wenn sie sich mit einem geschickten Chasseeschritt selbst ein Bein stellen und indigniert ins Sägemehl plumpsen; eine Weile. Doch dann ziehen sie aus der Tasche ihrer Pepitapumphose ein Instrument und beginnen zu spielen, damit in jedermanns Augen die Tränen steigen, und die Kinder kriegen was auf die Nuss, wenn sie auch nur einen Laut von sich geben. Sie liebten diese billige Nummer sehr, natürlich sahen sie genau, dass sie es viel zu sehr »verstehen«, Fußball zu spielen, als dass sie zerrissene Leibchen und scheinbar zwei linke Füße hätten. Doch seitdem die Welt Welt ist, ist ihr Leibchen zerrissen und ihre Füße sind scheinbar zwei linke. Offensichtlich stellt sich die Frage so herum, ob denn die Welt die Welt sei?! Doch die jetzige Situation war noch erbärmlicher.  
  Erbärmlich versuchte er, etwas zu bewegen, und, wie lehrreich, gerade aus dieser Armseligkeit heraus erwuchs die Lösung. Denn es gab eine Lösung, wunderschön. Um auf das unvermeidbare Ereignis einzustimmen (»Ach, ist doch nur ein Spiel«), sagte er bekannterweise: »Was erzählt man sich so? Verteidigen wir oder greifen wir an?« Doch als spräche er zu Puppen: herumbohren, gucken, als ob sie noch ... nach innen, nach außen.  
  Da erbarmte sich ihrer einer und brachte den Ball ins Rollen, welchen die fürsorglichen Veranstalter zur Verfügung gestellt hatten; doch sie nahmen ihn nicht an; dort ruhte er zwischen ihnen, tot wie eine rostige Kegelkugel. Kein Anblick kann niederschmetternder sein, als wenn der Ball... Doch nun setzte er sich in Bewegung. Der gute Rechte Außenverteidiger ließ ihn fahrlässig weiterdrieseln, und geradewegs zum Meister. Und nun sagte er, wie ein langsam werdendes Grammophon, mit tiefen Klangeffekten: »Wiae graoafen oan!« Kann man sich eine Vorstellung davon machen? Als würde er auf 33 statt auf 45 laufen.  
  Und wie eine farbige Coca-Cola-Reklame setzte er sich schwungvoll in Bewegung! Dieser Schmetterling, dieser Schmetterling! Seine Muskeln waren locker wie bei einem Papillon, und er schwang sich - wie er es versprochen hatte - zu einem Angriff auf; er schmiedete einen. Er schob den Ball an, und wie er selbst ansprang, klappten seine Flügel aus, langsam, feierlich, hoch, hoch zum Himmel, wo nur Gott ist und die Engel (sind). Seine langsame Pantomime brachte von diesem Himmel ein Stückchen herunter ... Er führte den Ball mit diesen großen, verschlafenen Bewegungen auf Herrn Icsi zu und sprach, passend zur langsamen Bewegung in der soeben geschilderten Manier: »Iöcsiölaein, Toarchance.« Der Torwart drehte sich um. Die beiden Freunde standen sich gegenüber! Eine haarfeine Situation. Hätte der Meister jetzt ein Alter Ego gehabt, hätte sich dieses vor dem Torwart auf den Boden geworfen: »Täubchen. Pass auf. Hilf mir. Alleine schaff ich’s nicht, alleine schaffe ich nichts.« Doch der kluge Junge verstand/ spürte auch ohne Alter Ego, was er zu tun hatte, er schnitt eine verzweifelte Grimasse und fiel langsam, wie die Schornsteine, um, in die andere Richtung, nicht in die, in die der Meister vorbeizog (»er hatte den Trick gefressen«), er drehte sich um, und von vorn.  
  Der verlangsamte Film lief. Da warf sich, als bedeutendes Novum, der Rechte Außenverteidiger mit beiden Beinen - gerade noch an der Grenze zu dem, was, bezogen auf die selbst auferlegte Langsamkeit, als angemessen gelten konnte - hinein, beziehungsweise ließ sich hineinfallen. Und nach der Reihe die anderen: der Zweite Halbstürmer, der Libero, der Rechtsaußen und so weiter; und so weiter; und als Letzter Herr Csucsu, der sehr präzise war im Erleben der Seinsentleerung (deswegen seine letzte Platzierung). Nun behexte er mit seinen langen, violent gesagt: Stelzenbeinen, wie eine riesige, hochgescheite Kreuzspinne den Ball, wälzte ihn, ließ ihn beinahe gehen, um ihn dann zu drehen, zu wirbeln und zu zwirbeln, ihn zu »nudeln«, und der Meister und die anderen fielen bereitwillig hin und her wie das sturmgeschlagene Getreide. Die Zuschauer sahen die Szene, welche auch als Zirkusnummer gut gewesen wäre, mit Wohlgefallen, und als das schiedsrichterliche Pfeifzeichen ertönte, spendeten sie Applaus. (Der Rest.) Davon konnte zwar der eine oder der andere unserer Helden eine schlechtere Laune bekommen, aber aus dem Schwung - welcher jetzt, so was auch!, die Schwunglosigkeit war - kamen sie nicht heraus; so sehr, dass der Meister in Erfüllung seiner Pflichten als Mannschaftskapitän die Hand mit der beschriebenen Langsamkeit zum Handschlag reichte, so dass der Schiedsrichter, der aus der Routine heraus die räumliche Position der sich in Bewegung setzenden Hand ausgerechnet haben mag, beim ersten Versuch in die Luft griff. »Drückte die Luft.« Einer der Linienrichter brach in Lachen aus; der Meister erschrak, er könnte den Schiedsrichter gegen sich gestimmt haben; dieser war jedoch vom Intermezzo so verwirrt, dass der schelmische Meister leichtes Spiel hatte, die Zweiforintmünze zu stibitzen, die über das Recht zu beginnen entschied. »Blödmann«, sagte Herr Csucsu mit einer dem Meister unverständlichen Heftigkeit.  
  Natürlich gibt es das Heppiend nicht umsonst, und man kann einen fachlichen Fauxpas, wie das Fehlen einer Aufwärmphase, nicht wettmachen. »Sie sind ziemlich laff«, warf der Meister im Vorbeilaufen Herrn Csucsu zu. Die Pikanterie der Sache war, dass der Gegner innerhalb der ersten zehn Minuten mit 3:0 vorne lag. Aber wirklich nervös war keiner. Das war eine Weile gut, weil es ein berechtigtes Selbstbewusstsein widerspiegelte, und nach einer weiteren (derselben!) Weile war es nicht mehr gut, weil es in Unachtsamkeit ausartete. »Man muss ranklotzen!« Um es mit Herrn Armands genauer Definition zu sagen, und das fehlte. Dann aber machte der Meister brüllend eine Bemerkung - ich nehme, entgegen meiner bisherigen Gewohnheit, Abstand davon, sie wortwörtlich zu zitieren. Die Bemerkung war kritischen Inhalts; bezüglich des Themas ging es um das schludrige Zusammenspiel; in der Lösung blitzten, als eine Art surrealistischer Funken, auch die Eltern des Rechten Außenverteidigers auf, in einer negativen Rolle. »Ich habe einen Fehler gemacht. So etwas darf man nur jemandem sagen, den man gern hat.« Es war eine ernsthafte Version. Der Rechte Außenverteidiger nahm die Aufforderung nicht wie ein abgeklärter, sich in verantwortungsvoller Position befindlicher Jemand auf. In seiner kurzen Replik spielte der Meister die Rolle dessen, der geschickt wird. Er bat mit schnellen Worten um Verzeihung (»Mehr noch, meine verehrte Frau Mutter!«), der Rechte Außenverteidiger verzieh. Darauf folgend boten sie ihre Kräfte zur Erbauung der Mannschaft dar. - So weit die humoristische Seite der Geschichte.  
  Sie haben gewonnen. Man hängte ihnen die Bronzemedaille um; sie hing an einem langen, rot-weiß-grünen Band. Sie wurden beklatscht, Herr Csucsu wurde Torschützenkönig, so dass das Fiasko gar nicht mehr wie ein Fiasko aussah.  
  Doch dann wurde es dunkel (der Tag war vorbei). Herr Csucsu und der Meister fielen in irgendeiner hohlen Gasse von den anderen ab. Eine große Schwärze herrschte, mit pilzgleich sich vermehrenden neuen Häusern im Hintergrund. Herr Csucsu brach das Schweigen: »Ich, was mich anbelangt, stimme heute für uns selbst.« Der Meister brach es nicht. »Obwohl wir normalerweise ziemliche Luschen sind«, sagte der andere Stürmer noch, während sein schönes Gesicht in den pendelnden, verrutschenden Lichtkreis einer schäbigen Lampe geriet. Wie eine Glorie ... »Das stimmt«, stimmte der Meister ihm nachsinnend zu. Sie kamen an die riesenhaften Gebäudekolosse heran. »Grässlich«, sagte Herr Csucsu mäkelig, was allerdings typisch für ihn war. Der Meister hub stürmisch zu blinzeln an. Er zielte auf die Wohnungen in den unteren Etagen ab. »Ist wirklich nicht gerade ... Aber das ist schon beruhigend, dass man in ein paar Wohnungen so gut hineinsehen kann.« Er lachte. Herr Csucsu ging erneut im Dunkeln auf. In einer der beobachteten Wohnungen saß eine Familie beim Abendessen. Der Vater und der hochgeschossene Halbwüchsige saßen, die Mutter brachte eine große Schüssel herein. »Eine Art Újházi-Hühnersuppenschüssel... « Eine blonde Frau. Hinter ihr trat eine genau solche ein. Aber wirklich ganz genau. Der Mann sprang auf. Er sagte etwas, wütend oder aufgeregt. Mutter stellte die Suppe hin. Die andere Frau lächelte den Halbwüchsigen an, (woraufhin) dieser lustlos die Vorhänge zuzog. »Voilä«, sagte der Meister und verbeugte sich erschöpft.  
 
 
  6 Eines Vormittags ritt der Meister zu Herrn Banga hinüber, dem geschickten Illustrator (siehe Zeichnung auf S. 187). Auf der Straße König Lajos’ des Großen wurde der Meister durch schwindelerregenden Verkehr am Erreichen seines Ziels behindert, aber schließlich und endlich erreichte er dieses: Herrn Banga. In irgendeiner Druckereiangelegenheit kamen sie mit Ach und Krach über Ort. Der Meister sagte zu Herrn Banga, lass uns in die Richtung des geringeren Widerstandes vorstoßen. Herr Banga nahm an, der Meister beliebe zu scherzen, und antwortete, sie (beide) sollten ihr Talent gegen Kleingeld tauschen. Der Meister tat so, als würde er annehmen, Herr Banga beliebe zu scherzen, und sagte traurig: »Was ist die Einheit?« (Das Bischofsviolett kam dem Meister wie eine Vision. »Soll der Umschlag doch bischofsviolett sein«, sagte er mit pyrrhushafter Einfachheit, um anschließend kaum hinterherzukommen, als sie mit Herrn Banga den Mutterboden der Erinnerungen aushoben; sich dabei hauptsächlich auf die Messdienerei bei Begräbnissen konzentrierend - »nicht selten einen Zwanziger!« —, um die Farben wachzurufen. Bis er schließlich dahinterkam, dass das sicher kein Bischof gewesen ist auf dem Friedhof. »Du Banga.« - Jedenfalls haben sie sich damit nicht gerade ins Herz der Herstellungsexperten gestohlen. »Später glätteten sich die Wogen.«)  
  Er schlürfte einen der berühmten Kaffees des Herrn Banga und zollte dabei den zu einem bildenden Kunstwerk verstärkten Zitronen Anerkennung, welche von Herrn Bangas Frau während ihrer Niederkunft verzehrt worden waren (Vitamin C!), und welche »schön waren und tragisch wie von Kindlein gemarterte Frauenbrüste«, im Vorbeigehen warf er einen kurzen Blick auf einen aus Unterschenkelknochen zusammengestellten Lüster (»Scherz«), um anschließend: schwupptiliwupp, flugs wieder neben seinem treuen Rappen zu stehen. Im Pferd - denn der Rappe war eins! - dürfen wir der hervorragenden Orlow sehen Rasse Respekt zollen, einem prächtigen Tier von gutem Stand. Die Farbe ist charakteristisch grau; die schmalen Hüften, die starke Brust, die kräftigen Knochen fallen einem geübten Auge sofort ins Auge. Selbst wenn es nur Heu frisst (das Pferd), bleibt es gut bei Kräften, es ist ein guter Futterverwerter und eignet sich nicht nur für Pferderennen, sondern auch zur Lastenbeförderung.  
  Deswegen mochte er diese Sorte Pferd so gern.  
  Hinter dem Pferd zeigte ein dampfender Haufen das Vergehen der Zeit an. Jemand (ein Passant) machte auch eine Bemerkung darüber. Der Meister schwang sich wortlos in den Sattel und galoppierte mit geradem Rücken davon. (Wie oft hat er schon jenen gewissen Krampf im Magen verspürt, wenn er, aus dem Tor des Instituts tretend, wo er ein Intellektueller mit sicherer Stellung ist, für 2700 im Monat, eine Motorhaube sah, welche quasi eingesackt war unter »der süßen Last«, und wenn es auch noch regnet: rinnt das Etwas in gelben Streifen über die leicht abschüssige Fläche, der Haufen selbst ist schon zu Brei aufgeweicht, einige Stücke haben sich vom Ursprung gelöst und treiben nun abwärts; das unverschämt »glückliche« Gesicht des im Hintergrund wiehernden Pferdes - und wenn jetzt ein gelippenstifteter Jemand zu ihm tritt und sagt: »Kommen Sie, Péter. Ich habe einen Regenschirm. Sie dürfen ihn bis zum Marx Platz halten«, macht sich dieser Jemand nach einem Blick in sein Gesicht erschrocken aus dem Staub!)  
  Als er zur Brücke kam, hatte er ein Problem. Denn auf eine Brücke kommend bedeutet es immer ein Problem, in welche Spur man, das heißt der Meister, sich einreihen sollte. Denn es stimmt zwar, dass die äußere am Ende schneller ist, ebenso wie die innere am Anfang schneller ist, aber wo beginnt - Tag für Tag - der Anfang vom Ende und wo endet das Ende vom Anfang; und wenn das Ende vom Anfang der inneren zu Ende ist, bedeutet das, dass der Anfang des Endes der äußeren dort beginnt, ist es nicht eher so, dass dort, im Scherz gesprochen, der Anfang der Mitte ist, wo schon seit Ewigkeiten ein verlängerter Bus auf der Stelle tritt, oder nicht. Keine einfache Sache, so etwas.  
  Der Meister entschied sich wegen des Heppiends für die äußere Spur. »In solchen Momenten ist es bedauerlich, mein Freund, dass keine Fliege in der Nähe ist - auf dem Steiß des Pferdes oder anderswo ich könnte eine Fliege mit einer Klappe schlagen.« Oftmals hatte er mit seiner Kunst des Fliegenfangens geprahlt, welche er sich mit Kindesbeinen, während eines Aufenthaltes auf dem Dorfe, angeeignet hatte. Bei einer Gelegenheit erzählte er der englischen Königin mit großem Behagen und farbig, wie er bei einer anderen Gelegenheit 54 Stück Fliegen gefangen habe. »Wissen Sie, Mädschestie«, sagte Esterházy zur Königin; über etliche Ecken waren sie sogar miteinander verwandt, »wissen Sie, man muss sich zwei Sachen merken. Die eine ist, dass man nicht zuschlagen darf.« Die Königin starrte ihn ungläubig an. »Draufhaun. Auf keinen Fall. Das Ganze wäre keinen Pfifferling wert, Majestät, da allein schon die von der Handfläche erzeugte Luftbewegung die Fliege davonträgt; sie fliegt davon. So wird«, und hier verhärteten sich die Züge des Meisters, »der Eroberer zum Befreier seines eigenen Opfers.« Die Königin nickte gnädig, den Spruch auf diese Weise goutierend. »Und das Ganze steht im Verhältnis zur Fläche, also ist es hoffnungslos. Die Fliege muss man mit einer sanften Bewegung aus dem Handgelenk fangen, als würde man nur so nebenbei in ihre Richtung abwinken. Komm, Freund Fliege, komm.« Die Königin schaute den Meister an. »Khamm, Fraind Flieg, khamm?« - »Genau, genau«, er schlug sich mit großer Freude in die Hände. »Du solltest auch lieber üben«, sagte Elizabeth rotwangig zum Thronfolger, »anstatt hier herumzuschmocken!« - er schmockte nämlich herum.  
  Auf der Brücke wurde er, ungewohnt rücksichtsvoll, von einem schwarzen Mercedes überholt. Der Meister hielt mit einer Hand die Zügel, mit der anderen versuchte er, seine auf der Sattelnarbe schlecht befestigte Aktentasche zu beruhigen. Ihm war, als säße János Kádár im Auto. Mit seinen klingenden Sporen spornte er seinen Orlow’schen Wunderrappen an und tat, aufgeschlossen, so, als würde er das aus seiner Tasche tatsächlich gefährlich herausklaffende Sexmagazin richten wollen (Die geschickten Hände der Hongkonger leichten Mädchen; Wie kann man den sexuellen Appetit der Gattin anregen? Lust bei Lampenschein; Mädchen mit kleinen Macken; Achtzigprozentiger Orgasmusmangel), also beugte er sich vor, einzelne Haare aus der Mähne kitzelten sein Gesicht; er sah ins Auto hinein, aber dort saß nicht János Kádár. Der Meister verspürte keine Traurigkeit, dafür gab es schließlich auch keinen Grund.  
 
 
  7 Mein lieber Péter!  
  Vielen herzlichen Dank, dass Sie neulich so herzlich meiner gedachten. Es ist sehr freundlich von Ihnen, Péter, sich meiner zu erinnern. Noch nie wurde mein Geburtstag in so einem feierlichen Rahmen gefeiert wie dieser 75ste. Der Singkreis verband es mit einem netten Oster-Freuden-Fest. Die mit Blumen und Kerzen aufgemachten Tische waren voller Getränke und Kuchen. Der Singkreis sang mir zu Ehren meine Lieblingsweise und danach haben sie mir einzeln gratuliert - manche mit Umarmung - und mich geküsst. Ich habe eine Extraflasche Sekt bekommen, mit einer Gratulation an den Hals gesteckt, und einen großen Strauß Blumen! Ich wurde fotografiert. Der Staatssekretär aus dem Ministerium, der Komitatsobergespan (Landrat) und der ortsansässige Bürgermeister haben extra gratuliert. Ich hätte mir gewünscht, meine Familie hätte das gesehen, sie hätte viel daraus lernen können. Aber ich bin nun einmal allein, höchstens Sie habe ich noch, lieber Péter.  
  Aber nicht einmal Sie habe ich. - Unmengen Gäste. Dieser Rubinstein hat versprochen, am Abend herüberzukommen und Rachmaninow zu spielen. Aber er spielte Chopin-Etüden und ich muss sagen: falsch. Außerdem aß er meine sämtlichen Sandwiches auf. Ein Glück, dass reichlich da war, Sie können es sich vorstellen, lieber Péter. Ja, sehen Sie, sehen Sie, je älter ich werde, desto boshafter werde ich. Die Güte und die Ungeduld schleifen sich von mir ab, eine immer dünnere Greisin werde ich.  
  Übermitteln Sie meine Grüße an Ihren lieben Herrn Vater. Er könnte mir auch einmal schreiben, nicht nur die gute Mama.  
  Es umarmt Sie vielmals  
  Ihre greise Jolánka  
  PS: Ich schicke Ihnen diesen interessanten Stammbaum. Der »liebe Verwandte« hat jetzt Ärger wegen den vielen Streikern. Übrigens war euer (oder unser?, sehen Sie, sehen Sie ...) großer Dichter zum Mittagessen hier. Er kam in einem Sakko mit Esterházy-Karo und einem mohnblumenroten Schlips. Vielleicht um mich zu ärgern? Oder dachte er, das ist revolutionär? Macht gute Konversation.  
  J.  
 
 
  8 Lieber Péter!  
  Danke für Ihren amüsanten Bericht über die Fottball Gaudi - ich sage jetzt nicht: Weiter so! Ich habe mich prächtig darüber amüsiert. Es gibt hier einen Apponyi, der ist sehr stolz auf seinen 18-Ender. Nutrias gibt es keine mehr, sie sind entkommen; aber es gibt mehrere Wildenten, die in den Teichen umherschwimmen. Den Hund Ágon gibt es noch, er ist furchtbar dick und bellt gerne.  
  Schreiben Sie mir, ob ich Estragon schicken soll. Und soll ich ihn trocknen oder frisch? Weil nämlich Ihre liebe Mama ihn immer eingesalzen hat und ich getrocknet. -  
  Aber nun, liebster Péter, umarme ich Sie von Herzen und warte auf Nachrichten von Ihnen.  
  Grüße vielmals Ihre werte Familie.  
  Jolánka.  
  PS: Bitte, achten Sie auf die Adressierung. Nicht 1010, sondern 1100, 2/III, und nicht 2/IV. Ich schicke Ihnen dieses Schreiben.  
  Notiz für über den Schreibtisch  
  Achten Sie auf die richtige Postleitzahl!  
  Sie erleichtern damit die Arbeit des Postzustellers!  
  Durch falsche Adressierung geht Ihre Sendung  
  verloren!  
  Das ist weltweit so.  
 
 
  9 »Machen Sie sich keine Sorgen, mon ami, was Sie da haben, ist grammatischer Charme, und gut. Und überhaupt: Wieso ducken Sie sich immer hinter die Dinge?! Wissen Sie, Kätzchen, das Höchste wäre: zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist ... Nichts müssen wir hinter den Erscheinungen suchen; diese sind die Lehre an sich. Drücken Sie sich also nicht herum.«  
 
 
  10 »Wissen Sie, mein Freund, die ganze Frühjahrssaison war heuer so lasch. Lockerlax. Mal haben wir gewonnen, mal verloren.« Ja: die Tatsachen wurden herabgesetzt; nach einer Niederlage entstand kurze Trauer, nach einem Sieg ebensolche Freude. »Wissen Sie, mein Freund, das ist ja noch in Ordnung. Nur der Kloß im Hals, der fehlt...« (Ich erinnere mich gut an den Tag - jenen schmählichen Tag, der daraus wurde -, als er vor dem Spiel am Geländer lehnte, die Zuschauer versammelten sich schon, die »B« spielte, und man rief ihm von hier und da zu: »Peti, mein Lieber, werdet ihr gewinnen?« - »Dazu darf ich mich nicht äußern«, antwortete er scherzhaft und unaufmerksam; jeder vertraute jedem; als er in das Gesicht des neben ihm herumlungernden, das kalte Eisenrohr umklammernden Herrn Csucsu blickte, sah er dort dieselbe Anspannung wie in seinem und sagte: »Csucsu, mein Lieber, sag, drückt dich hier dasselbe wie mich?!«, und er zeigte irgendwohin zwischen Herz und Magengrube. Herr Csucsu lachte ein wenig. Ein wenig.)  
  Die Sache war die, dass die Sonne bereits warm herniederschien, das Licht schlug einem ins Gesicht wie ein Handtuch (»Na, mon ami, darüber könnte man jetzt aber reden, über die Handtücher, über wasserdichte und keine Hand breite kleine Stoffe.« - »Imprägniert«, sagte der Libero mit schwergängiger Zunge), es wehten keine Winde, aber der Luftstrom war kühl, lebhaft, frisch: man konnte ranklotzen. Der Beobachter mochte sich fragen: wozu eigentlich. Können weder absteigen noch auf-. »Tüchtig seids«, sagten die Schlachtenbummler so nebenbei und fragten der eine den anderen: »Hamse Körner, Kollege? « - »Nur Fruchtgummi.« - »Her damit. Hauptsache, kein Karamell, das bleibt einem ja völlig in den Zähnen kleben.«  
  Obwohl der Meister keinen Kloß im Hals hatte, stürzte er sich dennoch mit großer Lust ins Getümmel. »An die Arbeit«, wie er sagt; um anzuzeigen ... - obwohl er sich über die gesellschaftliche Nützlichkeit seiner Nichtfußball-Tätigkeit offensichtlich im Klaren ist. »Wir brauchen kein bengalisches Feuer, Kumpel. Stattdessen: wissen Sie, mein Freund, das sind so typisch unentschiedene Spiele. Die kann man leicht gewinnen oder verlieren.« Aber die wimmelnde Abwesenheit eines Einsatzes hat ihn nie zu Anspruchslosigkeit verleitet; oder wenn doch - denn wer weiß, was in den dunklen Privatgewinden von Herz und Seele vor sich geht –: er widerstand.  
  Die Sonne also schien, der Wind wehte also nicht. Als er aus der HÉV, der Regionalbahn, stieg - auf die umständliche, zuvorkommende Art, die so nervtötend für andere ist; »und wissen Sie, mein Freund, wenn ich der andere bin, dann genauso« -, senkte er den Kopf und eilte, sich im so entstandenen engen Sichtkreis gut zurechtfindend - was für ein grotesker Scherz das doch ist, wo seine Allgemeingültigkeit bezüglich der Dinge der Welt doch bekannt ist! -, geradewegs aufs Spielfeld, zum Training. (Was bedeutete das Sichzurechtfinden in einem engen Sichtkreis? Es bedeutete die Unebenheiten des Bodens, die bekannten Erdhügel, Höcker, Pfützen, (ein)getrocknete Sohlenabdrücke, besonders Riffel, es bedeutete Bäume, die Zettel darauf, einen für einen Augenblick aufblitzenden weiteren Horizont, wenn er den Blick hob, es bedeutete Stimmen, eine Schule, einen Kindergarten, einen kreischenden Pummel, sofort darauf die hysterische Mami und den ruhig und ehemannartig aussehenden Mann mit der Feile. Undsoweiter. »Die täppische Geometrie, mein Freund, im Augenwinkel des Menschen. Zweitrangig, aber dafür ewig.« Der Meister ist ein guter Patriot.)  
  Hat Esterházy seinen Kopf aus Selbstzweck gesenkt? Aber wo. Aus rein praktischen Gründen. Aber ich will nicht geheimniskrämerisch sein: die geringfügige Kurzsichtigkeit des Meisters öffnete die Schleusen für zahlreiche vorübergehende Ärgernisse. Ein frei umherschweifender Blick könnte von einer in der Ferne hinaufschwingenden Hand sodann nur schwerlich feststellen, ob das - das Hinaufschwingen - wohl ein Gruß sei, und wenn ja, an wen. Der Weg von der Haltestelle bis zum Platz war ein Teil der Welt, wo die Gefahr bestand; nach einem Sieg, einer Niederlage oder einem Unentschieden geht das eine oder andere Gartentor auf und da steht einer - für den Meister - wie ein Renoir-Gemälde, und er weiß nicht, woran er sich halten soll. Der Unbekannte könnte ein Verehrer sein oder aber Herr Pék höchstpersönlich, der ausdauerndste aller Stammfans (»Die Pék-Kurve, Alter! Haben Sie noch nie davon gehört? Die Pék-Kurve?«), der zu jedem Spiel kommt (man muss ihn öfters auch vom Spielfeld entfernen lassen; in solchen Fällen sind die Spieler, auch der Meister, sauer auf ihn), vor schwierigen Aufeinandertreffen verspricht er eine Bierprämie, an die man ihn dann, taktvoll, erinnern muss, worauf der Alte schmunzelnd ausweicht und nach dem Motto »doppelt oder gar nicht« auf das nächste schicksalsentscheidende Spiel verweist; es könnte auch der gute Herr Holubka sein, der den Meister nach einer aufsehenerregenden oder aufsehenerregend genannten Fußballerdarstellung über lange Zeit mit Gratis-Kürbiskernen versorgte, doch später, als die Sportkarrieren der Herren György sowie später Marci (ebenfalls echte Esterházys) einen Lauf bekamen, ging das Knabber-Recht auf die Brüder über, und obwohl diese beiden teilweise aus Gutherzigkeit, teilweise, weil die Körner bitter waren, nicht zögerten, ihm etwas vom Abgestaubten abzugeben, war der Geschmack derselben nun doch ein anderer (jenseits der gemeinsamen - Vergangenheit und Gegenwart ineinander neigenden - Bitterkeit) - es kann also wer auch immer sein, der den Meister durch so eine ferne Geste seiner Sym- oder Antipathie versichert, er, der Ärmste, blinzelt nur bedeppert... Bitte um Verzeihung.  
  Aber diesmal hatte er Glück. Sobald er an die Ecke kam, ging dort die ganze Sturmlinie neben ihm einher! Wortwörtlich. Die Ecke ist natürlich nicht dafür bekannt. Hier verkaufte die alte Frau Benjamin Malatinszky die Kürbis- und Sonnenblumenkerne, ob es stürmte oder schneite. Der kleine feuerschwarze Rechtsaußen spuckte aus. »Kinder, Kinder!« Seine Stimme schlotterte aufgeregt. (»Wie oft, gütiger Himmel, wie oft schon!«) »Kinder, das kann nicht sein. Benjamin ist ein Männername.« Herr Csucsu hub sein Gesicht gen Himmel und lachte charakteristisch auf (was man annähernd so beschreiben könnte: hi, hi, hi; aber der Witz ist, dass die Luft dabei rein und nicht raus!), von welchem Lächeln man nie wissen konnte, worauf es sich bezog; was man wissen konnte, war, dass in der Seele des Stürmers etwas auf etwas ansprang, auf etwas, das alle sehen konnten, und diese neue Sache war unwiderstehlich amüsant. »Wissen Sie, mein Freund, das ist ein nachdenklich machendes, mehr noch ersprießlich nervendes Lachen.« Und Herr Csucsu sprach also: »Eine ernsthafte Version.«  
  Der Beste Ersatzmann schüttelte skeptisch seine krausen Locken. Die letzten Zeiten hatten ihn zu einem stattlichen Mannsbild gemacht, »sein Gürtel kehrte in einem größeren Bogen zu sich selbst zurück«; er hat seinen Frieden mit der Welt geschlossen — und das brachte nicht nur mit sich, dass er an Gewicht zulegte, sondern auch dass er seine Rolle als Intrigant aufgab. Der Meister nahm interessiert diese negativen und positiven Veränderungen wahr. »Seine Frau ist schön.« (Unter uns gesagt: Wessen Frau ist nicht schön. »Na, sowas gibt’s schon! Die wie ein Frosch, so einen Blick hat sie.« - ???) Die alten Zeiten! Als der Trainer des betreffenden Gegners noch extra auf ihn aufmerksam machte. »Der Krause, da. Schnell, hart, dribbelt gut. Du wirst ihn decken, Knochenmann.« - »Der Betreffende wälzt sich dann, das brauche ich gar nicht zu sagen, mein Freund, am Samstagabend schlaflos im Bett, neben ihm seine dürre Frau, springt auf, schaut durchs Fenster. Ein Fenster in der Neubausiedlung. Sie haben sie abgerissen und das bekamen sie als Tausch, plus 60 Tausend, wofür er sich einen Moskwitsch gekauft hat, aber im Wesentlichen hat man sie übers Ohr gehauen und das Geld ist weg. Er schaut aus dem Fenster. Unten hämmern Besoffene auf die Deckel der Mülltonnen. Er bereitet sich sportlich vor. Er ist der Back, der den (jetzigen) Besten Ersatzmann decken wird. Man kann nicht behaupten, dass seine Lebensführung so sei (man muss die in seinem Gesicht strudelnden Erhebungen und Absenkungen sehen), aber am Samstag bereitet er sich vor. Was machst du, fragt schlaftrunken die dünne kleine Gattin. Guter Gott, denkt der gewissenhafte Verteidiger, dass man die nie und nirgends so richtig anpacken kann. Man kann sich nie an ihr festhalten. — Vor seinen inneren Augen, mon ami, ziehen die bisherigen Frauen vorbei. Aber die farbenfroh geplante Parade, vorne die blonde Trafikerin, ganz hinten die sehr dicke, aber dennoch harte Küchenmaid, dient ihm nicht zur Freude. Wieder und wieder schlängelt sich zwischen die Frauen der Beste Ersatzmann, bringt mit einer Körpertäuschung die Trafikerin zu Fall, da liegt sie auf der Erde, ihr Haar ausgebreitet, schleiergleich wie ein alter Fächer, die staubig-ölige Straße scheint hindurch, mehr noch, das Haar presst sich in den Weg, saugt sich voll mit Öl; sie lacht, der Beste Ersatzmann bremst, gibt dem Ball einen lockeren Drall, wie das nur ... ähm ... wenige können, der Ball kullert zwischen die Brüste der kichernden Trafikerin, der Beste Ersatzmann stellt seinen Fuß auf den Ball, auch er lacht. Was ist, Knochenmann. Du bist alt. Der Verteidiger rührt sich nicht, und der Stürmer prescht bereits, den Schenkel des Küchenfräuleins streifend, voran, als er endlich zu sich kommt und verzweifelt zu winken beginnt. Abseits! Meterlanges Abseits! Soll er doch endlich pfeifen. Er sagt vor dem Fenster: der Kanarienvogel. Die Frau stützt sich im Bett auf die Ellbogen. Leg dich hin oder geh mit deinen verdammten Kumpels, aber steh da verdammt nochmal nicht herum. Kusch.« Das hat er sich nur so virtuos ausgedacht. Aber es ist wunderschön. (Was mich, das heißt die Tatsachen und Daten anbelangt - das kommt schon noch im Zusammenhang mit dem Meister und dem erwähnten Verteidiger. »Mein Freund: die Nüchternheit der Daten: lächerlich. Daten, das kann ich wissen, schließlich verdiene ich mein Brot damit, Daten: sind etwas, womit wir etwas erledigen wollen im Interesse eines von uns bestimmten Ziels. Organisationsverfahren III—IV. INFTECH 1972. Da haben Sie’s. Piff, puff; er stolpert zwar, doch fällt er nicht.«)  
  Heutzutage kann der genannte Verteidigerspieler ruhig schlafen, der Beste Ersatzmann fristet das bittere Los aller Ersatzleute, wie es sich gehört. »Bravo, mon ami, bei Ihnen erhalten die Worte ihren gerechten Lohn.« Er ließ seinen Dichter-Spazierstock geschwind wie der Wind herumwirbeln. »Ich erzähle Ihnen einen Vorfall, welcher lehrreich ist. Meine zweijährige Tochter sagte zu allem: blöd. Zum Beispiel: Papali ist blöd. Da sagte ich zu ihr: Nicht blöd, sondern eine Taube. Damit sie nicht das sagt, sondern dies. Hier kam es zu einer komödiantischen Wendung, es lohnt sich nicht, viel Zeit damit zu vergeuden. Papali ist nicht blöd, sondern eine Taube. Was das Vorkommen von blöd nicht verringerte. Da sagte ich zu ihr, mehr noch, nicht einmal eine Taube, sondern goldig, und rieb die Hände aneinander. Ich wartete stolz. Papali ist goldig, sagte meine Tochter; und das Lächeln gefror mir im Gesicht. Weil ich ihr ansah, am Zucken ihres Mundes, daran, dass sie etwas Angst hatte - Papali, muss nicht Dóra haun, nein, nein! —, ich sah, dass goldig so viel heißt wie: blöd. Wie das zu erwarten war. Also habe ich mir Einhalt geboten, blöd wurde wieder blöd und so weiter. So höre ich heute bereits mit relativer Freude: Papali ist blöd, und hebe, nach einem kurzen Zögern, währenddessen ich über die Behauptung meiner Tochter nachdenke, an, mich unter Aufbietung all meiner Kräfte zu verteidigen. Kasimir Mitovics, sage ich also zu ihr, ich bin nicht blöd. Nein, nein, nein.« Eine gute kleine Geschichte. Und der Verteidiger kann ruhig schlafen, es sei denn, er ist inzwischen auch zum Ersatzmann geworden.  
  Aber es gibt schon zu viele »Esseidenns« ... Eine vielfache (»das heißt einfache! Das reicht, hoho, und ob das reicht«) Tatsache stellt das unsichere Herumstehen vor Tante Benjamin Malatinszkys Bude dar. Der ganze Sturm stand da! Nebeneinander, in einer Reihe, wie zum Anstoß. Der Rechtsaußen, der Meister, Herr Csucsu, der Zweite Halbstürmer, die Grasmücke; und: der Verletzte Linksaußen (eine ekelhafte kleine Ratte mit seinem kleinen blonden Bart, seinen dränierten Knien und seinem genialen Ballgefühl, alle freuten sich, dass er der Verletzte Linksaußen war; »Ach, iwo, schöngeistiges Gerede; man vermisste ihn«) und der Beste Ersatzmann, einen Fuß auf einen Meilenstein gestützt, die Stoffhose hochgekrempelt, darunter krochen die Krampfadern wie die Würmer nach einem goldenen Mairegen hervor, furchterregend. »Diese Krampfadern! Also wissen Sie ...! Aber er sagt, sie tun nicht weh. Na dann ...«  
  So also ist die Aufstellung. Denn zwar ist das Bein manchmal ein hölzernes, die Haltung linkisch, die Lunge keuchend, zwar haut man mal von Null drüber, aus dem Stand daneben, köpft in den Abrollenden, mag sein; doch der schönste Mannschaftsteil, das ist zweifellos die Sturmlinie. Über die Mannschaft ließe sich, wie wir gesehen haben, vieles sagen, aber diese Schönheit, die ist unschlagbar. Die römische Lockigkeit des Besten Ersatzmanns, die einfache, flammende Schwärze des kleinen Rechtsaußens, die »ethische Schlankheit« Herrn Csucsus, die zigeunerhafte Vehemenz des Zweiten Halbstürmers, die fragile Silhouette der Grasmücke, der Schnurrbart des Verletzten Linksaußens ... Und er.  
  »Benjamin ist ein Männername.« Der Beste Ersatzmann bestand darauf. Tante Benjamin war ein verhutzeltes Weiblein, mit tausend Runzeln im Gesicht (wie der Hals eines Sackes, der von einem Spagat zusammengerafft wird). Sie bekam Schadensersatz vom Staat. Weil, wie man sagt, »der Staat irgendwie danebengehauen hat bei dem Mann von der Tante Benja«. Der Meister sagte besonnen: »Benjamin? Das ist wohl eine Frau!« Das stellte nun keiner mehr in Frage; alle hatten schon eingekauft.  
  Er versenkte, wie es seine Gewohnheit war, zwei Papiertüten in den Taschen seines fischgrätgemusterten Sakkos. (Eine Frau hatte einmal gesagt: »Sakko, zur Jeans?« Damals lachte er darüber, aber später ging er Frau Gitti lange nach: »Was hat sie gemeint, was meinst du?!«) Diese seine Angewohnheit - die Tüte nämlich - machte ihn im Kreise der Kernverkäufer nicht anziehend. Der Grund für diese Extravaganz ist nicht etwa in irgendeiner Zimperlichkeit zu suchen, so was ist nicht typisch für ihn (schon bei den Eltern kann man den Mangel dieser Eigenschaft ertappen, in ihrer Emsigkeit), es war auch keine Feinschmecker- Macke, denn was für eine edle Überraschung ist es, wenn später die selbstvergessen kramende Hand aus der Symbiose zwischen Schlüssel und klebrigem Taschentuch unerwartet einen knusprigen, braungebrannten Kürbiskern hervornestelt, damit aus der Schale, geschickt mit den Zähnen geknackt, der Körper, der Kürbiskernkörper, quasi von selbst herauspurzle und lange auf der sinnlichen Zunge ruhe. (»Pfui.«) So etwas Unerwartetes gibt es im Falle der Papiertüte nicht; entweder gibt es einen Kern oder nicht. (Die Tüte könnte eventuell reißen: aber dann steht Ärger Auge in Auge mit der soeben beschriebenen Freude.) Was ist es also, das ihn zur Inkaufnahme dieses Negativums veranlasst, ohne jedes Positivum?  
  Das Loch.  
  Frau Gitti ist eine gute Frau, tüchtig. Doch diese Sakkos und Überröcke haben mittlerweile ein Jahrzehnt auf dem Buckel! Der Meister hatte sie noch vor seiner Sperre aus der anderen Hälfte der Monarchie mitgebracht, aber dann, nicht wahr, die Musterung, die Entscheidung Herrn Mihálys: was blieb, war der sozialistische Block! Sakkos wären natürlich auch dort, unser Vaterland inklusive, zu haben gewesen! Aber er wollte nicht. Also zerfaserten, zerfielen die Taschen, die arme Frau kam mit dem Flicken und Nähen kaum hinterher. Ein Loch, in seiner Ganzheit, Beweisbarkeit, kam nicht oft vor, eher selten. Aber die Gefahr ließ ständig ihren Drachenkopf dort weiden. (»Kleingeld, aus dem Futter geklaubt! Das ist eine saubere Sache ... Und warum wohl am häufigsten ein Zweiforintstück?!«) Deswegen musste er das Manko auf sich nehmen, wegen der ständigen Chance. Er machte der Frau deswegen keine Vorwürfe, nein, nein, niemals. »Wo ein Loch ist, ist auch ein Weg.«, sagte er lieber ohne Groll und drehte seinen Zeigefinger »erotisch« im Loch, wovon dieses sich weitete: nun war es also ganz bestimmt ein Loch. Denn das ist permanent fraglich: Vielleicht ist nur die Naht ein wenig eingefallen? Vielleicht. Wenn von diesen gerösteten Kernen die Rede war, schmerzte ihn viel eher jene schmuddelnde Ungeschicklichkeit, die die Frau mit Zunge und Lippen unter dem Motto des Kerneknabberns manches Mal veranstaltete. »Mansch doch nicht so, um Gottes willen«, sagte der Meister verzweifelt. Aber eine Ehe ist nun einmal voller Überraschungen, Überwindungen, Buckeln, Hohlkreuzen und natürlich Beugen, Beugen (»im Kreis unseren eigenen Magen«) ...  
  Nach der Kurve fiel ein gedrungener Schatten vor sie: Herr Armand, der Trainer. »Guten Tag die Herren!« Der Reihe nach schüttelte er sämtliche Hände. Zurzeit war der Meister der Einzige, der ihn duzte: »Servus, Chef«, sagte er, wie wir das schon von woanders her kennen. »Die Herren knabbern?« Er blinzelte, als hätte er immer gute Laune; dabei stimmte eher das Gegenteil davon; die Verantwortung lastete auf ihm. »Heute ist Training!«, sagte etwas keck der Rechtsaußen. Herr Armand hat ihnen nämlich nicht nur einmal ein leichtes, frühes Mittagessen ans Herz gelegt und entschieden das Kerneknabbern vor dem Spiel verboten, das würde einen vollkommen austrocknen. »Die ätherischen Öle«, drohte er halbernst. »Aber die Spannung «, sagte damals, im Namen aller, vielleicht gerade der Meister. »Wenn du nervös bist, mein Junge, geh wienern«, sagte liebevoll der Trainer, in dessen Haupthaar sich schon, wie ernste Fremde, graue Haare drängten, alsdann sah er auf die Uhr und sprach es aus, wie jedes Mal, wenn das Spiel zur vollen Stunde begann: »Schmieren zwanzig vor.« Herr Armand hatte das, was man die »Wärme des Herzens«
n
Jegyzet von Herrn Örkény
[törölt]
« geklaut »
inspiriert
nennt. Jene Unerbittlichkeit, jene sture Konsequenz, mit der er sie zum Beispiel über diese gewissen »nasalen Vierhundert« trieb! (Ein Spieler, welcher den Nasal in seinem Namen nachlässig aussprach, musste einen mittleren Kreis laufen. Er wurde dafür berühmt in der Gegend.) Er hatte den Ruf eines strengen, aber gerechten Menschen; nicht alle mochten ihn. »Das ist hier nicht der Ajax! Was will er?!«  
  Herr Armand war eine Institution auf dem Platz. Seine Gestalt war mit diesem verwachsen. Der Meister und die anderen konnten nicht vor ihm da sein (normalerweise schoss er schon einem Nachwuchstorwart Bälle zu; »Na, Junge! Hier hast du noch was aus den alten Beständen!«), und wenn sie schon davonspurteten, ihren unaufschiebbaren Angelegenheiten hinterher, wischte Herr Armand noch über den »Kussmund« einer frischen (grünen) Bierflasche. »Und was sagt das Frauchen?«, fragte der Meister, als er das schon fragen durfte (Kind, Armee, Ruhm, Fachwissen und Situation). »Sie brummt. Ist ’ne gute Frau ... Nur das Old-Boys-Match will ihr nicht schmecken. Bist ein klappriger alter Depp, du tust dir noch was, sagt sie. Doch vergebens. Du weißt, wie das ist. Ich gehe vom Sportplatz direkt in die Rente.«  
  »Klar«, sagte der Meister, und jene letzte Saison kam ihm in den Sinn, an deren Ende sich Herr Armand von seiner aktiven Laufbahn verabschiedet hatte. Herr Armand hatte alles beherrscht: Ballbehandlung, Schuss et cetera. Und auch die Muskulatur. Nur drehten sich die Bälle irgendwie von ihm weg. Er hatte Pech, immer. »Das war sehr interessant. Er konnte noch alles besser als wir. Und er war bereits weniger nützlich als irgendjemand.« Das war eine traurige Saison. Herr Armand bekam einen Ball als Andenken; auch der Meister schrieb damals seinen Namen drauf. Er bekam auch gleich zu hören: »Wie schreibst du denn? Ein studierter Mann und so ein Geschmiere.« Damals hatte er, konnte seine Stimme noch nicht so viel Gewicht haben, um zu sagen: »Kumpel. Mein Schriftbild ist nicht hässlich, sondern interessant.« (So wie heutzutage, wenn man beim Training laut einer Übung mit dem rechten Fuß ins lange Eck schießen müsste, aber die Torwarte, verhausschweint, wie sie sind, schon von vornherein dort herumlungern, und er dann, obwohl zufällig, ihn ins kurze versenkt und man ihn dafür zur Rechenschaft zieht, kann er mit ruhigem Herzen als Erklärung abgeben: »Didaktisch!« Damit danach der, der, unhaltbar, ins obere kurze schießt, ausrufen kann: »Nimm das, Alter, das ist Didaktik!«)  
  »Aber damals war noch großes Kusch angesagt«, er balancierte am äußersten Zipfel der Umkleidebank und legte verklemmt die Hände zwischen die Knie. Herr Armand war ihm schon damals sehr wohlgesonnen. »Klotz ran, gottverdammdich!« Das ist ihm sehr im Gedächtnis geblieben: »Klotz ran, gottverdammdich!« Dabei hatte er das Gefühl, sein Möglichstes getan zu haben. Später wusste er dann schon, woran hierbei gedacht worden war: an die triviale Wenigkeit von »alles«! Und der Kopf des Herrn Armand, wie er noch größer wurde und ganz rot: little red balloon, könnten wir summen, hätten wir die moralische Grundlage dafür.  
  Auch die Organisation der ersten Ausschweifung war mit Herrn Armands Namen verknüpft. »Vielleicht in der Eichel Sieben. Das war mein erstes Spiel in der Ersten.« Fakt ist, dass er irgendwann sehr verloren war. »Na, Sie können es sich denken. Eine Runde Bier, eine Runde Sekt. Das heißt Schaumwein. Das war eine Periode, man kann es sich vorstellen.« Herrn Armands Gesicht prunkte erneut rot vor Gefühlen. Er sang ehern: »Er kommt nach Haus, er kommt nach Haus, er kommt nach Haus!« Der Meister war noch in einem Zustand, in dem er noch lachen konnte über dies oder jenes, »traurig wird er erst später werden, der Arme« (Worte des Herrn Csucsu). Was dann tatsächlich auch eintrat, infolge der rückwärtigen Erschütterung eines verlängerten 55er Busses. (Dabei schien es so, als wäre es dem damals noch jugendlichen und mit Sondererlaubnis spielenden Meister gelungen, sich festzuhalten! Aber dann plötzlich wurde er traurig. Herrn Feri, seines Zeichens vom Scheitel bis zur Sohle ein Gentleman, die damalige Säule der Verteidigung, hat das zwanzig Forint gekostet. - Der Meister versucht seitdem vergebens, sich zu revanchieren. »Aber jetzt, mein Freund, jetzt kann er nicht mehr ausweichen!« - Ob er an den Schaffner oder den Polizisten zahlen musste, eine Erinnerung daran ist nicht möglich. Unvergessen aber bleibt die Durchschüttelung in einem neuen - wenn der vorangegangene der »alte« war - Verlängerten, wo sich der »junge Sportler« erneut gut festhalten konnte; jene leichte kleine Erschütterung, welche aber dennoch unvergesslich ist, weil sie einfach kein Ende nahm. »Dort fuhr er, der große Verlängerte, fuhr und quietschte, während durch einen Riss im akkordeonartigen Gummigelenk der Himmel durchschien, wieder und wieder.«)  
  Herr Armand hatte über den Kneipentisch hinweg dem Meister zugewinkt. Die Sonne schien durch das Laub, wie die Blätter sich rührten, so wanderten die Schatten über den großen Holztisch, änderten die Goldscheiben im Bierkrug ihre Form. »Na, Junge. Komm. Setz dich in den Schatten dieses alten Baumes.« Danach musste Herr Feri alle halbe Jahre, jedes Mal apropos einer Beurteilung, nur so viel sagen: »Hoho, der Schatten des alten Baumes, hoho.« Und es wird sich gekrümmt vor Lachen.  
  Herr Armand hatte ein großes Talent zu werden versprochen, mit siebzehn rief man ihn zur Honvéd, aber ausgerechnet in dem Sommer, das heißt Anfang des Sommers, denn der Ruf galt für September, aber wirklich ausgerechnet dann brach er sich das Bein. Der Öcsi Puskás hatte ihm beim Testspiel den Fuß draufgehalten. »Aber das wollte der Öcsi nicht. Er war ein dufter Kumpel. Sägte mir in der ersten Hälfte ein Leder nach dem anderen in den Lauf, und ich ging ab wie die wilde Dreizehn. In der Zweiten spielten wir gegeneinander. Und da. Dem Öcsi tat’s furchtbar leid.« - »Hat er dich besucht?« - »Ach nö, so ’ne große Nummer war das dann doch nicht. Und vielleicht waren sie dann auch schon unterwegs zu Olympia. Aber es tat ihm sauber leid. Er hat mich persönlich an den Spielfeldrand gebracht, hat zwei Schlachtenbummler rangewunken. Na, Alter, nehmt mal den Jungen mit in die Kabine. Wie ein König. Der Öcsi, der war ein König.«  
  Aber das war damals eine andere Zeit. Allein schon: die Spiele. Ein Hunderter. So viel war der Einstieg. »Das waren vielleicht Scheißzeiten, Alter, aber uns begeistern konnten wir wie nix.« - »Das ja«, sagte der Meister skeptisch. »Wenn ihr auch nur die Hälfte davon hättet, hätte es am Sonntag nicht diese Schinderei gegen den Goli gegeben. « - »Wir haben gewonnen.« - »Davon rede ich nicht. Hast du eine Vorstellung, wie wir zusammengehalten haben?! Nicht wie ihr hier, eine halbe Stunde vor Spielbeginn und hinterher gleich ab zu den Tätatäts ... Alter, wir haben mit den Kumpels die letzte Stunde geschwänzt, damit wir einen guten Platz bekamen bei der Verladung auf dem Markt, und den Knaster dann rein in den Topf, und danach raus ins Beton, für Geld gebolzt bis in die Nacht. Zwischen zwei Brandmauern, vier gegen vier. Das waren große Harakiri-Spiele. Und auf den Wänden die viehisch großen Sprüche, duweißtschon, eslebedies und niedermitdas, was gerade angesagt war.« Dem Meister fiel - während er mit zartbittrer Nostalgie an den damaligen Gemeinschaftsgeist dachte - einer seiner Träume ein. An der Fabrikmauer, die man vom Spielfeld Richtung Kneipe gehend passiert, steht mit roten Lettern geschrieben: Es lebe die Arbeiterklasse, und im Traum des Meisters stand unter dieser Aufschrift eine andere: Vor lauter Trauer liebe Tiri ist mein Blut geronnen. »Aber wissen Sie, mein Freund, ich mag das nicht, wenn neben einem Milchladen oder so was steht: Tod dem oder dem! Am ekligsten ist es, wie manche Buchstaben verrinnen.« Ja, viel lieber mag er, wenn riesige Genitalien an die Wände gemalt sind, Du Idiot Erzsi der Pisti ist verliebt, der Putz bröckelt und die roten Ziegelsteine »so versaut glühen«, als gehörten sie mit zu den Zeichnungen.  
  Einmal haben Herr Armand und die Seinen sogar die Puskás-Jungs geschlagen! »Die haben’s sicher verschludert«, sagte der Meister zweiflerisch. »Die? Du, die haben rangeklotzt, als wär’s das Weltmeisterschaftsendspiel. Da gab es keinen Unterschied zwischen den Spielen, dort zählte nur die Liebe zum Spiel.« - »Na, na«, spitzbübelte er weiter, wie es sein Lebenselement ist (welches, wie man sehr wohl sehen kann, zum gesellschaftlichen Nutzen Körper geworden ist), »und was ist mit kleines Geld, kleiner Fußball?« - »Das ist wieder was anderes«, sagte Herr Armand und lachte nicht los, wie es der Meister erwartet hätte. Dabei war Herr Armand der Selbstironie durchaus nicht bar. »Fußball ist die Ausnahme.«  
  Aber wie er dann lehrreich jenen heißhungrigen Jüngling vorführte, der er einst war, den Stier des Dorfes, für den er sich einst hielt, dem die ganze Welt gehörte, das ist ein wirklich süperber menschlicher Moment! »Was ich weggefuttert habe! Ich saß nur da und aß.« Und die 33, die ganze Stalin-Brücke entlang! Der kalte Wind wehte nur so. »Aber der kleine Draufgänger raus aufs Perron, Hände in die Taschen, Kragen hoch, und Zitterpartie!« All das erzählte Herr Armand wegen der Mütze, die sie während des Aufbautrainings tragen sollten. »Ihr bekommt eine Stirnhöhlenvereiterung, die sich gewaschen hat.« Denn die Mütze - aus einer alten Stulpe gebastelt, an dem einen Ende zusammengenäht - stand nicht gerade hoch auf der Beliebtheitsliste. (»Der Listenführer? Was mag ein Listenführer sein?«) Die Mehrheit wurde vom Kichern der Verkäuferinnen aus dem ABC zu Leichtfertigkeit verleitet. Der Meister hingegen behauptet, dem einigermaßen widersprechend, und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, ihn würde der Bommel stören. »Der Troddel. Wie er herumbammelt.« Aber bitte: eine Stirnhöhle bleibt eine Stirnhöhle.  
  Der Trainer und der Sturm kamen durch das Tor auf der Seite des Ostbahnhofs. »Wissen Sie, mein Freund, man neigt dazu, sämtliche Plätze mit dem Nép-Stadion zu vergleichen. Und jeder hat seine Ausrichtung; man kann eindeutig sagen, welches das Tor von der Verseny- Straße ist und welches das vom Institut für Geologie ... Obwohl es ein paar gibt, wenige, aber dennoch, die schief sind. (Der Gamma-Platz ist so einer. - E.) ... Obwohl es auch vorkommt, dass sich die Ausrichtung während des Spiels ändert. Wenn das passiert, sieht man nur eine ganz kleine Scheibe vom Platz. Einen routinierten Halbrechts bringt so etwas nicht durcheinander, aber ein wenig, hm, wird er entfremdet, als wäre er auf einen fremden Platz gestellt worden, und er ist einigermaßen allein. Im Grunde stört es nicht; es erschwert nur die Erinnerung. « Der sonnige Frühlingstag konnte einen unzufriedenen Menschen umarmen. Zwischen den Zähnen klemmten Knabberreste. »Mein Freund, ein Zustand, der alle Tage neuen Verdruss anzieht, ist nicht der rechte«, sagte er und riss mit verständlicher Brutalität einen kleinen Zweig von einem blühenden Bäumchen, um damit herauszupolken, was herauszupolken war.  
  Im Umkleideraum zeigte der Beste Ersatzmann stolz die Wände desselben. »Ich hab sie geweißt.« Der Meister blickte wie vorwurfsvoll auf die Trainingsanzüge, auf die Tausenden weißer Tupfer auf ihnen. Der Beste Ersatzmann zuckte gutgelaunt mit den Achseln. »Aber das Weißen, mein lieber Peti, das Weißen!« - »Schau mal«, sagte ernst die namhafte 8, »so was ist nicht einfach. So ein Anstrich. Denn zweifellos«, hier blickte er sich mit fachmännischer Miene um, »hätte unser Adolf das besser hingekriegt. Da hat er was voraus, keine Frage«, er nickte, »das ist sein Beruf. Andererseits«, er erhob seinen belehrenden Finger, worauf auf diesen (!) Zeigefinger jemand, grober Scherz, eine Unterhose warf, hopp!, aber er wusste sich frappant zu helfen, er ließ die Unterhose kreiseln (»Eine gehäkelte Unterhose, mein Freund! Da muss man hinterher.«), um anschließend gewitzt den Finger wie einen Nippel aus der Gummierung zu ziehen, hoi, und dann waren nur noch die zentripetalen Kräfte angesagt!, »andererseits wird das Konto deines Konkurrenten von anderen Ereignissen belastet. Da kann man schwer urteilen.« (Für meinen konservativen Geschmack ist das zu viel. Überhaupt könnte man über den Geschmack des Meisters Romane, jawohl, Romane schreiben ... Er hob seinen großen, durchdringenden Blick, wie das, wie ich annehme, seit Jahrhunderten die Esterházys zu tun pflegten, um einen Stallburschen, einen Türsteher oder Haydn anzublicken, wenn der etwas tat, was er besser nicht hätte tun sollen. »Wissen Sie, mein Freund, ich kann diese humanistischen Denkklimmzüge nicht ab, ganz und gar nicht.«) Im Umkleideraum wurde es still, manch einer kicherte verstört. Auch der Meister selbst geriet etwas in Verlegenheit. Aber dann zeigte sich, worauf das Ganze hinauswollte, wozu man diesen schmerzlichen geschichtlichen Strang so frivol hier einführen musste. »Wozu streichen? Es fällt doch sowieso bald zusammen.« Was, seiner Absicht entsprechend, schlechte Laune unter sie schmuggelte. Es waren viel zu viele kleine und sogenannte: äußere Anzeichen, die ihnen ihren Platz und ihre Lage bewusst machten. »Wissen Sie, mein Freund, es wird immer schwerer, ohne Selbstbetrug daran zu denken: der Ball ist hier genauso rund. Hier. Auch. Genauso. Rund. - Das ist wichtig.«  
  Die Jungs trudelten bereits langsam hinaus, nur er »dödelte« noch wie gewöhnlich herum. »Wo zum Henker ist der Knöchelgummi.« Doch an dieser Stelle provoziert die Seele erneut eine wichtige Wendung. Ich fragte ihn, sozusagen, ob er gelesen habe, was Herr Joyce gesagt hat ? Herr Joyce hat gesagt, er würde den Kritikern für 300 Jahre Arbeit geben ... Und, na ja, was das anbelangt, das tut auch der Meister. Gibt Arbeit. Weil all die Verweise, die Gasttexte, der Nachweis dieser und dieser ganze Schrenz als Genre ... »Arbeit, ja. Für zwei Tage. Zum Henker! Da ist er!« Er freute sich über den gefundenen Gummi, als hätte es im Sack nicht fünf andere gegeben, von denen er sich einen hätte aussuchen können. Aber er mag diesen alten; weil der hält, aber einen nicht zuschnürt. Er zog den Daumen um den Hosenbund; das ist die übliche Bewegung, als würde man das Gummi weiten. Er hielt den Bund vorne ab, blickte in den so entstandenen Tunnel, denn es entstand ein Tunnel, und er sprach in diesen hinein: »Zwei Tage sind auch was.« Und wie. Zwei Tage sind zwei Tage. Solche Geständnisse müssen wir noch mehr aufschnappen, sapperlott. (Während ich schreibe, beugt er sich, eine Ehre, über mich; sein langes Dichterprofil wirft einen Schatten auf das Blatt, sein Haar hängt mir in den Nacken. Sapienti sat. »Weiter für Anfänger und theoretische Fachleute.« Er erzählt, er brauche einen sogenannten Grammatischen Raum [dies ist ihm ein geliebtes Wort], und dann müsse er nur noch leben. »Mein Leben.« Der Verfasser dieser Zeilen senkt traurig Acn Kopf und sagt, fein überleitend: Der grammatische Raum bin ich.)  
  Doch hinaus ins Freie, unter den frischen Himmel in guter Gesundheit. Er daddelte einen Ball, wobei er auf das Spielfeld zuspazierte. Herr Armand wartete streng. Einige spielten sich Pässe zu, manch einer versuchte, heimlich auf das Tor zu schießen, doch Herrn Armands Verbot legte der drohenden guten Laune Zügel an. (»Aufs-Tor- Schießen bringt immer Gutelaune hervor.« - »Sehen Sie, mein Freund, mit solchen Flachheiten entschädige ich das vor einer echten Katharsis zurückschreckende Bildungsbürgertum.« Und dann, nachdem er dem Ball einen kleinen Drall gegeben hatte: »Hi, hi, hi«, kicherte er mephistogleich und rieb seine Blumenhändchen aneinander, »hi, hi, hi, da hab ich’s ihnen aber gegeben.«)  
  Nun trieb sich der Meister in Herrn Armands Nähe herum. Wollte er etwa antichambrieren? Nein, das hat er in der gegebenen Kraftsituation nicht nötig! Er hat diesen kantigen, ehrlichen Mann einfach lieb gewonnen. Herr Armand hatte vier Kinder. Auch das verband den Meister irgendwie mit ihm, wegen der dem Meister widerfahrenen ähnlichen Situation - diesmal aus der Perspektive des Kindes. »Heute betoniere ich das Scheißhaus zu.« - »Heute grabe ich den hinteren Garten um.« - »Heute reiße ich den Schuppen nieder.« - »Heute.« Solche Sätze flogen vor dem Training nur so durch die Luft, wie farbige Schmetterlinge, die wie Aasfliegen aussehen. »Oder umgekehrt. Viel mehr Ruhe, mein Freund.« Von so was war eher am Freitag als am Mittwoch die Rede, denn am Mittwoch war die durch die sonntägliche Niederlage oder den Sieg etc. geschlagene Wunde noch zu frisch. Sie standen da, im magischen, grünen Viereck.  
  »Heute gehe ich Schnallen machen.« Der Meister hielt seinen wie von selbst sich bewegenden Ball an, balancierte ihn kurz in der Luft, bevor dieser - wie ein Toter - von seinem Rist hinunterkullerte, beschämend. (»Ich hab’s leicht«, sagte Herr Armand bei einer früheren Gelegenheit, da er ihm nicht wegkullerte, »ich hab’s leicht: an meinem ist Kleber dran.«) »Kein Kleber dran«, brummte der Meister und sah fragend den Schmied der Taktiken und Strategien an: »Schnallen für Taschen.« - »Was für Schnallen für was für Taschen?«, fragte der große Mann logischerweise. »Das war eine schöne Frage. Die uninteressanteste. Dafür braucht’s auch ein wenig Gefühl, Spätzchen. « Und er fügte weise hinzu: »Es ist viel leichter, einen Irrtum zu erkennen als die Wahrheit zu finden.« - »So Ridikülschnallen.« - »Hässlich, wa?« - »Nö. Gehen weg wie warme Semmeln. Ich hab welche gekauft für die Frau, das heißt, ich hab sie bekommen vom Martinkó, weil ich für ihn arbeite. Für den Martinkö; er hat seinen Laden neben der Bäckerei, wo der alte Farkas früher seinen Stall hatte.« - »Solche Kipferln, mein Freund, konnte man nur noch in einem Laden bekommen. Vor den Sanierungen, in der Pál-Harrer- Straße, vor der Lungenambulanz. Oder dahinter, wenn man’s von der Stadt her ... Musste wegen einer Mantu-Impfung oder was hin. Wegen der Kipferl war das fast die helle Freude ... Ich fragte meinen Vater, der ein gebildeter Mann ist, lange aus, weil ich es nicht verstand, wie das sein kann, dass es gut ist, wenn der Befund negativ ist.«  
  »Und zahlt er gut?« Das war die treffende Frage: ob er gut zahlt. »Gut. Bin vier Abende da. Manchmal fünf. Das ist dann schon eine gute Ergänzung. Ich werde bloß sehr müde dabei.« Der Meister machte eine unsichere Bewegung. »Wissen Sie, mein Freund, so eine Sinnvollenutzungderfreizeit- Bewegung.« Sie waren ein wenig zu weit gegangen. Das konnte man mit Sicherheit wissen, als Herr Armand höflich zurückfragte: »Wie verdienst du denn?« Er stutzte etwas vor diesem Gestus, er hätte ihre Unterhaltung für selbstvergessener eingeschätzt, als dass sich Herr Armand so einer Retoure hätte bedienen müssen. Da standen sie mit ihrer großen Sympathie an der Eckfahne - denn getrost kann ich sagen, dass auch Herr Armand mit ihm sympathisierte: er mochte seinen offenen, geraden Charakter mögen, seine Begeisterungsfähigkeit, seinen geschickten rechten Fuß; und mochte seiner hochachtend gedenken wegen seines Ruhms -, trotzdem wurden die Worte immer feierlicher. Sie wurden befangen. Obwohl er vielleicht hätte flüchten können, aufs Tor schießen. Aber nein: Herr Armand ahndet solches. Und eine Ausnahme: bildete auch der Meister nicht.  
  »Wissen Sie, mein Freund, eine Freundschaft kann nur praktisch entstehen, kann nur praktisch von Dauer sein. Zuneigung allein befördert eine Freundschaft überhaupt nicht, noch nicht einmal die Liebe. Eine echte, tätige, fruchtbare Freundschaft besteht daraus, dass wir im Laufe unseres Lebens miteinander Schritt halten, die Ziele des anderen gegenseitig gutheißen und so unseren gemeinsamen Weg fortsetzen, ohne zu wanken, egal wie unterschiedlich die Art und Weise unseres Lebens und Denkens sonst auch sein mag.« Und hier setzte er mit einer sehr schönen dichterischen Vision also fort: »Wissen Sie, mein Freund, ich habe keinen Freundeskreis. Sondern ich sehe meine Freunde wie die halb eingesunkenen Meilensteine am Wegesrand ... Wird hier überhaupt zugehört?!« Er winkte ab. »Natürlich. Sie, mon ami, schreiben wie die Frauen. Wie Heine sagt, wenn eine Frau schreibt, ist ein Auge aufs Papier gerichtet, das andere immer auf einen Mann. Ausnahme: Gräfin Hahn-Hahn, die einäugig ist.«  
  Hier füge ich seine Zeichnung über seine Freunde ein oder die Meilensteine? Wie nun?  
   
  »Wie verdienst du?« - »Ach weißt du, ich interessiere mich nicht so für Geld.« Hier setzte sich nun endgültig fort, was soeben begann: zwei Männer standen wortlos da: weil sie einander nichts zu sagen hatten. Herrn Armands Kopf teilte das Himmelsgewölbe, das wunderblaue Himmelsgewölbe (Gottes Zelt). Auf seiner Stirn perlte der Schweiß, über das Gewölbe zog eine Schwalbe. Der Meister, um das Vorangegangene etwas zu entschärfen, sagte etwas in der Art, dass Geld für ihn nur Mittel zum Zweck sei und dass er gerade so viel davon brauche, wie viel unbedingt notwendig sei. »Das fehlte noch.« Da sieht man, dass dieser reine Geist sehr unruhig war. »Ich habe mich selbst am Abend noch fertig gemacht. Dass ich so Studentenhaft an die Sache rangegangen bin.« Ja, er hatte das Gefühl, noch ein Kind zu sein (trotz Armee, Kind, Ruhm). »Das war eine recht amateurhafte Einstellung«, und ein härteres Wort als dieses hätte einer, dessen Berufung es ist, das Leben zu kennen, nicht über sich sagen können.  
  Die viele Zeit ging zu Ende: die Verspäteten kamen an, die sich schleppend Anziehenden wurden fertig, die trotz des Verbots verschossenen Bälle kamen wieder zurück. Man lief die Aufwärmrunden. »Wie viele?« Doch Herr Armand schwieg geheimnisvoll, trug die Anwesenheit in sein kleines Heft ein. Der Meister war schon reichlich außer Puste, als er sich an seine Kameraden wandte: »Eine Ecke des Platzes ist umgeknickt, da steht geschrieben: Geheimnis.« Sie keuchten weiter. Anzeigend, dass er nicht nur in die Luft redete, platzte er vor der Zielgeraden noch hervor: »Die. Dort.« Um es geradeheraus zu sagen, das war nicht wahr: in dem Sinne, dass die Ecke des Platzes nicht umgeknickt war und es stand nicht Geheimnis auf ihr geschrieben; es ist auch gar nicht so recht verständlich, wie er sich das technisch vorgestellt hat, vielleicht wegen des Grasteppichs? - aber wie auch immer: das war schon wieder so ein poetisches Element von seiner Seite, ein kleines Detail aus dem einheitlichen poetischen Weltbild, das er sein Eigen nennt. Ich glaube, das ist eine sehr anständige Sache.  
  Sie stellten sich auf, die Übungen begannen. Das Spiel - als wäre es ein scharfes Spiel - war wechselhaft, der Ball hüpfte mal auf dieser, mal auf jener Spielhälfte. Aber meistens in der Spielhälfte der »Gemischten «, da die Spieler der ersten Mannschaft - der Traineranweisung Folge leistend - den Ball schnell aus dem Vorfeld ihres Tores herausbrachten. Während die Verteidiger mit steilen Vorlagen die Mittelfeldspieler oder die Seiten suchten. Der Ball flog häufig an einen guten Platz. In solchen Fällen sagte dann auch der Trainer: »Sehr schön, Lajos ...«, »Gut gemacht, Sanyi«. Wenn er allerdings sein Ziel verfehlte, sagte der leitende Trainer: »Macht nichts, der nächste bringt’s.« - »Gut gedacht, an der Ausführung hapert’s.« Besonders im Luftraum hatten Herrn Armands Jungs ihre Handicaps. »Mutig in den Zweikampf, aber benutzt die Hände nicht«, knallte die Stimme des Trainers. Die Zeit verging so schnell, dass man es gar nicht mitbekam, erst als Herr Armand auf seine Uhr blickte und dreimal pfiff. »Einer für alle, alle für einen.« (Wie die drey Musketiers.) (Mein Gott, wie viele Abschweifungen übereinander. Aber so ist er: tut einen Schritt nach dem anderen mit seinen Füßen.)  
  Der Meister mopste einen von Herrn Icsis Pantoffeln, hoffend, dass die Rache glimpflich ausfallen würde. Da saß er nun auf der Bank, seinen Fuß legte er auf das zusammengeknüllte Trikot. Was für ein Anblick! Ich muss vielleicht nicht ausladend ausmalen, was für einen Vorteil beim Fußballspielen ein (oder: das) dritte Bein bedeutete! Nun, Esterházy verfügte über ein solches! Dies brachte mich dem Meister sehr nahe: wie oft saßen wir in schmutzigen, zwielichtigen Gefilden verlassener Umkleideräume, während er hingerissen einen rechten und einen linken Schuh betrachtete. »Ob wohl...?«, und dabei hob er ratlos die Schultern. Große Ehre. (Gott bewahre mich vor Klatschundtratsch, wenn ich jetzt bemerke, dass dieses sein Herumtutteln den Meister recht populär im Kreise der Damen machte.)  
  Im Bad war der Meister gerade am Einschäumen - jemand hatte von zu Hause Duftseife mitgebracht, und er hatte sofort zugeschlagen, obwohl... als der klapprige Linke Mittelfeldspieler, daher der Name Grasmücke, sagte, da verlierst du ja den ... Verstand. (Was die drei Punkte anbelangt: ich beabsichtigte damit nicht das Fehlen von etwas anzuzeigen, so halbseiden bin ich nicht, obwohl die Hiatusliteratur nicht gerade gering ist, und sie nimmt täglich zu. Aber ich schreibe über ihn, und mein Ziel kann nicht ein literarisches sein. - Kursiv heißt: Selbstironie. - Nichtsdestotrotz, wenn mir etwas daran liegt, das verdiente Wohlwollen der weiblichen Leser und der zarteren Gemüter nicht zu verlieren, beziehungsweise allgemein derer, die noch nicht ganz bar des Respekts gegenüber echten Werten wie Autorität und so weiter sind; und auch meiner gewählten Methode der Treue treu bleiben will - um mich eines Wortspiels zu bedienen -, nun
 [!]
[sic!]
in diesem Fall blitzt ein Konflikt auf. Worum es geht? Nun: dort, damals, im Bad hätte ein Magnetophon Folgendes festgehalten: Da verlierst du ja den verfickten Verstand. Jesus ... Doch nicht umsonst gibt es Routine, Erfahrung, ein vorteilhaftes Umfeld - den Meister -, in deren Lauf sich die Probleme immer wieder ins Geschick zurückbringen. Ich will kein Grundprinzip festlegen, so was ist meine Sache nicht, es soll also hier unten »lediglich« die Verwirklichung, das Ergebnis stehen, in dessen Fall künstlerische Wahrheit angewandt werden wird.)  
  Noch einmal von vorne: Nachdem also der Meister mit seiner ganzen Autorität einen gerade in diesem Jahr aus der Jugend zu ihnen aufgestiegenen Jungen hinausgedrängt und die Dusche am Rand (die beste) ergattert hatte, krallte er sich eine Privatseife, kratzte langsam und wollüstern über seinen Rücken und begann bereits damit, sich die Brust einzuseifen. »Wissen Sie, mein Freund, wie äußerst viele Personen es gibt, die hier vorne, Sie wissen schon, so ein schönes Lammfell haben?« Ein Fließ, wie man kultiviert sagt. Da sagte die Grasmücke zum Rechtsaußen: »Da verlierst du ja den Fichte Verstand.« (Man sieht also. Wenn »Fichte« in einer von der obigen abweichenden Bedeutung vorkommt, werden wir das anzeigen.)  
  Das Wasser plätscherte-prasselte über den geometrische Verhältnisse widerspiegelnden Körper des Meisters, wobei er die Ohren spitzte. (Am besten kann er die Ohren spitzen in der Musikakademie, in den Pausen. Er geht und steht, interessiert sich aufrichtig für die streitenden, disziplinierten Ehepaare, versichert sie mit seiner Mimik seiner Unkenntnis, und mit unerhörter Raffinesse spinnt er das gehörte Material gleich weiter; aber am liebsten sind ihm die gebildeten Kreise. Hier macht er nicht viel Federlesens, er ruft zur Gittus hinüber, denn er richtet es so ein, dass er zur Gittu hinüberrufen kann: »Mutti, dieser Mozart ist aber ziemlich mau« oder Ähnliches und trabt stolz von dannen.) »Na, Fichte, ich hab Roma auf ikseins genommen.« - »Zu Recht, Fichte, die haben voriges Mal sogar Fichte Juventus gekippt.« - »Aber, Fichte, Inter ist schließlich Fichte Inter und nicht die Vereinigten Leuchtmittel, Fichte: Inter ...« Die Grasmücke war schon beim Abtrocknen und in ziemlicher Erregung. Er fuchtelte mordsmäßig herum, besonders bei den Wörtern »Fichte«, »Inter«, »nicht« etc., und obwohl seine Bewegungen als Elemente einer »richtiggroßen Erregung « gelten konnten, dienten sie gleichzeitig auch zum Abtrocknen, was den Meister prächtig amüsierte. »Sehr praktisch.« - »Dass, Fichte, ein Club wie Inter seit Wochen nicht gewinnen kann ...!« Zum ehrlichen Erstaunen des Meisters mobilisierte dieser Satz, der im Wesentlichen keine neue Nachricht enthielt, den schnellbeinigen Rechtsaußen. Dieser riss sich das Handtuch vom Kopf; die Bewegung, die plötzliche Veränderung der Lichtverhältnisse ließ den Rechtsaußen ein wenig einknicken, er schwankte und trat nach vorne und sagte, als würde er sich anlegen wollen, dem anderen ins Gesicht: »Fichte, und Como marschiert zur Spitze. Fichte, wenn mir das einer vergangene Woche gesagt hätte ... Aber, Fichte, dass Inter die nicht...« — »Fichte?! « - »Fichte!?«  
  Hier trat der Meister aus der Dusche, zwang den dichten Dunstvorhang auseinander und stand wie eine Erscheinung: da. »Na, Fichte«, sagte er wie das Gedröhn eines Wasserfalls, denn das kleine Bad verstärkte die Töne, »na, Fichte, dass hier in Ungarn, nach so viel Laufen, unter der Dusche, in der Regionalliga 28, bei 13,20 Stundenlohn das hoffnungsvolle Auftreten Comos so schmerzt...« — »Wissen Sie, mein Freund, für einen Moment befürchtete ich, es würde nichts passieren und wir würden nur dastehen bis ans Ende aller Zeiten, denn nun konnte ich nicht einmal mehr zur Dusche zurücktreten. Aber dann haben wir volle Kanne losgejohlt, alle drei.«  
  Herzlich gelacht haben die drei dort drinnen, mehr noch, nur um die Parteinahme des Glücks für ihn anzuzeigen, dem Meister gelang es sogar, einen hinterhältig aufgestellten Bartwisch zu umgehen. Er hatte sich in der Tür noch einmal umgedreht und im Rückwärtsgehen den gefährlichen Gegenstand hinweggefegt. »Mein Freund«, in seinen Augen Einsamkeit und Alleinsein, »kann es sein, dass Sie schon die ganze Zeit darüber gelacht haben? Im Voraus. Autsch.« Seht, er kennt auch schon das Autsch; Schmerz und Ent-Täuschungen vervollkommnen auf diese Art seine Kunst. »Oh, mein Freund, wenn der Mensch alles leisten soll, was man von ihm fordert, so muss er sich für mehr respektive für weniger halten, als er ist.« - Dabei hätte dieser Bartwisch ihn so was von auf die Nase fichten können ...  
  (In der Tür sagte er: »Werden wir den Pokal gewinnen?« - »Klar«, sagte die Grasmücke, als würde er gegenfragen: »Bist du bescheuert? «)  
 
 
  11 Wenn ich gewisse ... -e/-en der Reihe nach herannehme, darf ich mich über jenen doppelten Eselsführer freuen, der uns, wenn er uns auch einengt, wenn er unsere Zusammenstöße auch mit blau-grünen Flecken sprenkelt: doch den Weg weist. »Besonderheit, mein Freund, ruft Besonderheit hervor.« Der Meister und sein kleiner Prrrrroduktionsroman sind dieser Große Wegweiser. Denn selbst so sehe ich mich, den zuverlässigen und trivialen Chronisten, der ich bin, als einen blitzenden-glitzernden Spiegel, von dem - es reicht eine schlechte oder gute (nicht schlechte) Bewegung und schon ... Sie mögen dem Leser nicht unbekannt sein: jene ausländischen (westlichen) Postkarten, von denen einem, wenn man sie kippt, aus der Andersartigkeit der Lichtwege eine Frau, eine Art Hetäre zuzwinkert... In meinen schweren Stunden, die mir diese Notizen verursachen, denke ich oft: Wir sind nichts anderes als dieses Zwinkern, für immer und ewig...  
  »Der erste Zeitpunkt ist Ostern.« Sonntag früh packte der Meister seine kleine Familie aufs Pferd und ritt hinaus ins elterliche Haus. Die verwinkelten kleinen Gassen, welche über den Berghang wackelten wie die Muskeln auf dem Rücken, forderten Ross und Reiter. Er war wieder einmal auf den letzten Drücker losgefahren, so dass er gerade noch so viel Zeit hatte, die Familie abzuwerfen, er küsste seine Mutter auf den alten, wunderschön-welken Hals, um anschließend die mütterliche Hand sentimental in die seine zu nehmen. Die Finger mündeten in einer schlanken, von Knochen durchsetzten Fläche. In jenen Teil der Fläche, der bei mit dem Handrücken ausgeteilten Ohrfeigen das Gesicht berührt, hatten die Adern eine erschreckende Landkarte gezeichnet. Dieser Eindruck wurde durch Leberflecken und rötliche und sogar lila Verfärbungen noch unterstrichen. Die Haut war wie ein nicht ganz passender Handschuh. Am Daumenansatz hatte sich etwas überflüssiges Fleisch eingenistet, und hier glänzte die Handfläche besonders. Der vorerwähnte Handschuh war fein verarbeitet, seidig und leicht, durch einige Risse aber wirkte er in den Gelenken (da und dort) schwerer.  
  (Zu einem früheren Terminus hatte Herr Icsi die Wirklichkeitstreue dieser Beschreibung in Zweifel gezogen und ihr ein gewisses literarisches Pathos zugesprochen. — Das geschah derart, dass er an die Ränder des ihm zur Verfügung gestellten Manuskripts mit einem Bleistift der Härte H Wellenlinien neben die zu verurteilenden Abschnitte setzte. »Diese verdammten kleinen Schlangen will ich im Traum nicht sehen«, denn auf sie folgte stets harte Arbeit. - In diesem Falle bediente sich der Meister einer frappanten Idee. Höflich bat er die Mutter des silfiden Torwarts herein, deren Hände ein ähnliches Schicksal aufwiesen wie die Hände der Mutter des Meisters. Er nahm diese in die Hand und las, auf das Manuskript schielend, vor, und was er las, zeigte er: »Die Finger, hier«, er zeigte auf die Finger, »münden in einer schlanken, schauen Sie bitte: schlanken, von Knochen durchsetzten Fläche«, er zeigte auf die schlanke, von Knochen durchsetzte Fläche. Etc. Eine rückenerschauernde Szene war das. Die beiden Fußballer sahen sich beschämt an; die Mutter ging zurück in die Küche. Im Übrigen kann man es ausprobieren. Man nehme: mindestens vier Kinder und einiges an Bitternis in der Lebensführung; der Probierende wird die Apotheose der Worte des Meisters sehen.)  
  Die Hand der Mutter haltend neigte er sich erneut ihrem Halse zu und flüsterte: »Muttchen, du bist sehr schön heute. Schön wie eine Puffmadam!« Diese Heilige von einer Frau, gewöhnt an die Unmöglichkeiten ihrer Söhne, versetzte dem Meister einen Nackenklaps, doch er war zu diesem Zeitpunkt so gut wie gar nicht mehr da; Viertel nach spätestens musste er auf dem Platz sein.  
  Als er wieder zu Hause ankam, versammelten sich die Teilnehmer des Mittagessens bereits. Doch er lockte Frau Gitti aus der Versammlung, um ihr sein Herz auszuschütten. Nicht zu knapp murrte er, während sie den wichtigen Umweg im Garten taten. Da ging er hin auf dem sonntäglichen Pfad mit seinem Weibe, und bei dem einen oder anderen gewichtigeren Schritt berührten sich funkenschlagend ihre Schenkel. (Zu diesem Zwecke schritt der Meister ein wenig so einher, als hätte er die englische Krankheit. Aber ich bin mir sicher, wenn nun plötzlich einer aus der Deckung einer Pappel oder aus der Konfusion einer provisorischen Bushaltestelle hervorspränge und ihm die in solchen Fällen übliche Frage an die Brust setzte, könnte er demjenigen zünftig Antwort geben. »Meine hartnäckige Verletzung, Kumpel, ist wieder ausgebrochen«, oder irgendetwas in der Art.) »Teure Gittis, so einen dummen Verteidiger habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. « Hier räusperte er sich inmitten des Murrens. »Dabei habe ich in meinem bewegten Leben schon einige gesehen.« Frau Gitti war ein Fragezeichen. »Mein Freund! Zwei Fragezeichen war sie dort!« Aha:  
   
  »Der war so dumm, dass er den Trick nicht bemerkte.« - »Den Trick?« - »Ja.« - »Und was geschah dann?«, die Frau schmiegte sich an ihn. »Was soll schon geschehen sein. Sie haben mich ausgewechselt. « So was widerfährt ihm selten; und wenn, ist er nicht erfreut darüber. »Der leere Umkleideraum! Wie man in all den ganzen Latschen und Handtüchern herumwühlt! Dieser Überfluss ist abstoßend, bei meiner Ehre!«  
  Damals krochen schon die Blätter mit ihren grünen Ohren in den Garten herein und die Knospen und die Blüten waren mit ihren Schmetterlingsflügeln auf die Bäume geklettert. Niemand balancierte auf dem Gelb eines Maßliebchens und niemand lag bäuchlings im Gras und hielt Ausschau nach Mädchenschenkeln. »Aber mon eher ami! Die von der Gittu! Der Gittu ihre waren da!« Nun, das stimmt: Frau Gittis Schenkel sind erste Klasse; die Frau von der Psyche her angreifen: die Erfüllung der tolldreistesten Bilder aus den Flegeljahren des Meisters!  
  Ostern legte sich schwer über den Garten: zwar war es schon nach der Auferstehung, doch Karfreitag war noch so nah. Im Meister verlängerte sich — trotz allem — das Maßliebchen (und hörte damit selbstverständlich auf, ein Maßliebchen zu sein), und er sagte nichts. Seine Hand war in guten Händen. Diese beiden, wie sie dort über die Pflanzen des Gartens wandelten, waren wie ein Dankesgebet. Die Stimmen, die sie aus Richtung des Mittagessens riefen, veranlassten den Meister (mit dem Gedröhn von Felsen - Tu es Petrus etc.), zu Gitti hinabzugleiten. Da die Sohlen verschwanden, erhob sich, als hätte es Muskeln, das Maßliebchen, zusammen mit den umgebenden einfachen, doch nichtsdestotrotz nicht weniger geheimnisvollen Grashalmen. »Wissen Sie, so gestaffelt; als wäre es ein Film; Sie wissen schon, so ein Naturfilm. « Das Maßliebchen ward.  
  Doch was für ein Vaudeville ergab sich noch vor dem Essen, dank der jüngeren Brüder des Meisters! Frau Gitti eilte voran, um behilflich zu sein, er selbst schlenderte gemach Richtung Haus, in grüblerische Gedanken versunken; » als der Totó über die Flanke nach vorne preschte«, er hätte doch dribbeln sollen, hopp, den vorstoßenden Fuß umgehend, noch einmal, und dann das Antäuschen vor dem Schuss, der knochige, unangenehme Centerhalf auf dem Boden, mit dem Gesicht im Gras, schaut von da aus hoch, »ihre Blicke begegnen sich«, an dem Torwart vorbei, vor der Torlinie verlangsamen und schnipp, damit er nicht einmal bis zum Netz rollt. »Aaaa.« Ein aus der Kehle hervorbrechender, herzzerreißender, markerschütternder Schrei durchdrang das Haus, bis in die letzten Winkel desselben; der Meister, da der Schrei in seiner unmittelbaren Nähe ausbrach, ward vor Schreck fast entzweigespalten. »Man hat mich erschreckt«, sagte er zu einem späteren Terminus, in seinen Briefen blätternd. »Aber«, sagte er und schüttelte ein passables Kuvert, » aber das hier hat sein Ziel auch erreicht. «  
  Er schlug zu. »So sehr war ich erschrocken.« Da er auf den Fluren der Seele unterwegs war, und die Eile von dort zurück! Der sich vor ihm erhebende Schatten drehte sich um seine Achse, nachdem die kleine, schnelle Faust des Meisters einem Hammerschlag gleich hinuntergesaust war. In seiner Faust erspürte er das Aufeinandertreffen von Fleisch und Knochen. Herr György - denn er war der hoch hinaufragende Schatten - ächzte heraus unter dem Schlag, der ihn ins Kreuz traf, und der riesige Körper fiel, wie niedergekeult, nach vorn zum Fuße der Heizung. Der Meister, der sich inzwischen seelisch hatte sammeln können und sah, dass es sich um seinen Bruder handelte, würdigte diesen keines Blickes und ging wutschnaubend in die innere Stube. Er hatte sich sehr erregt. »Dieser Blödmann.«  
  Die geheimnisvollen, tiefen Farben, die Goldstreifen des hereinrieselnden Sonnenlichts übten eine sehr beruhigende Wirkung aus; Braun-, Grün- und dumpfe Gelbtöne - in flüchtiger Aufzählung. Er grüßte die dem Tisch zustrebenden näheren und ferneren Verwandten und rannte sodann ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen, wie er sagte. Er hörte noch, wie Jozef Veverka ihm hinterherrief: »Schaffe du nur, Péterle, Schönes und Edles.« Das sagt er immer und ein wenig ist er beleidigt. »Weißt du, Gittu, er ist von solch männlicher Trauer umflort.« Die Frau zuckte mit den Schultern. (Jozef Veverkas verwandtschaftliche Bande sind enger zu Frau Gitti denn zum Meister.) Jozef Veverka trampelte quasi täglich durch die »Gegenwart« der kleinen Familie des Meisters, brachte einen Korb Eier vorbei, manchmal Radieschen, obwohl ihm der Meister sagte, dass »sie selber so viele haben, dass sie nicht wissen, wohin damit«, na, wenn du welche hast, gib mir welche, in unserem Haushalt kann das Radieschen eine große Rolle übernehmen, er richtete das Tischtuch und warf sich in den Lieblingsfauteuil des Meisters, um sie von dort aus über die kleinen und großen Alltagsprobleme der Familie zu informieren, oder er zog aus seiner Zigarrentasche sofort einen Schraubenzieher und begann an etwas zu schrauben, das entweder kaputt war oder seiner Meinung nach gerade der Aufmerksamkeit einer fachkundigen Hand bedurfte; anfangs rauchte er stinkende Zigarren, später hielt er — begleitet von sogenanntem unwillkürlichen Husten und Räuspern — Vorlesungen aus Fachzeitschriften, welche er zusammengeknautscht wie eine Sportzeitschrift (Népsport) aus seinem glänzenden Kunstledersakko zog, über Kehlkopfkrebs, die Symptome, die Chancen usw. »Gittulein, Fichte, ein Glück, dass er einen nicht abfragt!« - »Sprich nicht so über meinen ...« Als er sich auf den Weg machte — recht bald —, ließ er jedes Mal Vorwürfe verlauten gegen die Führer des Landes und gegen Frau Gitti, Erstere, weil sie das Land für ’n Appel und ’n Ei verscherbelten, Letztere, weil sie immer noch nicht den Pandanus veitschii gegossen habe.  
  »Aber in Wahrheit war ich nicht Hände waschen, sondern Pipi machen.« Als er aus dem Bad kam, lief er seiner lieben Mutter in die Arme, welche losgegangen war, ihn zu suchen. »Hast du dir die Hände gewaschen?«, fragte die allmählich ergrauende Matrone mit von Besorgnis gesprenkeltem Misstrauen. Tja nun: vieles konnte dies edle Weib an Lebenserfahrung ihren Söhnen übermitteln, doch das Händewaschen, in der heutigen bazillenverseuchten Zeit, gehörte nicht dazu. (Manchmal, wenn der Meister das Gefühl hat, die Hände sind klebrig, oder er das Gefühl nicht hat, aber auf das bestimmte Aufeinanderreiben der Finger folgend löst sich schwarzer Abrieb von der Handfläche oder den Fingern selbst, dann ja. - Das ist wieder so ein kleines menschliches Moment.) »Natürlich habe ich sie mir gewaschen«, sagte der erwachsene Junge und hakte sich bei seiner Mutter unter. »Stell dir vor, mein Sohn«, die Frau rückte damit heraus, was ihr schon die längste Zeit schwer auf dem Magen gelegen hatte, »dieser Hallodri war hier, dein Fußballerfreund.« - »Der Franc?« Die Frau nickte; der Gedanke daran brachte sie in einen aufgebrachten Gemütszustand. »Er kommt herein, weil ich ihn um Hilfe gebeten habe, grüßt kaum, und bis ich ihm mit diesen alten, klapprigen Beinen hinterhergezottelt kam, stand er schon vor den Fliesen, schlenkerte mit dem Kopf und sagte zu mir: Küssdiehand, das muss aufgestemmt werden!« Der Meister frischte auf und gab eine Anekdote zum Besten. »Er hat bei der Immo-Instandhaltung gearbeitet. Weißt du, wie viel er da mit diesem Küssdiehand-das-muss-man-aufstemmen verdient hat ? Er ging durch einen Zehnstöckerer, hoch in den Zehnten, Küssdiehand, der Bewohner unter Ihnen, Küssdiehand, und zeigte irgendeinen blaupapierfleckigen Zettel vor, um anzuzeigen, das ist offiziell, und schwuppdiwupp, schon stand er traurig vor den Fliesen und nahm Maß für die Bewegung. Küssdiehand, das muss aufgestemmt werden. Die Hausfrau richtete den schnuckligen kleinen Schlafrock, sah dem Franc tief in die Augen und fragte, ob’s nicht möglich wäre. »Möglich wär’s«, sagte der Franc abwartend. »Das macht mindestens einen Zwanziger.« - »Na, also ich habe ihm gleich gesagt, er soll da Weggehen, es ist der Wasserhahn, der kaputt ist.« - »Die Dichtung?« - »Was du alles weißt. So was hast du früher nicht gewusst... Aber, mein Sohn, dieser Freund von dir! Er repariert, wie du’s sagst, die Dichtung, hinterher setzen wir uns hin, ich bringe ihm ein Glas Wein, und da fängt doch dein Freund an, mir zu erzählen, dass er immer schon die reiferen Frauen gemocht hat; ich habe mir natürlich nichts dabei gedacht, aber dann hat er angefangen, weißt du, so auf meinen Busen zu starren, lächerlich. « Die wundervolle Frau lief rot an. »Und dann langte er sich in die Hose ... also weißt du, so eine schmutzige Hose habe ich noch nie gesehen ... in die Tasche und holte irgendeinen Plunder hervor, dass das eine echte Perle sei, die er angeblich in einem Toilettenabfluss gefunden hat.« Hier streckte sie plötzlich die Hand nach vorne - und in der Fläche: die Perle! Der Meister lachte laut auf, er nahm die Hand seiner Mutter, umfasste sie mit der seinen, wie eine Schale, ballte sie so zur Faust. Also der Reihe nach von außen nach innen: seine Hand, die Hand seiner Mutter und zuinnerst die im Abfluss gefundene Perle. Die Leute, die sich entsprechend den Intentionen Frau Gittis und des Vaters des Meisters bereit machten, warteten eigentlich nur noch auf sie: auf Mutter und Sohn; ausgenommen Jozef Veverka, der mit seiner schweigsamen Adlernase bereits am Tisch schnaufte. Doch diese beiden steckten immer noch die Köpfe zusammen.  
  »Hör dir das an, mein Sohn, was ich geträumt habe. Wir waren hier, in diesem Zimmer. Es schien tagsüber zu sein, aber sämtliche Lampen brannten.« - Sie zeigte auf die Lampen. - »Und es gab sehr viele Betten. Alles Messingbetten. Glänzende Messingbetten, und eng dazwischen gepfercht Armsessel. Aber alle mit weißen Laken abgedeckt. « - »Damit sie nicht schmutzig werden!«, zischte er in einem plötzlichen Affekt. »Genau wie der Jozef Veverka. Der macht das auch. Deckt immer alles zu.« - »Aber so eng gestellt, versteh mich, dass man kaum gehen konnte. Nur so bugsierend, seitlich. In einem der Armsessel saß Mátyás Rákosi. Sein Schädel glänzte, wir unterhielten uns. Übersetzen Sie, lieber Mátyás, auch so viel wie mein Mátyás, fragte ich. Ich saß auf einem Messingbett, die Knie zusammengepresst. Oh ja, antwortete Rákosi, aber ich, nicht wahr ... und er zuckte mit den Schultern. Ja, natürlich, wir haben es in der Zeitung gelesen. Mir ist kalt, sagte Rakosi und hüllte sich in eine braune, knisternde Windjacke. Da ist bei mir der Groschen gefallen und ich stahl mich zwischen den Betten davon. Ich komm gleich mit dem Schwarzen, rief ich zurück. Sie können sich ja solange unterhalten, unter Männern.« - »Wieso, war der Alte auch da?« — »Ja. Und sag nicht Alter. Na und dann ging ich ins Badezimmer, um einzuheizen, dem Gast war kalt. Aber vor dem Holzstapel lag ein großer schwarzer Hund und auf seinem Rücken ein kleines weißes Lamm. Als ich eintrat, flitzte der Hund hinaus und die beiden Mátyás’ bauten sofort eine Sperre aus den Betten und versteckten sich darunter. Die Sperre wurde so gut, dass auch ihr Mut wieder wuchs, und sie bellten aus Spaß unter den Betten hervor. Und ich hatte sogar noch vor dem Lamm Angst! Aber wie ihre Hemden aussahen! Das von deinem Vater ging ja noch an, aber das vom armen Rákosi!«  
  »Und ich habe geträumt«, er überfiel brutal die wartende Mutter, »dass der Laci Nádai seine Schultertasche vorführt. Da steht >Moskau i98o< drauf geschrieben. Er lacht und zeigt darin eine wunderbare Pagode aus Märklin-Bauelementen. Was ist das? Er lacht wie ein Kind. Weil ich das immer der Dame des Hauses gebe, sagt er und verbeugt sich wie der Prinz Kerouac, diese Pagode, und wenn ich daraufhin um eine Unterkunft bitte, geben sie mir gerne eine, sie wissen, ich mache mich nicht vor der Zeit aus dem Staub, die Pagode ist ja da. Laci, mein Süßer, was ist das für ein hässlicher Murks? - Das habe ich geträumt.«  
  Die gute Frau schwieg ein wenig beleidigt, weil man so hurtig von ihrem Traum weitergesprungen war. Bei ihm klickte es (mehrfach). »Süße Lilkó«, sagte er mit der Strenge von jemandem, der zu einer Entscheidung gelangt ist, »Schluss mit dem müßigen Lebenstempo (hier schnitt die Frau eine bittere Grimasse), schreib jeden Morgen auf, was du geträumt hast.« - »Aber manchmal träume ich nicht, und manchmal vergesse ich es.« - »Muttchen, in dem Fall schreib es nicht auf. Aber nichts dazutun, nichts weglassen. Was sagst du dazu? Wir machen ein Buch daraus, ich gebe dem Ganzen eine künstlerische Form, wir werden in Geld schwimmen!« Der Meister umarmte seine Mutter und wollte sie gerade im Rhythmus eines fiktiven Walzers drehen, als die liebe Mutter es gerade nicht zuließ. »Du bist verrückt, mein Kleiner«, sie lachte beschämt und stolzerfüllt. »Sehen Sie, mein Freund, ich denke nur noch in Literatur. Jemand sagt unschuldig etwas und ich, wie die Kreuzspinne: her damit! Was für ein Holterdipolter!« Aber ich weiß sehr gut, was er hinter dieser selbstkritischen Wendung verbirgt.  
  Sein Herz nämlich! Denn zu dieser Zeit war die liebe Mutter des Meisters in recht schlechter Verfassung. Gar nicht die konkrete Krankheit, eher, dass sie keine Lust hatte, gesund zu werden. »Die Dinge stehen gerade jetzt so gut, ich kann nichts Zusätzliches mehr ertragen«, sagte sie, sich in den vielen Kissen aufstützend, und ihre wunderschönen Katzenaugen füllten sich mit Tränen. »Ist gut, Mütterchen«, sagten die Jungs, streichelten die geschwächte Hand und gingen ihren Geschäften nach. Als dann der Arzt bereits mit dem Meister von Mann zu Mann reden wollte, musste man etwas unternehmen; da folgte der bizarre Vorschlag des Meisters bezüglich einer Mitautorenschaft. So muss man das also sehen.  
  »Gut siehst du aus, Kätzchen«, Esterházy tätschelte seine Mutter, wo man es mit den leichten Mädchen zu tun pflegt; die Frau winkte ab und hinkte (Arterienverengung?), sich auf ihren Sohn stützend, zum Festtagstisch, der schier zusammenzubrechen drohte unter all dem irdisch Guten. Der Vater - ein ergrauter Zeitschriftenschreiber - rief ungeduldig aus: »György!« Herr Marci, der mit verschlafener Visage auftauchte, stieß seinen ältesten Bruder an: »Die Wangenknochen bewegen sich!« Das war ein bekanntes Zeichen für die väterliche Nervenanspannung, worauf es dazumal oh wie viele zum Besseren bekehrende Backpfeifen gesetzt hatte, Backenpfeifen mit den Worten Herrn Mihálys (vielleicht weil das Substantiv in der Praxis stets im Plural auftauchte?). Seitdem haben sich die Kräfteverhältnisse umarrangiert, dennoch sind die Seelen auch heute noch von einem schweren Respekt erfüllt, sobald sie die Muskeln im Gesicht ihres Vaters erblicken, was nur möglich ist, wenn die Fasern sich anspannen und die stoppelige Oberfläche der Gesichtshaut anheben (was, als Ursache, auf das gewaltsame Aufeinanderpressen der Zahnreihen hindeutet), als wäre da, rund um den Kopf, ein Gewirr geheimer Drähte; die Bohrungen des Zorns (mit anderen Worten). Das Verhältnis zwischen dem Vater des Meisters und Herrn György war nicht ungetrübt, und der Grund dafür war, so wie ich das sehe und als ungebetener Advokat (»der, mon ami, eine Riesenfichte«) beurteilen kann, im funkensprühenden Zusammenprall der Souveränität des György’schen Charakters mit dem Autoritätsanspruch des Vaters zu suchen.  
  Für alle Fälle verbargen sich in diesem gereizten »György!«-Ruf »die Reibereien vieler Jahre«. »Die Wangenknochen bewegen sich«, wiederholte Herr Marci das Gefahrenwort aus alten Zeiten. An dieser Stelle stiebte der Meister, von einem inneren Gefühl geleitet, von der festlichen Gesellschaft fort. »Jessas!«, rief er gut im Voraus aus. Und tatsächlich, als er eine Tür öffnete - zurück zum Tatort -, erblickte er ein ausgestrecktes Bein. »Ein schluchzendes Bein, mein Freund!« Herr György kniete vor dem Heizkörper, seine Hand rutschte langsam, sehr langsam über die Rippen nach unten, und der ganze Riese ward von Weinen geschüttelt. Auf der staubigen Oberfläche des Heizkörpers fielen die verhängnisvollen Schlieren der Finger hinab. »Was ist los, Alter?!«, der Meister beugte sich erschrocken hinunter und zog unter großem Geschnaufe das Gewicht an sich und hob es hoch. »Mach doch keinen Scheiß, aber ich hab doch wirklich ... aber Györgyilein, weine nicht, na, na, nicht doch, na: mein süßer Kleiner.« - »Du bist völlig übergeschnappt«, heulte Herr György. Der Meister stützte seinen schluchzenden kleinen Bruder, neigte sein Gesicht ganz nah an dessen Gesicht, welches von echten Tränen patschnass aufgeweicht. »Mein Gott, hast du einen großen Kopf«, sagte der Meister unbewusst und streichelte Herrn György. (Leider hatte der Meister in dem Schrecken, in den ihn das tierische Gebrüll gezwungen hatte, Herrn Györgys Kreuzschmerzen vergessen. Der Unglückliche war sogar schon bei einem Knochenbrecher in der Slowakei gewesen.) Der große Körper schleppte sich - unter Umgehung der Mittagessenden - ins Badezimmer. Er trippelte ihm die ganze Zeit hinterher, versuchte, sich nützlich zu machen; doch ohne Erfolg.  
  Herr György begoss sein rot geweichtes Gesicht mit kaltem Wasser. Doch wurde der Meister bald von Zweifeln befallen: Herr György nahm das Handtuch von seinem Gesicht, stellte sich vor den Spiegel, drückte einen Mitesser aus, bat um den Kamm, den ihm der Meister diensteifrig besorgte. Reden wir nicht drum herum, der Bruder vor dem Spiegel mimte den Schönling, mehr noch, als er - mit seiner Handfläche - die Frisur noch einmal richtete, sagte er: »Hol dich der Dachdecker, Künstlerchen!« - »Arschgeige!«, zischte der Meister, erkennend, dass sein Bruder auf diese Weise sein vorheriges Ich abgestreift hatte, doch sofort schrie Herr György schmerzlich auf und krümmte sich über dem Waschbecken. So wusste der Meister nicht, was er denken sollte: »Lass uns gehen«, sagte er, durcheinander, zum sich wie ein Wurm krümmenden Herrn György, welcher sich sodann - einen letzten Blick in den Spiegel werfend — voller Spannkraft mit ihm auf den Weg machte. Herr György konnte so ziemlich wie ein Stutzer sein. Die anderen warteten nicht auf die Herumtreiber, sie waren schon bei der Suppe. »Ein Idiot ist das«, sagte Herr György, auf den Meister zeigend, und setzte sich mit einem schnellen Jajj-jajj hin, um den Rückstand aufzuholen.  
  Doch nicht so endete das Vaudeville, das ich versprach, nicht wie ein schneller Frühlingsregen, sondern es verlief sich hübsch, obwohl nicht mehr im Galopp. Die »Tantis« und »Onkelchen« stöhnten vor Wohlgefühl. Onkelödön, der sich bis ins hohe Alter eine hervorragende Qualität seines Oberlippen- sowie Kinnbartes bewahrt hatte, lobte abwechselnd mit Jozef Veverka: »Lilkó, dieses Suppengedicht ist hervorragend.« Veverka hielt eine kurze Rede, und sein angetrautes Eheweib, diese winzige, dünne kleine Frau, stieß ihn an: »Das hast du gut gesagt, Vati.« Da - vermutlich wegen der großen Eile - tat der Löffel in Herrn Györgys Hand einen jähen Sprung, kam klopfend im Teller auf und so weiter. Herr Marci fuhr hoch: »Was ist los, Kumpel? Nimm gefälligst die Heuschrecke aus dem Esszeug!« Na, was daraus wurde! Vorneweg muss man noch hinzufügen, dass es eine herrliche Suppe war, die dort vor ihnen plätscherte! »Irgendein Rest, mein Freund, irgendein Rest. Aber sehr schmecker aufmontiert!« Und da auf der matten Oberfläche der braunen Brühe dunklen Spiegeln gleich Fettaugen trieben, beugte sich der Meister über den Teller und erfreute sich (ein wenig) an seinem Angesicht. So konnte es passieren, dass auf das Heuschrecken-Bonmot folgend der Meister in die Suppe prustete, deren Elemente (Kümmelsamen? Erbsen? Oder Pfefferkörner?) sympathischen Fliegen gleich nur so über den Tisch schwirrten.  
  (Dabei trat er doch Suppen gegenüber sonst so vorsichtig auf. Das hat eine Geschichte. Freunde der Literatur wissen sehr wohl, wie ungetrübt das Verhältnis des Meisters zu Kellnern ist; Dutzende Honorare beweisen dies. - Auf dem ersten Honorarüberweisungsschein stand: Horrorar. Paff. - Doch es gab auch einen anderen Fall. Er gab gerade im Kleinen Kuckuck den Connaisseur. »Mon ami, schauen Sie sich das an, wie diese Wärter des guten Geschmacks dastehen, bewaffnet bis an die Zähne, eine verdächtige Bewegung und sie schießen, und dabei nibbeln sie dezent vom Beefsteak à la Chateaubriand.« Fleischsuppe mit Galuschka, das war die aus unserem Blickpunkt erwähnenswerte erste Hälfte des Judikats. Er teilte die Galuschka (das Nockerl) mit seinem Löffel quer durch [das ist wichtig: quer durch!] und schluckte diese auf eine Weise, dass das konische, also das nicht geschnittene Ende in die Richtung der Bewegung fiel [Lippen, Mundhöhle, weicher Gaumen und so weiter]. Doch unten! Unten plötzlich, als keiner, aber wirklich keiner mehr damit gerechnet hätte, verströmte sich die Hitze, die dort im Inneren der riesigen Galuschka gespeichert war; verströmte sich, ergoss sich, und er dachte, er müsste auf der Stelle sterben. Die Hitze kam und kam und er konnte nichts machen. Im wörtlichen Sinne des Wortes: ihm blieb die Spucke weg. Hier trat der Kellner hinzu - sehr hilfsbereit -, doch er, mit seinem roten Kopf, konnte jetzt wirklich nichts mit ihm anfangen, mehr noch: er schämte sich ob seines Ausgeliefertseins an eine Galuschka. So winkte er nur mit der Hand: »Weg.« Dem Wunsch des Gastes entsprechend trollte sich der Kellner; zum Schluss versuchte der Meister die Sache mit einem unbegründet hohen Trinkgeld geradezubiegen, was es natürlich alles nur noch schlimmer machte.)  
  Die Gäste löffelten taktvoll vor sich hin, die Mutter des Meisters grummelte. »Also das ist wirklich die Höhe. Erwachsene Männer!« Herr György - in seiner Freude über den gefundenen Löffel - sagte schadenfroh: »Das Péterle hat sogar ein Diplom.« - »Der Wangenknochen bewegt sich«, flüsterte der sehr aufmerksame Herr Marci, doch dann wies er den Meister, der gerade anheben wollte, sich zu begeistern, zurecht: »Kannst du dich nicht beherrschen?! Ach, hol dir doch einen Kuss von der Madam Schoscha!« Der Meister schnalzte anerkennend mit der Zunge und sprang auf, um sich das zu notieren, wie man sehen kann. »Sehen Sie, mein Freund, hier zeigen sich die Schwierigkeiten (des Romanschreibens - E.), welche vorübergehend sind.« - »Welche Unformen, vom Tisch aufzuspringen«, die Mutter fand erneut Beanstandungswürdiges. »Tottere du nicht so viel, Muttchen! « - »Na, na«, brummte das Familienoberhaupt.  
  Teller wechselten (dank der im Hintergrund wirkenden Frau Gitti, welche wie ein Kassenarzt ehrenhalber ihre Hand am Puls der Dinge hielt), und schon prangte das Lili-Kotelett vor ihnen: zart, weich, kaum zu glauben. »Aber liebe Lilkó! Wie machst du das?« Die Herstellerin lächelte geheimnisvoll. »Esst nur.« Hier johlte der Vater des Meisters tendenziös los. »Das hätte man sehen müssen, mein Freund, wie meine Mutter meinen Vater ansah! Wie ein Kind, wenn es kolossal wütend ist! Und vor Wut gleich strampeln wird.« Ich spanne nicht auf die Folter; die Lösung für dieses Blitzen ist, dass das Kotelett ganz einfach: Hackfleisch war!!! »Aber es ist gut aufmontiert.« Daher seine buttrige Zartheit etc. »Lilkó! Ist das zart!« — »Liebe Lili, das muss man gar nicht kauen, das kaut sich sozusagen von selbst!«  
  Auf Herrn Marcis Teller lag noch ein kleines Stück, ein letzter Ausläufer, von der leicht angebrannteren Art, welche der Meister dessen blässeren Verwandten ohnehin vorzog. So versuchte er, es zu stibitzen. »Oblák!«, rief Herr Marci heftig aus (»was, wie man aus der Fachliteratur wissen kann, so viel macht: Mb. Hmp.«) und verabreichte der im Großteil des Lebens eine Feder haltenden Hand einen mächtigen Schlag. Der Meister war drauf und dran, sich traurig zurückzuziehen, als sich Herrn Marcis Züge erweichten, er applizierte das Fleischstück auf seine Gabel und zeigte sie dem Meister, so auf halbem Wege. »Das war eine bedeutende Version.« — »Alter«, sagte er sanft, »hier ist das Fleisch«, und bewegte seine Gabel in die Richtung des Meisters. Dieser sank vor Freude auf die Knie. (»So viel braucht es.«) Diensteifrig sprang er auf den Köder an; wegen der nahen Entfernung griff er mit dem Mund danach. Herr Marci zuckte ein wenig zurück. »Hier ist das Fleisch, Kumpel.« Sein Gesicht verhärtete sich. »Und hier bleibt es auch.« Und hamm, in den Mund damit. Auf diese Weise erniedrigt schob der Meister seinen leeren Teller der diese einsammelnden Frau Gitti hin, die ihm ein tröstendes Streicheln der Hand zuteilwerden ließ.  
  »Den Kaffee nehmen wir drinnen«, sagte die Dame des Hauses und fügte lachend hinzu: »Wir sagen dem Dienstmädchen Bescheid. « Was natürlicherweise selbstironisch zu verstehen war, doch diesmal ging es nach hinten los, wegen der Anwesenheit Frau Gittis, auf welche man diese Aussage beziehen konnte, was eine klassische Schwiegermutter-Schwiegertochter-Situation erschuf - dabei, wenn es eine Schwiegermutter und eine Schwiegertochter gibt, die sich gut verstehen: dann sind das Frau und Mutter des Meisters. Gewiss wegen des bittersüßen Bandes zwischen ihnen! Die Hauptattraktion des Kaffeetrinkens ist: Herr Marci, der den im Original bitteren Sud mit 6 Würfeln Zucker trinkt, und zwar, wie er behauptet, weil man aus den 6 Zuckerwürfeln einen Turm bauen kann, und das Schönste am Kaffeetrinken sei, wenn dieser Turm umfalle. Der Wirkung konnte sich niemand entziehen, mit angehaltenem Atem warteten verschiedene Generationen darauf, dass sich der Kaffee »gewalttätig in das Gebäude fraß«, ein Würfel einknickte, der Turm ins Wanken geriet und in Schwärze versank ... »Guck mal, wie ein Besoffener, der langsam unter Führung der salpetrigen Wand hinunterrutscht.« Wie eine verrenkte Extremität hing aus Herrn Marcis Tasse der Löffel heraus. Unauffällig (kopfschüttelnd) legte ihn die liebe Mutter auf die Untertasse.  
  Jozef Veverka pirschte lautlos von Zimmer zu Zimmer, und wenn er einen Pandanus veitschii fand - einen fand er -, drehte er diesen zur Sonne. Der Meister verfolgte ihn mit seinem Blick. Onkelödön hakte sich bei dem Vater des Meisters unter. »Bitte, ich muss in einer vertraulichen Sache mit dir sprechen.« Er streichelte sein Bärtchen. Der Meister mochte seinen Humor sehr. »Wissen Sie, mein Freund, das konnte man mitverfolgen, diesen Prozess, wie der Onkelödön älter wurde. Er war ein schöner Mann, die Frau schwirrten nur so. Der schöne Ödön und sein draufgängerischer, hagerer Humor wurde umso tiefer, je richtungsloser er wurde.« Mit Affekt: »Pfui, Didaktik.« (»Es begab sich einmal, ein Werk des Zufalls, dass er gemeinsam mit der Handballerinnenauswahl nach Wien reiste, und als er die »attraktive Spielmacherin« erkannte, sagte er zu ihr: »Wissen Sie, Amálka, wenn ich Sie sehe, spüre ich ausgesprochen den Geruch eines Tors.« - »Oh, wie freundlich«, sagte die Frau und errötete. Onkelödön bekam sogar Freikarten.) »Bitte, ich muss in einer vertraulichen Sache mit dir sprechen. « Onkelödön war ein Gentleman. »Bitte, was du möchtest«, sagte der ergraute Zeitschriftenschreiber und zog ergeben an seiner Zigarre. Der Vater des Meisters - so der Eindruck des Meisters - empfand seine Klasse als ermüdend. Doch belassen wir es dabei: »Den Vätern ist so vieles zugutezuschreiben, schließlich leben sie schon so lange.« - »Bitte, die Angelegenheit ist äußerst heikel.« Der Meister spitzte die Ohren, rutschte bäuchlings hinter die Gardine, kroch auf den polierten Tisch (»welcher so schöne Blasen wirft«) und wurde dort unbemerkt »zu einem Gedeck, einem Gäbelchen«. Wie es seine Gewohnheit war, tat er alles, was der Beruf an Opfern abverlangte; er war strebsam.  
  »Verfüge über mich, lieber Ödön.« Doch sein Lächeln hüllte der tätige Mann erneut hinter einen Schleier aus Zigarrenrauch. »Also, bitte schön, die Jolánka schrieb mir eine Karte, in der sie berichtet, unsere Reise in die Bretagne habe dort drüben großen Staub aufgewirbelt. « Zwei Augenbrauen bewegten sich asymmetrisch - väterliches Erbe - nach oben, fragend. »Schau, unser gemeinsamer Freund, dessen Namen ich nicht laut sagen möchte« - hier warf er einen Blick zum Telefon -, »der französische Graf, hat sich, nicht wahr, auf seine Güter in der Bretagne zurückgezogen.« Der Vater des Meisters nickte. »Ganz offensichtlich hatte er keinen blassen Schimmer, wovon der gute Ödön da redete. Wissen Sie, mein Freund, einmal hörte ich mir einen seiner Dispute an über ein Buch, das er sehr aggressiv verteidigte, bis sein Gegenüber unter dem fesselnden Druck seiner Argumente schließlich aufgab. Und dann hat der Alte, nicht gerade den Regeln des Fair Play entsprechend, ihm den Dolch in die Brust gerammt, indem er zugab, das Buch überhaupt nicht gelesen zu haben. Also, weißt du, Matthias ...! Der Betroffene schnappte nach Luft. Eine wirklich freche Wendung, nicht?«  
  »Also, als wir ihn mit meiner Frau dort besuchten, fanden wir eine große Anzahl, wie soll ich sagen: Royalisten aus der Umgebung vor, die sich zum schönen Gartenfest versammelt hatten, bei dem sich der >General< mit seiner lebendigen, geistreichen Art als der liebenswürdigste Gastgeber erwies.« Der Vater nickte müde. »Als gegen Abend die letzte Geigenmusik verklang, führte er meine Gattin auf eine Anhöhe, welche sich auf der großen Schlosswiese erhob, versammelte alle Tänzer und Tänzerinnen um sich, gab dem Orchester ein Zeichen und führte, dieser 75-jährige Greis, die Gesellschaft in einer >Farandole<, einem huldigenden Marsch, zu meiner Gattin.«  
  »Großartig«, sagte der Vater des Meisters, und da ein Stück Torte auf einem Fayence-Tellerchen erschienen war, griff er zur Gabel. (Der Meister selbst kauerte ängstlich, wie man sich denken kann.) »Natürlich, aber, bittschön, der Ruf des Grafen!« - »Tja, na ja«, sagte der ergraute Zeitschriftenschreiber, immer besser orientiert. »Zum Beispiel hat der Graf in der Kapelle seines Schlosses in der Bretagne mit großer Pietät jenes Tuch aufbewahrt, an dem angeblich« - hier wurde die erzählende Stimme leiser - (und der Meister brach schier in Tränen aus; jedes Mal, wenn es zu so einer Dämpfung kam), »angeblich der Führer der Bewegung seine Stirn abgewischt haben soll.« Onkelödön kicherte los. »Wissen Sie, mein Freund, es kommt selten vor, dass man einen Mann kichern hört.« Dies war eine kostbare Erfahrung für den Meister, schade, dass Onkelödön schon auf dem absteigenden Ast war und nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte. »Weißt du, das ist so eine Art, hi, hi, hi, kommunistisches Veronika-Tuch.« Der Vater des Meisters lachte laut los. »Sehr gut, lieber Ödön, das ist hervorragend.« Doch sein Gesicht nahm sofort wieder düstere Züge an, wie in einem humorigen Stummfilm. (»Er ging auf Nummer sicher, der alte Lustmolch.«) »Und was ist das Problem?« - »Nun ja, ich bitte dich, du verfügst doch über gewisse Einsichten ...« Onkelödön verstummte und blickte den Vater des Meisters flehend an. Dieser erwiderte lange seinen Blick. »Dieser Schurke.« Nach einem langen Schweigen - was diese beiden anbelangte, denn weiter weg sprudelten gar fleißig die wortlosen Töne der Plapperei - ergriff er ernsthaft das Wort. Er legte dem anderen seine Hand auf die Schulter. »Danke, lieber Ödön, dass du Bescheid gesagt hast. Mehr noch, ich möchte sogar weitergehen. « Das Gäbelchen fiel unter den Tisch. »Ich gehe sogar noch weiter und möchte dir danken und dich bitten, solltest du jemals in Besitz eines Details gelangen, so uninteressant es dir auch scheinen möge, erstatte mir darüber unbedingt Bericht. Aus solchen Mosaiken ergibt sich und wird klarer: das Gesamtbild.« Er muss am Ende seiner Kräfte angelangt sein, er ließ Onkelödön in hohem Tempo stehen.  
  Herr György wühlte die stehenden Gewässer mit seiner auf die Sportzeitung bezogenen ordinären Suchart auf. »Da hat man kein anderes Vergnügen mehr als die Sport nach dem Essen, und dann wird sogar die weggeschafft.« Der Pfeil der Kritik war offensichtlich auf die liebe Mutter gerichtet. Der Vater des Meisters, ermüdet und erfrischt vom vorangegangenen familiären Gespräch sowie getrieben von einem Grundzug seines Charakters, zu dem sich auch etwas schlechtes Gewissen mischte, eilte seiner Ehefrau zu Hilfe, indem er anfing, die Zeitung zu suchen. »Beim Pandanus veitschii ist sie nicht«, warf Jozef Veverka ein. »Wissen Sie, liebe Lili«, fuhr er die angefangene Konversation fort, »dieses viele Fleisch!« Der Vater des Meisters suchte zwischen den Blumen, was Herrn György aber nur noch mehr aufwiegelte. »Warum suchst du sie nicht gleich auf dem Dachboden, alter Lombroso! «, erklang es respektlos. Der graue Vater hob seine Hand und sprach eine jener Sentenzen, von denen Herr György, sozusagen, Ausschlag bekommt. »Mein Sohn, wenn es einmal dort nicht ist, wo es ist, muss man es dort suchen, wo es nicht ist.« Die Söhne winkten gleichzeitig ab, wie ein Frauentanzorchester (nur dass die es mit den Beinen tun). »Den guten Menschen führet sein eingebend Instinkt auf den guten Weg«, sagte der Meister.  
  »So viele Sorten Fleisch!« - »Erinnern Sie sich noch an den Látka P. J.?« Jozef Veverka nickte verlässlich. »Mein Gott: der Látkapejot! Das war vielleicht ein Delikatessenladen!« Die Mutter des Meisters sah Veverka vielleicht das erste Mal überhaupt mit Respekt an. Sie hat nie etwas Schlechtes über ihn gesagt, manchmal empfand sie sogar Mitleid für ihn. »Du, Péter, dieser Jozef Veverka ist so ein armer Teufel ... Der Ärmste sieht so müde aus!« Aber nun würde vielleicht Látkapejot das Verhältnis dieser beiden in eine gute Richtung lenken. Doch Jozef Veverka verlor wie gewöhnlich die Contenance. »Und der Sztajics erst! Beim Sztajics gab es 25 Sorten Aufschnitt. Mit Fetteinlage, mit Lebereinlage.« Die Frau versuchte sich in Antworten. »In der Kígyó-Straße gab es auch einen hervorragenden Fleischer, sein Name ist mir nicht mehr ...« - »Filet hat 96 Fillér gekostet, nicht etwa 100 Forint! 96 Fillér! Ein paar Absatzferkel haben 3 Pengő gekostet, ein paar gute Schnürstiefel 4 Pengő und ein Schaufler bekam seinen Pengő am Tag! Und dafür heute! Und da reißen die noch ...« Jozef Veverka verstummte, und plötzlich entstand große Stille. »Offensichtlich hörte keiner hin«, sagte der Meister böswillig. »Was ist los, sind die Themen ausgegangen?«, rief Herr Marci aus dem äußeren Zimmer herein; wo der begabte, wenngleich auch etwas behäbige Center am Naschen war. (Herr Marci isst mehr als Herr György, so unglaublich das auch klingen mag.)  
  Der große kleine Bruder (Herr György, falls es einer nicht wissen sollte) leistete ihnen, mit einer kurzen Marlboro in der Hand, Gesellschaft. Er ließ großen, bläulichen Rauch um sich kräuseln. Herr György mag es, zu schwatzen und zu plauschen, und er kann es auch. Schon als kleines Kind fühlte sich dieser hervorragende, geistreiche Gesprächspartner wohl in der Gesellschaft von Erwachsenen. »Das ist keine Kleinigkeit, mein Freund. Ich bin manchmal einfach außer Stande zu sprechen.« Ja: er ist da anders. Der große Respekt, den er für sein Werkzeug, die Sprache, empfindet, kann leicht Hemmungen hervorbringen. So auch jetzt: sein »tödliches Ducken« unterbrach er nur einmal. Er fragte eine »Frau mit Lippenstift«, ob diese tatsächlich der Meinung sei, die Szilviasas sei so gut. Dabei, was der Meister von Musik versteht...! (Obwohl: der Meister und die Musik! Die vielen Einflüsse auf ihn! »Ich bin ungebildet, mon ami. Aber das soll Sie nicht täuschen. Zuhören kann ich.«) »Ja, sie ist gut. Und ihr Auftreten ist sehr gut. Was nicht unerheblich ist auf einer Bühne.« - »Da allmählich die Zeit des abendlichen Fernsehfilms nahte«, machten sich die Gäste auf den Weg. Der Meister blickte auf seine Uhr, auf diese pfiffige kleine Maschine, ob es schon Zeit war für die Abendmesse.  
  Hier platzte Herr Kisteleki herein, ein Mittelfeldspieler, freundschaftlich schlugen sie sich auf den Rücken; aus der Ecke rollte der kleine gelbe Gummiball hervor; »der Labbrige«. (»Vielleicht hat sich das Haus geneigt, weil wir alle auf einer Seite standen?«) Herr Kisteleki hob das unerwartete Geschenk hoch, sein schönes Pferdegebiss blitzte vor Freude und er begann zu daddeln, den Ball hochzuhalten, nach einigen fehlerlosen Auf-und-Abs legte er ihn zu Herrn György hinüber (der für einen Verteidiger hervorragend daddeln konnte, innerhalb der angegebenen Zeit schaffte er von allen Geschwistern die meisten Heber, vielleicht wegen der großen Fußfläche; einmal erzählte der Meister seinen Kameraden, Herr György könne einen gewissen Trick - im Lauf über den Kopf von hinten nach vorne - sogar mit einer Bierflasche ausführen. »Einer leeren?« - »Natürlich. Er ist ein Virtuose, nicht blöd.« Was haben sie gelacht.), dann zu Herrn Marci, und am Ende der Kette zum Meister. Dies führte dann zu einer Idee, aus immer mehr Richtungen ertönte der aufgeregte Ruf: »Daddelbewerb! Los! Daddeln!« Eilends legten sie die Regeln fest. »Letzt! Vorletzt! Zwot! Erst!«, und die Reihenfolge stand auch fest. Die drei Brüder lagen gleich auf, als Herr Kisteleki drankam. Er machte sich mit großem Selbstvertrauen an die Arbeit, die vielen österlichen Lichter spiegelten sich in seiner Zahnreihe. Doch als er das Ergebnis der Esterházys erreichte, zerlegten diese - ohne sich abgesprochen zu haben - Herrn Kisteleki unter großem Gelächter. »Wissen Sie, wir hatten uns alle drei heimlich dorthin gedruckst.« - »Unentschieden«, rief der Meister eilig aus. »Iks!« - »Vierer Remis«, hieß es in der offiziellen Ergebnisverkündung. Doch Herr Kisteleki schmollte. (Fürwahr, verständlich aus persönlichen, kleinlichen, privaten Gesichtspunkten!) »Ihr seid keine Gentlemen«, sprach er mit Nachdruck. Nach kurzer Heiterkeit wurde dem armen Jungen jedoch eindeutig über den Mund gefahren. »Kumpel, hier geht’s nicht ums Gentlemansein, sondern ums Daddeln.« Und sie zwinkerten sich zu. Ein schönes Beispiel war das für die geschwisterliche Beziehung und den Zusammenhalt.  
  Seine übliche sonntägliche Dankesmesse ließ er in der örtlichen Kathedrale abhalten. Die Zeit verbrachte er recht schlampig, seine Aufmerksamkeit war umherschweifend; sie konzentrierte sich auf manche denkwürdigen Punkte, unter denen es erneut unwürdige zu beklagen gab. Gleich der erste. Er war schon wieder beim Totó angelangt, als der Totó losgegangen ist... vielleicht hätte er ihm doch den Pass Zuspielen sollen, wenn der Toto dann zurückgespielt hätte: wäre er auf der Gewinnerseite gewesen: alle Türen und Fenster offen; wenn er durchgegangen wäre, hätte er vielleicht gut geflankt und er wäre angekommen, und rein damit, von null zwischen die Augen!  
  Plötzlich wurde er der Stille gewahr. Immer lauter werdendes Geknister von Papierblättern: der Pfarrer blätterte. »Aber heftig.« Vor und zurück, man konnte schon sehen, dass er kein System hatte, er vertraute auf sein gutes Glück. Welches sich aber zu verspäten geruhte. Der Meister schaute nur. (Er hatte eine Phase, in der er sehr hart über die während der Zeremonie geschossenen Böcke urteilte; auch jetzt war er nicht gerade erfreut, doch erschüttert würde er auch nicht sein!) Plötzlich hörte das Blättern auf. »Da!«, sagte der Pfarrer, und obwohl der Meister wusste, dass das vorgelesen war, und wie folgt fortgesetzt werden würde: (da) sprach der Herr, wurde trotzdem auch er vom unausstehlichen Humor der Szene erfasst, welche der zivilen Aktualisierung des heiligen Textes entsprang; »die Gittu trat ihm auch gleich gegen’s Schienbein«.  
  Vor ihm saßen ein Mann und ein Knabe. »Vater und Sohn.« Der Vater war der kleinere; beide hatten dieselben schönen, nach hinten gelegten Ohren und frisch (»ekelerregend, mein Freund«) geschnittenes Haar: in der Mitte des Halses riss es plötzlich ab, fast konnte man noch das metallische Sirren der Schere hören, »wie den Flügel eines Teufelsengels«, um Platz zu machen für die roten Flecke der gequälten Haut. Als sich der Junge einmal zum Vater drehte, fiel dem Meister dessen strenges Profil auf, die starke Brille - der Junge saß so da, dass auch der Meister von Zeit zu Zeit durch diese Brille schaute die abfallenden Schultern, und alles spiegelte jene Verstocktheit, welche er aus seiner eigenen Jugendzeit kannte: die selbstzerstörerische Härte, den Schrecken, das Vertrauen und das Misstrauen. Angesichts dieser Kraft fiel dem verantwortungsbewussten Mann ein: »Wie werde ich wohl einst mit meinem Sohn Übereinkommen?!« Und: »Man muss diesem Blick standhalten, dann wird es vielleicht gehen.«  
  Und hier folgte ein bestürzendes Ereignis. Der Sohn erhob sich - das allein hatte schon etwas Erschreckendes an sich, und das ist nicht nur eine nachträgliche Hineindeutung —, rückte näher an seinen Vater heran und legte plötzlich, aber mit einer Zärtlichkeit, die selbst den Meister nicht ungerührt lassen konnte, den Kopf auf die Schulter des Vaters. Der Meister hatte das schon lange im Voraus kommen sehen, wie der Junge anfing, vorsichtig den Kopf zu neigen, er hatte also genug Zeit, sich in das Gefühl hineinzuversetzen, sich hineinzulullen. Umso schockierender war es, dass, als der Kopf - zugleich Schulter und Hals berührend, oder das Ohr, das war wegen einer nach vorn fallenden Locke schwerlich genau zu sehen — den Vater erreichte, dieser wie erschrocken zusammenzuckte und den Jungen gereizt anknurrte: »Na.« Der Meister glaubte mit seinem Gefühl für Komposition den Konflikt verstanden zu haben. »Ein trauriger, einfacher Fall.« Aber das war noch nicht alles. Das war noch gar nichts. Der Junge stutzte, sein Kinn schnellte violent nach vorne - das erste verräterische Zeichen sein Kopf versank fast in jenen abfallenden Schultern, und mit seiner tiefen, brummenden Stimme ließ er, während seine Lippen sich rundeten, als würde er gerade einen Luftballon aufblasen, und sich die Augen einander erschrocken annäherten, ein unartikuliertes Flüstern verlauten, das aber so laut war, dass alle Herzen davon erbebten. Das des Meisters auf jeden Fall. In den Augen des Jungen wechselten sich Schrecken und Glück so schnell ab, dass sie fast ineinander verrannen. Denn der Kirchendiener kam, und der Vater, dem der Meister schon längst verziehen hatte, kramte eine Zweiforintmünze hervor, und als der Junge mit zitternden Händen nach dem dritten Versuch, die Zunge herausgestreckt, endlich den Klingelbeutel traf, war er die Dankbarkeit und die Freude in Person. Er sah seinen Vater lange, begeistert an. »Ist ja schon gut, ist gut«, sagte dieser schnell.  
  Und da - als er diese ur-adoleszente ewige Reinheit erblickte, welche ihn vorhin noch mit ihrer Symbolkraft zur Selbstprüfung bewogen hatte und von der sich jetzt herausstellte, was sie war -, stiegen ihm Tränen in die Augen; und er kniete sich hin, um für den Jungen zu beten. »Kleiner Bruder, kleiner Bruder, kleiner Bruder.«  
  So verging die Zeit bis zur Segnung, welche ein großer inbrünstiger Moment für den Meister war. Worte reichen hier nicht. »Gehet hin in Frieden!«  
 
 
  12 Herr Ferenc, Prosaschriftsteller aus Temes, schlug dem Meister vor, und der Meister schlug Herrn Ferenc vor, eine Zwillingsnovelle zu schreiben. »Wir legen einige Parameter fest, fertig«, sagte grinsend der Meister. »Fertig«, der Temeser nickte. »Stefanovits ist der Mann der Zukunft«, fügte er hinzu und warf Esterházy einen Blick zu, ob dieser verstand. Nun war es am Meister zu nicken. »Wir kombinieren einen Teil des Raumes mit einer Person.« - »Onkel Feri«, sagte er bei einer späteren Gelegenheit, denn der Meister achtet stets darauf, die älteren Berufsgenossen mit tiefem, respektvollem Respekt zu grüßen, »Onkel Feri, ich habe einen längeren Text angerissen, das heißt, die Sache ruht im Moment.« - »Sie ruht«, Herr Ferenc nickte und seine riesige Haarkrone fiel trauer voll auf seine Schulter.  
 
 
  13 Hier bediente sich der Meister aus seinem »souverän beherrschten schriftstellerischen Arsenal« des Mittels der Komplementärbeschreibung (ihm widerfuhr eine Lebenserscheinung, welche er dann auf das Origo spiegelte — dieses für jene, die ihn in ihrer Praxis verwenden wollen - E.). »Wissen Sie, mein Freund«, sagte er und schnippte seufzend gegen die Streichholzschachtel. Welche in die wenig ästhetische Atmosphäre der Kneipe hinaufstieg, um alsdann wieder herunterzufallen. Pass. Herr Icsi gewann. Der Torwart ließ ein zufriedenes Wiehern vernehmen. Doch da verkündete Herr Csucsu unerwartet und mit der von ihm gewohnten Bestimmtheit (die Sturheit war eher typisch für diesen guten Techniker), dieser Wettbewerb sei die Herbstrunde gewesen und 1. käme jetzt die Frühjahrsrunde; 2. finge er jetzt an; und 3. arrangiere er die Krüge (und Gläser - E.) um. Durch das sinnige Umarrangieren der Krüge und der anderen Trinkgefäße konnte man nämlich erreichen, dass die Streichholzschachtel öfter als durch die Statistik garantiert auf einer »wertvollen Fläche« liegen blieb, gleichsam zwischen die Krüge gequetscht. (Als »gefischt« galt das Ergebnis, wenn das Schächtelchen in der am Grunde des Kruges dümpelnden Flüssigkeit »auf den Füßen landete«; als »gefischt, gesalzen « dementsprechend. Hier erinnern wir auch daran, dass dreizehn gleich große Kugeln das kleinstmögliche Agglomerat dann bilden, wenn 12 davon die dreizehnte vollständig umschließen und verdecken. Die Mittelpunkte der 12, die dreizehnte Kugel in ihrer Mitte berührenden Kugeln decken sich mit den Spitzen eines Ikosaeders. Vgl.: Jesus und die zwölf Apostel, die zwölf Stämme von Jakob und Israel, die Sonne und die 12 Tierkreiszeichen, das »himmlische Jerusalem« und die 12 Engel, das Kreuz und dessen 12 rechte Winkel etc. - Eine künstlerische Darstellung des Ikosaeder-Symbols finden wir in Sulamith Wülfings ganz von reiner Spiritualität inspirierten Kupferstichen.)  
  Da der Meister seine Gedanken zu einem Flüstern heruntergedämpft hatte, erspürte auch die Welt etwas von dieser inneren Stille. Im Ausschank wurde es leiser, allein Herrn Csucsus Humpen klingelten und bimmelten. Er hatte ein neues, hervorragendes System gefunden. Der Wirt, mit einem halb abgewaschenen Glas in der Hand, verhutzelten Schaum auf seinem Handrücken, winkte den neu Hereingetretenen, sie mögen still sein; der Meister denke. »Wissen Sie, mein Freund« - die Gäste: Arbeiter, Bauern, Intellektuelle, lauschten mit gespannter Aufmerksamkeit –, »wissen Sie, ich legte Wert darauf, dass der KISZ-Sekretär im Werk sympathisch sein sollte. Und ich glaube, dieser Bursche (András Békési) ist sympathisch.« Als sie das hörten, erhellten sich die Gesichter in der Kneipe, die Menschen hüpften und sprangen, Fremde fielen einander um den Hals. Der Meister sprang in seiner Reinheit auf den schmutzigen Tisch und dirigierte sie. Autor und Leserschaft sangen in wunderbarer Verschmelzung.  
Ein Sch(m)atz und sonst nichts,
Das wünscht ich mir,
So lebt es sich
still und froooooh.
 
  (»Katzenöhrchen, Katzenöhrchen, was Sie nicht alles zusammenbringen! « Er lächelte unschuldig. Nun, zugegeben: Illusionen über diese Verschmolzenheit macht er sich nicht. Nostalgie, na ja, das ja. Obwohl, einmal... Sie hatten gerade jemanden vermöbelt, er hatte leicht und klug gespielt. »Er hat sich Mühe gegeben«, sagte in der Dusche Herr Icsi zu Herrn Csucsu, und sie stießen ihn unter das kalte Wasser. Und da geschah es, dass der Torhüter des Gegners den Meister mit einer vor Ehrerbietung verwickelten Stimme fragte, ob er denn jener Esterházy sei. Worauf der Meister, wissend um die Ordnung der weltlichen Eitelkeiten, antwortete, nein, er sei der ältere Bruder. Dass er nämlich der ältere Bruder des Herrn Marci sei. Herr Marci war seinerzeit vielleicht noch Torjäger in Budafok. Und der Akt der Gerechtigkeit von Seiten des gebildeten Gegners: »Wirklich? Der ältere Bruder des Schriftstellers?« - »Gefällig.«)  
  Herr Csucsu verschob einen der Krüge leicht und lehnte sich zufrieden nach hinten. »Was meine Wenigkeit anbelangt, ich votiere auf die Kette im Mittelfeld.« Der Meister senkte das Haupt: was Zustimmung bedeuten konnte, aber auch schmerzlichen Widerspruch. Herr Csucsu ließ den Blick noch einmal über die Konstruktion schweifen. Er nickte und winkte Herrn Icsi: er solle anfangen. Herr Icsi zwinkerte verschmitzt, er hatte erkannt: wer anfängt, verliert, er winkte Herrn Csucsu: er solle anfangen. Herr Csucsu wandte sich sofort an den Meister (»großes Gedruckse!«), während er die Schachtel, wie ein Tier, aus seiner Hand gleiten ließ, Herrn Icsi zu. »Das geschah noch bei der Jugend.« Der Meister deutete mit den Augen an: er höre zu. Er bot der Runde Rotwein an. Herr Icsi schüttelte den Kopf, doch auch seine Augen glänzten schon. »Das geschah noch bei der Jugend. Das sage ich nur, um zu zeigen, wie viele unbekannte Giganten es gibt.« (Herr Csucsu ist ein großer Liebhaber des Unbekannten. Sagen wir, sie lehnen gerade wieder am Eisengeländer. Rost mag herunterrieseln. »Drinnen spielt die B-Mannschaft oder die Kleinen.« Da wendet sich Herr Csucsu mit einem Pathos an den Meister - der sie so ausgehefert werden lässt - und spricht also: »Ich bin ein großer Liebhaber des Unbekannten.« Der Meister deutet auf jemanden drinnen: »Der bringt’s. Hat was drauf.« Herr Csucsu fährt fort: »Hast du schon mal in den Philatelieanzeiger hineingeblättert oder ins Jagdmagazin Nimród? « Eine echte Frage. »Letztens war sie einen Monat zu spät«, sagte der gut informierte Meister, »der ChefRedaktor hatte sie im Bus oder wo liegen lassen.« - »Warst du schon mal bei einem Judowettbewerb?« Nun entzieht der Meister dem magischen, grünen Viereck das erste Mal seinen Blick. »War neulich mal da gewesen«, verrät Herr Csucsu sein Geheimnis. »Und wie war es?« - »Interessant. Wie als ich im Nimród geblättert habe.«)  
  »Bei der Jugend war der Satya der Trainer. Bei jedem Training erzählte er dieselben zwei Witze und lachte immer ganz groß über sie.« - »Über alle Witze?« - »Über alle. Nach der kurzen, aber gründlichen Aufwärmphase (hier johlten sie kurz auf) teilte er die Mannschaft in zwei Teile, und da beide dieselben Trikots anhatten, sagte er zur einen Gruppe: Gut. Und jetzt verwuschelt euch mal die Haare. Das war der erste Witz. Und der zweite gleich darauf; es gab noch welche, die lachten, als er sagte: Der Sieger bekommt seine Soda mit doppelten Bübbelchen.« Wie man sehen kann, war es Herrn Csucsu sehr wichtig, dass nicht er anfing, wenn er solche mageren Schwänke vorführte. Doch der Meister sagte, ihm gefalle dieser Witz. Er schlug sich vor Heiterkeit auf die Schenkel. »Satya war ein echter Gigant, er trank Sekt aus dem Schuh meiner Mutter und rief dabei: Ich bin die beste Linksdeckung bei den Győrern. Mein Vater tätschelte ihm die Schulter. Der beste Linksdreher.« - »Das ist auch gut«, er amüsierte sich: »der beste Linksdreher.« Herr Csucsu blickte den Torhüter vorwurfsvoll an und nahm die Schachtel. »Zu jener Zeit verriet ich über eine gute Form.« Er nickte ernst und niemand zweifelte an seinen Worten.  
  Hier trat Gábor Kacsoh ein, der KISZ-Sekretär der Fabrik, mit je einer Frau an der Seite (davon eine mit Brille). Er sagte mit einem breiten Lächeln: »Du sagst es: du Verräter.« Sobald er sich am Tisch niederließ, sprang Herr Csucsu auf. »Setz dich«, sagte Herr Icsi, aber er nahm den Blick nicht von den Bierkrügen. »Wissen Sie, mein Freund, dieser Kacsoh war ein ziemlicher Schädling.« Dieser sein einseitiger Affekt ist so seltsam, wo doch das heilvolle Wirken des KISZ-Sekretärs so augenfällig ist: erfrischende Getränke, Turnschuhe, Bälle. Und mehr oder weniger selbstlos, vom Schwung der Bewegung getragen. Ich sehe das so. »Mein Freund. Oh, wie viele Zusammenkünfte, Beratungen, Besprechungen, Versammlungen, Appelle, Sitzungen waren in leeres Geplänkel übergegangen und wurden zum beseelten Schein der Demokratie, oder, wenn die Teilnehmer gescheiter waren, zu praktischem Zynismus, oh, wie viele nur, wegen dieses Kerls?! Und oh wie viele haben nach so einem grammatischen Weichklopfen - denn das ist es!, und das versaut die Grammatik!, das! -, oh wie viele, müde abgewunken: haben wir halt das auch noch gefressen. Was zählt da schon, dass durch geschicktes Umgruppieren der Rechnungen die Problematik der Erfrischungsgetränke ... Ich bin ungerecht.« Ja; Verzeihung, Verzeihung.  
  Doch die Stimmung war gefroren, der Abend zerbrochen. Eine kürzeste Weile später trotteten sie Richtung Schule, wo die Mannschaft ihr Lager aufgeschlagen hatte. Sie gingen betrübt (nach Hause), ihre Seelen waren schwer wie die Nacht (selbst). Herr Csucsu knirschte ohnmächtig mit den Zähnen: »Hast du nicht bemerkt, wie dieser Abschaum, diese Fußangel, dieses Bilsenkraut, dieser Giftpilz, dieser Kahlschläger, dieser verdammte Schädling gegrinst hat, als du mit seiner Tussi geäugelt hast.« Der Meister antwortete resigniert: »Ich habe nicht geäugelt. « (Die Wahrheit ist, dass der Meister einen Blick auf das Mädchen mit der Brille geworfen hat, worauf sie einen zurückgeworfen hat, woraufhin sie genauso lächelten, nur eben in umgekehrter Reihenfolge. Woraufhin die Hölle losbrach.) Der Rechte Verteidiger stützte den Meister und umgekehrt. Ersterer pfiff mit brechender Stimme einen Blues. Danach waren lange Zeit nur die Geräusche der Schuhe zu hören. »Aber die mit der Brille war nett.« — »Ja, die war nett«, sagte Herr Csucsu, zur Versöhnung bereit. Der Meister war reichlich geknickt.  
  Der Verfasser dieser Zeilen verspürt Befangenheit; handelt er nun richtig, wenn er aufdeckt? »Wissen Sie, mein Freund, mit den Irrtümern der Zeit ist es schwer sich abzufinden: widerstrebt man ihnen, so steht man allein; lässt man sich von ihnen befangen, so hat man auch weder Ehre noch Freude davon.« Ha, ha, ha: Doch nun ist es gerade so, dass Er die »Zeit« ist... Man soll aus niemandem einen flitternden Operettensoldaten mit geröteten Lippen machen, doch ist Nüchternheit angebracht, wenn diese nicht typisch ist? Dennoch: ich beschreibe die Dinge, wie sie waren, vielleicht gereichen sie niemandem zur Schande. Na und im Fall des Meisters ist sowieso von etwas diametral Entgegengesetztem die Rede: denn wer weiß, was für einen haarfeinen Vergleich vielleicht eine durchzechte ordinäre Nacht gebiert. Im Falle des Meisters ist sowieso nicht davon die Rede: er und seine Freunde freuten sich nur einfach am Abend über den Sieg (um sich am nächsten Tag nicht über den Morgen zu freuen).  
  Im Schulgebäude schlug ihnen eine gestaute Hitze entgegen. Die Heizkörper knackten manchmal geheimniserfüllt, sie waren, sozusagen, noch im Dienst, es war noch, überflüssigerweise, Heizsaison. Die Sportler gingen in ihre Zimmer. Der treue Protokollant, vom Heer der Ereignisse erfüllt, konnte nicht schlafen. Er verirrte sich hinunter in den Sportsaal, wo ihn ein verstörender Anblick erwartete. Etappenweise fallen gelassene Kleidungsstücke und eine Pfütze Erbrochenes (dessen wortlose Beseitigung 20 Forint für die Putzfrau bedeutete) zeigten den Weg. Der Saal war erfüllt vom mächtigen Duft des Todes. Ich fand ihn im abgehobenen Deckel eines Springkastens. Er lag auf dem Rücken und ruhte, es war, als ob er schliefe; tiefe Ruhe und Festigkeit (Gott, man kann es sich vorstellen!) ergossen sich über seine erhabenen, edlen Züge. Als ob hinter der grandiosen Stirn immer noch die Gedanken schwirrten. Ich empfand den Drang, eine Locke zur Erinnerung zu schneiden, doch das Gefühl des Respekts hinderte mich an der Ausführung. Sein Körper streckte sich unbekleidet, nur in ein Bettlaken gehüllt, dahin. Ich hob die Hülle an und staunte über die göttliche Pracht dieser Glieder. Breit und mächtig wölbte sich der Brustkorb; die Muskulatur der Arme und Schenkel ist leicht füllig; die Beine von vollkommener Statur; und nirgends am ganzen Körper auch nur die geringste Fettigkeit (das familientypische Doppelkinn, vielleicht...) oder Abgezehrtheit. Ein Männerkörper von makelloser Schönheit lag vor mir und über das Ergötzen vergaß ich für Augenblicke, dass die unsterbliche Seele - der Wein, der rote! - diese irdische Hülle bereits verlassen hatte. Ich legte meine Hand aufs Herz - rundherum herrschte tiefe Stille - und wandte mich ab, um meinen Tränen freien Lauf zu lassen.  
  Der Morgen war traurig; was verständlich ist. Péter Esterházy bog mit säuerlichem Gesicht und brennendem Magen in irgendeine breite Straße ein, die man kreuz und quer aufgerissen hatte, es wurden neue Gasleitungen verlegt. (Bezeichnend für die damalige Verfassung des Meisters ist, dass ausgerechnet er, der über eine so hohe soziale Sensibilität und überhaupt: über ein Verantwortungsbewusstsein verfügt, über diese glänzend-schönen Leitungen, die sich da so hingebungsvoll auf die neuen Häuser zuschlängelten, sich nur sehr mittelbar freuen konnte, er grummelte: »Was für ein Tohuwabohu.«) Er erklomm große, heikle Hügel, um anschließend über Bohlen zu gehen, die über Gräben gelegt worden waren! Er schloss seine zitternden Lider und vice versa. »Ich ertrage die Dunkelheit nicht«, sagte er zu Herrn Icsi. Herr Icsi nickte und sagte rügend: »Ich habe der Putzfrau einen Zwanziger gegeben.« Der Meister sah ihn voller Schuldbewusstsein an. Herrn Icsis harter, reiner Blick erfrischte ihn. Doch sein Magen zitterte. Es war kalt, ein grauer Morgen. Er kehrte in einen Laden ein, um Milch und ein Riesenkipferl zu kaufen. Er wog ab: Halber Liter? Ganzer Liter? Die Frau vom Laden bereitete ihm einen freundlichen Empfang, und der Meister nahm sogleich wahr, dass am Kittel der Frau in Bauchhöhe ein Knopf fehlte. Das weiße Leinen hob sich von seinem Partner ab, es bildete sich ein zum Lugen geeigneter Spalt. Der Meister legte den Kopf zur Seite, aber er konnte nicht feststellen, ob er den Bauch sah oder die Kombinage. »Hier, das große Kipferl und die Milch, noch etwas?« Und als der Meister dann durch die Auslage, zwischen zwei Bierflaschen hindurch, zurückschaute, lächelte die Frau nicht mehr; sie zählte. »Wissen Sie, mein Freund, zwischen zwei Bierflaschen durchzuschauen, ohne dass diese umfallen - das ist keine einfache Sache.« Er bat den Torhüter mit den Tigerreflexen, dieser möge so nett sein, ihm den Milchschlauch zu öffnen, nachdem er mit seinen durchaus scharfen Zähnchen vergeblich bereits an zwei Ecken genagt hatte. Herr Icsi langte überlegen in seine Tasche und schnitt mit einem ansehnlichen Taschenmesser: schnipp!, jene Ecke des Schlauches ab, die der Meister brutal angeknabbert hatte. Darauf folgend trank der Meister schrittweise von der Milch (der eine oder andere Tropfen löste sich ein manches Mal von den Lippen, über das Kinn und so weiter), er hatte das Gefühl, seinen Magen liebkosten seidige Hände.  
  Da gingen sie auf den Sportplatz und spielten das Spiel um den Einzug ins Finale. Auf dem Platz ging eine ekelerregende »Schlachterei« vor sich, alles triefte nur so vor Toren; sie mussten mit 8 Toren gewinnen und das Ergebnis war: 8:1. »Was für eine Perversion! Man hatte nicht einmal Zeit, sich zu freuen!« Schon während des Spiels dachte der Meister immer häufiger an jenes geflieste kleine Stück Raum, dessen zwei gegenüberliegende Wände Fotos verzierten: das (ehemalige) Viadukt von Veszprem und das (ehemalige Esterházy-)Schloss von Fertőd. (Zwei künstlerische Fotos.)  
  »Ich kotze gleich, so viel Tore haben wir geschossen«, sagte der Meister in der Umkleide, wo ihm die abgestandene Luft praktisch eine Ohrfeige verpasste, und man musste auch nicht mehr lange warten, bis auch er hinausrannte in den Nebenraum, damit der Inhalt seines Magens - die Milch - entweichen und er seinen Kopf an die kühlen Fliesen legen konnte, deren Berührung wie eine Medizin war, wie eine Medizin! - und er, sich sammelnd, in die Schüssel blickte und ausrief: »Was für ein schöner, weißer Schaum! Wie Eisblumen!« - »Nicht zu vergessen den Rotwein«, sagte Herr Csucsu bissig. Gábor Kacsoh - der, da er spürte, dass die Stürmer ihn nicht richtig leiden konnten, diese auch nicht leiden konnte - zischelte: »Zu wenig. (Die 8 Tore!) Dafür gibt’s keinen Preis!« Herr Csucsu fing auf gewohnte Weise zu schielen an und schickte den KISZ-Sekretär seine Mutter fichten. Auch der Meister wurde blass (obwohl bei ihm in diesem Intervall die Gründe zumindest zweierlei waren), doch so viel Geistesgegenwart blieb ihm noch, Herrn Csucsu zu umfassen und mit einer Bewegung, die manch einer als abstoßend empfinden mag, über dessen Gesicht zu streicheln. »Ruhig, mein Täubchen. Es ist wirklich ein wenig wenig.« Herr Icsi schwieg dunkel.  
  –––––  
  Als er die Häuser, welche sich wie Pilze vermehrten, hinter sich gelassen hatte, wurde es schon beträchtlich dunkel; wie ein Hochwasser, so hinterhältig und unaufhaltsam breitete sich die Finsternis aus, und er stieg, mit dem Turnbeutel in der Hand und der sich langsam lösenden Trauer im Herzen, aus dem Autobus (eine Haltestelle früher, als »man muss« und »es empfehlenswert ist« - wenn man sich geometrisch annähert) und machte sich auf den Weg, bergan im Á.-Weg> als er auf Herrn Sándor traf, den Dichter. Der Dichter rauchte eine Zigarette und bot dem Meister mit der von ihm bekannten Freundlichkeit sowjetische Bonbons an, Severjanka-Karamellen, welche aber der junge Meister, unter Berufung auf den Zustand seiner Zähne, dankend ablehnte. (Was das für Zahnschmerzen gab! Als säßen die Schmerzen in des Meisters Nase. Tagelang taumelte er benommen durchs Zimmer wie die herbstliche Fliege. Dabei war es doch Frühling, wundervoller Frühling: Grün brach aus, Gelb drängte sich dazwischen und Lila und Rot. All das ist so poetisch. [Finde ich. - E.] Doch er taumelte nur benommen Tag um Tag. Mehr noch. Er setzte sich auf einen Stuhl, beugte sich nach vorne, vergrub eine Wange in seiner Hand und las. Und wie viel! 17 Seiten in drei Tagen aus Herrn Csáths Zeitungsartikeln. 17! Aber diese gefielen ihm so ...!) Gemeinsam gingen sie gemessenen Schritts bergan! Aus dem nachdenklichen, sensiblen Zustand des Meisters folgend fiel kein Wort zwischen ihnen; was äußerst bedauerlich ist, wenn man es aus engen lit.wiss. Gesichtspunkten betrachtet; ich bedauerte es auch äußerst. Doch schon bald wurden sie in ihrem träumerischen Spaziergang von wildem Hundegebell gestört. Der Meister erschrak, Herr Sándor dahingegen stellte sich den beiden Ungeheuern entgegen. Es waren prächtige Tiere, muskulös, kräftig, jung, das Weiß ihrer Zähne blinkte herausfordernd. Der Meister sprach mit in Gereiztheit gekleideter Melancholie: »Was für Preußen!« Herr Sándor sah die Hunde an, welche langsam verstummten; sie bewegten sich zwar weiter, doch ihr Maul blieb geschlossen. Herr Sándor spielte an seinem Mundstück herum, besah es sich mit seinem überirdischen Blick und sprach also: »Wann werden aus unsereinem je so schöne Hunde?« Da besah sich auch der Meister die Hunde und auch ihm fiel ein: »Wann werden aus unsereinem je so schöne Hunde?« So gingen sie einander lauschend weiter, und als sie an eine Wegkreuzung kamen -, der Á.-Weg mündete in die gerade ihre Kurve vollführende T.-Straße -, ging Herr Sándor nach rechts und der Meister ging nach links.  
  Natürlich möchte man, also ich, die plumpe Idylle und die Lügen der Beschreibungen à la »große Männer in Pantoffeln« vermeiden; doch wie der Meister, sich müde an den Türrahmen lehnend, klingelte und Frau Gitti die Tür öffnete und der Lampenschein aus dem Inneren sie in ein unwahrscheinliches, aber zutiefst wahres Strahlen hüllte und die Frau den Maestro umarmte und in ihrer wundervollen Altstimme »Liebster« sagte - kann doch nicht verschwiegen werden.  
  Doch der Meister war wirklich müde. »Haben wir Bier?« Er ließ sich in den riesigen braunen Fauteuil fallen, der das halbe Zimmer einnahm, seinen Turnbeutel warf er gar nicht von sich, er ließ ihn einfach nur fallen, die Beine streckte er aus, die Hände hingen über die Lehne geworfen Richtung Parkett. Da sagte er: »Liebste.« Das Gesicht der Frau erhellte sich, ihre Haut glättete sich, sie selbst hockte sich hin, nahm des Meisters Hand, legte ihre Wange hinein. »Liebster«, sagte sie, doch als sie in die Augen des Meisters blickte, fügte sie hinzu: »Du bist nicht hier.« Er schrak auf, murmelte verstört. (Hier wird es wieder deutlich, dass Künstler nun einmal keine alltäglichen Menschen sind. Diese Bewegung, wie er den Kopf hob! Und der Blick! Welcher einem erschrockenen kleinen Singvogel gleich hin und her flog! Welch eine Unverdecktheit!) Die Frau wurde nicht böse, nur traurig. »Habt ihr verloren?«, fragte sie schließlich. »Es war ein Massaker«, sagte der Meister des Wortes mit edler Zweideutigkeit und fügte hinzu: »Die Männer mit den Taschen waren da.« Hier sprang er auf und stürmte ohne jede Erklärung ins Badezimmer, um mit einer dafür nicht geeigneten Schere am Nagel seines großen Zehs herumzuschneiden, welcher, das ist wahr, schon ziemlich eingewachsen war, noch dazu war er hier und da auch schon eingerissen. (»Ein Blinder weist dem anderen das Wort.«)  
 
 
  14 »Mein Freund! Wir alle leben vom Vergangenen und gehen am Vergangenen zugrunde«, sagte er weise und schwingend. Die sachlichen Voraussetzungen hatten sich beträchtlich verändert: das üppige Mittagsmahl machte den Osternachmittag stumpf. Der Meister, die Heiligkeit des Tages vergessend (jedoch sich vor der zufriedenen Ermattung hütend), lief zwischen den gegenwärtigen Mitgliedern der älteren Generation (Josef Veverka, Onkel Ödön, der Vater) auf und ab wie ein hungriger Spürhund. »Mein Freund; wo es kein Mitgefühl mehr gibt, gibt es keine Erinnerung mehr«, sagte er und nickte beruhigend den beladenen Seelen zu. Um mit einigem Selbststolz das Wort wie folgt weiterzuführen: »Sehen Sie, mein Freund, die Felsen des Geschwätzes? Tu es Petrus, und auf diesem Fels werde ich meine Kirche erbauen.« Er schmunzelte im Stillen.  
  »Weißt du, mein lieber Péter«, wandte sich Onkelödön nach ausdauerndem Lauern zu ihm, »ich für meinen Teil bevorzuge am liebsten die Messe mit Musik. Weil die mich in einen seelischen Zustand bringt.« Der Blick des alten Herrn wurde mal stumpfer, mal heller: er vergaß etwas und etwas fiel ihm ein. Der Meister, als der hervorragende Seelen- und Menschenkenner, der er ist, nahm das sofort wahr (er begab sich nicht in die grobe Sackgasse des »der Alte macht ein Nickerchen « oder »möchte ein Nickerchen machen«), und als Fachmann in Fragen der Menschen und dem, was mit ihnen geschah: den Geschichten, trat er in Aktion. Er sagte leise: »Es war sicher nicht leicht.«  
  Onkelödön riss den Kopf hoch, und als er in aller Klarheit den Meister ansah, schien die Möglichkeit in sich zusammengefallen zu sein, und der Alte würde gleich, ein wenig konsterniert, fragen: »Was? Was redest du? Was war sicher nicht leicht?« - doch einen Augenblick später, der gleichzeitig zu kurz und zu lang schien, blinzelte er einmal flach, wie ein fauler Frosch, eine mächtige Warze schien sein Lid entlang zu rollen, sich im dichten Gestrick der Wimpern »verfangend «: »Es war nicht leicht.« - »Unsereins weiß davon gar nichts mehr«, sagte der Meister unverfroren. »Ja, das ist heute unvorstellbar geworden, 1000 Kilometer zu Fuß.« - »Ein schiefgelaufener Anhalteversuch «, sagte Herr György mit einer kurzen Marlboro in der Hand und jener illusionslosen Unbekümmertheit, welche zwar rein und - das sei betont, betont, betont - gutwillig ist, jedoch mit ihrer notwendigen Einseitigkeit und ihren Übertreibungen das Gegeneinanderstellen der Generationen und das Erbauen von Trennungswänden befördert und somit problematisch ist. Während der Meister mit dem ihm eigenen leisen Totalitätsanspruch gerade darum bemüht war, Verbindungen herzustellen. »Packen Sie mich nicht in Polster, mon ami, tun Sie das nicht.« Der große kleine Bruder umhüllte sich mit einer großen, krausen blauen Rauchwolke. Herr György mag es zu plauschen und kann es auch. Der Meister erinnert sich sehr gut daran, dass Herr György schon als kleines Kind sich wohl in der Gesellschaft von Erwachsenen fühlte.  
  »1000 Kilometer, aber so, dass du dich nicht ausruhen durftest. Wer stehen blieb, mit dem war es aus. Wir gingen an erfrorenen Menschen vorbei. Manche lebten noch. Aber dort gab es keine Hülfe mehr. Sich selbst zu schleppen war schon genug. Das war eine Lebensaufgabe, bitteschön, das kann man getrost so sagen. Wir aßen die Rinde der Bäume; Birken, Platanen, Akazien. Am besten ist die Birke, Akazie ist trocken. Während wir so zurückmarschierten, fingen wir einen Partisanen. Da stand ich auf weiter Flur mit einem einzigen Partisanen.« Onkelödön lachte ziegengleich auf. »Na, den konnten wir da gebrauchen, dir kann ich das ja freiheraus sagen, schließlich bist du ja auch schon Vater, wir sind alle Männer, wie die Jungfrau die Filzlaus. (Erneut »die Ziege«.) Da kommt mein Befehlshaber zu mir, ein harter Junge aus dem Somogy. Herr Fähnrich! Wer ist das? Ein Partisane, sage ich. Ein Pahartisahane?! Und lebt er noch? Er lebt. Bitte, liquidier ihn sofort!« Onkelödön langte nach vorne. Der Meister reichte ihm diensteifrig das Weinglas, um dessen Auffüllung sich Herr György hochherrschaftlich gekümmert hatte. (Ja, ja!) Die Enden des Schnauzers weichten im Wein. »Der Partisane, zu eurem Wohl, ein guter kleiner Vino! Aus Budafok?, der Partisane wusste, worum’s ging. Ich sah ihm tief in die Augen, da war kein Hass in ihnen, und auch er spürte, dass ich ihn retten wollte.« - »Und ...«, er rutschte auf seinem weichen Stuhl hin und her, »ist es gelungen?« - »Wissen Sie, mein Freund, ich redete dem Alten sehr zu. Ich wusste doch ... Ich an seiner Stelle hätte mich angelogen, respektive ... ihn.« Onkelödön winkte sehr menschlich ab. »Ich bitte dich, dort so einen laufen zu lassen war unmöglich. Und vergessen wir nicht: wenn ich ihn laufen lasse, schießt er eine kurze Weile später erneut auf Ungarn ... Er schaute mich an, er vertraute mir. Auch ich hatte Respekt vor seinem Mut. Wir waren Soldaten. Der Feldwebel kam vorbei, ich fragte ihn, ob er das übernehme. Na klar, er übernimmt es. Sie gingen ein paar Schritte von der Straße hinunter. Er schoss. Der Partisane stand weiter im Schnee wie eine Eins. Sie Rindvieh, brüllte ich außer mir. Ich bitte dich, in so einer Situation zu fehlen: ein Kapitalvergehen gegenüber der Todesfurcht.« Jetzt stellte er das Glas wieder zurück; Herr György ersetzte sofort das Fehlende. »Ich gab ihm meine Pistole, damit konnte er ihm dann endlich ein Ende setzen.«  
  Der Meister versank im Fauteuil, er spürte überdeutlich: er und die Welt - das waren zwei. Jozef Veverka kam, dunkel, geheimnisvoll. »Wie ein eingegangener Pandanus veitschii, ha, ha, ha«, der Meister lachte hell zu einem anderen Terminus. Es gab kein Halten. Zum Meister drangen die Töne von weit her, von sehr weit. In seiner kurzen Einführung wähnte Jozef Veverka sich an die liebe Mutter des Meisters zu erinnern, mit der er, nach einem mit einer Nummer versehenen Weltbrand, möglicherweise in derselben Gefangenschaft war (»Was für ein Gaffe, Péter! Dieser arme Veverka! Letztens erzählt er mir, er habe Sand im Urin, ob ich auch welchen hätte?«), wählte dann den Meister zu seinem repräsentativen Zuhörer und setzte also fort (»setzte so einen drauf«): »Die Kälte da, mein Junge, das war vielleicht eine Kälte, mein Bruder Lexi, Gott hab ihn selig, du hast vielleicht das Foto gesehen, Großvater ist auch noch drauf, na, der hatte auch dort so einen Schnauzer, und dann, als wir um das Frühstück anstanden, hatte das Küchenmädchen ein Auge auf Lexi geworfen, und der, ansonsten ein schneidiger Bursch, hast ja gesehen auf dem Foto, zwirbelt seinen Bart, worauf das Mädel wie damisch zu lachen anfängt, denn der Lexi hält den Schnauzer in der Hand, abgebrochen, so kalt war es, später hat sich der Lexi freilich das Mädel doch zur Brust genommen, es ist nicht der Bart, der zählt, das gab auch genug Extrabrot, wir wussten gar nicht mehr, wohin es verstecken, aber kalt war es halt, eine richtige Bärenkälte, und der Russe kam ohne ein Ende, dass es den Himmel verdunkelte, plus die Läuse, heute noch schrecke ich neben meiner besseren Hälfte auf und sehe, wie sie langsam durch das Zimmer ziehen, und es juckt auch mächtig, vielleicht ein Ekzem, der Lexi hat natürlich kein Ekzem bekommen, weil das Küchenmädel ihn bei sich versteckt hat...« - »Aber Vati«, Frau Veverka wehklagte dazwischen. Jozef Veverka zuckte nicht einmal. »... nur dass der alte Kommandant wiederkam, dem das Mädel ebenso eine Herzenssache war, und er öffnete die Tür und sah sie da, wurde wütend, was natürlich verständlich ist, und jagte den Lexi davon, was an sich noch kein Problem gewesen wäre, du kennst ja den Spruch, nicht wahr: Sie werden bald entschlafen, doch das soll Sie nicht belasten, Ihre Geliebte ist treu, aber da das Mädel einen guten Draht zum Magazinverwalter hatte, hatte sie Schnaps besorgt, und so konnte es geschehen, dass der Lexi, beschwipst, wie er war, zum Kommandanten sagte, die Silbermedaille glänzt doch auch sehr schön, Chef, woraufhin dieser ihn erschoss, dabei war der Lexi ein guter Junge, ich für meinen Teil floh, die Worte des alten Pedro halfen mir sehr, der in meinen Armen gestorben war, weil ich ihn erschossen hatte, so grausam ist der Krieg, aber so ist es nun einmal, du oder ich oder keiner von uns beiden, denn damals ging das noch so, wir wussten noch, wenn wir die Tür eines Bauernhauses als Bett benutzen, müssen wir die Tür auch wieder einhängen, bevor wir das Dorf verlassen, und nichts da mit unter der Hand, sondern ja und nein, so war mir der liebe Alte auch gar nicht richtig böse, er war es also, der gesagt hat: Merken Sie sich, mein Junge, egal, wo der Soldat steht, Norden ist immer voran!, ich kam auch bis nach Hause, meinen Blechnapf habe ich bis zum heutigen Tag, er rettete mir das Leben, am Jahrestag meiner Heimkehr steht er bis heute auf dem Tisch, daraus essen kann man nicht mehr, die Kugel hat ihn durchschlagen, aber das Gebäck tun wir da rein, wenn ihr kommt, gibt’s Käseroulade, die du so magst.«  
  Jozef Veverka stach ein wenig hervor. »Nicht gerade ein Lebenskünstler «, murmelte Herr György und füllte auf. »Das war gut, Vati«, sagte Frau Veverka und streichelte die Hand ihres Gatten. »Davon, mein Freund, hätte man schon in Tränen ausbrechen können. Aber da war ich schon abgestumpft.« Onkelödön schwieg beleidigt, kurz. »Bei den Fliegern, denn man hatte mich zu den Fliegern versetzt, sagte man immer: Sonne auf: zum Pferde lauf! Unter einem Pferd verstand man natürlich, das brauche ich gar nicht zu sagen, kein echtes Pferd, sondern die Maschine. Die Macchina, bitteschön. Der arme Horthy junior. Das war, bittschön, mein rund hundertster Start.« Onkelödön nahm einen Schluck. »Unbestritten, ich hatte eine große Schlacht mit dem Engländer ausgetragen. Mal stürzte ich ihn, mal stürzte er mich. Da drücke ich doch, bittschön, den Knopf fürs Maschinengewehr, und nichts, ich brumme da über dem Engländer und nichts. Und der, bittschön, schaut herauf, mit einem ganz verwunderten Gesicht, was denn los sei. Ich zeige ihm an: Munition ist aus. Da zuckten wir beide mit den Achseln, und dann nahm ich die Werkzeugkiste und die dann ...! Rums, oben drauf!« Veverka sagte nur noch: »Ich habe damals beim Meister Santelli gelernt...« Die beiden Frontkämpfer waren auf gute ungarische Art zunächst emotional gegeneinander, später glichen sie die Schauplätze ab (z. B. Dobrudja), die Zeitpunkte, die gemeinsamen Kommandanten (z. B. den jungen Hauptmann Mányoky), schlugen dann mit vereinten Kräften die Russen aus dem Land, zumindest aus der Burg von Buda, und eroberten Oberungarn und einen beträchtlichen Teil Siebenbürgens zurück, dem Himmel sei Dank.  
  Währenddessen bereicherte auch Tantelila, diese welke, elegante Frau, die Palette. Sie sprach zu Jozef Veverka, ein wenig überheblich. »Ganz sicher, dass der Gärtner sie auffressen wollte.« Veverka hörte überbordend zu. »Er hört nie zu, wenn ich mit ihm rede«, beklagte sich der Meister mehrfach bei seinem Weibe. »Als sie nämlich im Stadtpark spazieren ging, um ein bisschen den Kopf auszulüften, gerade Ihnen (??? - E.) muss ich wohl nicht erklären, was das heißt, ein ganzer Vormittag zwischen all den dummen Mannsbildern im dichten Zigarettenrauch, sie bog gerade auf den Pfad am Fischteich ein, ach, sie kann das, was ihr widerfährt, so hübsch nacherzählen, zu mir sagte sie zum Beispiel: auf einen schmucken Pfad, ich fragte sie auch, wieso sie das nicht aufschreibe, aber sie winkte nur ab, aber das, mein lieber Péter, braucht dich nicht zu beeinflussen, obwohl ich deine Sachen nicht immer beim ersten Lesen verstehe, jedenfalls, sie ging am Fischteich entlang, genoss das Nesteln der Steinchen unter ihren Sohlen, als, aber wirklich in unmittelbarer Nähe, ein Gartenpflegeutensil einschlug, sie wich zurück und wurde gewahr, dass im Strauch, den wir uns als südliches Gestrüpp vorstellen müssen, der Gärtner stand und sie wild anblickte ... Auch wenn man davon absieht, ist ihre Situation eine äußerst schwere. Selbst der Junge, den man ihr als Helfer zugewiesen hat, ist ein Neger! Und das Klima! Und auch noch allein ... eine Frau ... Sie verstehen mich gewiss doch  
  »Na und euer Onkel Ödön. Der war auch sein Geld wert.« - »Würde man gar nicht denken«, sagte der Meister sanft. »Wie, sein Geld? «, fragte Herr György, wie einer, der tatsächlich etwas nicht weiß. »Aber wie! Wir hatten ganz schön Fracksausen. Was geschehen ist, war, dass sich die deutschen Generalstabsoffiziere bei uns trafen ... um mit Horthy die Details zu besprechen. Der alte Herr hat sich, so viel sei angemerkt, sehr schneidig verhalten. Natürlich. Aber was wisst ihr schon davon. Also die Generalstabsoffiziere ... vergeblich habe ich versucht, die Stimmung etwas aufzulockern, Bacardi, eine Platte, doch diese steifen Fressen ... ich hatte damals einen alten Onkel Feri, einen Kleinfischer aus Ráckeve, der brachte die prächtigsten Karpfen und Welse mit, die waren so was von königlich ... oder, Ödön?« - »Was?!« - »Die Welse!« - »Ach ja, die. Diese kleinen vermurkelten Welse und ein paar Kärpflein waren auch dazwischen, glaube ich.« Tantelila winkte ab. »Ansonsten waren es hochgewachsene, kultivierte Männer.« - »Und Soldaten! Dass das Offiziere waren, konnte man schon sehen.« - »Ich würde dann gerne fortfahren ... wir unterhielten uns gedämpft, als aus dem Badezimmer, ich betone: aus dem Badezimmer, der Führer heraustrat, Hitler. Es war unfassbar und ich brauche nicht zu betonen, wie mondän das war! Heil! Alles sprang auf, um ihn wie von Sinnen zu begrüßen, auch ich, man war darauf dressiert... und später zu applaudieren ... mein Gott, wenn ich bedenke, was wir für Reflexe bekommen hatten! Schon allein dafür hat sich’s gelohnt! ... zurück zu den tollen Männern, den Soldaten, wir standen lange da mit erhobenem Arm, ich spähte unter ihm hindurch (»an der Achselhöhle entlang! Was für ein Gestrüpp! Was für ein Gestrüpp!«) und erhaschte die Blicke, die ich für den aus dem Badezimmer heraustretenden Führer bekam: Angst, Respekt, Verachtung waren dort zu sehen.« Den Meister beschäftigte das sehr: diese drei in einem Blick oder verteilt? Aber er schwieg, schon seit langem. »Natürlich war es euer verrückter Onkel Ödön, der sich maskiert hatte. Eine sehr peinliche Situation war das. Es sei angemerkt, Hitler hatte 7 Doppelgänger, 7 Schauspieler. Natürlich. Den einen kannte ich persönlich, den, der den Anschluss gemacht hat. Natürlich. Beria hatte auch einen Doppelgänger. Bei der Verhandlung war der schon da. Monatelang hatte er die Rolle eingepaukt, angeblich war er eine phänomenal dumme Person. Natürlich. Der Schauspieler ... Meinen Deutschen, die Scherze sowieso nur schwer verstanden, konnte man kaum begreiflich machen, dass dies von Seiten meines Mannes kein Zeichen der Respektlosigkeit sein sollte, sondern im Gegenteil der Huldigung. Die Atmosphäre wurde ganz und gar frostig, da konnte ich daherkommen mit den Karády-Schnulzen und der Erdbeerdelikatesse, vergebens, mehr noch, wir hatten tagelang Angst, ob es nicht des Nachts bei uns klingelt.« Herr Marci fragte mit naivem Charme: »Gab es die Ávó schon damals?« Gefällig; interessant, was sich in einer kindlichen Seele festsetzt?! (Dieses hervorholen, nicht wahr, Meister? »Pscht.«)  
  Frau Gittis gesegneten Händen zu Dank duftete schwarzer Kaffee gaumenkitzelnd. Laut des Meisters Mutter — und Frau Gitti teilt diese ihre Meinung - kann man aus drittklassigem Kaffee den besten Kaffee kochen. »Besser als der Meinl!«  
  Der Meister und sein grauhaariger Vater gerieten nebeneinander. (So etwas kommt vor.) Ein Augenblick Stille trennte sie von den anderen; da sprach der Jüngere zum Älteren: »Alterchen, aus dir mache ich auch noch ein Motiv.« Er sprach nicht weiter. »Danke, mein Sohn. Was trinkst du?« Er winkte Herrn György heran — der auch in Zivil die Rolle des Wirtes übernahm –, der sowohl Whisky einschenkte als auch den Rotwein, den Herrn Marcis Beine verschafft hatten. (Und was für eine feine und gnadenlose - beides ist ein Privileg des Künstlertums, wenn auch nicht ausschließlich - Kette von Verweisen!) »Ah, die guten, alten Familien«, japste jemand hinter Pudertürmen hervor. Hier legte der Herr Vater des Meisters jenen Gesichtsausdruck an, der für das Verbergen großer Schelmereien berufen ist. »Eine alte Familie? Das bedeutet zweierlei.« - Er rekelte sich ein wenig, umständlich. Ein anderer hätte hier angefangen zu stottern (damit man ihm aufmerksamer zuhört). - »Zweierlei: die benigne Natur der Kriegsgeschehen« - wegen der unverständlichen Blicke, der Meister inklusive, flüstert er: »dass die Familie nicht ausstirbt - sowie die Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit des jeweiligen Archivars.« Und auf diese Ziselierung der Hammerschlag: »Denn, meine Teuren, ich bin noch keinem Menschen begegnet, der nicht Vater und Mutter gehabt hätte.« Dies sagte der alternde Vater, an dem die plebejischen Züge stark waren (Nasenschnauben etc.). Nun, da der Besitz und das Etcetera dahin waren, hatte er es leicht, plebejisch zu sein, ich denke also nicht, dass der Herr Vater des Meisters die Schranken seiner Klasse niedergerissen hätte, obwohl es auch nicht wahrscheinlich ist, dass es dafür einen realen Bedarf gegeben hätte.  
  Oh, die Geschichte, dieser große Spaßmacher! Der Herr Vater des Meisters wusste sehr wohl: was: Reichtum und was: Armut ist. (Der ergraute Mann, dieser, wie er scherzhaft formulierte: Märtyrer der Arbeiterbewegung. Doch um Missverständnisse zu vermeiden: Esterházy wurde nicht deswegen an der Universität angenommen, nein.) »Wir wurden bei einem Kulaken einquartiert«, setzte der Vater des Meisters fort, während er in seinem Kaffee rührte. (»Sehr eindrücklich, mein Freund«, sagte er scharflippig.) »Mütterchen! Der Kaffa ist aber wirklich hervorragend«, doch die Adressatin, ohne dass der Absender es sehen konnte, verzog den Mund und winkte ab, und möglicherweise zu Recht, denn der Vater des Meisters lobt rückgratlos jedes Essen. »Alter, du bist ein gebrochener Mann«, sagte einer seiner Söhne in einem um eine unmöglich verkokelte Speise herum entstandenen Pourparler, über welche Speise jeder, der noch bei Trost war, entweder Verwünschungen gesprochen oder aber - wenn er ein großer Charakter oder gut dressiert gewesen wäre - geschwiegen hätte.  
  »Der fajnste Herr zum fajnsten Bauern«, verkündete der alte Bauer, schon damals, als man den Pestern dort noch mit ziemlicher Aversion begegnete. Doch die Eltern des Meisters sind, kurz gesprochen, sympathische Figuren, und gemeinsame Übel bringt die verschiedenen Menschen zusammen ... Oh, die Kindheit des Meisters: das Komitat Nógrád: das Mikszáth’sche »krumme Land«. Das sanfte Plätschern des Blauen Bachs, die weithin rauschenden Wälder, die seidigen Palotzenwiesen und die Blumen der Seele: die Lieder und Märchen! Die Sonne brennt, alles ist zu Schleiern geschmolzen in der Hitze, und der Staub, der steigt, und die Spreu! Wie die zwickt! »Ich erinnere mich an die Maschinen! Wissen Sie, es gab so große Übersetzungen. (Könnte es möglich sein, dass seine Affinität zu >Transmissionen< hier seine Quelle hat, in dieser nämlichen Dreschmaschine?!) Und an irgendeine Betonfläche und an die Zentner waage. Und auf dem Beton an ein paar schlammige oder, hm, dreckige - das kann man aus dieser Distanz nur noch schwer sagen - Strohbüschel!« Der Vater des Meisters wurde früh gehärtet von der Arbeiterklasse: noch heute ist der Sägemuskel zu sehen, welcher sich infolge von Drescharbeiten so schön herausgebildet hat. Die Welt ändert sich und bleibt die gleiche: auch der Meister hat so einen Sägemuskel, das heißt einen sichtbaren: diesen hat sich der Meister in einem Jugendlager angeschafft, denn täglich machte er dort 100 bis 150 Liegestütze - der tägliche Durchschnitt lag bei 126 und, damit das Beispiel noch genauer und gleichzeitig auf eine dem Meister würdige Weise reich und lebensreich vertrackt sei (»verwendbar!, genau!«), deswegen, weil die Erdarbeiten, für die man sie rekrutiert hatte, wegen der sich plötzlich einstellenden Werkzeugknappheit - wenn auch nicht die Schaufel, so doch der Schaufelstiel! - davongeglitten waren.  
  Ein Exempel nur für den großen Verstand des Vaters des Meisters. Die Situation ist rustikal. Da steht er, mit einem falben - von Braun zu Grau gewordenen dünnen Hemd (wie sich das anfühlte, durfte er noch einmal, in Ableistung seines Militärdienstes, kennenlernen), der flattrigen Leinenhose, der Intellektuelle mit der feinen Seele und den zwei Doktortiteln, sein müdes, sonnengebräuntes Bauerngesicht nur von der Brille und der gottlos himmelstürmenden Stirn so-so Lügen gestraft, und der teure Mensch, diese komplizierte Formel, steht dort, in der unendlich vereinfachten Situation: es gibt kein Brot (das, von dem im Vaterunser die Rede ist).  
  Vor dem Sowjethaus standen die Bläser, vor dem Geschäft die Menschen. Der Meister hielt seinen Vater an der Hand, welche Vaterhand riesig war. (Zarter Vaterkomplex des Meisters mit dem - jetziger Zustand! - winzigen Händchen. Eine interessante Sache! - Kommt der klärenden Absicht zugute. - Der Vater des Meisters war, im Gegensatz zu seiner eigenen Generation, kein Sieger, ebenso wenig die Generation des Meisters sowie der Meister selbst. So hat der ewige, mythische Kampf mit den Vätern in unserem Fall eine persönliche Note angenommen, nur die Oberfläche aufwühlend.) Die riesige Hand drückte zu, was wenig Gutes verhieß. Diese Handfläche schwitzte nie. Bitte: dafür ist es der Fuß des Meisters, der niemals schwitzt. (Man sehe sich getrost die Innenseiten der Schuhsohlen an! Nicht ein Deut von einer »Bräune« dort drin! Und, Pardeuse, auch kein Duft nicht, nein.)  
  Alles glänzte und glitzerte, nur der Staub nicht. Aus dem Mund der Uniformierten wuchsen große gelbe, geschwungene Rohre, die sich wie Kürbisblüten ausbreiteten (sie stülpten sich aus sich selbst heraus). »Mjusik«, sagte der Vater des Meisters bedrohlich. Die Schlange bewegte sich langsam voran. Und dann, als auch sie endlich an der Reihe waren, und das damals noch unmerkliche Näschen des Meisters sich mit dem Duft frischen Brotes und schwebendem Mehl füllte, sagte die traurige Verkäuferin: »Die Pester erst, wenn ...« Der Vater des Meisters blitzte sie auch sogleich an, »die Wangenknochen bewegten sich«, doch die beiden unbewegten Polizisten taten das Ihre. (Die Gyöngy-Zwillinge. Der Feri und der Jóska. Bärenstarke Jungs waren das. Den Fuhrwagen aus dem Schlammloch et cetera. Der Feri war sehr gescheit, fast wäre er Priester geworden. Vom Alter her wär’s auch gegangen, doch dann verliebte er sich in die Schaffnerin des Fernbusses. »Vermaledeite Pesterin.« Das war’s dann mit dem Priesteramt. Aber der Józsi, der war wirklich phantastisch dumm. Während ihr Gesicht vollkommen gleich war. Er passte auf den Feri auf, damit dieser keine Dummheiten anstellte. »Im Dorf mochte man sie, soweit das möglich war. Weil sie keinen Vorteil aus dem Übel ziehen wollten; der eine war zu klug, der andere zu dämlich dafür.«) Trotzdem, wie auch immer es dazu kam, als sie dort standen, wie ein geschlagenes Heer, vor der Militärkapelle, waren in der Hand von des Meisters Vater zwei Scherzl. (So nannte man den Brotkanten in dieser Ecke des Palotzenlandes.) Das Volk hilft eben, wo es kann. »Na, pass mal auf, Murkel«, der Vater nahm je ein Scherzi in je eine riesige Hand (und dies war jener gescheite Moment, ein bis heute beredtes und wirkendes Beispiel: so macht es auch der Meister, nun selbst ein Vater, mit seiner Tochter Mitocska; nicht als ob er in allem seinem eigenen Vater nacheifern wollte, oh nein; >nein! nein! nein!< - aber das funktioniert nun einmal immer so gnadenlos kleinlich) - »pass mal auf, Murkel, welche Seite willst du.« Der kleine Péter - dies ist als Zeitmalerei annehmbar - schlug mit kindlichem Schwung auf beide Hände. Vielleicht ahnte er etwas von der mildherzigen Finte (»mildherziger Pinta - oh, oh, oh«)? Ein trauriges Zuzwinkern zwischen den beiden Generationen wäre das geworden, dass nämlich das Leben im Unglück nicht immer so glänzend gerecht ist wie diese beiden Scherzl. Wer wollte das jetzt noch wissen. »Wahrlich, ich sage euch« (die Worte des Meisters), noch nicht einmal der Meister selbst. Hernach - währenddessen spielte die Musik, die Musik (»z. B. der Radetzkymarsch«) - erklärte der Vater ihm die Regel, und er wählte den Regeln entsprechend - und gewann! »Na, Murkel, du bist ein geborener Glückspilz«, und freute sich augenscheinlich über das Glück seines Sohnes.  
  Mit dem Brot gab es öfters Kümmernis. (Der Meister wirft auch heute, im Wohlstand, kein Brot weg. Das ist ihm eingebläut. Er kaut und kaut an den trockenen Resten herum und brüllt seine Familie an, wenn diese eine Verfehlung gegen die Heiligkeit des Brotes begeht. Ein sympathischer Zug ist das an ihm.) Schon wieder die Schlange! Der Meister hält sich nun an der Hand seines Großvaters fest. Na, das ist vielleicht ein Anblick, wie der alte Graf durch den jungen, kraftstrotzenden, doch zu dieser Zeit etwas vehementen Sozialismus geht in seinen Bridges und mit der unausbleiblichen Schweizer Kappe auf dem Kopf! Ich glaube, der Großvater des Meisters war angemessen gerecht (»Mein Freund! Wir werden ja wohl nicht damit prahlen, dass man ihn aus dem Casino ausgeschlossen hatte!«), doch des Volkes Sohn wurde er nicht, was man über den Vater des Meisters durchaus behaupten kann. Das hatte seine Konsequenzen auch beim Brot. Die Verkäuferin sagte, es gäbe kein Brot, man möge doch Kekse mitnehmen. Der aristokratische Herr dankte für die Aufklärung und lachte leise auf: »Wie zu Marie Antoinettes Zeiten.« (Nämlich, wenn es kein Brot gibt, solle man doch Kuchen essen, sprach also die Königin.)  
  Doch der einstmalige Ministerpräsident (1917) konnte noch mehr amüsante Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit ziehen. Es gab viele ungerechte Angriffe - die selbstverständlich in der persönlichen Sphäre verblieben, denn all das Blut und all der Schweiß, den die Familie Esterházy verursacht hatte, indem sie ihre dem in der feudalen Pyramide eingenommenen Platz entsprechende Rolle ausfüllte, kann nicht durch manche progressive Bemühungen, wie sie sich in einzelnen Linien und Jahren der Familie zeigten (Kurutzen, Künste etc.), egalisiert werden, historische Gerechtigkeit muss es geben, in diesem Sinne gab es also viele ungerechte Angriffe gegen den alten Grafen wegen dessen repräsentativen Aristokratendaseins. - In einem hackebeilscharfen und einigermaßen küchenphilosophischen Gedankengang »ist die Erscheinung, mein Freund, in der Sache mit dem groben Pfeifkonzert vergleichbar, das Bene empfing, als er den Platz betrat«. Dabei war genannter Fußballspieler, als er noch im Vollbesitz seiner Kräfte war, ein hervorragender Stürmer in der Mannschaft der Inneren Sicherheit, ein sympathisch harter Arbeiter, er war nicht grob, spielte kein Theater undsoweiter. - Dem Vater des Meisters hätte so was niemals widerfahren können, dass Szabö, das Hinkebein, ihn auf offener Straße vor viel Volk angeblafft hätte. Der großgewachsene, schöne Mann, die Hand seines Enkels in der seinen, stand nur da in der Menschentraube, konnte kein Wort sagen, und Szabó, das Hinkebein, fluchte ihn an. Der kleine Péter musste ihn von dort wegzerren, und die Menschen öffneten wortlos einen Korridor für die beiden; nicht nur, weil sie die Zugehörigkeit des kleinen Jungen - des Meisters - spürten, sondern weil auch sie Szabó, das Hinkebein, hassten. Na, der war einer, der weder klug noch dumm, sondern durchtrieben war.  
  Mit diesem Szabó, dem Hinkebein, hatte dann der Vater des Meisters einen Vorfall. Auf einmal stand er da, der Vater, in dem bereits angedeuteten bäuerlichen Miljö, in Schnürstiefeln, ohne Socken. Wie alt mag er gewesen sein? Vielleicht 34 Jahr. Ein unreifer Kopf. Und auf was für Proben stellte ihn die stürmische Zeit ...! »Heute, mein Freund, ist ein Haarfön stürmisch. Aber das ist nicht notwendigerweise etwas Schlimmes!« Der Meister hat natürlich leicht reden: mit seinem langen Haar! Da war also dieser junge Mann, mit den schweren - man kann nachsehen! -, schweren Muskelsträngen auf seinem Rücken; denn damals hatte er schon seit Jahren mit dem faulen, hündischen Herrenleben gebrochen und arbeitete, als einfaches Volk, mal beim Straßenbau, mal auf dem Melonenfeld, mal bei der Dresche, setzte an diesen Orten seine erworbene Bildung ein, seine angeborene Intelligenz, seine Doktortitel. »Der pfiffige Straßenarbeiter, mein Sohn, trieb eine Eisenplatte auf, darauf wurden die Steine gestreut.« Da kam ein verhutzeltes, heiliges Weiblein zu ihnen. »In Hatvan, neben der großen Kirche.« Sah nach rechts, sah nach links, konspirierte. (»Knien’S eina in die zweite Bank vorm Beichtstuhl, do is’ wos, für ein Vaterunser.«) »Na, Murkel, so viel Hendel wie da habt ihr auch noch nie gegessen.«  
  Melonen werden bis zum heutigen Tage vom Vater des Meisters für die Familie eingekauft. Er klopft sie ab wie ein Arzt und wählt dann eine aus. »Mit dem Messergriff anklopfen; wenn sie bufft, ist sie schlecht.« Ausgenommen die Zardecker Gestreifte, die ist kleiner. Die Große Zardecker ist natürlich größer. »Zwischen zwei Hände nehmen, wenn sie knirscht: ist die Zardecker reif.« Gekühlt ergibt sie eine erfrischende Speise. »Wenn sie mulschig ist, dann ist sie gut.« Und wenn Herr György des Abends mit lauter Stimme die vielleicht wirklich etwas latschige Frucht zu schmähen beginnt, sagt er bescheiden nur so viel: »Ihr könnt mir glauben: das war noch die beste.« - »Da hat der Laurenz wohl schon hineingepieselt«, gab Herr György zurück, der das letzte Wort gern auf seiner Seite weiß. Und wenn die liebe Mutter jetzt genug von den unbotmäßigen Worten hat, und, die Geduld verlierend, anfängt, auf Herrn Györgys riesige Oberfläche einzuschlagen, nimmt dieser das Spiel der zerbrechlichen Frauenhände eine Weile lachend hin, doch irgendwann wird er’s überdrüssig und packt die deswegen loskreischende Mutter in seinen Schoß. »Bleib locker, Muttchen«, tönt der Sohn, was nett gemeint ist, vom Ergebnis her schießt es, wie so oft, über das Ziel hinaus.  
  Des Meisters Vater steht also da, im Hof des »fajnsten Bauern«. (Onkelödön kam auf den Nachbarhof. Zu einer ehemaligen Kupplerin, die den immer eleganten Mann mit einem Josefstädtischen Dialekt unterhielt. »Wie komme ich, bittschön, zu so einer Person.« Zauberhaft. Das laute, lebensvolle Gekrächz der Frau konnte er ihr nicht einmal dann nachsehen, als diese ihm das Leben gerettet hatte. Sie hatte einen Justizirrtum mit Verstecken korrigiert. Plus falscher Zeugenaussage. Bestimmt war sie in den Onkelödön verliebt, wie der Großteil der Frauen.) Der Kulak war gerade nicht zu Hause, als er im Gefängnis war. (»Die Anzahl der >wars< ist beruhigend. Der Stil sprüht, die Historie schreitet voran und mit ihr meine Geschichte.« Gefällig.) Er hatte Wein versteckt. Er ließ ihn durchaus nicht in der Küche stehen, gegenüber dem Sparherd, dort versteckt keiner was, das fällt ins Auge, nein, er hat ihn ordentlich versteckt: im Misthaufen. So fand man ihn. - Als er dann aus dem Gefängnis kam, blieb der große, beleibte Mann vor dem Vater des Meisters stehen. Seine Stimme zitterte vor Erregung. »Schaun’s, schaun’s, Herr Doktor, was sie mit meiner Hand gemacht haben.« Und zeigte sie nach vorne, wobei ihn das Schluchzen schüttelte. »Auf meine alten Tage.« Im Gefängnis wurden seine Hände fein (die Schwielen etc.), und, vor allem, sie sind weiß geworden, da sie nur sträflich wenig Sonne erreicht hatte. (Sträflings wenig; Verzeihung.) »Sehen Sie, Herr Doktor, was für ein Mann bin ich denn jetzt?!«  
  Des Meisters Vaters Fuß bewegte sich aufgeregt in den Schnürstiefeln, die etwas zu groß waren, dabei hat er mächtig große Füße. (Und erst die der Herren György und Marci! Die Gerätewarte drehen und wenden sie nur so und schütteln ihre Köpfe. »Sachamal, Gyuri, hast du auch ein paar Paddel dazu?«) Er nahm die Brille ab, um sie vom Staub zu säubern, wischte sie an seinem bis zu den Ellbogen hochgekrempelten Hemd ab. So musste er sie auch vom Schweiß säubern bei einer nächsten Gelegenheit. Seine große Stirn leuchtete förmlich auf dem Hof. Und sein Hals war bräunlich rot wie bei einem Bauern. Seine Hose mit einem Spagat hochgebunden. Szabó, das Hinkebein, der Ratsvorsitzende, wollte sie rausschaffen vom Kulaken in einen Lehmbau am Ende des Dorfs, damit jemand aus seiner (Szabós, des Hinkebeins) Seilschaft einziehen konnte: so war die Situation. Dabei waren das ja schon Wohnverhältnisse! Der Großvater, die furchteinflößende Urgroßmutter Jolánka, der Vater des Meisters, die Mutter, in ihrem Bauch Herr György und der Meister. Alles in einem Zimmer.  
  »Da gehe ich nicht hin.« - »Das ist ein sehr gutes Haus.« - »Dann soll doch Ihr Mann dahin gehen.« - »Ich werde doch nicht einen Arbeiter dahin schicken?!« Wie wir sehen können, er hat sich verplappert. »Und was, Himmelherrgott, bin ich hier?!«, brüllte der Vater los, denn er war nur dem Schein nach ruhig, in Wirklichkeit war er sehr erregt. »Alterchen, die Wangenknochen bewegten sich, was?!« - »Und wie.«  
  Neben Szabó, dem Hinkebein, standen zwei Ratsmitglieder. Aber der eine war kein anderer als der Brigadeführer von des Meisters Vater. »Onkel Dani. Na. Sagen Sie dem doch: Wie arbeite ich?« Der Vater des Meisters ging auf Nummer sicher. Doch Holzfotz Dani schwieg. »Alterchen, das ist die absolute Spitze, dieses Holzfotz.« Das war sein Zuname; er war derjenige, der die Torten für die Hochzeiten und andere Feierlichkeiten machte. Da saß der Alte im Laubengang oder unter den Akazienbäumen, den Holzmörser zwischen den Knien, und zerstieß die Nüsse, aber so, dass selbst seine Ohren erzitterten. Also diese Bewegung, dieses Auf-und-Ab ... verständlich irgendwie ... Doch Holzfotz Dani schwieg. Des Meisters Vater wurde rot. »Was ist, Onkel Dani?! Himmelherrgottnochmal! Sagen Sie’s ihm! Sagen Sie, wie ich arbeiten tu!« (Der Vater des Meisters vermag sehr zu arbeiten. »Du, Alter, du bist mir vielleicht ein Kapitalist!«, sagt Herr György, wenn das väterliche Wort Kritik an jemandes Arbeitsintensität übt. »Ein kapitalistischer Antreiber.« - »Arbeit ist dazu da, damit sie gemacht wird«, sagt der Verwandte und zuckt die Schultern; doch da ist ein Stolz darin - für den natürlich gekämpft und gelitten wurde -, der die jüngeren Jahrgänge, die Geschwister, nervt.) »Entschuldige mal, Alter, aber was hast du dir von diesem Definitionsstreit erhofft?« - Ach, diese Jugend!  
  Holzfotz Dani zog den Kopf ein. Er errötete, was bei einem erwachsenen ungarischen Menschen selten vorkommt. »Jetzt tun mich auch noch der Herr Doktor sekkieren.« Es wurde still, nur die Tiere machten weiter weg Geräusche - vielleicht war es sogar der kleine Meister, der ein Huhn oder anderes Kleinvieh jagte. Doch als der Blick des Vaters des Meisters nicht abnahm, warf der kleine Alte den Kopf zurück, hielt dem Blick kräftig stand - durch seine großen Ohren schien die Sonne. »Gottverdammte, verfluchte Scheiße!«, rief er aus und stürzte vom Hof.  
  »Entweder Sie gehen«, sagte Hinkebein Szabó und zuckte gelangweilt mit den Achseln, »oder ich lasse Ihren Krempel verstreuen.« - »Das soll mal einer versuchen«, sagte der Vater des Meisters leise. »Sie haben das offizielle Schreiben bekommen. Ich habe es selbst abgestempelt «, sagte der andere, aber er machte einen Schritt zurück. »Jetzt passen Sie mal auf«, sagte der Vater des Meisters und wandte sich um zur Mutter des Meisters (die da stand wie eine Fremde; eine Fremde, die an den anhängigen Angelegenheiten interessiert ist) und bat sie um das Deportationspapier, um jenes schwere Papier. »Jetzt passen Sie mal auf. Sie können doch wohl lesen.« Der vom Grafen zum Arbeiter Avancierte war drauf und dran, über das Ziel hinauszuschießen. Er steckte das Papier ganz nah unter Szabós Nase. Der Meister erinnert sich an diese (oder an: so eine) huppelige, alte Nase. Die Kavalkade der Farben! Das Rote, das Rosane, das Lila! Tausende Schattierungen, Sicherheiten und Unsicherheiten. Und die Knorren! »Eine blühende Nase. Wundervoll.«  
  Hinkebein Szabó zuckte mit der Nase zurück - der glückliche Kerl: zusammen mit dem Gesicht! -, als wäre eine Wespe, ssss, daran geflogen. Der Vater des Meisters tippte mit dem Finger auf den Stempel. »Na, sehen Sie. Wenn Sie mir so einen Stempel bringen, und nicht so einen, den Sie da draufhauchen und vom Bálint-Jungen herbringen lassen, dann erst werde ich von hier weggehen.« Man könnte keineswegs behaupten, dass die Familie des Meisters und die ÁVÓ Busenfreunde gewesen wären, und doch, diesmal hat ausgerechnet deren Stempel Hilfe in der Glättung der Angelegenheit gebracht. Hinkebein Szabó wurde in der Dorfkneipe schon von den anderen kleinen Großkopferten erwartet. »Na?!« - »Hoi, Fichte, do ham wa’n Solot. Der Graff hat’n Papier von der Ávó!«  
  Nachdem er den Meister feste verprügelt hatte, weil dieser eine kleine Ente gerupft hatte (anders Herr György: dieser hat, oh Schmerz, 12 kleine Enten durch die Öffnung des Plumpsklos geworfen; »sie haben so schön gequiekert« , erklärte er, was ein schwer zu übertrumpfendes Argument war), setzte sich der Vater des Meisters ins Ambitt hinaus und saß da, alleine, lange Zeit.  
  »Alter, wie isst du denn«, Herr György fiel elegant über seinen Vater her, der tatsächlich gekrümelt hatte. Er sah den Krümeln hinterher, das Haar fiel ihm, wie im Wind, ins Gesicht, dadurch wurde er zu einem verhärmten und schutzlosen Mann; was für Fauteuils, weich, in Farben reich - und doch, das Gesicht, wie Knochen. Wie Knochen. Er erhob sich halb und fegte gekrümmt die Krümel von sich, mit der für Männer typischen Verantwortungslosigkeit ----  
  Mit der Schubhacke auf dem Andris-Hügel ----  
  »Sich einen Schluck Vorlauf genehmigen.« Und am dritten Tage nach Hause zurückkehren, in einen weißen Mantel gehüllt. (»Söhnchen, mein, warum wimmerst du dort im tiefen Dunkeln? Warum vergräbst du deinen Kopf im Kissen ganz und warum kratzest du das Laken? Warum ist deine Hand noch am Morgen zur Faust geballt zuzuschlagen bereit, warum.«) ----  
  »Nur so, schön, gnadenlos, gesummt ----« –––––  
  (Die Frühjahrssaison neigte sich dem Ende zu.) Er zerrte an der Kandare des Pferds, bremste. Der Meister war unterwegs ins Radio, zu einer Aufnahme. »Irgendein Geschwätz.« Auf dem Madách-Platz geriet er in einen riesigen Stau. Es sah so aus, als wäre der Verkehr Richtung Dohány-Straße schneller und es würde sich vielleicht sogar lohnen, die längere Strecke zu wählen, doch er überschlug die Sache so lange bei sich, bis er die Kreuzung verpatzt hatte: er war drüber weg: nun gab es keine Wahl mehr. Zu allem Überfluss waren Scheibenwischer und Blinker kaputt, so musste er sich im lauen Regen immer wieder nach vorne beugen, um die Stirn seines Pferds abzuwischen und den Bereich um die Augen und die Schauklappen zu trocknen. (Das war sicher nicht sehr angenehm - E.) Er fand zwar einen Parkplatz vor dem Museum, doch er rannte bereits völlig umsonst über die Sándor-Bródy-Straße - während der kühle und wirklich sehr unangenehme Wind ihm durch das geliebte, jedoch dünne blaue Blouson blies -, er war zu spät.  
  Nachdem man ihn am Tor streng und gewissenhaft, doch für den Geschmack des Meisters etwas rüde kontrolliert hatte, eilte er in die Pagode, wo er bereits vom Redaktor der Sendung erwartet wurde, sowie von den Herren Attila und Szabolcs, alles Dichter. Man wechselte Worte über dies und jenes, dann kam der Regisseur der Sendung hereingestürmt, in einem raschelnden braunen Wettermantel. Der Meister bat den Redaktor der Sendung, er möge beim Regisseur der Sendung durchsetzen, dass er als Erster drankam, denn er hatte um 4 Uhr ein Fußballspiel auf der Altofener Insel, was eine Fahrt von mindestens einer Dreiviertelstunde bedeutete, und es war bereits drei viertel drei. »Sind Sie die Prosa?« - »Ja.« - »Und Sie wollen Fußball spielen.« - »Ja.« - »Bei so einem Wetter.« - »Bei so einem Wetter.« Nun hob der Regisseur den Kopf. »Das sind vielleicht Tränensäcke«, dachte der Meister der Feder und nickte anerkennend angesichts des mitgenommenen Gesichts des alternden Mannes. Der setzte den knisternden Dialog fort. »Gratuliere.« - »Das hätte auch ich sagen können«, dachte er, doch er sagte freundlich nur so viel: »Danke sehr.«  
  Das Studio war nicht leer, neben der Harfe saß eine Frau, die Harfinistin. »Oh, eine Harfe, eine echte«, flüsterte er der Frau zu. »Wissen Sie, mein Freund, und davon war bereits die Rede gewesen, es ist sehr beruhigend, wenn neben den Harfen Harfinistinnen sitzen. Sehr.« - »Duliebergott«, zischelte der Redaktor der Sendung, »er hat eine Harfe bestellt, zu solchen Texten.« - »Wieso«, sagte Herr Attila und lächelte wie ein Student, »eine Äolsharfe, die vom Luftzug bewegt wird.« - »Hier muss man die Türen schließen.« - »Schade.«  
  »Sagen Sie, Herr Esterházy«, die Stimme des hinter der Glasscheibe sitzenden Regisseurs donnerte von überall her, »sagen Sie mir, werden Sie tadellos vorlesen?« Der Meister, überrascht von der Kraft und dem Strömen der Stimme, trat etwas erschrocken auf der Stelle. »Bitte, wie?« - »Werden Sie tadellos vorlesen?« - »Ich weiß nicht.« - »Ich wiederhole. Ich seh’ schon, Sie verstehen nicht. Ich habe Sie gefragt, ob Sie tadellos vorlesen werden.« - »Ich beantworte die Frage nicht«, sagte der Meister und lächelte ein kleines bisschen. Er mochte glauben, dass es sich um einen Rundfunkscherz handelte. »Antworten Sie bitte«, die Stimme tönte von überall her, durcheinander. Der Meister zuckte die Achseln. »Ja. Ich werde tadellos vorlesen.« - »Danke. Das wollte ich hören. Und nun, los geht’s. Der Herr Redaktor auf die eine Seite, Sie auf die andere. Aug in Aug, Schatzilein, wenn du mich magst, uicht wahr. Fangen Sie an, Herr Redaktor!« Der Meister, lustlos geworden, stand herum. »Wissen Sie, mein Freund, ich habe gar nicht bemerkt, wie mir dabei irgendwie die Lust abhandengekommen war.«  
  »Auch Péter Esterházy frage ...« - »Halt. Der Herr Redaktor hat: hatsy gesagt. Esterhatsy. Glauben Sie mir nicht? Sollen wir’s Vorspielen? « - »Nein, nein, bloß nicht.« - »Fertig? Bitte!« - »Auch Péter Esterházy frage ...« - »Halt. Schon wieder. Man darf hier ruhig artikulieren. Sssssss. Hasi. Wie das Hasi, ha, ha, ha. Fertig? Bitte!« - »Auch Péter Esterházy frage ich nach der Landschaft. Ist Landschaft wichtig für dich?« Der Meister holte Luft. »Halt. Holen Sie keine Luft. Man hört’s. Offenbar haben Sie eine falsche Atemtechnik.« - »Offenbar.« - »Wie?! Was hat er gesagt?« - »Offenbar habe ich eine falsche Atemtechnik.« - »Tja, ja. Fertig? Bitte!«  
  »Wenn der Mensch irgendwo lebt, und dafür gibt es eine reelle Chance, dann kann er nicht sagen: Irgendwo ist es schön. Das wäre, als würde er sagen: Meine Frau ist schön. Was so viel heißt, dass man sich die Frau von vorne angesehen hat, von hinten angesehen hat...« - »Halt. Kann es sein, dass Sie ein anderes Manuskript haben? Dass Ihnen eine andere Version vorliegt?« - »Wieso?« Der Meister sah die Harfinistin an. Sie sah schnell woandershin. »Wie ich sehe, mögen Sie die einfachen Wendungen. Hier bei mir, im Regieexemplar, steht: dass man sich die Frau von vorn und von hinten angesehen hat.« - »Und?« - »Bitte. Ich bin hier zum Arbeiten, nicht aus Jux und Dollerei. Sie haben einen Text eingereicht, den man akzeptiert und genehmigt hat, nicht wahr.« Der Meister sah wieder die Harfinistin an. Er soll etwas eingereicht haben? Und dieses war akzeptiert worden? »Ja«, sagte der Redaktor der Sendung auffällig schnell. »Na also. Dann wären Sie, Herr Esterházy, vielleicht so freundlich, kundzutun, wo Sie also nun, nachträglich und eigenmächtig, den eingereichten und in seiner ursprünglichen Form akzeptierten Text zu ändern wünschen?«  
  Der Meister drückte gegen seine Nasenwurzel, als würde er seine Brille richten, obwohl er besagte Brille (12-Forint-Kassengestell) niemals trug, nur zum »Zielschauen«. »Ich wäre so freundlich.« Plötzlich wurde es still. In der Hand des Redaktors der Sendung erzitterte das Papier. Gleichzeitig erbebte von einer unachtsamen oder aber viel zu aufgeregten Bewegung der Harfinistin die Harfe. Alle wandten sich wütend nach ihr um, der Meister nickte traurig, aber dankbar - er wurde hager, seine Lippen schmal, ein wenig blutleer -, und er begann mit fahler Stimme aufzuzählen: »Im letzten Absatz würde ich Wahrheit statt Umstand sagen, dementsprechend die statt der, alsdann in der vorletzten Zeile vor in einem Misthaufen et cetera: ich erinnere mich, in den Jahren der Deportation, in einem Misthaufen etc.« - »Halt. Dafür kann ich nicht einstehen.« - »Wofür?« - »Für so einen politischen Ton, welcher dem Material vollkommen fremd ist, dafür kann ich nicht einstehen.« - »Ich stehe dafür ein«, sagte der Meister mit leiser Rührung. »Sie stehen für gar nichts ein. Sie sind nicht in der Position, etwas zu verantworten. Hier bin ich der Verantwortliche. Und ich lasse dieses politische ...« — »Das ist nicht politisch «, sagte er, nun etwas lauter, »sondern biographisch. Aber wenn das politisch ist, werden dafür hoffentlich auch Sie ... ähm ... einstehen können.« - »Ist das für Sie so wichtig?« Der Regisseur der Sendung lächelte selbstbewusst. »Wissen Sie, mein Freund, das war eine kluge Frage ... aber ... sie wird so oft gestellt.« Der Meister stellte eine Gegenfrage, da er nicht wusste, ob man vom Satz oder von der Deportation sprach. »Dass dieser Satz drin ist? Nicht besonders. Nur so, wie die anderen.« Und fügte mit weltlichem Geistesreichtum hinzu (denn es wird nach Länge bezahlt): »Wie die anderen Sätze derselben Länge. « — »Ich diskutiere nicht mit Ihnen. Ich will nicht, dass dieser Satz drin ist.« - »Und ich will es. Also, Chef, ich würde sagen, es steht Remis. « - »Bitte?« - »Eins zu eins«, sagte der Meister und hob beide Daumen. »Und wissen Sie, mein Freund, aus dieser Position, in einem leichten Bogen, nicht gleich, nach unten ... wie die Scheibenwischer des Schiguli.« (Später sagte er nur noch: »Scheibenwischer, Schiguli.« Natürlich hatte der Meister leicht reden, er war - dort - von niemandem abhängig.) Die Hölle brach los, ein riesiges Geschrei hub an, aus den unverhofftesten Ecken und Enden des Raumes sprudelten Bindewörter, Nebensätze hervor (»oder andere grammatische Einheiten«). Währenddessen ward ein Verrat getan; das Harfe spielende (gespielt habende und zukünftig spielen werdende) Fräulein schlich auf Zehenspitzen hinaus. »Es war ein mächtiger Aderlass.« Der Meister stand in der Mitte und gab Tipps ab, aber er erriet die Quelle der Stimme nur in den seltensten Fällen. »Da!« Nein. »Da!« Nein. Etc. Dann, wie auch nach dem großen Regen die Ruhe des Herrn erwacht, wurde es still. Der Regisseur der Sendung sah mit verschränkten Armen herein. Der Meister sagte »gutmütig«: »In Ordnung. Wir lassen ihn raus.« - »Wie bitte?!«, brüllte der Regisseur der Sendung mit frischer Kraft, Wut und Erregung, anschließend, nachdem ein jeder verstanden hatte, was, scheinbar, für ihn bestimmt war, ging es weiter mit der Aufnahme.  
  »Dass man sich die Frau von hinten und von vorne angesehen und anschließend eine Entscheidung gefällt hat, und das Ergebnis dieser Entscheidung ist, zum Glück, folgendes: Ich kann zufrieden sein, meine Frau ist schön. Doch man kann diese Dinge nicht den Launen des Geschmacks überlassen, man kann nicht wieder und wieder überprüfen: gefällt mir denn die Fischerbastei oder das staubige Kőbánya... Zum Glück fällt einem das nicht oft ein: man lebt hier ...« - »Bitte halten Sie an. Sie haben hier diesen schönen Text, und dann ruinieren Sie ihn, sozusagen. Man lebt hier und nicht, man lebtTier. Mit mehr Luft, ruhiger. Ein wenig strammer, wenn Sie mich verstehen. Gut, können wir? Bitte.« - »Man lebt hier und ist kein Tourist. Es ist des Touristen verdammte Pflicht, sich zu begeistern, daran sieht man das Ausmaß der Verkommenheit; doch ich, wenn ich will, kann auch mäkeln ... Gegenwärtig denke ich, doch ich könnte auch anders denken, dass ich keine Landschaften habe, wie andere die Puszta oder den Teleki-Platz, sondern Gegenstände. Und für mich ist jeder Gegenstand interessant, der auf irgendeine Weise in seiner Stofflichkeit manifestiert ist. Eine Kirche zum Beispiel, oder eine Straßenbahnweiche ... Doch die Sache ist so, dass ich relativ widersprüchlich über diese Dinge denke: wenn ein Stück Raum so aussieht, als hätte man es aus einem langen, amerikanischen Farbfilm ausgeschnitten, dann gefällt mir das sehr, andererseits ... ist auch ein mistiger Strohbüschel nicht zu verachten. Ich muss mich zwischen diesen Dingen zurechtfinden.«  
  »Danke. Wir wären dann fertig. Nochmals danke und auf Wiedersehen. « - »Danke, auf Wiedersehen«, sagte der Meister mit gesenktem Kopf und begab sich, mit dem Redaktor der Sendung dicht auf den Fersen, zur Tür. Beim zweiten Versuch öffnete er entschlossen die Tur und ging hinaus. (Sie ging nach innen auf, und Esterházy versuchte es nach außen hin. Was ein Pech! Man kann sich das Antlitz des Meisters vorstellen! Doch auch so war es noch ein Abgang vom Feinsten ...!) Im Flur angekommen, gewöhnte sich sein Auge nur schwer an das Zwielicht, größtenteils sah er nur Flecken, allein Herrn Attilas hohe, schwankende Figur war eindeutig. Dies hob seine Laune einigermaßen. »Man hört von einer Affäre«, sagte Herr Attila; Neuigkeiten verbreiten sich auf Windes Flügeln. Er nickte.  
  Während all dem blieb die Zeit natürlich nicht stehen, sie verging; es war schon nach drei Uhr. »Los, mein Pferdchen«, flüsterte der Meister in das Ohr des Pferds und bog von der Puschkin-Straße (ehemals nach dem Namen des Meisters benannt) in die Rákóczi-Straße ein. »Wissen Sie, mein Freund«; der Meister ließ den breiten, verschwenderischen Schwung der Erzählung stocken, »wissen Sie, so eine schlechte Laune bemächtigte sich meiner. Natürlich regnete es auch; ich musste sehr aufpassen; ich glaube, ich bräuchte auch eine neue Brille, vielleicht 1,5 Dioptrien ... Wessen Sie, es ist ein bitteres Brot, wenn man dazu bestimmt ist, die Disharmonie der Welt in Harmonie umzumünzen.«  
  Er galoppierte über den Madách-Platz, nachlässig die Spur wechselnd (vergessen wir nicht: der Blinker!), vor der Basilika drosselte er die Geschwindigkeit, denn hier wurde er vom Rechten Verteidiger erwartet, der an diesem Tage die StVO-Prüfung abgelegt hatte, weil er den Motorradführerschein brauchte, weil er Motorrad-Zusteller werden wollte, weil er von Beruf her Polsterer war, aber da man ihn dort schlecht bezahlte, trug er morgens Zeitungen aus, und nun sattelte er ganz darauf um. »Weißt du, Peti, das gibt doppelt so viel Kohle.« Der Rechte Verteidiger war gerade in das beste Verteidigeralter gekommen: er ist gerissen geworden und hart geblieben; obwohl er ein wenig zugelegt hatte. Seinerzeit hatte er nicht nur bei den fachmännischen Leitern der Jugendnationalauswahl einen guten Namen, sondern auch unter den Taubenzüchtern. Bei einem Wettbewerb wurde er Erster und sein älterer Bruder wurde Zweiter. »Weißt du, was die Standardweibchen- Kategorie ist?«, fragte ihn der Meister vor einem Training. Sie daddelten an der Mittellinie je einen Ball: er war von Amts wegen, der Rechte Verteidiger zufällig ein Techniker. »Natürlich weiß ich das.« - »Gut. Ich weiß es auch«, sagte der Meister, nickte und fing in überflüssiger Weise einen Spurt an (verlegen).  
  Nun, er konnte die Geschwindigkeit in Höhe der Basilika noch so sehr verringern, und wozu leugnen: hinter ihm drückten einige ungeduldig auf die Hupe, er konnte den Rechten Verteidiger nicht sehen. Am Eingang des Sportgeschäfts standen mehrere, und nicht von allen konnte der Meister feststellen, dass sie nicht der Rechte Verteidiger waren, aber er schritt mit seinem Pferd so auffällig langsam am von Regen glänzenden Gehsteig entlang, dass ein Wartender ihn unbedingt hätte bemerken müssen. »Bestimmt ist er mit dem Taxi gefahren.« (Sie waren schon auf dem Platz und wärmten sich im pladdernden Regen auf, als der Rechte Verteidiger ankam. »Danke, Peti«, sagte er, grinste und ging in die warme Umkleide zu den Ersatzleuten.)  
  Auf dem Flórián-Platz stand ein Polizist. »Verdammt«, sagte der Meister, »muss ich jetzt etwa so lange hier im Kreis fahren, bis er die Augen niederschlägt?!« Auf dem Flórián-Platz gibt es nämlich einen Kreisverkehr, und, vergessen wir nicht: der Blinker! Er sprengte hinter einen 55er, dachte, vielleicht in dessen »Schatten« ... Doch sobald sie von der Brücke herunterkamen, machte sich der Autobus praktisch aus dem Staub - während er sich mit einem Zebrastreifen abmühte -, und während der Meister noch am Abzweig duckmäuserte - noch im Kreis, doch bereits mit Hintergedanken erfüllt -, traf sein Blick den des Polizisten. Es war ein junger Bursche, mit fast bläulich schimmerndem schwarzem Haar, welches manchmal unter der Tellermütze hervorlugte. »Er hat also schönes Haar. Oder trägt er einen Raben unter der Mütze? «, murmelte er. Der Polizist sah ausdauernd drein, während das Pferd an den kritischen Punkt kam: es hob ein wenig den Kopf, wartete auf das Zucken der Kandare. »Ein Rabe? Also das ist vielleicht doch eine Übertreibung. Und was sollen dann diese relativ langen Koteletten, aus demselben Stoff? Zu lang, nicht viel, aber zu lang.« Der Polizist machte eine kleinliche Bewegung, was der Anfang eines Einkassierens sein konnte, aber auch eines sich fügenden Sichabwendens; so oder so: es war unheilschwanger.  
  Auf diese Bewegung hin setzte der Meister automatisch den Blinker nach oben und scherte rechts aus, Richtung Miklós-Platz. Und, was für ein Wunder: der Blinker ging. Er wandte sich lächelnd um, der Polizist sah ihm hinterher, »sein Gesicht, das heldenhafte«, verriet nichts. Als der Meister zum Überholen des 42er Busses ansetzte, stellte sich heraus, dass der Blinker schon wieder nicht ging. »Natürlich.«  
  Auf einmal hatte der Weg zur Insel ein Ende. »Mein Freund, so etwas habe ich noch nicht gesehen! Dass es einfach so mir nix, dir nix zu Ende geht!« Er hielt das Pferd an, stapfte über die Müllhalden und war nicht in der Lage, einige lehmige Flecken zu umgehen, da er nur auf die Pfützen achtete, nicht aber auf den Untergrund. »Ich glaube, so etwas ist natürlich.« Die Umkleidekabinen, die sich am anderen Ende des Spielfelds befanden, waren im pladdernden Regen kaum zu sehen. Er achtete immer weniger darauf, wo er hintrat, er hatte es eilig. Die Jungs waren schon beim Umziehen.  
  Er blieb stehen; er blinzelte; seine Brille hatte er im Mantelsack gelassen, den er am Sattelknopf festgemacht hatte, mit Absicht. Er glaubte, in der Ferne seinen Trainer zu entdecken, und als er näher kam, gewann diese Annahme eine Bestätigung: Es war Herr Armand, der sich — von hier aus schien es so — aus der Wand herauslehnte und ihm zuwinkte, während er gut sichtlich darauf achtete, nicht die Linie der Dachtraufe zu erreichen, wo das Reich des Regens begann. Dennoch, als er dort ankam, trat Herr Armand aus der Deckung heraus, reichte ihm hart die Hand und sprach: »Du bist zu spät. Zieh dich um.«  
  In der winzigen Umkleide waren sie übereinander wie Kraut und Rüben. Das nachmittägliche Pourparler beschäftigte den Meister sehr. Nur so konnte es passieren, dass er statt des 8er Trikots, das er inzwischen seit 6 bis 7 Jahren trug, das 2er (!) anzog. (Der Herr Schriftführer musste das Protokoll korrigieren, da er neben den Namen des Meisters doch ohne nachzudenken die 8 eintrug.) Frierend, zusammengeschmuckt, wie auf Eiern gingen sie los aufs Spielfeld. »Also, an die Arbeit«, seufzte er, mit den Gedanken immer noch »woanders«, und patschte nach einem kurzen, doch geschickten Anlauf mit beiden Füßen in eine Lache. Anschließend - im strömenden Regen!, durch Pfützen!, im Schlamm! - spazierte er zur neben dem Spielfeld befindlichen großen Eiche und machte Pipi. Er schüttelte den Kopf. »Was kann dieser Typ von mir gewollt haben? Bin ich denn eine Scharte an der sozialistischen Kultur oder eine ihrer Bastionen?... Iwo«, und er schüttelte ein wenig seine Hose.  
  Der Schiedsrichter traute sich kaum aus seiner Höhle hervor, aber schließlich kam er doch. Gleich nach dem Anstoß spielte der Meister den Ball zurück, um anschließend loszusprinten. Der Junge Manndecker schnitt den Ball ohne zu zögern in den Lauf des Meisters, hob ihn heraus, welcher erst über den Rasen hüpfend schneller wurde, um anschließend in einer Wasserpfütze vollständig gebremst zu werden. Es begann ein großer und aggressiver Wettlauf zwischen dem Mittelverteidiger und dem Meister; Ersterer war näher dran, Letzterer mit mehr Schwung. Es sah schon ganz danach aus, als würde Esterházy den Ball zuerst erreichen - und dann würde er bis zum Tor nicht mehr stoppen! –, als sich der Verteidiger von weitem hineinwarf. (Aufopferungsvoll.)  
  Der Meister saß mitten in der Pfütze und wiegte abermals den Kopf. Augen und Mund waren voller Schlamm und Dreck, und er hatte immer mehr das Gefühl, die schlammige Hose schürfte seine Haut auf. (Der Schlamm - die nasse Erde - wurde quasi von der Hose aufgesogen und konnte nun von innen angreifen.) »Sehen Sie, mein Freund, ich hab es nicht umsonst gesagt: Ich habe gelebt, ich habe geliebt und viel gelitten. Es war so.« Hier ging ein schalkhaftes Licht in seinem scharfen Blick an. »Aber den Einwurf, den haben wir gemacht, dabei...«  
 
 
  15 »Du musst schon verzeihen, Onkel Tibor« — denn der Meister redete nicht nur Kollegen, sondern auch Experten der Rechentechnik mit respektvollem Respekt an —, »Vergleiche kann ich auch anstellen; ich werde sogar dafür bezahlt.«  
 
 
  16 Das letzte Spiel des Frühjahrs geriet kompliziert. »Sogar die Pause! Die erst recht!« Dabei war das Frühjahr selbst so schön anspruchslos gewesen! — »Wissen Sie, mein Freund, zum Beispiel diese windigen Tage! Trügerisches Wetter! All die steifen Knöpfchen ...!« Die Sonne scheint, die Welt funkelt, aber die Temperaturen sind noch kühl, »es zieht am Kreuz«! Und die Frauen ... die werden einfach getäuscht! Die leichten Hemden, das Leinen, die anschmiegsamen Trikots werden heraufgeholt aus den Tiefen, und wie sie so im Kreis um den Platz herumstehen, in zufälliger Streuung, damit schon mit ihrer Entdeckung Aufregung verbunden ist, oder, wie sie sich von den vielen lieben zahnlosen Rentnern lösend, auf der »jenseitigen« Seite aufscheinen, die im Wind flatternden Röcke spannen von Zeit zu Zeit (»in zitternden Perioden«) an den Schenkeln, und zwischen den Schenkeln entsteht eine, was ihre Ausmaße anbelangt, winzige, matte Delle im Rock; damit sich später, höher, im Gegenzug, ein Hügelchen wölben kann, welcher den Blick anzieht wie der Honig die Biene (um stilvoll zu bleiben - E.). Nun: das ist der Frühling.  
  Das Spiel von Licht und Temperatur nahm langsam ein Ende: die Luft erwärmte sich raunend, die Spiele wurden anstrengender, die Mädchen schwitzten, oder gingen, oh, zum Baden. »Erinnern Sie sich, mein Freund, an dieses Mädchen im blauen Kleid, das ich mir während der Aufwärmphase so gut angeschaut habe ... das dann später so charmant fluchte, das heißt, mich verfluchte ... und ich, nicht wahr, am Strafraum ...« (Woraufhin ich bemerkte, bitte vielmals um Entschuldigung, dass sich der Meister, als sein Blick sich mit jenem des Fräuleins zusammenschraubte, auch ich erinnere mich gut - 15 Uhr 53 Minuten - , sie trug ein blaues Seidenkleid, der zaubrische Wind brachte die Winzigkeit der Brüste gut hervor, dass sich der Meister zu diesem Zeitpunkt bestimmt nicht in der Nähe des Strafraums herumtrieb ... Er war überrascht ob dieser Beobachtung seiner Person, welche meine Aufgabe ist. Er zog seine großväterliche Braue hoch. »Sagen Sie, E., was halten Sie davon, Ihren hässlichen Namen zu Egyhegymegy einzuungarn! Auch das könnte man so abkürzen: E.« Draufgängerischer Verweis auf ein charmantes Detektivlein aus der europaweit mäßig bekannten Spionnovelle! Was für eine Schande, was für eine Schande! Dann, von einer Idee erheitert und beruhigt [nicht, dass ihn die Idee erheiterte und beruhigte!], murmelte er: »Ahh! Und wie Zahlreiches ließe sich noch als E. abkürzen! Hmhm. Sollten wir unser eigener Judas sein?! Gefällig.« Einer Spinne gleich wartete er auf die schizophrene Chance. Und diese kam auch, als ich bemerkte: ich vermag nicht zu folgen. »Versuchen Sie’s, Katzenöhrchen, versuchen Sie’s!«, sagte er und hob kühl das Revers seiner Jacke. Doch dann brach das Leben in ihm auf - das ist sein großer Vorteil, das Leben! [Darf verwendet werden.] -, und er plumpste mit vehementer Großmütigkeit über das Intermezzo hinweg, lange auf die Mysterien des auf der »Kehrseite« seines Revers befindlichen Filzes deutend und diese erklärend, die Bedeutung des dort sich festsetzenden Grinds, den weichen Griff, den Fadenschein der Zwirnnaht, die Unbedeutsamkeit und Wichtigkeit der Grenzen etc.)  
  Sie waren gerade dabei, die Umkleide zu verlassen, als man die Aufmerksamkeit der Verteidiger oder Stürmer auf jemanden lenkte, der: schnell, hart, gut im Dribbling war, sowie spuckte. Hier riss ihm der Geduldsfaden: »So was hab ich ja noch nie gefichtet. Gibt es überhaupt einen Gegner - und er zählte es an den Fingern ab: eins! zwei! drei! vier! –, der nicht schnell wie der (geölte) Blitz, nicht hart wie Widia ist, nicht wie der Teufel dribbelt und nicht treffgenau und üppig spuckt?!« - »Beruhige dich, Peti, du musst ihn nicht decken.« Und umsonst winkte er dann noch ab, es blieb an ihm kleben, dass er keine Manndeckung möge, dass man ihm keinen Mann anvertrauen könne. (Bittere Grimasse!) »Aber, mein Freund, auch das weiß ein jeder, dass das nicht stimmt.« (Nämlich das mit der Manndeckung.) Das stimmt. »Wisst ihr«, sagte er zu einem späteren Terminus, als schon abzusehen war, dass sein Plan »bezüglich seiner 6 oder 7 großnäsigen Töchter« perdu gehen würde, »wisst ihr, aus meinem Sohn mache ich einen Libero. Er wird hart sein, unerbittlich und wird jedem das Herz herunterkicken.« Und das lachende Nicken zeigte an: diese Möglichkeit war im Meister, diesem ziselierten Halbrechtsstürmer, vorhanden.  
  Es spielte bereits die Hitze die Hauptrolle. Irgendein Wind hat auch angefangen zu wehen. Zuerst leicht, kühl; später wurde er stärker und unglaublich heiß. Ein Föhn. Das Wetter wurde schwül. Er war noch nicht »geschnürt«. (Die längliche, schlangen- oder doch eher eingeweideartige Irrfahrt der Schuhbänder hinter den auflaufenden Spielern!) Im funkelnden Sonnenschein beeilte er sich von Schatten zu Schatten, ein breites, sonnig ekles Gelände umgehend: das Spielfeld. Irgendwie von der Seite zischte ihn der Libero an. »He, Peti.« Doch er tat gerade die letzten noch-schattigen Schritte und rief: »Die Spiellust hat mich wieder.« - Denn diese war gerade nicht in ihm vorhanden. - »Kämpfen werde ich wie ein Löwe.« (Was für eine Intensität. Wie man wird sehen können. Ein adäquates Gefühl und eine adäquate Reaktion.) »Mach mal einen Schritt«, sagte der Libero boshaft, schon vom sonnigen Terrain aus, gewappnet mit Praxis. Doch der Meister wurde gerade von diesem Satz gestoppt und nicht von der ersten konspirativen Ansprache. »Sie haben 5 Kästen Bier aufgefahren «, sagte leise der Libero und winkte Richtung Klubhaus, welches im Besitz des Gegners war. »Wissen Sie, mein Freund, 5 Kästen Bier, das ist auf diesem Niveau ein spendables Angebot.« Ohne nachzudenken sagte er sein »Nein« (den Mund verkrümmt, den Kopf geschüttelt). »Wir werden sowieso verlieren. Ihr Hausschiedsrichter pfeift das Spiel.« - »Ich weiß.« - »Peti, wenn der Weg von Schnee verweht...«, er breitete die Arme aus, um Ohnmacht anzuzeigen; er winkte nervös ab. er dachte, die Sache wäre klar, doch ohne die Zustimmung des Meisters konnte das Angebot nicht fortgesetzt werden. »Schnee? Bei der Hitze?«, scherzte der große Mann anspielungsreich. Er verstand die Überlegung: wenn sie schon die Hucke vollkriegen - denn der Gegner ist gut und der Schiedsrichter kennt bereits das Endergebnis -, dann sollten sie wenigstens nicht blöd sein. Doch er vermochte nur zu denken, »wozu zum Teufel« er die halbe Stadt durchritten hatte, wenn das doch hier der Schauplatz eines Pseudo-Fußballspiels war. »Nein«; sagte er wiederholend, und, nachdem er sah, dass der liebenswürdige Linksverteidiger (der sich dem Palaver ernst angeschlossen hatte, wegen seines Prestiges, das er in der Mannschaft genoss, und unerwartet nun die Meinung des Libero teilte) mit einem unsicheren Kopfschütteln errötete, fügte er noch schnell hinzu: »Aber, Jani, nicht weil ich etwa anständiger wäre, Blödsinn. Aus rein praktischen Gründen. Es gibt einfach keinen Grund, das Spiel zu unterlaufen. Bitte, Fichte. Nennt mir einen Grund.« Jene schwiegen. Der Meister war darüber nicht erfreut. »Na, einen nur, Kätzchen. Wenn wir wenigstens um Moos spielen würden. Aber auf diesem Niveau zu betrügen ... Sind die 3 Flaschen Bier für euch: ein Grund? Das ist kein Grund. Wenn wir mitmachen, sind wir genauso schäbbich wie die und wie der Schiedsrichter. Und anschließend trinken wir 3 Flaschen Bier. Blödsinn. « Sie trotteten auf die andere Seite des Platzes. Der Libero unternahm einen kleinen Umweg, wo er mit dem Kopf anzeigte: nein. Der, dem er es sagte, wurde böse, » ’s ist, wie’s ist«, sagte der Libero. Der Meister hatte die anderen überhaupt nicht überzeugt, dass dies die richtige Entscheidung war und jene andere die falsche. Das hatte er auch nicht gewollt, er ist raffinierter als das. »Wissen Sie, mein Freund, ich wollte nur, dass sie die Rechtmäßigkeit meines Schrittes verstanden.« Natürlich wusste er, der Stenz, ganz genau, was das mit sich brachte. Was er allerdings nicht wusste, war, wie glücklich sich das Spiel entwickeln würde und was für ein moralisches Beispiel ihm an diesem Nachmittag zu präsentieren gelänge. »Die Welt spielt mir in die Hand.« (Seine Fingernägel! Ein Skandal!)  
  Als Folge der vorangegangenen freundschaftlichen Verhandlungen verlief das Spiel in einer ziemlich »ranzigen« Atmosphäre. Wie der Meister zwischen den Fleischbergen dahinglitt, und er hatte sogar noch Mumm! Wie er, während er sich wieder aufrappelte, frech sagte: »Kätzchen, wozu das bengalische Feuer!« — »Und wieso fichtest du nicht deine Fichte Mutter«, erklang die Frage in seine Richtung. »Kumpel«, rief er schon im Lauf, »Kumpel, ich werd’s mir überlegen. « Ein Haar diesseits des Skandals, war diese bürgerliche humanistische Art des Umgangs mit Text seitens des Meisters verständlicherweise provozierend. - Es gilt als klassischer Fall, wie er einmal, sich bis in die Verteidigung zurückziehend (es war ein glattes Spiel), mit Herrn Icsi ein langes Pourparler bezüglich eines gewissen Vigilia- Artikels über irgendeine Feinheit in der Beziehung zwischen Herrn Ottlik und der - »eingestellt, mon ami« - Literaturzeitschrift Nyugat betrieb. »Der Herr Redakteur Osvát hat das gesagt«, brüllte zum Beispiel der Meister von der Strafraumgrenze Herrn Icsi zu und brachte den Ball zwischen den ihn angreifenden Gegnern heraus. (Rein fachlich eine leichte Aufgabe.) Was er für diese zweifellose Impertinenz damals bekam! Wochenlang ging er ins Sportspital zur Fisikotherapie. »Genutzt hat es wie ein Einlauf für einen Toten ...!« Der arme Meister! Um von Herrn Ottlik gar nicht erst zu ...  
  »Du kommst mir schon noch in den Fleischwolf, Nasenbär!« - »Mein Gott, mein Gott«, sann er einmal während des Speckbratens nach, er war schon verschmiert und fettig bis an die Ohren, der Soproner Blaufränkische Jahrgang 1974 flutschte gut, »mein Gott, bin ich wohl ein Volkstümlicher oder ein Urbaner?« Er hätte nämlich gerne gewusst, wo er nun stand. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass er, in Anbetracht seiner uralten Familie, gewiss ein Volkstümlicher war, andererseits wiesen sein dürftiger Bartwuchs (nicht nur kein ungarischer Schnauzer, überhaupt nichts!) sowie die Tatsache, dass er durchschnittlich bei jedem dritten oder vierten Spiel gesaujudet wird, auf eine urbane Charakteristik hin. »Das muss man nicht differenzierter sehen.« — Es sei angemerkt, auch Herrn Györgys Nase ward Beute historischer Scherze. In die Verschmutztheit des vor der Kneipe dümpelnden Trabants hat jemand geschrieben: »Im Laden gibt’s frisches Matzen  
  »Du kommst mir schon noch in den Fleischwolf!« - »Du bist mir vielleicht ein Häschen, Chef«, hauchte er dem Verteidiger-Burschen zu, »dafür hat man mich hierhergestellt! Damit ich in den Fleischwolf gehe!« Das Bürschchen war der Kleine Knochenmann, ein Verteidiger aus der Gattung der Killer, er war nur jung. »Sein Bruder, der Knochenmann, ist ein guter Aktiver.« Wie der Meister den Knochenmann hasste! Wenn er hassen könnte, würde er ihn hassen. Der Kleine Knochenmann beugte sich ganz nah an das berühmte Gesicht. »Ihr kommt schon noch wieder zu uns, Nasenbär, was?!« - »Nun, mein Lieber«, antwortete er mit dem Gemüt einer Marquise, »wenn die Laune der Auslosung es so will.« - »Spiel dich, Fichte nochmal, nicht so auf, wir werden dich faschieren!« Hier nahm er die Herausforderung endlich eins zu eins an und zischte zurück: »Versuch’s doch, Kleiner.« Und er hob seinen Ellbogen, um dessen Zusammentreffen mit gewissen Rippen zu fördern; wie der wucht’ge Eber sprengte der Meister aus der Bedrängung des liebenswürdigen Verteidigers heraus.  
  Sie ärgerten den Gegner nicht zu knapp. Natürlich konnten auch sie selbst nicht unbeteiligt bleiben, so dass der unparteiische Zuschauer — sagen wir, jener Jemand, der aus einem der neuen, riesigen Wohnhäuser, die das Spielfeld umgaben, aus der Höhe herabblickte — nur das Aufeinandertreffen zweier selten brutaler Mannschaften verfolgen konnte. Seiner guten Gewohnheit getreu trat der Meister nicht um sich, er war »nur« engagiert. »Es geht so.« Einer von ihnen (der Libero) traf sogar den Schiri — mit dem Ball. Der Schiri drehte sich um und suchte mit blitzenden Augen nach dem Schuldigen. Er näherte sich unheilschwanger, als der Meister weise die Sturmwolken vertrieb: »Ach komm, komm. Wenn dich« - denn in seiner Aufregung duzte er den grünschnäbeligen, amoralischen Spielleiter; <mein Gott, er ist in meinem Alter> - »von so weit weg absichtlich einer träfe, Fichte, der würde bestimmt nicht mehr hier spielen!«  
  (Sie haben 0:1 verloren mit einem aus einer himmelschreienden Abseitsstellung geschossenen Tor.) »Habt ihr gesehen, was die für Bammel hatten«, der Meister lachte müde, während er vom Platz ging. »Gottchen, hatten die die Hosen voll.« Dann, als er zum verschwitzten Libero aufschloss, der sich heute - obwohl er in letzter Zeit eine abnehmende Form verriet, »im Keller war« - als einer der Besten seiner Mannschaft erwiesen hatte, schlug er ihm auf den Rücken und grinste: »Na, Fichte?!« - »Peti«, sagte der negative oder positive Held des Spiels, »Peti, die sind vielleicht herumgekrochen ... Nächstes Jahr gehe ich zum Cosmos nach New York.« Worauf der bei weitem nicht greise, doch auch nicht gerade frische, also etwas sonntagnachmittägliche welke Meister: »Für 5 Kisten Bier, Minimum.« Noch nie hatte eine Niederlage so wohlgetan.  
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  Irgendwo hat sich irgendwas verändert, Räder quietschen auf, aus den Autoscheinwerfern schnellen scharfe Lichter - wie Messer - hervor, Füße trampeln, ein Tor (!) zerreißt einem Stück Papier gleich, ein Schlagstock huscht weich, die Hand, die zugreift, könnte Karajan gehören, jemandes unauffällige Verfolgung wird aufgenommen, jemand - da er ausdrücklich darum gebeten wurde - nimmt eine unauffällige Verfolgung auf, Eiswürfel donnern triumphal, ein Riegel klickt, eine Fernsehansprache formiert sich, irgendwo ist irgendwas endgültig geworden.  
  Außer ein paar als seltsam einzustufenden Blicken, die er nach dem einen oder anderen Spiel, meist im Spielergang, erheischte und aus denen er einen besonderen Zuspruch (»Gut gemacht, Junge!«) herauslesen mochte, war nichts passiert: er bekam keine geheimen Zeichen, weder einen Brief noch ein zufällig fallen gelassenes Wort, niemand lud ihn unerwartet zu einem kleinen Gespräch ein, weder ins Café noch woandershin, kein indirekter Hinweis erreichte ihn ( ), sein Gehalt wurde nicht gekürzt, im Gegenteil, es wurde vorschriftsmäßig erhöht (auf 2700 Forint), niemand ließ ihn zu sich kommen, und es wurde ihm auch auf keine andere Art und Weise angezeigt, er müsste etwas ganz besonders verstehen, es rankte sich nicht mehr Klatsch um ihn als sonst, seine Situation wurde weder an seinem Arbeitsplatz noch in seinem Privatleben unmöglich ( ), es passierte nichts: Spiele kamen, Spiele gingen — dennoch, langsam, wie von der Kälte nach einem voreiligen frühmorgendlichen Gähnen, ward der Körper des Meisters von einer Art biologischer Selbstsicherheit durchdrungen, dem Wissen um die Ordnung und die Organisiertheit, dem Glauben: dass er nicht alleine sei, seine Schritte (mehr noch: seine Flanken, seine Steilvorlagen, seine Zuspiele und seine Rückläufe) sind beobachtbar: man beobachtet sie, sie sind bewertbar: man bewertet sie, folgerichtig ist er hierher wie dorthin Verantwortung schuldig. Und das ist gut.  
 
 
  17 Der Meister unterzog Herrn Banga einer Befragung. Herrn Bangas Antwort war ausweichend. »Alter«, sagte er. Auf Drängen des Meisters wiederholte er: »Alter.« Aber so viel stellte sich heraus, dass der namhafte Illustrator in der Sache nichts erledigt hatte. »Alter, als ich eintrat, fing er an, die Dossiers auf seinem Tisch hin und her zu packen und sagte, er müsse leider gehen, denn leider müsse er seinen Wagen in die Werkstatt bringen, aber wir sollen uns keine Sorgen machen, es wird schon.« Der Meister winkte ab. Doch dann wurden sie (entwickelten sie sich) zu tätigen Menschen. Der Meister stieg auf seinen diszipliniert wartenden Rappen, Herr Banga schmückte sich hinter ihn und hielt sich mit beiden Händen, erschrocken, wie das Meerkätzchen an seiner Mutter, am Meister fest. Dieser spornte sein kluges Tier zur Eile an. Sie machten einen Ausflug zur Druckerei. Der Meister hatte eine europäische Vorlesetour zugesagt - »ach, die Verpflichtungen, mon ami, die Verpflichtungen!« wozu es erst des gedruckten Produkts bedurfte. Herrn Bangas Haar ward vom Wind getätschelt, seine kleine, braune kluge Stirn leuchtete frei. Manchmal rief er vom hohen Rosse mit seiner rohen, doch irgendeiner, und zwar einer schönen, Melodie folgenden Stimme den Fußgängern zu, besonders, wenn diese adrette Mägdlein waren: »Schnuckelchen, gehebt gut ahacht, sonst kohommt der Krahampuus und hoholt euch ahab!« Im Gesang kam das natürlich noch mehr heraus; man kann es sich vorstellen. Und erst, wenn Herr Banga schweigt! Das ist vielleicht ein Erlebnis und eine Findigkeit! Denn zum Beispiel ruft der bildende Künstler in so einem Fall aus: »Teenager!«, und der Meister dreht bereits seinen großen, durchdringenden Blick, um den erhofften Anblick aufzunehmen, doch da bläst Herr Banga zum Beispiel zum Rückzug: »Nein. Kein Teenager«, er wiegt den Kopf, »Korruption!« — »Verblüffend, mein Freund!« Und der gute Andere fängt mit irgendeiner Fußgängersoziologie an.  
  Als es irgendwie gelang, Platz für eine polnische Anhalterin zu schaffen - der Meister gewann das Mädchen nicht lieb: sie hatte sich einfach und ohne ein Wort auf ein Buch auf dem Sattel gesetzt; »mein Freund, mit ihrem Schenkel, sie setzte sich mit ihrem Schenkel drauf!« -, war Herr Banga so erfreut, dass er fast zu tanzen angefangen hätte. In seiner großen Erregung fing er an, dem Mädchen mit seinen schütter werdenden Russischkenntnissen eine Geschichte zu er zählen. Er selbst fühlte sich durch die Sache äußerst unterhalten, doch nicht einmal dem Meister gelang es, der Geschichte zu folgen, obwohl seine Affinität für Geschichten und deren Aussagen: groß ist; mehr noch, auch die sich in Herrn Bangas Erzählung herzlich gern hineinmengenden ungarischen Wörter verstand er besser als die polnische Maid, viel besser. Während er erzählte, tätschelte Herr Banga manchmal die Schulter des Meisters (als wäre er selbst das Ross), und dabei sagte er, sich nach hinten um und umwendend zum Mädchen: »Pista Tüske. Pista Tüske i faschisti.« — »Was hast du da erzählt?«, fragte er misstrauisch, als sie die Frau losgeworden waren. »Die Macker haben sie schon am Eingang des Campingplatzes erwartet.«  
  »Wie, was ich erzählt habe?! Von den Partisanen und von den Faschisten natürlich. Und der Pista Tüske, was ein Partisane war, hat da dreingehauen.« - »Und wieso schlug’s du mir dabei auf die Schulter? « - »Wieso, wieso. Um ihr zu zeigen, der Pista Tüske, das ist ein Name, du könntest mitunter so heißen!« - »Ich heiße aber nicht so.« - »Ich weiß. Auch das habe ich ihr angezeigt.« - »Fichte.«  
  Und schon standen sie, schwuppdiwupp, vor der Druckerei, aber schon auf dem Rückweg, Genosse Jonas winkte ihnen liebevoll hinterher. Die beiden Künstler waren nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner gekommen bezüglich der Frage, ob sie dem Genossen Jónás ein Trinkgeld geben sollten oder nicht. Die Lösung war schließlich Unbedarftheit und dass beide so geradeheraus in jene sich anerbietenden Augen blickten, und ihre Freude war eine so echte.  
  Die Stadt zitterte in der sommerlichen Hitze, Steine, Asphalt, Beton strömten Heißes aus, und die vielen hellen Pastellfarben - sie trabten durch ein modernes Stadtzentrum - sowie dieses Zittern machten die urbane Landschaft recht unwirklich (und durch das Blinzeln war es, als würden zur Linderung Schleier zwischen den rauen Steinblöcken umherwandeln), besonders, da sie beide betäubt das neue Buch untersuchten (Magvető Verlag, Budapest) und alles andere - Geometrie, Jeans, Kattunkleider und die Stimmen, die Stimmen — nur nebensächlich schmeckten. Tja, die Künstler! In so einem Fall sehen und hören die nichts. (Ja, ja, es kann sich eine sehr spezielle Raumwahrnehmung einstellen. »Scharf, eingedellt.«)  
  Oder doch? Denn sie »sahen und hörten« das Buch und ihr Herz - ihr fachlicher Anspruch! - wurde vom großen Ereignis nicht erweicht. Herr Banga schäumte, soweit es sein schönes, sanftes Naturell erlaubte. »Ich hab denen gesagt, sie sollen es abfallend machen! Ich hab’s ihnen vorgekaut.« Und er stieß den Meister an, dieser solle auch mal schauen. »Hm«, sagte dieser, ohne den Kopf vom Text wegzubewegen, ein skeptisches Lächeln kräuselte seine Lippen, die gemeinsame Anwesenheit von Freude und Trauer, wie jedes Mal, wenn er den eigenen Text in sich aufsog, in sich einschmolz. »Und das Raster! «, kreischte Herr Banga auf. Nun vermochte auch der Meister nicht mehr teilnahmslos gegenüber dem Freund und Mitarbeiter zu bleiben. »Empörend! Was für ein Raster!«, sagte er mit anfechtbarem Mitgefühl, während er in dem frischen, duftigen Buch blätterte, weil es gerade sein musste. Die beiden namhaften Künstler blinzelten im frevelhaft strömenden Licht. (Kein zu vernachlässigender Faktor!) Doch auch der Meister ward vom gerechten Schicksal eingeholt. »Was soll das heißen: Butterhonigbrot ?«, fragte er erbleichend. Herr Banga - der ein Gespür für die kleinen Realitäten des Lebens hatte, mit seinen kleinen Händchen zähmte er die ihn umgebenden Gegenstände, er hat sich ganz aus eigener Kraft dorthin gekämpft, wo er heute steht — hatte die Kraft zu fragen, und zwar mit echtem Interesse: »Weißt du’s denn nicht? Mein kleiner Schnuck ...« Doch der Meister war für Scherze nicht empfänglich: nun ging es um seine Haut. »Das heißt nicht Butterhonig-, sondern Butterhonibrot. So ist der Name. Ich habe es in den Fahnen zweimal korrigiert!« - »Zweimal?«, tsitste ungläubig, in die eigene Problematik vertieft, der Grafiker. »Einsam.«  
  Erneut war Rasen an der Reihe. »Wie fährst du denn?«, stellte Herr Banga den Meister zur Rede; dieser hatte Verständnis für seinen Freund: wenn eine Kurve, die der Meister nahm, nicht mit Herrn Bangas Harmonie korrespondierte, welche durch dessen verlässlichen Geschmack bestimmt worden war, dann brachte er das zur Sprache, er ließ sich von der konkreten Biegung der Straße nicht beeindrucken. Obwohl sich der Meister schließlich darauf berufen musste: auf die Praxis.  
  Doch worauf konnte sich wohl Herr Banga berufen im Falle des von ihm gekochten Kaffees, als das Paar schließlich angekommen war? Auf nichts. Er nahm die ihm angetragene Kritik nicht auf. So wie der Meister nicht das neuerliche Antragen. Er ärgerte sich gleichzeitig über zwei Dinge. »Wieso kann man eine Klammer nicht abschließen? Wieso?«, polterte er. »Wenn man das mit Menschen doch kann«, fügte er in der Maske Jimmy Carters hinzu. Doch Herrn Bangas flimmernder Geist war bereits zum Lob übergegangen. »Du, Alter. Es ist aber doch ziemlich gut geworden.« Was den Meister - kraft seines Gespürs für Proportionen - zur Tadelung des Kaffees zurückbrachte. »Wissen Sie, mein Freund, es ist sehr einfach, etwas zu tadeln.« Er setzte gerechterweise fort: »Oder zu loben. Primitiv einfache Dinge sind das.« Mit seinem Näschen nahm er einen Happen aus der Luftmasse der Küche der bequemen Kombinatswohnung auf. »Täubchen, das ist Mausgeruch. Dein Kaffee riecht nach Maus.« Und er zeigte sogar mit den Zähnen an, was für eine Maus. »Niff, niff, so eine Maus.«  
 
 
  18 Der Meister hüllte sich in seinen berühmt-berüchtigten Dichtermantel und nahm Platz an seinem Platz; seine Hand hielt er - nicht auf »Gymnasiastenniveau« - spielerisch auf Ungarns Bumsköpfchen. Das seidene Revers glänzte auf; gut erkennbar war ein langes Haar, über dem sich, wie auf einem Wellenbrecher, das abendliche Innenhcht uberschlug. (Auf der gegenüberliegenden Seite füge ich hiermit aufgeregt die authentische Zeichnung eines Elements der berühmten Haarkrone ein. Womit ich den Bewunderern vermutlich eine große Freude mache.)  
  »Süßer Geliebter«, sagte Frau Gittu. »Hör auf zu haaren  
  Sie ließ ihren forschenden Blick wandern. »Hier, bitteschön, schon wieder ein Haarbüschel! Wieso kratzt du dich so viel am Kopf?« - »Die schöpferische Unzufriedenheit«, murmelte er. »Und ich darf aufräumen«, grummelte aus Alibi das Weib. Sie machte sich um den Tee zu schaffen. »Earl Grey oder nicht Earl Grey?, diese Frage stellt sich immer wieder.« Hier fing plötzlich Dorko Mitics zu weinen an. »Was soll ich machen?«, fragte der Meister. »Was wohl, deck sie zu«, die Frau schnitt eine Grimasse. Der Meister trippelte auf Zehenspitzen zum Bettchen. Mitocska heftete ihre müden Königinnenaugen enttäuscht auf den Vater. »Teddy.« - »In Ordnung«, der väterliche es kräuselt sich, wenn Er es wäscht Meister nickte, »da ich dir ein guter Vater bin, hebe ich für dich den Teddy auf.« Und er bückte sich, um den Teddy aufzuheben, doch als er das tat, rutschte sein Hacken auf dem Parkett aus, er verlor das Gleichgewicht, die Beine glitten unter ihm heraus und er trat mit voller Wucht gegen das Bettchen, die Gitterstäbe stürzten krachend nach innen und, wie ein Linker Verteidiger in einem enthusiastischen Halbstürmer, landete der Meister mit der Fußsohle in Dorko Mitics’ blumigem Engelsgesicht. »Ich Idiot«, sagte er kurz. Die hereinstürzende Mutter schnappte sich das Kindlein, der Vater lag zerstört auf dem Boden, in mehrfacher Weise. Aus dem Mund des Mägdleins sickerte Blut. »Ich Idiot«, sagte er, nun verschwindend. Die Situation beruhigte sich. Das Schluchzen des kleinen Mädchens und das unheilschwangere Geschnurps der Wasserhähne (»Die Dichtungen, die Dichtungen des Franc!«) dienten als äußerst eigentümlicher, dämonischer Hintergrund für die kommenden bedeutenden Worte dieses Esterházy...  
  Zerstreut rührte er in seinem Tee (»Earl Grey — erneut nur eine Prise, zum Abschmecken«), während er in Herrn Dezsős Buch blätterte. »Wie gut, wenn einer Dezső heißt«, dachte er bei sich. Frau Gitti tat Zucker in ihren Tee. Diese Bewegung ließ den Meister in seinem nützlichen und romantischen Höhenflug stocken. »Ist Zucker drin?«, fragte er, bezüglich seines eigenen Getränks. »Wieso sollte es?«, fragte jene müde, denn es war bereits Abend geworden. »Kein Vorwurf, nur eine Frage«, beschwichtigte Esterházy Frau Esterházy. Anschließend fuhr er mit der Beschwichtigung fort: Herrn Dezsős Buch landete mit einem unwürdigen Puffen auf dem Küchenstein, da der Meister - sein Abendessen beiseiteschiebend - aufstand und sein Weib auf den Hals küsste. »Mehr«, sagte die Frau in einem erratbaren Augenblick. »Liebste«, sagte der Meister und setzte sich zurück an seinen Platz, »Liebste ... Wo ist das Salz?« - »An seinem Platz.« Nach einer winzigen Pause, in der sich Muskeln anspannten und lockerten, sprang der Meister auf und holte das Salz. »Verlange, was du willst«, sagte er, sich vor seiner Gattin verneigend. »Ich verlange das Salz«, sagte diese lächelnd. »Heiterkeit hat sich zwischen deinen Augen eingenistet. Das ist gut.« - »Du irrst dich«, antwortete der Meister mit beginnender schlechter Laune. »Das ist meine Nase.«  
  »Liebst du mich?« - »Ich liebe dich.«  
  Der Meister setzte sich in seinen großen und lieben Trumm von einem Armsessel und walkte sich die Handflächen. Am Anfang der Saison reißt die Haut auf- es gibt dafür auch nicht notwendigerweise einen Freistoß! –, und die permanente Arbeit sichert die zeitliche Verzögerung der Wundheilung, ihren Besitzer damit vertröstend: die Wunde sei immer vielversprechender. Was hier Tatsache ist, ist nicht viel: die Wunde ist immer vielversprechender. Es gelang nicht immer, die Schlacke gänzlich herauszuwaschen, so konnten sich spontane kleine Inseln bilden, welche auf Druck »Eiter tränten«. (Da die immer mehr anwachsende Menge der sich Konservendosen gleich entleerenden menschlichen Beziehungen den Meister so sehr betrübte, kam es auch schon vor, mal »unter freiem Himmel«, mal am äußersten Anfang eines Metroeingangs, dass er, wenn er in der Handfläche eines Mannes seinen Stigmen teuflisch ähnliche Wunden sich ausbreiten sah, diesen ansprach: »Auch Kleinfeld?« Und der Antworten sind so viele verschiedene welche!)  
  »Lass den Abwasch«, rief der Meister in die Küche hinaus, »ich mach das schon.« - »Es ist kaum noch was«, jauchzte die Gattin zurück. »Na gut«, er gab nach, und sein großer, durchdringender Blick schweifte über einen auf dem Tisch daniederliegenden Brief. Die ältlichen, zittrigen Zeilen und die aus manchem schwungvollen Buchstaben strahlende tragische Kraft verrieten ihm sofort den Absender des Briefs. »Dieser Rubinstein hat versprochen, am Abend heruberzukommen «, las er, »und Rachmaninow zu spielen. Aber er spielte Chopin-Etüden und ich muss sagen: falsch. Außerdem aß er meine sämtlichen Sandwiches auf. Ein Glück, dass reichlich da war, Sie können es sich vorstellen, lieber Péter.« Der Meister lächelte. »Oh, ja. Die Sandwiches mit Salami, Lachs, weißem Braten, Lungenbraten, mit Kaviar, Sardinen, Eiern, Schinken und Butter.« - »Ja, sehen Sie, sehen Sie, je älter ich werde«, hieß es weiter, »desto boshafter werde ich. Die Güte und die Ungeduld schleifen sich von mir ab, eine immer dünnere Greisin werde ich.«  
  Frau Gitti kam vorsichtig aus der Küche, die Hände leicht von sich weghaltend, von den Fingerspitzen tropfte Wasser, dann wischte sie die Handfläche am Jeansrock ab: der Stoff spannte, der Meister konnte mit Freuden die schwungvolle Linie der Schenkel erkennen, welche weiter oben so erregend abbricht. »Du bist schön ...« Nach dem kurzen Getändel, dessen Details das schuldige Taktgefühl unbeleuchtet lässt, verwickelte sich der Meister in eine auch aus literaturgeschichtlicher Hinsicht interessante Konversation mit seiner treuen Gefährtin. »Ich habe im Brief der Tante Jolänka gelesen ... Eine wundervolle alte Frau.« - »Die Arterien sind schon etwas verkalkt«, sagte die Gattin nach ein wenig Nachdenken. »Ja.« Der Meister ließ seinen verschleierten Blick über den Horizont gleiten (seine Hand erneut auf dem Bumsköpfchen, spielt mit ihm, zerzaust es, wieder und wieder) und fing dann, langsam, damit der treue und ergebene Notierer genau notieren konnte, zu reden an. (Genau! Was für ein törichtes Wort! Denn wie könnte ich die Seidigkeit der die Worte begleitenden Worte, die Operette der die Worte begleitenden Gesten, die wagemutigen Kurven der die Worte tragenden Stimme, den gelegentlichen Schluckauf, das Blinzeln der Augen, welche die Worte mit Anführungszeichen krönten oder auch dethronisierten, wiedergeben. Und überhaupt die ganze Situation! ... Eine schwere Kunst. Doch es sei mir erlaubt, mich auszuruhen: schööön.)  
  »Tante Jolánka ist eine wichtige Station meiner geistigen Entwicklung. « Frau Gitti fasste das Briefpapier an. »Das ist vielleicht ein Papier «, sagte sie anerkennend. »Einst war sie eine schöne Frau, mit einem riesigen braunen Dutt, einem trägen, selbstsicheren Blick, welcher wie eine Möwenkönigin, ich sag’s noch mal, Silbe für Silbe: eine Mö-wen-kö-ni-gin jedem neuen Gegenstand und jedem neuen Menschen mit der gleichen Ruhe zuflog, alles ermaß. Ich saß oft auf ihrem Schoß, sowohl mit dem Rücken zu ihr, den Rücken gegen ihre Brüste gedrückt, als auch mit dem Gesicht. Letzteres mochte ich nicht, da ich meine Schenkel dazu sehr kräftig auseinanderspreizen musste.« (Dies mag er auch heute nicht. Wenn der Linke oder der Rechte Verteidiger - beide, aus verschiedenen Gründen, leidenschaftliche Motorradfahrer - ihm anbieten, ihn bis zum Bus hinauszufahren, zwei Ecken, hesitiert er lange, ob er annehmen sollte, um dann während der Fahrt große Angst zu haben. »Jani, Fichte, langsamer, ich habe Angst!«, brüllt er im bürstenden Wmd, und hinterher tastet er lange seine Leisten ab, die Schenkelgelenke. »Du bist vielleicht abgerissen, Kumpel. «) »Beizen?« Frau Gitti faltete ironisch eine Windel zusammen. »Wissen Sie, mein Freund, sie sah bereits das Misslingen dieser kuhlen Annäherung kommen. Dass das, mein Freund, Egoismus war.« Schwungvoll fuhr er fort: »Ebenfalls Letzteres mochte ich deswegen so leidenschaftlich ...« - »Eine brave Dialektik!« - »Klappe. Ich arbeite. « Ja, so ist es: Kunst ist Egoismus, wie ich das irgendwo gelesen habe. (Das ist natürlich nicht derselbe »Egoismus« wie der oben genannte.) »Nun also, ich liebte diese unbequeme, gespreizte Position, weil ich von ihr aus unverhohlen ihr wunderschönes Gesicht betrachten konnte. Aus jener Position, aus der damals noch ziellosen, doch bereits aufregenden Wärme des Schoßes, bot sich vor allem die Nase zum Beobachten an ... Jener Pfad, der von den Brauen bestimmt war und über den der Blick laufen konnte wie ... wie ...« — »Ein Haaase!« — »Danke, Täubchen. Wie ein Hase, wurde an der Nasenwurzel un sicher. Der Anfang der Nase verbreiterte sich etwas, aber sehr fein nur, durchscheinend, wie ein kleinstädtischer Platz, so dass ... ähm ... das Bild Joe Luis’, des Braunen Bombers, wie der unglaubliche Schatten eines Flugzeugs vor dem Betrachter auf- und vorbeiflog. Dies impfte der ansonsten klassischen Nase eine gewisse Unsicherheit ein, eine aufregende Aggressivität, welche, aber das war nur noch aus meiner damaligen, nur wenigen gegebenen Position feststellbar, welche von den dunklen, schattigen Nasenlöchern verstärkt wurde.«  
  Oho, aber seine Einstellung zu dieser zauberhaften Frau ist bei weitem nicht so ästhetisch. Der ungebrochene Glaube, den diese strahlend kluge, deklassierte Frau (»trotz allem!«) ausstrahlte, hatte/hat eine große Wirkung auf den Meister. Na und ihre Fraulichkeit! »Jolánka, Teure«, sagte er in taktloser Weise bei einer späteren Gelegenheit, »ab nun können Sie meinetwegen so alt sein, wie Sie wollen, für mich bleiben Sie immer eine sog. attraktive Frau.« - »In den fünfziger Jahren wurde sie verfolgt.« Aber nicht so, wie die Feinde des Volkes im Allgemeinen, sondern wie in einem Farbfilm. Sie floh von Gehöft zu Gehöft. »An einem Ort drosch sie monatelang jeden Abend mit dem ortsansässigen Polizisten unter dem Nussbaum Karten. « Dabei hätte man an ihren Händen die nichtbäuerliche Lebensform gleich erkennen müssen! Der Meister konstatierte das zur damaligen Zeit: »Na, ßie ham abba net vü gschafft.« Und der kleine Palotze — denn im Anfang fing er so an — drehte und wendete die seidige Hand, als wäre es ein Ding vom Mond. (Eine ähnliche klassentypische Bemerkung in einem ähnlichen Themenkreis: »Sagen S’. Wie kann ma auff so klaine Füss lauffa?!«) Der Meister lebte bereits mit sich verbessernder Tendenz im Familienkreis (»Kreis: Abdruck von Gläsern auf klebrigen Caféhaustischen. Definition.«), als es spätabends klingelte. Dem Meister fehlt auf konstituierende Weise jener Reflex, der seine Eltern auf so einen Effekt zusammenkrampfen lässt (»Der Oho-Effekt, mein Freund, ist das! Angemerkt sei, daran ist etwas Wahres. Aber woran nicht?!«), so war es lediglich Neugierde, die ihn an die Glastür trieb - an der man unter kluger Handhabung des Vorhangs auch verbotene Filme schauen konnte -, von der er aber, damals, ohne Erklärung, fortgejagt ward. Der unerwartete späte Gast war Tante Jolánka. Sie war gerade noch auf der Flucht. Sie ging noch vor dem Morgengrauen weiter. Der Meister schlief nicht. Äußerst aufregend. Das eine Bein der Tante Jolänka existierte nicht, respektive war es ein Kunstbein. Ihren Ruhm hatte sie während des Kriegs begründet (in + wie - Richtung), mit ihrem konsequenten christlichen Verhalten, das in dem gegebenen Fall den Schutz jüdischer Kinder (Alimentierung, Liebe etc.) bedeutete; doch deswegen hielt sie sich selten in Schutzräumen (Wortspiel — E.) auf und so war ihr Bein ... Welches umschnallbar war! Hieraus erwuchs die spätere rückenerschauernde Besorgnis der Eltern des Meisters: »Du, ist ihr Bein auch nicht hiergeblieben? Eines ihrer Ersatzbeine?« - »Man müsste es verheizen. « - »Aber die Haut! Du weißt, wie stinkend die verbrennt!« So frivol kann Hilfsbereitschaft sein.  
  Am Anfang des Aufenthaltes auf dem Dorfe schlief der Meister in einem Zimmer mit Tante Jolánka. Und mit noch vielen anderen. - Die harte Kindheit war es, die den Meister abhärtete, so dass er auch in den heutigen seidigen Zeiten so hart wie ein Fels sein kann. Tu es Petrus, wie ich bereits andeutete ... Obwohl, das kleine familiäre Doppelkinn ... »Wissen Sie, mein Freund«, erwähnte er mit dem weisen, ergreifenden Schmerz großer Männer, »wissen Sie, auch ich fülle nur das durch mich entstandene Vakuum aus.« Nun, so ist es: sehet die Tragödie der Endlichkeit, welche uns allen gemein ist, die wir nicht der Allmächtige sind. Und hier ist er eins mit jedermann! - Abgetrennt durch einen Vorhang war auch die furchteinflößende Urgroßmutter da. Der Meister fürchtete sich vor ihr wie vor dem Feuer. Sogar die Mutter des Meisters hatte Angst vor ihr. »Sie sagte uns immer: Mangez du pain, mes enfants, sinon vous sentirez les renards! — das heißt, wir sollten Brot zum Fleisch essen, sonst würden wir stinken wie die Füchse!« Nun schien das dort, damals, keinen Problemkreis darzustellen! »Sie betrachtete einen durch ein Lorgnon! Das allein schon!« Ihre Haut war gelb, ihr Gesicht hart. Der Meister hörte immer nur, was sie für ein großer Herr sei. Lange Zeit dachte er: Urgroßmutter sei der König! Sie war bloß aus irgendeinem Grund jetzt da bei ihnen. Sie sagte den ganzen Tag so gut wie gar nichts. Man musste ihr in einem fort die Hand küssen. Und wenn sie den durch den Meister realisierten Handkuss hörte, und ein leises Schmatzen kann man sich zu jedem Kuss vorstellen, riss sie ihre kalte, knochige Hand hoch und schlug den Meister quasi auf den Mund damit. »Ich fürchtete mich sehr.« (Überhaupt war der Meister in dieser seiner frühen Phase in den mannigfaltigsten Situationen zur Furcht fähig! »Mein Gott.«) Einmal saß eine schwere, tiefsommerliche Wärme über der Landschaft. Am Ende des Laubengangs, neben der Regenwasserzisterne, saß die Urgroßmutter in ihrem Schaukelstuhl. Um ihr hochgeschlossenes, mit riesigen Rüschen gesäumtes schwarzes Kleid brummten Bremsen. »Wissen Sie, mein Freund, man konnte auf eine Weise schauen, dass man gleichzeitig die Spitzen und den Misthaufen sieht!« Und zwischen diesen beiden die Urgroßmutter. Der Meister trieb sich gerade dort herum, als die alte Dame einen sogenannten Unterleibston verlauten ließ. Dieser Zeitpunkt markierte das Ende der Furcht! Nun konnte des Meisters rosiger kleiner Mund infolge eines Handkusses sogar aufplatzen! Die arme alte Urgroßmutter! (»Mein Freund, ich sah es damals etwas differenzierter: Arme, alte Urgroßmutter. Sowie: Verrecke!«)  
  Urgroßmutter und Tante Jolánka hassten sich, gelinde gesagt. Als man Tante Jolánkas Tochter ins Lager nach Kistarcsa brachte und die Mutter sich mit Tränen in den Augen zu ihrer gewohnten Deutschstunde neben den Meister setzte, warf ihr die Urgroßmutter mit einer plötzlichen Heftigkeit, fast Grausamkeit hin: »Liebe Jolán, es ist besser, Sie schweigen, liebe Jolán!« Dabei hatte Tante Jolánka kein Wort gesagt! Darauf folgend sprachen die beiden Frauen nie wieder miteinander. »Die eine starb, die andere wanderte aus.« - »Wissen Sie, lieber Péter, um mich herum sind alle gestorben, und ich bin etwas müde geworden.«  
  »Onkel Tibold hat sie viel geschlagen«, warf als eine Art vox diaboli die gute Frau Gittu ein, die sich immer mehr in den Hintergrund zurückzog, um von dort aus diesen oder jenen Blick herauszufeuern. Es gab also einen Vordergrund und einen Hintergrund. »Er schlug sie nicht, er ohrfeigte sie nur.« Der Meister straffte seine Handfläche, an den Rand der angepolkten Wunden setzte sich, »wie Tau auf das morgendliche Gras«, etwas Sekret: »die Wunde säftelte« (äquivalenter Ausdruck des Meisters). »Wie oft habe ich auf dem Schoß der Jolánka gesessen, und wir haben uns im Kino Filme angeschaut, den ersten Teil der Schlacht um Stalingrad. Zu uns brachte man immer nur den ersten Teil. Aber der war auch dufte. Und da wir zu zweit nur auf einem Stuhl saßen, blieb das Geld, was ich fürs Kino bekommen hatte, übrig. Reingewinn. « Und für das Geld hat er Bücher gekauft. Der knospende Verstand verschlang die 100 Wunder der Welt! Oh, die Bücher aus der »Billigen Reihe«! Eingerissen, fransig, schmutzig waren sie, aber was zählte das schon damals!... Wie ein Lumpenball! »Und die Glut, aber bis zum bitteren Ende!« Und dann sagte der Meister, aber so, als wollte er, man möge glauben, er sage, was er sagt, deswegen so leise, weil es keinen »anderen« (das ist ein Scherz!) etwas angeht, vielleicht noch nicht einmal den Meister selbst: »Maxim wälzt sich in seinem Grabe.«  
  Der Meister betrat erneut die Blumenwiese der Geschichten, also schnuppern wir mit ihm zusammen, schnuppern wir! Und es begab sich einmal, als er mit der Tante Jolánka aus dem Kino nach Hause kam, wo sie wieder den ersten Teil der Schlacht um Stalingrad gesehen hatten, dass zu Hause in einer Ecke Herr Mihály saß und mit einer vom Weinen immer wieder brechenden Stimme, langsam, langsam, bald anhaltend, bald davonsprengend sprach: »Der arme Papi, man hat ihn so verprügelt, es wäre besser gewesen, sie erhängen ihn, das hätte nicht so weh getan.« Der Meister wandte sich an seine Gattin: »Leider wurde auch daraus eine Familienstory. Man muss sie in folgender Weise erzählen: Und dann setzte sich der kleine Mihály an das Klavier, doch nach einigen Läufen hörte er zu spielen auf. Wir waren nicht erfreut, so viel ist sicher, wir dachten, er wäre hängen geblieben. Doch er, stellt euch vor, vor den Augen aller!, stand auf und nahm sich ein Sandwich, das er zu verzehren begann. Die anderen schnaubten selbstverständlich vor Wut. Die alten Schrapnellen, so!, fressen immer alles weg, sagte Györgyilein immer. Marcilein musste noch gestillt werden, es gab viel Herumgerenne, Mihälyka bemerkte: Wäre eine Ziege nicht plaktischer? Ist das nicht süß?! Von wegen plaktischer. Natürlich musste es einem um Marcilein auch nicht bange sein, er war derjenige, der mich - natürlich später erst - fragte: Sagen Sie, Mami, sind Sie noch Jungfrau? Was soll ich meinem vierten Kind darauf antworten? Ich wollte ihm keine Enttäuschung bereiten ... Doch zurück zu Mihályka, in der einen Hand das Sandwich, die andere noch auf der Klaviatur, und im Kreis herum die Gäste, beziehungsweise die alten Schrapnellen, als er mit einer leichten, belehrenden Stimme sagt: Der arme Papi, man hat ihn so verprügelt sechsundfünfzig, es wäre besser gewesen, sie hätten ihn erhängt, das hätte nicht so weh getan. Da stand er, in der großen Stille, und lächelte, jetzt stellt euch mal vor ...« Der Meister leckte seine Handfläche ab (bei weitem nicht alle zehn Finger: da ist er sich selbst gegenüber viel unerbittlicher!). »Irgendwie so muss man es erzählen.«  
  Der Meister ward schon von früher Jugend an »von den dunklen Engeln des Kopfschmerzes heimgesucht«. (Wie er zu sagen pflegt, spürt er derart, er ist ein Intellektueller.) Mehr noch, die Schmerzen dieses zarten Alters waren migräneartig! Wie bei einem Erwachsenen! (Er war nicht frühreif, nur reif.) ...Jenes Jahr (»tja, wir sind taktvolle Elefanten, mein Freund, in einem Porzellangeschäft«), das siebenundfünfzigste dieses Jahrhunderts, ist für den Meister eine große, komplizierte Erinnerung. Seine schmähliche Niederlage. Warum? Es lässt sich alles auf den Pappendeckel-Fünfer zurückführen. Der Meister war im Grunde immer ein guter Schüler, allgemach ein langweiliges Musterkind, und ein netter, wohlerzogener Junge. Nun, er galt damals als erstklassiger Erstklässler, und man bekam für drei Fünfer, der damals die beste Note war, einen Pappendeckel-Fünfer, den die Frau Lehrerin Mária Katona höchstpersönlich herstellte und überreichte. Nun aber avancierte in einer kurzen Periode im Herbst jenes Jahres plötzlich die Eins zur besten Note. Der Meister hatte Dank seines Fleißes und seiner Begabung auch schon zwei Pappendeckel-Einser erlangt. Dann aber ging der eine verloren und die Regel ging so, denn das Verlieren kam häufig vor, dass der dann nicht galt; auch wenn sich alle an ihn erinnerten. Aber daraufhin betrog er und stellte mit Hilfe des Nachbarn, des Leiters der Nagelschmiede, einen Pappendeckel-Einser her. (Keine leichte Arbeit.)  
  Doch Lügen haben bekanntlich kurze Beine ... Allein schon der Morgen! Soldaten kamen, um die Wohnung durchzusehen. Durchzukämmen. Papierblätter flatterten. Der Meister stand da mit seinen Eltern, in einer Reihe, wie auf einem festlichen Tableaubild. Die Angespanntheit der Gesichter korrespondierte zu 100% damit. Der Meister betrachtete die Soldaten mit großem Respekt. Jene fragten, ob man Waffen hätte. Sie sagten: Nein. Herr György aber sagte: Ja. »Die Wangenknochen! « Sie baten, der kleine Braunschopf möge ihnen die Waffe oder die Waffen zeigen. Herr György kam der Bitte zuvorkommend nach und kramte unter dem Bett die Schnippgummipistole hervor. Er bekam dafür eine große Backpfeife. Der Meister verabschiedete sich, etwas schadenfroh, von seinen Eltern, da er in die Schule gehen musste. Einer mit einer Maschinenpistole ließ ihn im Hof die Schuhe ausziehen, um zu sehen, was er darin trug, doch es waren nur seine Füße! Durch die Löcher im Lauf der Maschinenpistole war der Himmel zu sehen, wieder und wieder.  
  Und in der Schule kam heraus, dass inzwischen wieder die Fünf die beste Note war. Das bedeutete einen großen Nachteil für den Meister, da es, um Missbrauch zuvorzukommen, keinen »Umtausch« gab. (Denn man hätte ja auch für echte Vorperioden-Einser, also Nichtperioden- Fünfer, Pappendeckel bekommen können.) Reden wir nicht von den Furchen, die ihm ins Gewissen gezogen wurden, reden wir nur von den Kopfschmerzen, die das kleine Kind (ihn!) quälten. Das »Herausströmen aus der Schule« wurde zu einem Heraustaumeln. Er war so zerquält, dass er auf dem Hauptplatz stehen bleiben musste. Dort standen viele Menschen, er stand hinter deren Rücken. Er sah große, schwarze Rücken; an etwa fünf verschiedene Mäntel, alle schwarz, kann er sich genau erinnern. Einer der Mäntel drehte sich um, ein altes Gesicht mit Bart, sah das blasse kleine Kind und schob es sanft beiseite: »Geh nach Hause, mein Kleiner.« Er wankte in den kleinen Hof der Post. Er lehnte sich an die Wand. Er sah die Salpeterflecke ganz nah, als ihn fürchterliches Kotzen (Entschuldigung! Entschuldigung!) überkam. Er hatte das Gefühl, nichts in ihm würde zurückbleiben. Eine seiner lang anhaltenden - sozusagen: zurückkehrenden - Erinnerungen daran gilt einem Karottenstückchen, das sich nur sehr schwer von einem nicht dafür vorgesehenen Platz lösen wollte! Plus der Geruch. Als er, weißgesichtig, wieder auf den Hauptplatz hinausstolperte, ein wenig erleichtert, jedoch beträchtlich schauderhaft!, gingen die vielen Menschen gerade auseinander, und er konnte in der Mitte drin seinen lieben Vater geschlagen sehen, denn damals funktionierten seine Augen noch gut, und unten, zu den Füßen des Vaters die auseinandergespreizte (heruntergeschlagene) Brille. Doch das Erbrechen hatte ihn so in Anspruch genommen, dass er sich gleich umwandte und nach Hause ging. Als dann des Meisters Vater am dritten Tage ankam, im karierten Hemd, mit der zerbrochenen Brille und einigen Absonderlichkeiten im Gesicht und auf der wunderbaren Stirn - diese sachlichen Hinweise konnten auch von anderen Gelegenheiten her bekannt sein -, wusste er mehr als andere, und er schätzte die Männerfreundlichkeiten der väterlichen Hand auf seinem Kopfe hoch. Auf Herrn Györgys oberflächliche Frage nahm des Meisters Vater die Brille zur Hand, drehte und wendete sie, sein Gesicht wurde fremd, besonders die Augen zogen sich unbekannt zusammen, und so sagte er: »Sie ist hinuntergefallen.« Das Gefallensein war hier das dominierende Element. (»Und seine müden Züge wurden von drei parallelen Furchen durchkreuzt.«)  
  »So ungefähr muss man es erzählen, und an dieser Stelle kann dann nach Belieben eine Palotzengeschichte eingefügt werden, irgendwos deft’ges.« (Hoho! Als zum Beispiel der Herr György auf des Meisters Fuß trat, oder umgekehrt, in der Kirche. Und dann, in der großen, andächtigen christlichen Stille die kleine Piepsstimme, einem Engel gleich [wenn Herr György zutrat, gehörte sie dem Meister, wenn der Meister, Herrn György]: Veadammté Scheissé!! - Auweia, was für eine Qual, allgemein gesprochen, diese Mondänität, in die ich gezwungen werde.) Hier klingelte es.  
  »Wer ist das?«, fragte er, ohne nachzudenken, doch fälschlicherweise Frau Gitti, die genauso uninformiert bezüglich des Klingeins war wie der Meister selbst. »Woher soll ich das wissen, mach die Türe auf«, antwortete dementsprechend die Frau; doch als der Mann, bereits an der Tür, sich beleidigt umsah, warf sie ihrem Gatten Küsse zu, wie eine Primadonna, um anzuzeigen, der vorangegangene Satz habe sich zufällig so hart zusammengefunden. Um seine Erweichung auszudrücken, sprach der Meister erweicht, auf den Klingelnden pfeifend. »Wegen der Symmetrie müsste man doch eher mit einer Péterchen- Geschichte schließen, so: Und er hatte schon als ganz kleines Kind!! Schmutzverschmiert war er, winzig, stand in kurzen Hosen, >in der Gate<, im Garten und verfolgte mit dem Schlauch eine kranke Katze, die schon seit Tagen im Schutze der Sträucher umherstreunte. Diese Katzen sind furchtbar! Und krank sind sie geradewegs ekelerregend. Doch Péterchen, der ein echter Lausbub und ein sensibles Seelchen zugleich war, erahnte etwas von der Vergänglichkeit der Katzen, was ihn nicht daran hinderte, mit einer klugen Regie des Wasserstrahls das Aas aus seinem Gebiet zu vertreiben. Doch als dieses auf die Straße hinaussprang und für einen Moment seine nasszottelige und klägliche Figur zwischen den Sträuchern aufblitzte, und sofort danach das Quietschen von Autoreifen zu hören war, sprach Péterchen also: Ich sterbe. Mein Buch wird betreut vom Magvető Verlag, aber später erhole ich mich von schwerer Krankheit... Nun sag einer was dazu. Und er hielt nur den Wasserschlauch vor sich hin, die Pfütze wuchs, er rührte sich nicht, und allmählich stand er selbst im Wasser.« - »Nun geh schon!«, flüsterte Frau Esterházy. »Ich komme«, rief der Meister. In der Tür standen zwei Männer: ein dünner, graumelierter und ein junger »mit lockerem Fleisch«. Der graumelierte Dünne war sympathisch (auf den ersten Blick), der andere war auf den ersten Blick nicht so sehr sympathisch.  
 
 
  19 (wäre) »nach dem Spiel aufgespannt bleich auf eine Oberfläche gepresst faschiert mit hohler Brust abgerissen lärmend liegen an der Strafraumgrenze sein die Linie das Kissen und machen die Müdigkeit und die plötzlichen Biere die Sicht klar die Geometrie der Umgebung scharf gedellt empfinden und mehr noch dessen Teil sein sich sehr fürchten diese immer und immer wieder zu verfehlen liegen also an der Strafraumgrenze mit erhobenen Händen in Einzelteile zerlegt und wieder zusammen die Bewegung der Wolken beobachten und in diesem aktiven Gelähmtsein zu all dem geschehene Geschichten naiv erfinden. « Wie eine bescheidene kleine Sturmwolke beugte sich der Alte zum Meister. Sein Gesicht wurde alles. Sein schielendes Auge blickte man weiß nicht wohin, säuerlicher Weingeruch und der Geruch des Alters umgaben ihn; dennoch, der Meister »wehrte sich« nicht. »Grüße Sie, Herr Pék.« Der andere winkte, gut, gut, aber darum ginge es nicht. So winkte er. »Wo fehlt’s denn?«, fragte der Meister, als er die Besorgnis sah. »Stimmt es?«, fragte heiser der Oberste Schlachtenbummler, wie einer, der wohl weiß: es stimmt. »Was ?« Von hier an sagte der Meister abwechselnd die Wahrheit und nicht die Wahrheit, jedenfalls log er bis zum Schluss gleichmäßig durch. »Dass Sie gehen.« - »Wer?!« Herr Pék sah den Meister an. »Na, Péter«, sprach er ihm zu, der Stürmer möge Vernunft annehmen. »Stimmt es, dass Sie zur Kerület gehen, Péter?« — »Nein«, sagte er, und das stimmte auch so.  
  Denn es waren erschienen die Aktentaschenmänner, und er verspürte eine Neigung. Doch was sind denn nun diese Männer mit den Aktentaschen? Da die leiblichen jüngeren Brüder des Meisters - im Gegensatz zu einer kurzen, hoffnungsvollen Periode des Meisters - mit ihrer Ballkunst auch Geld verdienten, kann man eine passende Szene leicht rekonstruieren: Sagen wir, Herr Marci zieht die oberen Zähne über die untere Lippe - man kann es ausprobieren; er sieht aus wie jemand, »der gerade die Spinne aus der Ecke herausbeißt« —» krümmt den Finger und schlägt wild nach vorne aus. »Wumm«, sagt er feierlich, »und dann kommt der groooße Aar«, hier hält er, scheel, als würde er die Hand aufhalten für ein Trinkgeld, die Hand auf, »und legt die viiiielen, viiiielen Adlereier ab.« Das sind also die Adlereier. Nun also, wenn in der Nähe des Platzes ein fremder Mann mit stechendem Blick auftaucht, mit einem in dieser Gegend seltenen Diplomatenkoffer in der Hand (»das ist Poesie«), dann ist nichts einfacher als zu denken: »Er ist es. Der Spieler-Agent. Und in der Tasche sind die viiielen, viiielen Adlereier.« Und zwischen den Zähnen wird stolz herausgepresst: »Die Männer mit den Aktentaschen sind erschienen.« (Das läuft im Grunde am Ende jeder Saison so ab. Vielmehr: lief, denn die Zeit: bleibt nicht stehen.)  
  Die Männer mit den Aktentaschen erschienen und klingelten. »Péter, mein Lieber, wir fühlen im Grunde nur ein bisschen vor.« Frau Gitti spitzte misstrauisch die Ohren. Den Namen des sympathischen, graumelierten dünnen Mannes kannte der Meister per Reputation. »Péter, mein Lieber, Sie würden uns für Jahre von unseren Sorgen befreien. « - »Möchten Sie Kaffee?«, fragte Frau Gittu, mit wenig Vertrauen. »Wenn es nicht zu viel Mühe macht, Küssdiehand«, sagte der andere, der junge Dickliche. »Schauen Sie, Péter, mein Lieber, wir wollen Ihr Bestes.« Der Junge kicherte dazwischen. »Und natürlich unseres.« Der Graumelierte sah ihn wütend, der Meister anerkennend an. »Péter, mein Lieber, Sie können verlangen, was Sie wollen.« Der Meister lächelte. Auch der Silberhaarige lächelte, zart. »Das heißt, was hier, im Unterhaus, so üblich ist.« Eine kleine Pause stellte sich ein. »Und vergessen Sie nicht, Péter, mein Lieber, wir können alles, auf der politischen Schiene alles erledigen.« Frau Gitti trat ein mit dem fertigen Kaffee. Der Meister sah sofort, dass eine Tasse nicht so voll war, und wusste, das war seine. Es ist ein Zweitassenapparat. »Auf der politischen Schiene«, sagte er und nickte. Frau Gitti sah ihn fragend an. Der Graumelierte fing an, von einigen seiner ehemaligen Verpflichtungen zu erzählen; die aufflatternden Namen machten den Meister einigermaßen befangen. »Das ist vielleicht ein Kaffee, Küssdiehand«, tönte der Jüngere. »Na dann, Péter«, sagte der Mann mit der Aktentasche beim Abschied, »leiten wir die notwendigen Schritte ein.« - »Wir melden uns«, sagte der Dickliche schon von draußen; die Tür wurde praktisch über ihm geschlossen.  
  »Man sagt, Sie gehen weg, und zwar zur Kerület«, sagte Herr Pék unsicher, denn er hatte bemerkt, dass der Meister die Wahrheit gesprochen hatte. »Sie wissen ja, wie das ist, Herr Pék. Man erzählt sich so vieles …« - »Peti, im Herbst klotzt ihr aber ran.« - »Das machen wir.« Na, das war jetzt wieder eine Lüge.  
  –––––  
  Der nach Honig duftende Sommer stellte sich ein; der Meister brach auf zu einer europaweiten Tournee, eine Art Vorleserundfahrt in einigen Kulturzentren. Herr Böll stellte sich aufgeregt von einem Bein aufs andere, Herr Handke knabberte sich die Nägel ab, Herr Sartre zündete sich eine Zigarette nach der anderen an, Herr Mészöly strich sogar zweimal über sein Borstenhaar. Europa lag dem Meister zu Füßen und streichelte das Haar auf seinem Schienbein gegen den Strich. So viel sei gesagt, Europa ist gut davongekommen: müsste es Herrn Marcis Holzbeine streicheln, über und über mit Splittern voll würde seine Hand…  
  Gestürzt durch die terrassige Gestaltung sanfter Auenlandschaften, über Pfade, die sich durch üppiges Unterholz wanden, durch längliche Zypressen und durch Eichen, welche Eichen für die Natürlichkeit stehen, durch Kakteen und Tamarisken und durch stürmische Jahrhunde, stand er nun da, in schwerer, würziger Luft — auf einem fruchtbar großen Empfang. (Zu seinen Ehren?)  
  Ai, es wuselte nur so das Heer der Knechte, Halsschleifen krachten, Aperitif folgte auf Aperitif. Er hatte sich, was von einer großen Routine kündet, Orangensaft besorgt, mit Hilfe dessen er sich eine Art Bowle aus dem Hochprozentigen machte. »Na, Mutti, da kannst du mit einem echten Prinzen trinken.« — »Nur ein Graf.« Er wies das ungebetene Lob oder den Tadel von sich, mit jener Verständnis zeigender Freundlichkeit, die er so sehr nicht an sich mag. (So ein erbarmungsloser Kritiker seiner eigenen Taten, Reden und seines Schweigens ist er.)  
  Das Zimmer war ein Saal, riesige Lüster verströmten ihr kaltes Licht, man konnte alle gut in Augenschein nehmen, doch weiter drinnen entstanden Ecken, Salons, wo in warmen Farben Stehlampen schnurrten. In diesem Moment entdeckte er die Gastgeberin in einer märchenhaften Tunika, mit einem nie gesehenen Make-up! Ja: Gina Lollobrigida!!! Der Meister sah die Frau an und es war, als stürzte er in einen tiefen Brunnen; von der Umgebung blieb nichts übrig, nur das sich schnell drehende Rundrund des Brunnenkranzes (der Kreis!), die moralischen Reserven und seine Betrachtungsweise wurden zu nichts als glitzerndem Moos inmitten des Sturzes, rutschigem, schlierigem, wogendem Moos. Er sah auch sofort die Krähenfüße und andere Zeichen der Zeit; dieses Gesicht war noch schöner-mitgenommener als das der Erika Bodnár. (Bei einer Gelegenheit, vor dem Fernsehapparat sitzend, war es Frau Gitti angekommen, kritisierend Folgendes zu sagen: »Schau, Süßester, die hat Krähenfüße!« Er brach mit unglaublicher Heftigkeit aus. - Frau Gittis Boshaftigkeit Frauen gegenüber ist sprichwörtlich. Wie die des Herrn András bezüglich der Kollegen. »Ja, ja, nicht schlecht, aber sie hat eine Laufmasche.« - »Groß sind sie, zugegeben. Aber stell sie dir mal ohne Halter vor!« - solche Bemerkungen sind an der Tagesordnung. — Und der Inhalt des heftigen Ausbruchs war, dass der lausigste Faltenwurf der Lollo mehr wert sei als all die sterblichen Frauen, so wie sie da sind.)  
  Es ergab sich, dass, als sie zugleich nach den Oliven griffen, ihre Hände aneinanderdotzten. »Pardon«, sagte Gina. Wie 100 Bratschen. Tausend. Kein Lächeln, nur ein Blick, welcher länger war als notwendig. Der Meister ließ die Olive fallen; diese purzelte über seine Hose. Da er sich so beferkelt hatte, bot der Weltstar seine Hilfe an. »Ich werde Ihre Hose reinigen, Péter«, sagte Lollobrigida. »Lassen Sie, das macht nichts, ist ja nur eine Jeans.« Er scheute eine solche Trivialität. Doch auch später, über die Köpfe der vielen Eingeladenen hinweg, sah die Frau den Meister an — er jedoch schüttelte heimlich den Kopf… In einem der inneren Räume hüpften Pingpongbälle. Lollo wollte mit dem Meister. Er überließ ihr ziemlich lange die Führung, doch dann schlug er den doch ziemlich verwöhnten Filmstar mit harter Hand windelweich, 21:18. Nach dem Freundschaftsspiel nahm Lollobrigida mit Tränen in den Augen die Gratulation entgegen, trat ein wenig theatralisch — was dem Meister erst im Zuge der späteren Analyse auffiel, er erschrak förmlich wie eine Großtante, als er sie erkannte, eine Schauspielerin! ein wenig theatralisch vor, senkte für einen Moment die Lider, ihre riesigen, dichten Wimpern hingen ihr praktisch ins Gesicht hinein (dies war zugleich überwältigend und abstoßend), ihre Brüste erzitterten grandios, sie schlugen quasi gegen den leichten Sommerstoff. (»Einfache Seide«, sagte Frau Gitti später scharf.) »Kannst du zurückkommen, wenn die anderen gegangen sind?« Er drehte den Schläger: backhand, forehand … »Komm doch«, flüsterte, bat die Lollo. Ihm wäre bald das Herz gebrochen. Das moralische Wesen, welches der Meister war, war leicht in Verwirrung geraten. »Du bist schön«, brachte er endlich hervor. (Denn einer anziehenden weiblichen Person, wie das nun einmal ist, gesellen sich die Lastposten der Grammatik bei: »Wissen Sie, mon ami, die Krux ist, dass ich gerne das sage, was ich denke. Obwohl ich eher denken sollte, was ich sagen kann.« Er fügte ernst, also deutsch, hinzu: Es ist kein Scherz. Das brauche ich jetzt nicht zu übersetzen.) Hier aber tat sich die Tür auf und es trat - nicht der Ehemann oder so etwas, sondern - der kleine Carlo ein, Lollos Sohn. Er war so schön, so ein goldhaariges Lockengeschöpf, dass der Meister das Gefühl hatte, würgen zu müssen (Thomas-Mann-effect). Doch ein Hinausrennen hätte er nicht verargumentieren können, also blieb er. »Sag, mein Lieber«, der Junge sah ihn geradewegs an, »liebst du die Mama?« Er lief rot an, Gina senkte den Kopf. »Ich liebe sie.« Der kleine Richter fragte weiter. »Am meisten auf der Welt?« Er antwortete, ohne nachzudenken: »Am zweitmeisten.« Carlo sann nach. »Hm. Das ist ziemlich gut.« Doch hier fand er schon zum richtigen moralischen Schritt. »Am zweitmeisten? Das ist gerade nichts.« - »Pack dich aus dem Zimmer «, brüllte Gina ihren Sohn an. Dieser ging stolz ab: »Aber Mama, wie siehst du denn aus?« Gina warf sich über den Pingpongtisch. Sie schluchzte. Der göttliche Körper bebte in der weiten Tunika. Dem Meister ging das ein wenig auf die Nerven. »Nein, Täubchen«, sagte er überflüssigerweise. Gina erhob sich, hielt sich am Pingpongnetz fest, welches abriss. »Teurer Ezterhatsi«, greinte sie und lief hinaus.  
  Doch was für eine Peripetie folgte darauf! Mit einem Mal musste er bestürzt sehen, dass der für sein Draufgängertum berühmte Filmregisseur - slawischer Herkunft - aus dem Zimmer der Frau herausgetorkelt kam, er sah die trüben Augen, hörte das überhebliche Lachen. Er setzte sich auf die Schwelle (»wie ein Hobo oder ein treuer Haushüter«). Lollobrigida lag auf dem Bett, auf einen Ellbogen gestützt. Die klassische Pose ist gebrochener, der Körper eckiger; die Situation trivial: zerzaustes Haar und die rötliche Fleckigkeit des Gesichts. Der Meister empfand großes Bedauern sich selbst gegenüber, bemühte sich aber, die Frau nicht als eine Frivolität aufzufassen. Doch seine überlegene Lage verflüchtigte sich schnell. Nicht, weil er das Gefühl hatte, die einzige moralische Tat wäre - denn auch die Nicht-Tat kann unmoralisch sein, oho, aber wie wenn sie sich somnanbul sofort herumkugeln würden; nein; sondern weil in Form eines monotonen Wortflusses aus der Frau die vielen Bitterkeiten hervorbrachen, das Elend ihres Lebens, die Lügen (»mit welchen wir alle, mein Freund, leben«), die Kompromisse, die verkrampften Neubeginne - diese ganze weibliche Disproportionalität, das Schauspielen der Wahr heit (wovon sich Lollo selbst in diesem Augenblick der Krise nicht lossagen konnte) erfüllte ihn mit Angst und Gewissensbissen, da er sich verantwortungslos durch seine eigene Unsicherheit, seine eigene Zweideutigkeit gezeigt hatte; so ergoss sich über ihn die Tiefe und Dunkelheit eines weiblichen Lebens. »Komm, wir essen etwas«, sagte er, sprang mit spielerischer Leichtigkeit von der Schwelle auf und strich der Frau über den Arm.  
  So ward er also hin- und hergeworfen, immer in dieser Doppelheit: in Wahrheit und in Falschheit.  
  (1. Lollobrigida - die bereits mit allem, das heißt mit ihm, abgeschlossen hatte - verlangte mit trauriger Bitterkeit nach einer Erinnerung an ihn. Er bückte sich und überreichte ihr anschließend mit jünglinghaftem Charme einen wundervollen grünen Grashalm. - Etwas aus dem riesigen Garten, nach dem er sich so sehnt. Der riesige grüne Platz! Der frühmorgendliche Wind dröselte einem künstlerhaft das Haar, während man sorglos einherspazierend Spinoza läse! Anschließend ein bisschen Jam, frische Brötchen, ein weiches Ei! - Doch der Frau reichte dieser kleine Grashalm nicht, es musste etwas Handgreiflicheres sein. Schließlich überreichte er der Schauspielerin, wie ein Exotikum, eine 20-Filler-Münze, die irgendwie in seiner Tasche geblieben war. - Wie es sich im Laufe der Zeit herausstellte, ließ Lollobrigida das Geld durchbohren und trägt es auch seitdem noch als Amulett. Man kann es in einer Nummer des Stern sehen, wo sie mit Herrn Marlon Brando neben einem riesigen, roten Plastiktelefon steht. Und am Alabasterhals hängt das 20-Filler-Amulett!!!  
  2. Lieber Péter!  
  Ich schreibe das im Flugzeug, auf dem Weg zurück nach Rom. Oben die Sonne, unten die Schäfchenwolken. Die Maschine ruckelt manchmal, deswegen die hässliche Schrift. Marlon Brando fragt, wer du seist. Ich sagte ihm, ein Schriftsteller. Aber wer du für mich seist. Daraufhin brach ich in Tränen aus. Das weiß ich nicht. Aber was ich weiß, ist, dass ich für dich nicht viel geworden bin. Mein Armer! Ich glaube, du erschrakst sehr vor mir. [Die Maschine tanzt jetzt eine Polka, ich warte.] Weißt du, ich habe solche kleinen unsichtbaren Antennen entlang meines ganzen Körpers und in meinem Gehirn; ich weiß, was einer fühlt oder denkt, obwohl derjenige gar nicht anwesend ist. Und wenn er dann auch noch da ist…  
  Obwohl: die einzige seltsame Sehnsucht in mir war nur, dich - als Dank dafür, dass es dich gibt — ein einziges Mal zu umarmen. Nicht mehr. Doch als ich dein sofortiges Misstrauen bemerkte, verstand ich, dass du meine Absicht missverstehen würdest. Aus der Spannung zwischen Wunsch und Unrealisierbarkeit ergab sich dann, nachdem Igor gegangen war und ich in meinem Zimmer lag, jenes alberne Herumdrucksen und Drumherumreden, das ich vorführte. [Diese Scheißmaschine wabbelt schon wieder!] Ihr habt es gut, dass ihr alle zu jemandem, irgendwohin gehört…  
  Ich ging zu Marlon [Brando], und am Tag darauf kam ich auch gleich zurück, wie ein geprügelter Hund. Erneut. Man lernt nicht dazu. Aber die Zeit schleift alles ab …  
  Sogar die nicht ausgeführten Pläne, die auf halbem Wege, in der Luft stehen gebliebenen, nutzlosen Gesten der feigen Liebe. Wir landen jetzt.  
  Ciao: Gina)  
  Man trieb sie an den Abendessenstisch. In den entstandenen Runden führte man die übliche Konversation. »Es tobte nur so, mein Freund, die Flachheit.« Als eine Art Künstlerseele lauschte der Meister, sich in seinem Stuhl zurücklehnend, mit Genuss dieser Konstruktion, die von niemandem verdorben wurde, in der niemand eine ehrliche oder so gemeinte Geste tat.  
  Doch plötzlich wurde er dieser permanenten Sprungbereitschaft müde. Er hatte genug vom Wohlerzogensein. »Alle waren sehr höflich, leise, elegant, vornehm und völlige Banausen.« Er bekam davon verstopfte Ohren, es rauschte, als wäre Wasser hineingeraten, dabei war kein Wasser hineingeraten. »Mein Gott, Gott.« - »Was murmelst du da?«, fragte sein Nachbar, Herr Miklós, ein Literaturfreund. »Onkel Miklós, lassen Sie uns eine Fliege machen, um Himmels willen! « - »Ruhig, du«, sagte der erfahrene Mann. Was sich da für ein Tohuwabohu auftat! Ein Skandal fast. Der Meister langte in die Mitte des Tisches, zum Brotkorb, auf dem Rückweg säbelte er gnadenlos einige Weingläser nieder. »Oppala«, rief er und griff sofort, zu spät, nach den Gläsern, doch er riss nur Herrn Miklósens Serviette herunter, er bat um Verzeihung, bückte sich, bat um Verzeihung, während er, den Kopf von unten gegen den Tisch schlagend, weitere Etwasse umwarf. Er bat die Runde mit rotem Gesicht um Verzeihung, man erwies sich als sehr taktvoll. Allein Herrn Miklósens verständnisvoller und gleichzeitig missbilligender Blick verriet: Er wusste, worum es hier ging. Als sich das Gejapse um den Fogasch á la Orly verstärkte, flüsterte er Herrn Miklós leise zu: »Oh-oh, mein Alter«, hier hob er die Stimme an, Verzeihung, » V e r f i c k t n o c h m a l , m e in L i e b e r , welches Esszeug nehm ich jetzt?« Anschließend wieder rundherum: Verzeihung. (Dabei wussten außer ihm nicht viele, was das ist: ein Fischmesser.)  
  Dieses oberflächliche Tingeltangel, eingebettet in ein diplomatisch- politisches, bescheiden demagoges Fundament - er ertrug es nur schwerlich; er wütete repräsentativ. »Du warst ziemlich primitiv«, sagte später Herr Andräs. Zusammengesunken war er dort. »Was hätte man sonst machen sollen«, murmelte die oben genannte Person. Nach einigen Treppen, Toren und Türen gelangten sie unter freien Himmel. Er blinzelte; die Weltstadt pulsierte. »Ich glaube, ich stand sehr weltstädtisch dort herum.«  
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  Eine Katze gesellte sich zu ihm. Ausgemergelt undsoweiter: also keinerlei Seidigkeit, Rundlichkeit, Kätzchenhaftigkeit. Ihr Name: Martschello. Traurig saß er in einem Zimmer, die Hausdame brachte ein warmes Plaid und heißen Tee. Hier trat der kleine Carlo ein. »Du hast eine hübsche Katze.« - »Ja.« - »Wie heißt sie?« - »Martschello. « - »Könnte man sie nicht Alberto nennen?« - »Doch«, antwortete der Meister. »Aber sie heißt bereits Martschello.« - »Schau. Lass uns uns einigen.« - »Gut.« - »Soll sie doch Martschello-Alberto heißen.« Er nickte. Der Knabe steckte seine Hand beim Fenster hinaus. »Es regnet noch.« Die Hand noch draußen, wandte er sich um. »Weißt du, mein Guter«, und damit zeigte er auf die Katze, »ich würde sie sehr gerne zur Frau nehmen, aber ich glaube, das würde nicht so leicht gehen.« Der Tee, das Plaid, der Regen, die Katze, der Knabe - diese waren da.  
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  Den Geheimpolizisten anstupsen, damit er nicht über den Witz lacht: »Soviel ich weiß, hat er 3 Kinder.«  
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  »Wissen Sie, mein kleiner Bojtár« - natürlich weiß er es, und ob! -, »wir, der osteuropäische Faust, sagen zu dem Augenblick: Verweile doch!<, wenn uns gerade keine Obrigkeit buseriert.«  
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  Die europäische Frühe fand ihn dürstend vor. Herr András schnaufte leise im anderen Bett. Er selbst torkelte mit verknittertem Bulldoggengesicht hinaus auf den Flur. »Darf es ein wenig Kirschwasser sein«, hauchte sich ihm jemand ins Gesicht. Das Angebot kam von einem gut angezogenen Jemand mit korrekter Krawatte. Der Blick des Meisters blieb wie ein Fleischklopfer, kalt, gleichgültig, ein Gegenstand. »Obwohl ich ein wenig Angst hatte.« - »Mit schwarzem Etikett. « Da der Meister darauf zu reagieren schien (sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Karpfen, wie bei manchem Karpfen), fügte er schwungvoll hinzu: »Den Teufel mit dem Beelzebub.« Der Meister spürte den Schutz der Wand, an der er — aber sofort! — entlangschleichen konnte. »Ich danke dir für deine Güte.« (Aber das kennen wir ja bereits.) Der andere Mann ließ die Zähne blitzen. »Wie du meinst, mein Lieber.« Seine braune Haut ließ einen zielbewussten Sonnenanbeter vermuten.  
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  es ergriff ihn so eine Sehnsucht nach Frau Gitti, er war den Wellen des großen Gefühls so ausgeliefert, dass er sich in seinem Bett hin und her zu wälzen begann (»wie die größeren Toten da unten«), und auch während des Hin-und-her-Wälzens spürte er das vorhin Erwähnte  
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  (wäre) (Vorstellen der Methode) Europa lag dem Meister zu Füßen und streichelte das Haar an des Meisters Schienbein gegen den Strich. So viel sei gesagt, Europa ist gut davongekommen: müsste es Herrn Marcis (Ferencvaros Budapest) Holzbeine streicheln, über und über voll mit Splittern wäre seine Hand …!  
  Gestürzt durch die terrassige Gestaltung sanfter Auenlandschaften über Pfade, die sich durch üppiges Unterholz wanden , durch längliche Zypressen und durch Eichen , welche Eichen für die Natürlichkeit stehen , durch Kakteen und Tamarisken , und durch stürmische Jahrhunde — stand er nun da in einem Geschlossenen Raum, welcher mit Bierflaschen - »Mit vollen, mein Freund, mit vollen!« -, mit vollen Bierflaschen geschmückt war, sowie mit irgendeinem Rotwein. Die Aufmerksamkeit des Meisters schwankte, das heißt, er passte nicht auf. Man gab ihm die Hausaufgabe auf. »Aber was zum Henker?« Er ließ sich skeptisch bitten. »Vielleicht ein wenig Fancsikó und Pinta. Das ist so nett, ist schließlich mein erstes Buch, nicht wahrrr.« Doch dann kam der Abend in Gang und er vergaß seine quälenden Sorgen. Ein Herr Gyula sagte - während er eine brennende Zigarette aus seiner Tasche hervorzauberte, an welcher er eilends zog, so dass der schmächtige Mensch ganz hohl davon wurde, obwohl er ansonsten gewölbt ist, die Zigarette ungestüm in seinen Mund hinein-, dann aus demselben wieder herauszerrend, plus dabei die Worte! - er sagte: »Woher kommt es, dass ihr so verdammt frech seid?«  
  Ein nettes Mädel stellte das Magnetophon lauter, die Krümel wirbelten - lauter herzige Ballettratten - über das Parkett. Herr András, neben dem Meister stehend, lachte heraus. Die Frage bezog sich auch auf ihn. Herr Gyula lebte in einem vom Land des Meisters abweichenden Land und in einer anderen Stadt, doch, hoi, sie stellten einander durchaus Fragen und stellten auch Antworten auf. »Ich verstehe dich nicht«, sagte der Meister. Herr Gyula krächzte. »Wissen Sie, mein Freund, fast genauso wie meine Großmutter. Das traf mich ins Herz. Ich sagte es ihm auch gleich. Ich hoffe, er hat es verstanden. « - »Woher ihr den Mumm … den Mumm habt, so …« - »Aa, einen Schmarrn«, er winkte ab, denn er hatte (und zu Recht!) das Gefühl, gelobt zu werden. Nichtsdestotrotz wurde die Frage dadurch unterschlagen, und das hatte Herr Gyula nicht (im Mindesten ) verdient. »Merci, Misjö«, sagte er noch, und diese Aussage schimmerte regenbogengleich in mehreren Bedeutungen.  
  Hier sprang der Meister bedeutungsvoll auf, kurz entgleiste ihm, als interessanter, moderner Zug, die Stimme, er war verhohlen glücklich und stürmte in sein bequemes Gemach hinauf, den Abend sich selbst überlassend. Er nahm sogleich sein berühmtes - mehr noch: berüchtigtes! - Notizheft, und seine Feder begann dieses zu durchpflügen: »Na, Jungens und Mädels!« Später sah man ihn erneut unten in der Gesellschaft der Herren Geza und Istvan, später oben , später wieder unten :er rieb sich praktisch auf , die große Seele. Er verbrannte, wie die Zigarette des Herrn Gyula (ab züglich dessen, wie sie aus der Tasche gezückt worden ist): das Glühen (»András , mein Kätzchen! Aufgrund, aufgrund, aufgrund ! Verflixtund.« ), dieses permanente - welches dem dortigen - entspricht, und natürlich auch die Aushöhlung ! Denn nach dem jeweiligen »Ausflug nach oben « kam er jedes Mal vollkommen gepumpt wieder bei den sich vergnügenden Menschen an, einsam, eingefallen , damit auch er so einer sei. Er ließ sich, wie eine Bombe, in ein Fauteuil fallen, verschnaufte. »Alter«, sagte er leichthin, denn so kann er auch sein, auch ein Mensch solchen Formats kann leicht sein wieder Luftballon des Herrn István, aber natürlich , »Alter. Wo zum Henker bleiben die Blaustrümpfe? « Der Meister begann enthusiastisch zu erklären, seine Nase vollführte ruckweise Bewegungen, regelrechte Kreisbögen in die von Tabakrauch schwere Luft pflügend. »Natürlich , die riesig vielen blauen S trümpfe wären gekommen, und man« - und hier zeigte er auf sich: Ecce Homo — » und man hätte widerstunden bis zu denfrühchen Morchenstunden!« — »Blaue Söckchen« , der Dichter winkte erfahren ab.  
  Bereits zu anderen Gelegenheiten, denn seine Arbeit befand sich bereits in einem fortentwickelten Stadium, hatte er gespürt, dass seine Aufmerksamkeit die eines Romanhelden war, und nun, wegen der exemplarischen und Laborsituation, die sich entwickelt hatte, besonders. »Wissen Sie, als ich zum Beispiel aus dem Zimmer kam, wo ich meine Zeit mit emsiger Arbeit verbracht hatte, spürte ich, dass noch etwas fehlte. Und da ging ich und suchte nach einer passenden Szene, damit mir diese dann widerfahren konnte.« Anschließend fügte er noch hinzu: »Sehen Sie, mon ami, der Bankrott des Romanschreibens. Natürlich, konkret, meiner. Also wird es wirklich langsam Zeit… Ich habe alles gestrichen voll davon.«  
  Möge nun unser Blick, diese frische Hirschherde, in das Treppenhaus sprengen, wo der Meister einst stand. Und zwar gerade anlässlich eines . Von Herrn István hörte der Meister eine prächtige Anekdote, die verwendbar schien. Der Dichter mit seiner tiefen Stimme —welche an sich schon eine erotische Produktion sein könnte, »wenn es, mein Freund, ein Frauenzimmer gäbe, das mit so viel zufrieden wäre« - erzählte, dass 56 in Stockholm - und von seiner Stimme erzitterten- erbebten, wie kleine blaue Glockenblumen, die Gläser, die Fensterscheiben —, dass in Stockholm damals an die Tür eines Hotels mit Mordsbuchstaben geschrieben stand: Ungarn! Die Telefonistin ist berückbar! Und dass, dies wiederum kann Herr Géza angeblich bestätigen, diese Aufschrift auch 10 Jahre später noch dort zu lesen war. Und wo war da schon jene arme kleine Telefonistin, nicht wahr, mit ihren verträumten skandinavischen Augen, die Hetäre! Doch hier befand sich Herr Géza gerade nicht in der Lage eines Zeugen (und schon gar nicht in jemandes Schoß, ha, ha, ha), sondern in der der Sorge. »Auch daraus wird Literatur werden«, sagte er, und selbst seine Brille seufzte, ja, ja. »Sehen Sie, mein Freund, so ein traurig einfacher Mechanismus ist das. Es reicht ein Name und ein sine qua non, und schon biegen sich die vielen Intellekte vor Lachen. Auch ich kann meine gute Laune kaum im Zaum halten. Ich weiß gar nicht, wie es mir gelingt.« Hier und jetzt machen wir eine kleine druckertechnische Pause, der Kaprrrieß des Umbruchs sei Dank.  
  Was Herrn Géza betrifft, den liebenswürdigen Dichter, denn in dem Zimmer dort gab es Dichter wie Heu
n
Jegyzet Wort des Meisters
, wusste dieser gar nicht, wie sehr er recht behalten würde. Wie wir sehen können: Herr Géza behielt stattlich recht. Es wurde zu Literatur, und zu was für einer. Herzergreifend, ungarisch, ernst, schicksalshaftig.  
   
  Hier - vergessen wir nicht: im soeben belegten (weil beschriebenen) Treppenhaus - stand plötzlich ein riesiger Ungar vor ihm und hielt ihm eine schaufelgroße Handfläche hin. Er sprach mit einer von einer Art slawischer Trauer schmelzenden Stimme zum Meister, der augenfällig Sympathie für den großen, bärigen Mann empfand. »Herr Autor«, sagte er, natürlich als Scherz, »Herr Autor, schreiben Sie das mal, diese Handfläche!«  
   
  Aha: der große Körper ahnte etwas. Der Meister erkundigte sich noch nach diesem und jedem, provozierte einen eigentümlichen Dialog bezüglich der genannten Hand, doch als der Partner sich anschickte, eine heitere Ávó-Geschichte zum Besten zu geben, machte er sich von dannen.  
  Nachdem er selbstverzehrend seine Kräfte ausgesaugt hatte, ließ er sich auf der feuchten Terrasse fallen. Der Korbstuhl knackte unter ihm, die Nacht war schwarz wie ein »Staatsmercedes«. »Die Mystik der Spiegel«, Herr Tihamér zeigte auf den vor der Terrasse sich rundenden See, und seine Meinung traf auf die des Meisters, der, was die Widerspiegelung anbelangt, die Meinung des Herrn Lukács teilt, zumindest aber die des in Wien lebenden Herrn Hanak. Oppardon. Dem Meister fiel es schwer, zu sein. Das Dunkel trocknete auch langsam aus , wurde langsam zu einem Übergang zwischen Nacht und Tagesanbruch.  
  Er begab sich zur Ruhe. Sein Gemach teilte er brüderlich mit dem guten Herrn András, dessen Hände zwischen Kopf und Kissen ruhten. »Lass uns schlafen!« Doch sie schliefen nicht. Der keine Ruhe wollende Geist des Meisters füllte knisternd den Raum aus. Dies teilte er seinem Freunde mit. Denn Herr András wurde in stürmischer Schnelle zu genau dem: einem Freund. (Dies ist ein Abschnitt von lyrischer Schönheit.) »Blödmann«, sagte Herr András. (Er konnte phänomenal auf die Vertreter des künstlerischen Lebens schimpfen.) »Warte. Ich schreib’s auf.« Und er sprang auch gleich. »Hast du’s gemacht?«, fragte nun mit vor Liebe erweichter Stimme der großgewachsene, gotische Junge. »So-so.« Anschließend johlte er heraus (Verzeihung: doch das ist das getreue Wort dafür: er johlte : »Es wird ein offenes Werk, gnadenlos. « Um verantwortungsbewusst hinzuzufügen: »Natürlich ist es in der Musik etwas anderes.« - »Lass uns schlafen.« Doch dafür waren sie zu müde. Wenig später stand der Meister auf und arbeitete, arbeitete…  
  Ai, die Ringe unter den Augen, die Ringe unter den Augen! In der großen Sala versammelten sich schon die Menschen und ordneten sich um ihn herum an, wie im magnetischen Feld die Eisenspäne. Er ging noch zum Ehrengast und küsste ihr die Hand wie ein junger Magnat (ha, ha, ha), während er hauchte: »Küssdiehand. Öö … in meinem Vortrag werde ich … öö … Seinen Namen erwähnen, seien Sie deswegen nicht böse.« Die Zeugin großer Zeiten tätschelte dem Meister den Hals wie einem Pferd, den Meister stimmte das fröhlich. Der Großmeister der Pausen kündigte den Meister an. Es ward Stille, eine gewaltige.  
  Ssssscht Pssst Pssssssst still still  
  er blätterte hin und her - und das bis zum Schluss, mit hochwichtiger Miene - in seinen Notizblättern, drückte dann die Handfläche mit ungeheurer Kraft auf die Tischplatte und hub an. Bevor wir als eine Art Fußnote, doch treu, weitergeben, was dort gesagt worden ist, fügen wir einige Bemerkungen zu einigen Punkten des Textes an, indem wir vor allem einige Bewegungen beschreiben. »Und das Koordinatensystem, mein Freund, wer legt das fest, Rumpelstilzchen?!«  
  Statt » Dora , diese hochgewachsene, brave Frau« soll (auf Wunsch d. m. S.) »diese prachtgroße, brave Frau« stehen; bei der Stelle, wo es hieß » und damit schnappte er sich, hopplahopp, ein Blatt«, schnappte er sich hopplahopp ein Blatt, »eine Art Gastseite«, was mit harschem Lachen begrüßt wurde; » Vielleicht sollte man mit einem Filzstift!« geriet dort zu einem konkreten Anherrschen, Herr Géza wechselte sogleich erschrocken zum Filzstift; »irgendeine heitere Ávó-Geschichte«: Lärmen Mitte links, Applaus von rechts, aber auf jeden Fall verstört, das darauf folgende » Verzeihung, Verzeihung, das hätte man wohl lieber nicht« wirkte mit großer Kraft, mit der Kraft der Befreiung; » die Aufweichung, Väterchen, ist also geschehen«. Hier sah er Herrn István herausfordernd an. Was Herr István, wenn auch langsam, apperzipierte. Die Lesung selbst absolvierte der Meister, als würde er eine Art Privatgespräch führen; das war eine große Gaukelei - doch Herr István verlor die Geduld und erzählte die Stockholm-Geschichte, mit aller darin enthaltenen Drastizität. Der Fall » Pali, mein Lieber, wenn ihr das bringen tätet« erbrachte denselben Effekt. (© Esterhazy, 19 7 7 )  
  Eckermanns aufzeichnungen motto numero eins von goethe die dilettanten wenn sie das möglichste getan haben pflegen zu ihrer entschuldigung zu sagen die arbeit sei noch nicht fertig freilich kann sie nie fertig werden weil sie nie recht angefangen ward der meister erklärt sein werk mit einigen strichen als fertig ob es nun herausgearbeitet ist oder nicht und schon ist es vollendet passen sie auf eckermännchen bohren sie nicht in der nase motto nummero zwei buddy glass ist natürlich nur ein pseudonym mein wahrer name ist major george fielding anti-climax also sprach zu mir péter esterházy wissen sie mon ami ich bin sehr müde bitten sie diese leute für mich um entschuldigung ich habe den ganzen vormittag diese scheiße gemacht so sagte er es gnadenlos zu sich selbst fast schon ungerechterweise diese scheiße jawohl setzte er ungebrochen fort und noch beim mittagessen sagte die dóra diese hochgewachsene brave frau der comicstrip wäre vielleicht nicht nötig gewesen man kann sich vorstellen wie das auf die für alles so sensible seele des meisters wirkte selbstverständlich ist das ein komplexer begriff diese seele dieses tadeln doch so sind die künstler alle das müssen wir die wir in ihrem bannkreis leben wissen es folgt eine aktionsnovelle sagte er dann auf der ebene einer feuilletonnovelle die so gerne genommen werden von literarischen blättern in der heimat und anderswo doch was die heimat sei lassen wir das und damit schnappte er sich hopplahopp ein blatt eine sogenannte fremdseite dörfler im vorteil und ließ es herumgehen die anwesenden mögen ihre namen aufschreiben im druck kommt das besser murmelte der große meister vor sich hin und fügte dann auf der ebene einer mutter sorgenvoll hinzu vielleicht sollte man einen filzstift nehmen wegen der druckerei in den sattel an einem trockenen lichten unverfälschbaren sommermorgen richtete péter esterházy seinen großen durchdringenden blick auf einen kollegen und sprach also ich hab kaum geschlafen verdammte scheiße oh das trügerische der worte hier reibe ich mich auf doch was ist das falsche und was das wahre was sind das für fragen große fragen möge unser blick nun diese frische hirschherde ins treppenhaus sprengen wo einst der meister gestanden hatte bitte hier streckte der herr czigäny dem meister seine schaufelgroße hand hin komme was kommen mag offenbar mit vor irgendeiner slawischen trauer schmelzenden stimme sprach er also zum meister der augenscheinlich sympathisierte mit dem großen bärigen mann herr autor herr autor schreiben sie das mal diese handfläche und bewegte sie auf und ab der gegebenen vertikale entsprechend péter esterházy war aus einem anderen holz geschnitzt als dass er sich in so einer Situation in den sattel schwingen würde und dann über alle berge nein ja sehr sachlich sagte er was ist das für ein schnitt in deiner handfläche ja bittschön lächelte dieser ungarische mensch mit seinen zähnen ja bittschön ich habe mich geschnitten womit doch das fragte er so dass man spüren konnte er denkt mit einer konservendose was sich glänzendst bestätigte ich habe sie mit einer konservendose geschnitten sagte lóránt czigány während du sie öffnetest forschte der meister weiter nach während der andere bestätigte und was für eine konserve war das knallte die kluge frage auf dem fuße scharf wie jener blitz in schwülen nächten herr lóránt schwappte indigniert über den abhang der durch das raffinierte aufeinandertreffen zweidimensionaler flächen der treppe verursacht wurde was ich geöffnet habe bittschön ich sag’s dir bier natürlich bittschön und er schickte sich an irgendeine heitere ávó-geschichte zu erzählen entschuldigung das hätte man vielleicht lieber nicht doch der meister beeilte sich mit seinen langen musizierenden schritten hinüber ins foajeh wo der abend tobte doch das cziganysche wort erreichte ihn noch einmal schreiben sie das mal herr autor das können sie wohl nicht doch wo war er da schon was für blicke glitten da schon über seinen zarten hals mein freund das ist es ja gar keine blicke mein alter sagte er leichthin denn so kann er auch sein auch ein mensch von so einem format kann leicht sein wie der luftballon des herrn kormos herzmansky 21 schilling er kann jawohl er kann wo zum henker stecken die blaustrümpfe der meister hub enthusiastisch zu erklären an seine nase vollführte ruckweise bewegungen regelrechte kreisbögen in die von tabakrauch schwere luft pflügend natürlich die riesig vielen blauen Strümpfe wären gekommen und man hier zeigte er auf sich ecce homo und man widersteht bis zuletzt doch das ergebnis ist dasselbe versuchte sich der gelegenheitsgesprächspartner das ergebnis er winkte ab der prozess katzenöhrchen der prozess blaue söckelchen der dichter kormos winkte erfahren ab herr thinsz hoi herr thinsz er beugte sich sehr sorgenvoll zu einer salzigen erdnuss daraus wird auch literatur sagte er und sogar seine brille seufzte und wie esterházy selbst dachte wohlwollend an herrn thinsz hier füge ich eine winzige nuance ein welche so typisch ist der meister dachte immer herr thinsz wäre sechzig jahre alt und wäre mit herrn weöres dem dichter zur schule gegangen die Überraschung war also groß als er einen mann mittleren alters erblickte der dichter schüttelte traurig den köpf zur literatur wird es hja tja herr thinsz wusste vielleicht gar nicht wie recht er behalten würde er behielt stattlich recht literatur und was für eine herzergreifende ungarische ernste schicksalshaftige wissen sie mon ami ich saß da mit dem dichter kormos und mit meinem freund gézu thinsz sowie mit attila józsef attila prangte stilvoll denn er war ein großer stilist in einem Zweireiher ich selbst habe ihm etwas geld gegeben damit er ihn sich im gerngroß kaufen konnte wissen sie attila war ein sehr eigenbrötlerischer mensch und besonders nachdem er sich mit kassak verkracht hatte war ich in solchen fällen die einzige aber so wie ich es sage die einzige stütze für ihn weiter mit der entwirrung der zeit herr kormos der gute herr kormos ein ernster mann mit der wärme des herzens in einem anderen terminus hatte er dem herausragenden herrn sípos dessen name flöter bedeutet pass auf es flöte be flöte es ist ein gigant die aufweichung väterchen ist also geschehen doch was hatte noch einmal herr kormos gesagt was der meister gesagt hat wissen wir das ist eine literaturhistorische tatsache er sagte mein freund hören sie sich das an eine omasch eine richtige omasch diese zeit sie wäscht und vielleicht schleudert sie sogar wenn auch nur auf ungarisch deutsch gehts nicht auf doch herr kormos aber wirklich onkel istvän wie war das nun gestern warst du noch nicht betrunken und was stand in Stockholm geschrieben und wie dass man diese frau wie nochmal und der meister sprach dem greisen dichtergiganten einen heißen dank aus für die herzige geschichte welche mit sehr schöner beispielhaftigkeit ein licht auf d ie Struktur der vergehenden zeit herr thinsz der vergehenden zeit wirft welche er bereits bei herrn krúdy hoch geschätzt hatte und er sagte noch jetzt seine auf ungarische art verzierte reitpeitsche knallend ich freue mich es ist alles sehr gut ihr seid mitteleuropäische kulturmenschen und ihr seid wie man sieht hervorrrragend dressiert eine ergreifend flache sache ist das bevor er die flucht zurück ergriff sprach er den großen Redaktor päl an palilein wenn ihr das gerade mal in der mühely bringen würdet oh ein schlauer fuchs ist der meister wie kann man einen Redaktor pressionieren palilein alter Schwede dann setzt ihr das wort ficken so dass ihr f punkt punkt punkt en macht es wäre wichtig danke und schon finden wir ihn mit den beinen klimpernd vor im draußen nieselnden regen und der korbstuhl knackte geheimnisvoll unter ihm und die nacht war schwarz wie ein staatsmercedes darüber sollten wir uns nicht grämen sagte er mit natürlichen betonungen und er freute sich weder noch grämte er sich er bemerkte den winzigen fischteich es ist ein kreis entdeckte er x kwadrat plus y kwadrat gleich r kwadrat denn in seinem ersten schrecken dachte er an einen kreis mit mittelpunkt origo doch dann bäumte sich in ihm der hochmut auf das klassische hervorpreschen des ichs und dem herbeiflatternden fräulein dedinszky schmeichelte er bereits mit einer allgemein kanonisierten figur und fing sofort an sich auf die Schenkel zu klopfen der meister ob des werdenden scherzes welches knie sich in abgetragenen schriftsteller-jeans verbarg hören sie sich das an mein freund und tamás tűz eine kanonikatsfigur und so jagte ein prächtiger scherz den nächsten bis in die frühen morgenstunden doch diese idee mein herr ist verzeihen sie das logische wort ist so bekannt ach was zählen die ideen diese sind endlich das herz das in ihnen schlägt das herz ist endlos und damit verstummte er damit mit umso größerer empörtheit der applaus herausbrechen konnte.  
  Die Vorstellung war zu Ende, er war leer wie jene Konservendosen. Doch als er eintrat in den Kreis seiner Familie, zurück aus Europa (nach Europa), fragte Frau Gitti, an dem Meister hängend: »Hab ich dir gefehlt, habe ich dir gefehlt?« Der Meister bemerkte nicht, worauf sich die Frage bezog, und antwortete grob: »Wär fein.« Lassen nun auch wir vorbeiziehen , was sich auf uns, humanistische, akkurate Menschen, die wir sind, bezieht, die Kavalkade der Positiva und Negativa, welche aus dieser zwiefachen »Sache« auf uns strömt.  
  Negativa: Wir sind Zeugen eines Verblassens, denn was wir durch die Heiligkeit des säuselnden weißen Papiers und einiger moralisch dünnen Buchstaben gewinnen, verlieren wir durch die Zeit, das Herausbeugen aus der Literatur , welches gleichzeitig eine Symbiose mit dem Leben darstellt, welche er so immerfort und strömend als klassischen Avantgardetraum verwirklicht, also das kann man abschreiben. Kommen wir nun zu den Positiva.  
  Positiva: Doch Teil des Verwelkens einer Produktion zu sein - das ist eine schöne und nützliche Sache. Und noch etwas: sehen, wie ein Text sich in den eigenen Schweif beißt, tzi, tzi, tzi. »Schu, ihr grässlichen Katzen, mes amies!«  
 
 
  20 Lieber Péter!  
  Kaum hatten Sie mein Zimmer verlassen, fiel mir ein, was ich noch sagen wollte, aber ich bin schon so alt, dass mir alles aus dem alten Kopf geht. Oftmals bringe ich durcheinander, was ich geträumt habe, nämlich damit, was ich nicht geträumt habe. Häufig gehe ich in Gedanken unter Ihren Pappeln spazieren, aber die über den Zaun fliegenden Bälle kann ich nicht einmal mehr zurückwerfen. Wie Sie das Zimmer verlassen haben, wie schön doch Ihre Blumen sind. Haben Sie gewusst, dass ich diese am liebsten mag? Oder war es Zufall? Als sich die Fahrstuhltür schloss, fiel mir ein, was ich noch unbedingt sagen wollte: dass ich Ihnen besonders dafür danke, dass Ihnen eingefallen ist, die arme Großmutter mit der letzten Ölung zu versorgen.  
  Ich habe ein sehr gut gelungenes Foto vom Herzogprimas erhalten. Vieles entfällt mir, aber Ihre Blumen halten sich gut. Wie fanden Sie J-? Sie hat sich sicher sehr über Sie gefreut? Auch ich habe mich sehr über Ihren Besuch gefreut, der, wie immer, zu kurz war! Früher waren Verwandtenbesuche nicht so kurz. Den Reiter musste man ruhen lassen!! Aber ich freute mich sehr darüber!  
  Ich muss Ihnen nur eines sagen (wenn Sie es mir nicht übel nehmen!), Ihr jetziger Beruf gefällt mir nicht: Wozu die Neigung der Menschen so unterstützen? Ich sehe es förmlich vor mir. Warum dann nicht eine Konditorei? Da muss man auch vermixen oder Palatschinken machen. Mein lieber Péter! Nehmen Sie es mir nicht übel - aber angesichts Ihrer schönen Blumen fiel mir ein, Ihnen das zu schreiben.  
  Aber nichtsdestotrotz umarmt Sie vielmals  
  Ihre alte Jolánka  
  Meine beigefügten Zeilen geben Sie bitte Ihrem lieben Vater.  
 
 
  21 Lieber Péter!  
  Vielen Dank für Ihren ausführlichen Brief. Ich habe ihn durchlebt. Was für Bücher hatte denn Ihr Freund dabei, dass man sie ihm wegnahm? Aufwieglerische Bücher? Oder Joyce? Die kleine Cousine sagt: »Die Gitti ist supernett« (Was für Ausdrücke! Aber nach Ihnen, mein Lieber, wundere ich mich über nichts mehr!), dass sie zum kleinen roten Kleid auch eine Borte und Faden geschickt hat. Sie hat sie schon drangenäht, sie sagt, es sieht sehr süß aus. Kleider sind eine Manie von ihr, sie hängt sich alles um. Sie war gerade hier, hat mich mit ihren Neuigkeiten so überflutet, dass ich bis über die Nase in ihnen stecke, und das will schon was heißen. Dass sie zum Beispiel für kommenden Sonntag »einen Ausflug planen« ins Freudental. Angeblich gibt es da einen wunderschönen See, rundherum mit einem Fichtenwald. Man kann Schaschlik braten. Deine Cousine hat gerade das Werk mit dem Titel »Eine Tochter Schottlands« beendet. Es gefällt ihr sehr. Der Stil gefällt ihr, sagt sie. Doch genug davon.  
  Obwohl die Hitze groß ist, fühle ich mich wohl. Ich warte auf Karla, während die 2 »Perlo« ins Jagdhaus gehen, um sauber zu machen. - Oder war das nur ein Blabla?! Die hiesigen Sozialdemokraten haben einen Pingpongwettbewerb für die Alten und Lahmen veranstaltet. (Diese Voraussetzung habe ich zu 100 % erfüllt.) Ein Pingpongspiel habe ich gewonnen.  
  Ich stelle mir Dóras schokoladiges Gesicht vor! Ist es denn wirklich so voller Schokolade gewesen?! Ihre Gitti hat so viel Schwung. Sie haben eine gute Wahl getroffen. - Ich bin mit der Mami einer Meinung, Tennis ist viel eleganter, nicht so roh wie das »Kicken«. Obwohl es eine Zeit gab, da war das verpönt, als Spiel der Herrschaft! Ich habe schlecht gespielt, aber ich liebte es, bei den großen, weißen Bewegungen zuzusehen.  
  Es umarmt Sie vielmals  
  Ihre alte Jolánka  
  PS: Gerade habe ich Ihren Brief vom 7. bekommen, über Kapitän E. Aber mich würde viel mehr interessieren, wie es dem Fuß Ihrer lieben Mutter geht? Hat sie noch Schmerzen? Wie lange wird die Behandlung dauern? Wie oft pro Woche kommt der Arzt etc. etc. etc. Ist es etwa eine Gefäßverengung? Es gibt keine befriedigenden Nachrichten. Akupunkteur? Gesundheit ist doch viel interessanter als »Kicken«. Ich bin böse mit Ihnen. — Wissen Sie, lieber Péter, um mich herum sind alle gestorben, und ich bin etwas müde geworden. Ihr Land und auch mein Land sind ziemlich erschöpfend. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen: erschöpfend. Bestimmt nicht. Sie spüren das sicher nicht, denn ein junger Mensch wie Sie weiß noch, wozu.  
  Jolanka  
  –––––  
  Es war von so einer sommerlichen Bootsfahrt die Rede, irgendwas zwischen einem kleinen Rudern und einem Bootstörn. Wenn auch nicht ins Freudental, wenn auch nicht mit Schaschlik!  
  Der Meister ließ seinen Hintern vorsichtig von der Bank auf den Grund des Bootes hinabgleiten und drehte anschließend über den so festgemachten Punkt seinen Oberkörper zu den, wie an der grünen Farbe zu sehen war, verwitterten Planken, damit die angegebene Richtung seines Kopfes die der Wolken sei und er seine Freude an der Kavalkade des oben zu Sehenden haben konnte: im Versteckspiel der Sonne, in den stolzen Formwandlungen der an diesem Spiel beteiligten grauen Wolken, wie z. B. aus de Gaulle Italien wird und daraus dann ein riesengroßer … etc. etc. - amüsant. In der vorangegangenen Position wehte ein ordentlicher Wind, und er ragte heraus, hinein, hier, jetzt, auf dem Grund des Kahns war es angenehm warm und windstill. (»Kein kodierter Text!« Und: »Wissen Sie, mein Freund, das ist die wahre Symbolik, wo das Besondere das Allgemeinere repräsentiert, nicht als Traum und Schatten, sondern als lebendig-augenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen.«) Er schloss die Augen und gab sich dem Sonnenlicht hin. Doch als vom Wellenschlag das wackelige Wassergefährt erbibberte, richtete er sich plötzlich auf und fragte den Kapitän, Herrn András: »Was ist, ist der Weg holprig?« Er blinzelte. »Dazu sagt man«, sagte Herr András und langte graziös nach hinten zum Motor, um durch dessen Drehung dem Kahn einen vorteilhafteren Lauf über die Wellen zu sichern, »dazu sagt man in alten Seemannskreisen: man lässt das Boot fichten.« Die Drinsitzenden lachten heraus: außer den Erwähnten noch: Herr Tihamér, der Bildhauer.  
  »Onkel Tihamér«, sagte Dorko Mitics auf dem Ufer. »Nicht Onkel«, belehrte der Vater die Tochter; obwohl er sich auch über den »Tihamér« hätte echauffieren können. »Nihicht?« Doch da sah es schon nach Weinen aus. Da standen sie schaukelnd. Aber Avdotja Jegorovna gab sich störrisch. Der freundliche Kapitän András invitierte das kleine Mädchen sehr freundlich, während sich der Meister in väterlicher Strenge versuchte. »Na! Mein Junge! Die Zeit ist gekommen, zu entscheiden, was du werden willst: ein Seebär oder eine Landratte! « Der scharfe Blick öffnete der Tränen Schleusen, so sagte »der goldige kleine Fratz« schluchzend: »Ich will La-hand ra- ha-tte! Ich will!«  
  Als Kapitän András, Groß-Verehrer der Regeln und Vorschriften (Ausweis, Zebrastreifen etc.), ins Haus zurückging, um die Papiere zu holen, und auf diese Weise die Zeit Aufschub gewährte, beruhigte sich das Mädchen; knautsche und rang die kleinen Hände. »Wozu hat die kleine Dóra Angst? Da, die Kinder haben ja auch keine. Warum Angst?« So sprach sie sich bange zu. Die Gestalten des Meisters und des Kapitäns András erschienen am Anfang des schmalen Betonstreifens des Hafens; sie brachten die Papiere. Auf ihrem Wege ereigneten sich drei bemerkenswerte Sachen - mit ihnen, durch sie. i. Es lag ein toter Aal auf dem hitzigen Beton, mit einer gelb gewordenen, glänzenden Narbe auf der Bauchseite. »Wie ein wundfiebriger Mund.« - »Ach was.« - »Nur länger; länglich.« Anschließend sagte der Meister noch, dass der Aal irgendwie kein ungarischer Fisch sei (natürlich nicht in dem Sinne, dass er englisch oder französisch etc. wäre - nicht so eine Bagatellsituation). »Ist wirklich keine einheimische Sorte«, sagte Kapitän András, natürlich in seiner Eigenschaft als Einheimischer. (Sagen wir es frank und frei: ein Seebär.) 2. Über irgendein Werk sprechend sagte Kapitän András (in Pantoffeln!): »Viele Sicherheitsnadeln befestigen diese Thesenskizze an der heutigen Gesellschaft, doch die die Grenze der Unschuld streifenden Andeutungen kleben, anstatt analytisch aufzudecken, nur Etiketten auf, und auch die nicht immer an die richtige Stelle. Ein Stützpfeiler des ideologischen Baus ist der Herr der Heerscharen, der andere ist der Fleischtopf.« Er nickte, sein Blick schweifte in die Ferne, auch er verabscheute so etwas. Und obwohl - wie man sehen kann - er ein Gewicht darauf legte, auch an der vergänglichen Gegenwart authentisch teilzunehmen, nahm seine Unruhe schon etwas anderes wahr. Sein beständiges Blinzeln! »Halt!«, sagte er mit einigem Schrecken und zeigte auf eine der unzähligen Peitschenlampen der Mole. Wimm, wumm, diese bewegte sich, zitterte, dass es eine Art hatte. Die beiden Künstler sagten zugleich: » ’s räsoniert.« Ihr sensibles Radar erfasste den Humor der Aussage, doch die Tragödie des in Bewegung geratenen Dings wirkte stärker. Tatsache blieb Tatsache, Gott sei Dank. »Bald wird es sich aus dem Beton gerissen haben«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Hast du die Brücke gesehen?« (Eine wortkarge Bemerkung, auf einen Film über eine gewisse wogende amerikanische Brücke verweisend, welche Brücke später in den Fluss gestürzt. Die kleinen Strichmännchen rannten, um ihr Fell zu retten.) »Hab ich.« — »Das ist auch der Grund, weshalb Soldaten auf einer Brücke nie im Gleichschr…« - »Ich weiß.« Der Meister redete wie ein Physiklehrer, was den Musikwissenschaftler, der sowieso fast Mathematiker geworden wäre, verständlicherweise ärgerte. Hier entschloss er sich zu einer Handlung und umarmte mit dem ganzen Körper das lange Eisen der Lampe, um zunächst zusammen mit ihr zu zittern, später sich immer weniger zu rühren und schließlich unbewegt zu japsen. »Vielleicht… vielleicht von den Windstößen …« Kapitän András schüttelte liebevoll seinen schönen, gotischen Kopf, legte eine Hand auf des Meisters Schulter: »Was bist du nur für ein Arsch!« Pardon. 3. Als sie die kleine Biegung hinter sich gelassen hatten, erschien vor ihnen das mit Minium gestrichene Schiff namens Zu verkaufen - ein gedrungenes, erschreckendes Ding, wie ein steinzeitliches Patrouillenboot -, auf dessen Gatt ebenso wie auf dem gesamten Deck die Eigentümer oder deren Beauftragte emsig am Schaffen waren.  
  Im Anschluss an dieses Dreifachabenteuer kehrten sie zum Mutterkahn zurück, wo es sich bis dahin (und zwar genau in der Dauer eines »Dahins«) herauskristallisiert hatte: nur die Männer würden sich auf Fahrt begeben (wie gewöhnlich), Mitocska sowie die Ehegattinnen zurück zur Fischsuppe! (»Oh Blanka! Diese Fischsuppe!«, die Emotionen schwappten nur so von einer Seite zur anderen. Doch dann sagte er offen seine Meinung und brach ein Stückchen Brot.)  
  Nun wurde gerade die Fischsuppe mit ihrer verwobenen Konsequenzenmenge beziehungsweise ihrem Voraussetzungssystem schon draußen auf dem See zu einem wertvollen Moment! Schauen wir mal, was passiert ist! Als Kapitän András mit einem billigen Scherz - zugegeben: mutig - gegen die Wellen fahrend das Boot »fichten« ließ, gab der Meister der natürlichen Neugierde nach und fragte, ob man dieses Boot kentern lassen könnte. Woraufhin der Bildhauer und Musikkenner den Meister anging. »Aha, zuerst nur ein Karpfen … und später … doch man kann selbst die magere Ausbeute in der Historie sehen … ein Schritt und Arbeit macht frei… unzweifelhaft diese Linie.« Jene wechselten Blicke, dass sie ihn bedauerten.  
  Schon vor dem Bootsprogramm, als sie drinnen, unter der Fichte
n
Jegyzet Hier verwenden wir das Wort in seinem botanischen Sinne.
im Garten, die sich im kleinen Gartenteich träge, doch lebenslustig rekelnden Karpfen sahen, stellte sich großes Kopfzerbrechen ein. »Lassen wir doch den Kolcsák kommen«, sagte Kapitän András’ Mama verzweifelt. (Der Nachbar; ein Tausendsassa; für den Namen garantiere ich nicht.) »Wo liegt das Problem?«, sagte der Meister mit der Kraft der Jugend. Wie einer, der sofort helfen will. So einer ist er eben. »Wer erschlägt die Fische?«, flüsterte Kapitän András’ Mama. (Die Fische hatte der Papa gefangen. Das ist, theoretisch, noch gar nichts. »Er hat großartiges Haar, mein Freund, als wär er mein Spezi.«) Kapitän András wandte sich selbstbeherrscht ab. »Oho. Einen Fisch?! Ich werde ihn erschlagen, wenn es denn sein muss«, sprach der Meister wie ein Naturbursch. Alle sahen ihn angewidert, nichtsdestotrotz auffordernd an. »Ich habe Hunger«, sagte er simpel, »und ihr habt auch Hunger.« Das stimmte. »Onkel András, sag mir nur so viel, wohin ich schlagen muss!« Er schwenkte seine Henkershand, Frau Gitti ließ einen spitzen Schrei verlauten. »Bestie.« Sie lernte ihren Mann von einer neuen Seite kennen. »Auf die Nase«, sagte Kapitän András aus der Ferne und reichte dem Meister, was etwas widersprüchlich war, eine Art Gummiknüppel aus Holz. Die Seele des Meisters blieb ungerührt. Auf Kapitän András - das war auch bislang wahrnehmbar - fiel heute eine negative Rollenzuteilung: er sammelte die Fische mit hinterhältigem Herzen in einen Eimer. Der Meister entnahm von dort einen Karpfen, stellte ihn auf dem Rasen auf die Seite, beruhigte ihn mit der Linken, »na, na, nicht doch, na: mein süßer Kleiner«, denn das vom Schicksal gebeutelte Tier zuckte zuckte in alle Richtungen, in der anderen Hand wirbelte er spektakulär, wie die Kurutzen oder andere progressive Gruppen, mit dem Schläger und schlug, boing!!!, zu. Ah, ah, machte der Karpfen. Er pfefferte ihm noch zwei, jemand begann zu flehen: »Es reicht! Um Gottes willen!« — »Schöngeister«, brummte der Arbeiter. Vom Ansatz der Kiemen floss, später: spritzte Blut, und der Knöchel des Meisters und das Drumherum wurde davon so und so. Er schob seinen Fuß auf dem Gras hin und her, reinigte ihn derart. Die Lider waren gesenkt. Später heulte es aus der Küche kritisch, blutrünstig auf: »Wie ist denn der erschlagen worden?! Der bewegt sich ja noch!« - »Den Frauen kann man noch so lange erklären, dass das Reflexbewegungen sind.«  
  Vor so einem Hintergrund konterte er die Stichelei der beiden Männer auf dem Wasser. »Bitte. Das ist der Dank! Das!!! Ich nehme es auf mich, ich führe es anspruchsvoll aus, und jetzt werde ich dafür angespuckt!« - »Wer hat dich denn gebeten, wer hat dich denn gebeten «, flöteten jene. »Mörder bleibt Mörder.« - »Und die Fischsuppe ist eine Fischsuppe«, sagte er und sprang in dem kleinen Seelenverkäufer auf, so dass dieser fast schon tragisch ins Kippen kam (auf diese Weise fast die schon vergessene, doch durchaus originelle Frage beantwortend, ob man ihn denn kentern lassen könnte), und rief mit funkelnder Gekränktheit - deren Verspieltheit erst später allgemein bewusst geworden ist: »Einer muss es ja machen, gottverdummmich! Und es ist immer noch besser, wenn ich es mache, als ein anderer, dilettantischer, ehrloser Pfuscher! Und ihr speit mich nur an! Undankbare Bande!« Und damit Summibumm, zurück auf den Grund, damit nicht nur der Wellengang, sondern nunmehr auch das rhythmische Lachen der Künstlerseelen ob der gehörten Paraphrase den Kahn »fichtete«. (Vielleicht fiel er auch noch ins Wasser, aber entweder zog man ihn wieder heraus, oder es war nicht tief. »So geht das.«)  
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  Lieber freund ihre novelle ist interessant geistreich für eine originelle weltsicht sorgend doch sie publizieren können wir nicht da wir für lange zeit genügend manuskripte akzeptiert haben wir danken ihnen für das in uns gesetzte vertrauen und senden ihnen anbei ihr manuskript lieber freund ihr talent steht außer frage ihre novelle in der új írás gefiel mir weniger für diese 4-5 sätze substanz hat es sich nicht gelohnt im vorfeld… so viel zu jammern unsere redaktion hat den eindruck sie haben sich in ihren eigenen stil verliebt das gilt ausgesprochen für die an uns gesandte novellen -perlenschnur von denen eine gelungen ist die letzte doch für die pointe erzählen wir den witz diesmal nicht sollten sie sich jemals lossagen von ihrem zweifellos schönen stil wenn sie eine zielgerichtete und ökonomisch strukturierte novelle schreiben werden wir diese gerne annehmen und drucken anbei ihr manuskript lieber péter deine novelle ist hervorragend leider scheuen sich meine chefs unschuldiges ungarntum ist das ein reizwort ich betone noch einmal dein schreiben hat mir ein echtes reines erlebnis beschert seitdem ich bei der Zeitschrift bin habe ich so etwas noch nicht gelesen schicke etwas anderes wenn’s geht nicht mehr als zehn pag. ich muss natürlich nicht betonen dass das nicht das hauptkriterium ist es umarmt dich in freundschaft.  
  Was für ein Ereignis! Er steht nur da, als hätte er Wurzeln geschlagen, und die Papierblätter rieseln herab. Was war geschehen? Es war geschehen, dass der Meister — wie immer — als Letzter in die Umkleide getrottet kam, um mit seinen Teamkameraden die Pause zu verbringen, welche sich zwischen den beiden Spielhälften befand; als Letzter, denn zuerst musste er die Lasche seines Fußballschuhs suchen, diese war nämlich herausgerissen und hatte sich im Eifer des Gefechts immer wieder gelockert, war zur Seite geknickt und schlackerte herum, woraufhin er sie herausriss und Richtung Seitenlinie schleuderte, wobei er sich die Stelle gut merkte, um sie bis zum Ende der Halbzeit »fahrplangemäß zu vergessen«.  
  Zusammen mit der geplagten Zunge (fesch sind sie beide so zusammen) kam er hereingetrottet, als … »Ein riesiger Helikopter, mein Freund, den Himmel verdunkelt, sein Schatten schwer, seine Stimme dräut, brummt, gewittert, und er verstreut diese Papiere nach unten.« Wie riesige Schneeflocken rieselten holzfreie Papiere mit Briefkopf herunter; der Meister blieb stehen und hielt sein müdes, schweißnasses Gesicht in dieses Fallen.  
  Lieber péter such mich auf damit wir kurz persönlich reden können nein aber unsere hochachtung ist unverändert wir schreiben über dein buch es grüßt dich in freundschaft wir würden uns geehrt fühlen wenn auch sie mit ihren neu entstandenen arbeiten unsere redaktion aufsuchten in erster linie können wir die Veröffentlichung solcher texte übernehmen, in denen standhalten und Opferbereitschaft zum ausdruck kommen und welche 8-9 maschinegeschriebene seiten nicht überschreiten hochachtungsvoll, mit freundlichen grüßen.  
  »Achten Sie, Katzenöhrchen, auf dieses und. Es könnte entscheidend sein.« Versonnen stand er also da in jenem künstlichen Schneesturm. Der Helikopter, diese große Libelle, war davongesirrt, jählings war die Stille groß. Die Zuschauerschaft schaute. Damit dann von hinten, wo die Familie des Liberos zu stehen pflegte (wenn das Wetter gut ist und alle nüchtern sind), jemand hereinrufen konnte: »Was ist, Peti! Geh duschen!« - »Wissen Sie, mein Freund, das war keine sehr wohlwollende Bemerkung. Das konnte man am <Peti> sehen.« - »Geh nur den anderen hinterher und dusch dich!« - »Kümmern Sie sich nicht drum, Péter, solche Typen gibt es überall.« Zwischen Mittelkreis und Eingang stehend verweilt er. Gehen oder bleiben.  
  »Ich habe es ausgelesen«, sagte mit seiner schnurrenden Stimme Der-berühmte-Mann. Der Meister saß aufgeregt in einem klebrigen Kunstledersessel, damals noch mitten in der Düsternis der Unbekanntheit, presste beide Hände zwischen die Knie und wartete auf das namhafte Urteil. Seine mangelnde Routine stach hervor: er stellte sich vor, das »Auslesen« sei verglichen mit dem einfachen Lesen bereits ein Werturteil, obwohl er keine Idee hatte: was für eine Art Urteil das sein könnte. »Also, bittschön, du bist sehr talentiert.« Der Meister nickte. (Nicht weil er zustimmte, sondern weil er es verstanden hatte! Aber wer kann das heute noch nachprüfen? Wer?) Das Bärtlein zuckte. »Schau. Es ist sehr interessant, was du da machst, aber glaube mir, ich selbst habe auch schon meine Erfahrungen mit so mancher Sackgasse gemacht.« Der Meister glaubte das aufs Wort (schließlich ist er ein belesener Mensch ). » Denn das, was du machst, ist eine Sackgasse . Dieselbe Sackgasse, derselbe Selbstzweck, was der Joyce MACHT, der SZENTKUTHY und der GYULA, der HERNÁDI.« Der Meister errötete, auf so ein großes Lob war er nicht gefasst. Doch dann stellte sich heraus, dass es als Schimpf gemeint war.  
  Sehr geehrter Péter Eszterházi meine chefs sind sich darüber einig dass dieser text das werk eines talentierten menschen ist, mit dem man in kontakt bleiben sollte wenn sie ihr schreiben ein wenig komprimieren könnten würde das dem schreiben guttun und dann könnten auch wir es drucken péter mach keinen scheiß so was bei einer tageszeitung schick sofort was anderes und verarsch mich gefälligst nicht grüß übrigens ist es scheißgut zu gut mein lieber freund ich hatte keine gelegenheit mehr gehabt vor abgabe anzurufen oder einen brief zu schreiben deswegen teile ich jetzt mit dass wir in den korrekturfahnen zwei sätze aus deinem manuskript streichen mussten bitte habe verständnis und stell sie nicht wieder her mit herzlichen grüßen.  
  Da lagen die riechenden Fahnen vor ihm. Anderthalb Jahre war es her, dass er den Text hingegeben hatte, und nun erntete er die Früchte. Und bitte: sie waren madig! Einem aufgebrachten, wilden Tiere gleich lief er auf und ab, schlug um sich und fluchte leider lästerlich. »Sakrakruzitürken aber auch …!« Da rang er, der große Mensch. »Wissen Sie, mein Freund, das ist empörend! Wie komme ich dazu, mir Gedanken über so etwas zu machen!« Das kann ja wohl nicht sein, dass er hier mit seiner eigenen Feigheit und seiner Bereitschaft zu Kompromissen ringen muss, statt dass er sich freuen könnte über die Niederungen dieses Handels! Er war gezwungen, Legionen begründeter (!) Argumente aus sich hervorzuholen bezüglich dessen, wieso man jene zwei Zeilen tatsächlich habe streichen können. Z. B: »So gut ist die Novelle nicht, dass sie zwei Zeilen zum Kippen bringen würden.« Doch hier schüttelte er das passable Kuvert. »Ja, aber«, er schüttelte, »ja, aber auch das hat sein Ziel erreicht.« Er fuchtelte niedergeschlagen. »Was zählt das schon! Im Buch werden sie sowieso drinstehen.« Undsoweiter - so bis zu späten Stunden. Mal oben, mal unten; so unberechenbar ist so eine Künstler-Seele! So unerwartet entstehen in ihnen Buckelungen und Abflachungen; da braucht es schon einen ganzen Mann, sie zufriedenzustellen! Die arme Frau Gitti und all jene, die dafür ihr Gehalt beziehen!  
  Diese Zerfleischung seiner selbst hatte ihn sehr mitgenommen; jenes permanente Malheur zum Beispiel, dass seine anständigen Argumente zu unanständigen geworden waren und überhaupt: dass alles zu einer Probe in Anständigkeit geworden war. Und was für Sachen! »Wissen Sie, mein Freund, der fünftrangige Satz einer zweitrangigen Novelle eines wievielauchimmerrangigen Novellisten in einem - er neigte den Kopf mit knirschender Ehrerbietung - erstrangigen Blatt! Etwas Mickrigeres als das! Na und dann darf eines der beiden Adjektive drinbleiben und ich kann als Held nach Hause gehen, erst mit der Metro, später mit dem Autobus.« Die Sache war also die, dass er kein Held sein wollte und kein Verräter, er wollte Prosaschriftsteller sein. Und dann fand er zu seinem Gedankengang zurück, der ihm schon in vielen Situationen gute Dienste erwiesen hatte.  
  Er ging mit tödlichen Säcken unter den Augen in die Redaktion und sagte freundlich, er würde sie nicht streichen. In Ordnung, sagte der ChefRedaktor (ohne einen Gruß !!!), in Ordnung, wie der Meister so auch er, dann kann er eben das Zeug nicht »bringen«. Der Meister sagte, auch gut, aber er rührte sich nicht. Es entstand eine große, männliche Stille. »Um Himmels willen!«, rief schließlich bitter der ChefRedaktor, aus und dieser menschliche Zug ließ ihn in den Augen des Meisters für eine Minute sympathisch erscheinen. »Ist dir dieser verdammte Satz denn so wichtig?« Aha: das kannte er bereits. Sowohl die Frage als auch die Antwort (seine Antwort). »Nein. Nur so wichtig wie jeder andere auch.« Und er fügte noch freundlich hinzu: »Natürlich nur einer, der gleich lang ist. Ihr zahlt nämlich nach Gewicht.« - »Ich verstehe dich nicht! Warum nicht? Schließlich …«, und der in verantwortlicher Position befindliche Mann sagte eins jener Argumente, welche der Meister in der vergangenen Nacht selbst zu Hunderten anständig hergestellt hatte. »Es gibt keinen Grund dafür, ihn zu streichen.« (Dies ist der Gedankengang, auf den ich anspielte. Wenn eine Handlung so ist, dass sie scheinbar überhaupt keine negativen Folgen hat, nichtsdestotrotz die Sache etwas verdächtig ist, kann man sie sofort zum Einsatz bringen. Man kann es ausprobieren.)  
  Erneut Stille. »Wissen Sie, mein Freund, dafür hatte es sich gelohnt, es bis zum Ende durchzuspielen! Wegen dieser beiden Stillen. Dafür!!!« - »Schau, teurer Freund, lass uns einen Kompromiss schließen. « Das Gesicht des Meisters erhellte sich. Er versteht es sehr, Kompromisse zu schließen. Er lächelt und lächelt und sagt nein. »Nicht sehr.« Doch nun wurde das Ganze so jämmerlich! »Dass zwei erwachsene, geschlechtsreife Menschen so viel mit diesem verflickten Satz herummurksen …« Im Wesentlichen ging es um eine 3-Adjektive - Konstruktion; von den 3 blieben 2 übrig, 1 ging flöten; was ein gutes Verhältnis ist, »ein qualvoll gutes Verhältnis«.  
  Der Stürmer macht sich in aller Stille auf den Weg nach drinnen, das Papier sirrt um seine Knöchel wie Schlangen. »Peti, in der zweiten Hälfte klotzt ihr aber ein bisschen ran.« Er ist gerade dabei, den Kopf zu senken, um durch den winzigen Eingang zu passen, als wie eine Draufgabe, als Letztes, ein kleines, gelbliches, unscheinbares Papier heruntergerieselt kommt, den Rauchfang verlässt (herunterkommt), vor der Tribüne ist, eine Pirouette dreht, als hätte es sichs anders überlegt und würde nun umkehren. Alle schauen zu. (»Trockene Lippen, Falten, Vertiefungen, Rouge, Lippenstift, Augenhöhlen, Augenbutter, Stoppelbärte, die Falten der Haut, die Falten der Mäntelchen, der Wind, der Staub in den Augen, dem Haar.«) Der Meister greift nach oben, er muss sich strecken, bekommt es zu fassen. Gesichter umgeben ihn und Atemzüge. »Ablösevertrag«, flüstert jemand. »Name der Mutter!«, ruft ein anderer. Und es gibt kein Halten mehr, es erhebt sich ein großes Geschrei. »Beginn der Klubmitgliedschaft!« - »Geboren! « - »Ort!« - »Zeit!« - »Vorschlag.« - »Name des neuen Vereins!« Wieder Stille. In der Hand des Meisters das Papier. Fingerspitzen fest aufeinandergedrückt.  
  Und dann wieder das Hineintrotten, als Letzter, in der Hand die wiedergefundene Schuhlasche, im großen grünen Viereck jagt ein Wind lauthals Papierfetzen.  
  –––––  
  Der Meister hielt Frau Gittis Hand. Eine wunderschöne Hand ist das, angegriffen vom Windelwaschen, vom Waschmittel aufgepflügt, erst ausgetrocknet, dann rissig geworden und schließlich ein eiterndes, schmerzlich-juckendes Etwas; diese in die Hand nehmen, die Gemütsbewegungen der Haut spüren, das vorsichtige Drücken der geschwollenen Finger …! Nachdem sie ihre Kinder zum Schlafen gelegt hatten, gingen die beiden Eltern verantwortungslos hinaus in die späte Sommernacht, um in einem nahen Ausschank an ein bescheidenes, doch an Wohlgeschmäckern reiches Abendessen zu kommen. In der Mutter meldete sich zwar immer mal die Aufregung, doch der Meister entwaffnete sie beständig mit seiner bestimmten Geschmacklosigkeit. »Mach dir keine Sorgen, wir haben eine Hausratsversicherung!« Undsoweiter. Vor dem Ausschank, auf einem Lampenmast, sahen sie einen Zettel, der war interessant. Folgendes:  
  H a a a s e e e!  
  Entlaufen I St weißer Hase  
  (Mitbesonderen Eigenschaften!)  
  Wertvoller Finderlohn.  
  Máté Karikó 215 290 Telefonnummer  
  Hm, sagte der Meister. »Nach dem Haaaaseeen hätte ich etwas Besseres erwartet… Obwohl… Was kann dieser Hase Besonderes können?« Er streichelte den Mast. »Aber das hier ist ein ganz hervorragender geteerter Pfahl!« Hier sagte jemand von irgendwo weiter drinnen: »Péter, es reicht vielleicht, wenn ich so viel sage, der Präsident will mit Ihnen reden.« Hopp! Und der Meister sah dem flatternden weiten Radmantel des Jemands bereits hinterher! »Ich habe keinen Hunger«, sagte er plötzlich; doch diese seine Aussage zog keine Art Konsequenzen nach sich.  
  Drinnen spielte eigentümliche Musik. »Das muss man sich gut überlegen.« - »Ich habe es mir überlegt. Ich unterschreibe. Wenn Sie mir eine Stelle geben, unterschreibe ich.« Der Meister sprang vom Tisch auf, die Frau hätte noch etwas sagen wollen. Doch der Meister entfernte sich bereits und zu schreien hätte sie kein bisschen Lust gehabt. Er schlug den Weg Richtung Waschraum ein, aus der Nähe konnte er die riesigen Buchstaben gut identifizieren: Damen. Er trat also durch die andere Tür, nach der angenehmen Wärme dort drinnen traf ihn hier die kalte Luft, die ungehindert durch das zerbrochene Fenster hereinströmen konnte, unangenehm; als also der Meister auf diese Weise ohne nachzudenken sofort zum Reißverschluss griff, wartete er ein wenig ab und dachte doch darüber nach: ja oder nein. Das war die Frage (»Wie, mein Freund, auch schon in würdigeren, glänzenderen Lagen«). Schließlich entschieden die Notwendigkeiten, und die Frostigkeit wurde ohnehin einigermaßen durch die Sauberkeit, die Abwesenheit von Geruch ausgeglichen. Als er siegreich an den Tisch zurückkehrte, blickte er fragend zu Frau Gitti, die nickte: »Ich hab bestellt. Es gab keine Leberknödel, also habe ich für dich auch Grießnockerln bestellt.« — »Und Bier?« — »Wir haben besprochen, wir trinken kein Bier, weil es schläfrig macht.« - »Ich habe es die ganze Zeit so verstanden, dass wir Bier trinken.« — »Nein.« — »Macht nichts. Und was stattdessen?« — »Paráder Wasser.« — »Paráder Wasser? « - »Ja. Und ich habe darum gebeten, dass es nicht zu kühl ist.« - »Ja«, er nickte geduldig, anschließend sagte er, wenn er so spontan etwas beim Namen nennen sollte, das besser wäre als (hier hob er etwas die Stimme an) lauwarmes Paradierwasser, dann, so habe er das Gefühl, müsste er wohl seine kleinen, jedoch wohlgeformten Hände ratlos ringen. Frau Esterházy stach beleidigt in die zwischenzeitlich angekommenen Grießnockerln. »Trocken und kalt.« — »Wie der gute Weißwein.« - »Nur, dass das hier Grießnockerln sind.«  
  Der Meister bemerkte kichernd (das heißt, er hatte mal wieder gelauscht, gegen den Strom des Gentlemantums schwimmend auf diese Weise die Geheimnisse und chiffrierte Nachrichten der Wirklichkeit ausspähend), dass die Frau am Tisch neben ihnen zögerte, es auszusprechen: Chateau de Sau. »…. den … diesen Schato, den hätten wir gerne.« Der Mann neben ihr nickte. »Wie sonderbar sie sind«, sagte Frau Gitti mit jener vom Meister weiblich genannten Empfindungsgabe, von welcher er »die Wände hochgehen könnte«; genauer gesagt, erkennt er ihre praktische Wirksamkeit an — das heißt, wenn die Frau über jemanden sagt: in seinen winzigen Schweinsäuglein wohnt ein verschlagener Blick, wird auch er demjenigen gegenüber ein wenig vorsichtiger sein -, nichtsdestotrotz hält er es, für sich selbst (»leider «), für nicht anwendbar. »Erst, wenn ich bereits unter den Tatsachen eingebrochen bin.« Die benachbarte Frau hatte ein sehr intelligentes Gesicht, dennoch, das Paar zusammen wirkte grob. »Die Frau ist eine …«, flüsterte leise Frau Gitti. Der Meister wurde sehr wütend.  
  Nachdem er wegen der etwas abgestandenen, doch nicht uninteressanten kraftvollen Würzung des sogenannten Küchenmeistertellers zweimal hintereinander auf einen Zug sein Paráder Wasser ausgetrunken und dem Kellner anschließend durch Fiochheben der Flasche ein eindeutiges Zeichen für einen Ersatz gegeben hatte, gewann Frau Gitti wieder Oberwasser. »Entschuldige dich.« — »Ich entschuldige mich«, antwortete sofort der Meister. »Ich verzeihe dir«, antwortete sofort die Gattin. Der Meister fragte den Kellner, wieso dieser Reis serviert habe, wo es doch gemischte Beilage hätte sein sollen. Wortwörtlich fragte er dieses: »Wodurch wird der Reis zur gemischten Beilage?« - »Hätten Sie nur etwas gesagt, ich hätte es ausgetauscht. Offensichtlich hat der Koch etwas verwechselt«, antwortete der Kellner. In der Hand der Frau mit dem intelligenten Gesicht flammte ein Streichholz auf. Frau Gitti langte über den Tisch und streichelte über das Haar, das im Mundwinkel des Meisters gedieh. (Das Geschenk einer oberflächlichen Rasur.) »Kleiner Grashalm«, sagte sie, was den Meister in solch eine Freude und Verwirrung brachte, dass er lange und wortlos den Zahlkellner ansah, der sich mit seinem Kugelschreiber bereits diensteifrig in Position gebracht hatte. Er riss sich zusammen, heraus aus der Ehegattenekstase. »Wir hatten einen Küchenmeisterteller, aber statt gemischter Beilage gab es nur Reis.« Er wartete, der Kellner beugte sich ungeduldig über ihn. »Das sage ich nicht wegen des Geldes, sondern als Beschwerde.« — »Denken Sie bloß nicht, einer hätte einen Vorteil davon.« Sie sahen einander an. »Selbstverständlich glaube ich das nicht… Aber ich glaube auch nicht, dass es sich um einen wohlwollenden Irrtum gehandelt hat.« - »Wir bitten um Verzeihung, mein Herr.« Er bezahlte. (Die Frau neben ihnen knallte einen Fünfziger auf den Tisch, würgte und rannte hinaus. »Was es für Leute gibt!« Der Oberkellner suchte in den Meisters nach einem Resonanzkörper. Doch er starrte in das Gesicht des am Tisch gegenüber allein gebliebenen Mannes. Erstaunen war darin und ein Wissen, »ein seltsames Wissen, um das ich ihn sowohl beneiden als auch bedauern konnte«.)  
  –––––  
  Der Wind pfiff, der Meister ging Straßen entlang. Der Präsident erwartete ihn. Er kam zu einer langen Terrasse, die zu einer verrosteten Eisentür führte. Sie öffnete sich knirschend, quietschend, das erschrockene Aufflattern der Fledermäuse, eine Bewegung der Spinnen und ihrer Spinnweben waren zu erwarten. Doch zuvor wandten sich noch die jungen Männer um, die sich über die hohe, ruinöse Schutzmauer der Terrasse gebeugt hatten. Da sie sich auf die Schutzmauer stützten, waren ihre Ellbogen staubig geworden, Ziegelstaub und Mörtel, bei dem einen so, dem anderen so — je nachdem, wie der auf ihn entfallende Intervall beschaffen war —, aber bei allen. Das erzielte eine sehr lächerliche Wirkung. Sowie er über die Terrasse ging, wandten sich nach der Reihe die sich aufstützenden Jünglinge nach ihm um. Er war über dieses Defilee nicht erfreut. Seine »musizierenden« Schritte gereichten ihm nun nicht zum Vorteile. Jenseits der Balustrade, nieden, prangte prächtiger grüner Rasen, auf dem ein Training im Gange war. Demzufolge waren hier oben nur die Verletzten, die Freigestellten, die Betrüger und die Lahmen! Dies machte den Meister ein wenig überheblich. Seinen schwachen Augen zum Trotze entdeckte er einen Bekannten, schließlich kam dieser, nachdem er sich aus dem Aufstützen löste, auf kaum zwei Meter an ihn heran. Der hochgewachsene, fesche Junge, einer von den Mittelfeldspielern aus dem Außenbezirk mit dem besten Ruf (spielt seitdem schon als Profi - E.), trug ein schwarzes Trikot und eine enge italienische Jeans mit Leder und sprach ihn an. »Klasse Jeans, Pepe.« - »Aus Wien«, antwortete der Meister entschuldigend. Eine interessante Neuigkeit ist, dass sie für dieses Gespräch nicht stehen blieben, der Meister verlangsamte seinen Gang zwar, doch er ging weiter wie auf einem Laufband, der Bekannte übernahm diese Bewegung (»der Bewegungsvektor«) und fiel später dann quasi von ihm ab. Doch eilen wir den Dingen, so klein sie auch sein mögen (Herr Banga, wir danken Ihnen, teurer Herr Banga!), nicht voraus! Im Übrigen handelte es sich um eine Cord Levi, aber ich will mich nicht in Details verlieren. Der hochgewachsene Junge flüsterte ihm ermunternd zu: »Jetzt?« - »Hm.« - »Holen sie dich für Móka?« Der Meister zuckte die Schultern. Er dachte nicht gerne daran, dass er vielleicht Dr. Móka ersetzen sollte. Obwohl… einen würde es sicher treffen … »Wissen Sie, mein Freund, das war eine große Stürmerlinie, ich verstand gar nicht, warum sie an der rühren wollten. Vielleicht gab es etwas zwischen Oszvald und Dr. Móka? Oder war der Chemieingenieur einfach zu alt? Hús, Basa, Oszvald, Dr. Móka, Ugróczky. Hier musste man hineinkommen. Ugróczky ist hungarisiert worden, aus Urin. Man hat es ihm bestimmt erzählt.« - »Zieh sie ordentlich ab!« Der Meister - bereits ein bisschen weiter hinten, nahe dem rostigen Monstrum - nickte. Die beiden zukünftigen Mannschaftskameraden sahen einander lächelnd an. Nun schaute er sich um; die anderen sahen sie an. Auf der Terrasse hatten alle Jeans an, jugendlich. Er erheischte einige Blicke sowie einige Wortfetzen. (»Der Esterhazy.« - »Aha.« - »Wer ist das?« - »Der Junge von Csillaghegy.« - »Ein Verteidiger?« - »Wer?« - »Der große Bruder vom Esterházy.«) Es wäre schwer gewesen, hier eine Bewertung vorzunehmen, das heißt, man hätte es nur präkonzeptionell tun können; und dies tat er auch.  
  Hinter der schweren, ausladenden und antiquierten Tür hausten aber durchaus keine staubigen Hautflügler, es eröffnete sich vielmehr ein neuer, sauber gehaltener Korridor, von dem Büroräume abgingen. Bei der ersten Tür, aus der Laute zu vernehmen waren, blieb er stehen. Ungläubig horchte er. »Zu dieser Zeit kommt wahrlich das Jäteisen zu Ehren.« Er beugte sich erstaunt Richtung Schlüsselloch; im Grunde war nur die Absicht zu sehen, dennoch, der vom Ende des Korridors, aus für ihn nicht verfolgbarer Ferne heraufdonnernde Ruf »Hierher, mein lieber Péter, hier her!« fand ihn in einer nachteiligen Lage. »Hoppala«, sagte er und neigte sich selbstkritisch wieder in die Gerade zurück. »Servus«, sagte der, der gerufen hatte, und ergriff seine Hand. »Servus«, sagte der Meister verbindlich. Er wusste nicht einmal, wer das war, dessen Hand er da hielt. »Komm, komm … dann wollen wir mal unsere große Schlacht schlagen.« — »Muss man denn schlagen?«, fragte der Meister vertraulich. »Du weißt ja, wie es ist…« Er führte den Meister hinein. »Erlauben Sie, dass ich die Herren einander vorstelle.« Er lächelte herzlich, bestand somit die Prüfung in Anpassungsfähigkeit mit »sehr gut«.  
  »Zum einen hier also unsere neue Hoffnung, ihn muss man vielleicht gar nicht vorstellen, schließlich warteten wir alle auf dich, mein lieber Peter. Und dann der Reihe nach: der Genosse Oberingenieur, der Vorsitzende des Fachbereichs, bitteschön, oppala, ein Stuhl, bittschön, der Genosse Generaldirektor, auweia, ich hätte wohl mit ihm anfangen sollen, Verzeihung, der Genosse Generaldirektor, der Präsident des Klubs, er ist der Klubpräsident, so, zwei unserer engagierten Aktivisten, sie, hä, hä, hä, kennst du ja bereits. (Dem Meister dämmerte es, der Radmantel, ein Polski Fiat, der lange in der dunklen Seitengasse mauschelt, >wie Liebespaare <, die mit gedämpfter Stimme vorgetragenen, zischelnden, wohlwollenden Warnungen …) Und hier, zwei Genossen vom Verband (so eine Art Potentaten; >zwei Stück Potentate, mein Freunde), und dann natürlich meine Wenigkeit. Servus. « — »Servus.« Im bequemen, tiefen Fauteuil sitzend verschwand er fast zwischen all den dicken Menschen.  
  Der Wortführer redete, die beiden Parteien schwiegen im Wesentlichen. »Worte spritzten«; der Meister konnte (anfangs) noch so aufmerksam zuhören, er verstand nichts, nur so viel, dass ihm bei diesem Nichtverstehen nichts entging. - Inmitten dieses Gesumms packte ihn ein Déjá-vu. So hatte er vor gar nicht langer Zeit auf einem Empfang gesessen, während seiner Europatour. »Na, Mutti«, sagte der, der den Empfang gab, zu seiner resoluten Frau, »heute kannst du mit einem echten Grafen schmausen.« - »Flausen«, sein Sprachgefühl brach sich seinen Weg. Rede folgte auf Rede dort und er horchte vergnüglich. »Meisterwerke, eines wie das andere, ohne Übertreibung. Dass diese Flachheit niemals umgeworfen wird, ich muss schon sagen!« Einerseits war er also fasziniert ob dieses ästhetischen Erlebnisses, andererseits wurde er von Brechreiz umworben, was er denn auf so einem Empfang verloren habe. »Onkel Miklós«, flüsterte er dem echten Mann an seiner Seite zu. »Onkel Miklós, machen wir die Fliege. Wir mampfen ein Kipferl und schauen uns Europa an.« (»Denn darauf lief das Spiel hinaus.«) Der Mann hüllte sich in weises Lächeln und nickte. Hier lockte ein Kommunist aus dem kommunistischen Ungarn mit einem als »rechts« zu bezeichnenden wagemutigen und wohlüberlegten Scherz ein Lächeln auf die Lippen der vielen westlichen Intellektuellen. Doch der Meister war so einer nicht. Hinter der Bastion des Aperitifs hervor sagte er mit einfacher Strenge: »Ich kenne diesen Witz mit Carter.« (Man muss nicht extra erwähnen, dass das nicht stimmte, da auch er diesen Witz mit Carter nicht kannte.) Die Behauptung des Meisters war kompliziert, da man nicht wissen konnte: greift er an oder greift er unter die Arme. (Der Meister hat viel von dieser Sorte zu bieten; denn er tut damit weder-noch!, das ist die Lösung! Weder-noch.) Hie und da war verständnisvolles Schnaufen zu hören, aber doch eher nur das Aneinanderdotzen der Stielgläser. » Gut «, gluckste der Witzeerzähler, »sehr gut. Vielleicht«, er zwinkerte selbstverräterisch und kicherte, »vielleicht wäre es auch für mich besser gewesen, wenn auch ich den … khrm … mit Carter gekannt hätte. « Worauf der Meister wie ein Messer oder ein Fleischklopfer: »Das glaube ich nicht.« Und trank den zu süßen Aperitif auf einen Zug aus und lächelte hierhin und dorthin … »Mein Gott«, sagte er später nach der Suppe á la hongroise. »Was brummelst du nur immer«, warf ihm Herr Miklós hin. Hier etwa war der »Fogasch Orly Art« auf den Zungen angekommen und zergangen. Herr Miklós flüsterte mit vollem Mund: »Kipferlzipfelaktion vertagt.« - »Woraufhin ich hart und jugendlich zurückgab: In Ordnung!« Aber es war nicht alles in Ordnung, denn als sie nach oben und hinauskamen, schwankte er - wohl wegen des pulsierenden Lichts und der dumpfen Luft und nicht wegen des Überbordens von Niedertracht - und sagte erneut leise: »Mein Gott.« Herr András nickte hoch an seiner Seite. Sie legten sich die Hände auf die Schultern und verzogen sich (nachdem sie sich von allen, wie es sich gehört, verabschiedet hatten; der Meister küsste absichtlich keine Hände, obwohl das dort Usus war; »auf der Straße sowieso nicht!«).  
  »Schau, was das Bargeld anbelangt, können wir es nur in Raten geben, aber ich glaube, lieber Péter, das ist kein Hindernis. Die liebe Mama … wie noch mal… ja: die liebe Lili Mama stellen wir als Putzfrau ein, in einem halben Jahr hat man die zehn Riesen raus.« (Ha, ha. zu der Zeit gab die gute Frau schon für Herrn Marci die Raumpflegerin!) »Was sind die Forderungen des Sportgenossen?«, fragte einer der Genossen, ein Genosse aus dem Verband. Der Blick des Wortführers sprang zum Meister. Er verstand. »Im Grunde gar keine.« Der nickte hinter der Sonnenbrille (»oh, wie allzu-typisch!«). »Es braucht eine Anstellung«, sagte der Stürmer. »Der Junge ist Mathematiker«, erklärte der Wortführer. Der Genosse Oberingenieur bejahte. »Das kann man schaukeln.« Er sah den Meister an: »Vier.« Der Meister schüttelte den Kopf. »Viertausend«, erklärte der Ingenieur, um, angesichts der Mimik des Meisters, weiter zu verfeinern, »pro Monat, nämlich.« - »Und worin besteht die Arbeit?«, fragte er. Der Genosse Oberingenieur winkte ab. »Ich bitte dich nur, den Zahltag nicht zu verfehlen und das Geld nach Möglichkeit schon vormittags abzuholen. « Das Gesicht des Meisters zeigte sich fragend, und zwar noch bezüglich der »Und worin besteht die Arbeit«-Frage. Die anhaltende Offenheit und Unentschlossenheit des Gesichts brachte Verwirrung in den Raum. Und der Meister, als säße er auf dem Ringelspiel: »die Geometrie zerbrochen«, winzige, unzusammenhängende Details drangen in sein Bewusstsein: der Genosse Generaldirektor schnauft, der Genosse Oberingenieur fährt sich durch das Haar, eine weiße Schuppe fällt herunter, einer der Potentaten zupft sich an der Nase, von draußen tönen die Obertöne des Sports herein. »Lajos, flieg über die Seite!« Der Meister erkennt das. »Das ist Hús.« Hús ist ein Naturtalent, schnell, hart, flankt gut, ist aber rhapsodisch. Der Genosse Generaldirektor öffnete gerade den Mund, um das Wort zu ergreifen, als einer der Potentaten (als würde er ihn synchronisieren) das Wort ergriff: »Dann lassen Sie uns also von diesem Transfer reden.«  
  Die Situation blitzte. »Ist das eine Bitte oder ein Ultimatum?«, fragte der Meister ruhig. »Uhultimahatum? Aber lieber Sportgenosse Eszterházi?!« - »Wissen Sie, mein Freund«, des Meisters Wohlwollen brach durch die eisigen Regionen, »wissen Sie, was mir Rückenschauer bereitete, und immer noch bereitet!, dass ich ihm nicht glaubte, nicht glauben konnte, dass wir lediglich plauderten. Dabei«, er schwang seinen klugen Kopf, »haben wir möglicherweise tatsächlich nur geplaudert. « (Oh, mein Herr, dieses »möglicherweise«, dieses »möglicherweise «. Hier würde ich einen frechen Einwand tätigen. Der Meister behauptet: alles war möglicherweise das, als was es schien. Möglicherweise. Doch wer schon viele Mächte gesehen hat, kann einem erzählen, was dieses »möglicherweise« ist, wenngleich man es selber weiß. Denn wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Napoleon auf einem Schimmel, mit gezücktem Schwertfisch, in die knisternden Büschel eines Badeschaums sprengt? Man weiß es; 50%. Denn möglicherweise sprengt er hinein, möglicherweise sprengt er nicht hinein. Das ist jenes »möglichweise«, oh, mein armer Herr.
n
Jegyzet P. E. ist mit dieser kurzbündigen Meinung nicht einverstanden.
)  
  Der Generaldirektor bemächtigte sich erneut des Wortes. »Wir wissen, dass Sie auch die Láng haben will. Oder die Erdért. Egal. Sie bekommen alles, lieber Péter, was Sie nur wollen  
  Gewiss, zuzusehen, wie zwei Klubs der dritten Liga um ihn wetteiferten, birgt Humorquellen zur Genüge. (»Übertreiben Sie nicht, mon ami, nur der eine.«) Doch wenn ein Mensch - nämlich er - in einer Welt steht, dann ist diese Welt absolut. Auf diese Weise gibt es keinen Unterschied zwischen dem, wie man sagt, hervorragenden Rasenteppich des Nép-Stadion und der eine jede Sohle auf eine harte Probe stellenden lehmigen Oberfläche des Goli-Platzes. »Mein Freund, für den Platz braucht es ein Extrawetter.« Doch wegen der Situationsähnlichkeit sowie deren gesellschaftlicher Wichtigkeit gerät unweigerlich auch Herr Marci in den Assoziationskreis; und überhaupt: der Meister liebt ihn.  
  Und es ist schon ziemlich humorig, dass, als der Tanz ums »Marcilein « losging und der Beauftragte eines namhaften Klubs im elterlichen Hause erschien, auch dort dasselbe gesagt worden war: »Der Marci bekommt alles, was er nur will. «D a saßen sie, das Familienoberhaupt, die beklommene Mutter, der Meister und… doch verderben wir die Überraschung nicht. Der ergraute Zeitschriftenschreiber fing zu lachen an, wie ein gut gelauntes Pferd, seine schönen, gelben Zähne hingen heraus. »Schauen Sie, mein Herr, ich erzähle Ihnen eine Geschichte … Einer meiner Söhne (dem Leser sei es verraten: es handelt sich um Herrn György, offensichtlich) sah im Alter von zwei Jahren zum Mond hinauf - der talentierte Übersetzer vermochte kaum seine Laune zu zügeln -, er sah hinauf und sagte: Will haben. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen.« Die heilen Brillengläser glänzten besorgt. Der Beauftragte sagte, etwas nervös, da er nicht wusste, ob die Esterházys pokerten oder ob sie blöd waren: »Sehen Sie, mein Herr. Wir sind erwachsene Menschen. Schwarz auf weyss.« - »Schwarz auf gelb«, quakte der Meister dazwischen, sehr geistreich, diesmal eine Eins in historisierendem Denken erringend, doch die anderen waren mit den blutigen Dingen der Praxis beschäftigt und achteten gar nicht auf ihn. Mehr noch, der Vater des Meisters zischte ihn sogar an: »Unterschätz sie nicht.« - »Sehen Sie, mein Herr. Lassen Sie uns offen reden.« Er holte tief Luft. »Wir geben Ihnen das Doppelte wie die Fradi.« Hier brach unter dem Bett - voilá, die versprochene Überraschung! - Wichtellachen hervor: »Mach dich mal nicht fertig, Kumpel«, sagte Herr Marci von dort, da er sich listigerweise dort versteckt hatte; einer, der bis ins Mark ein Fradiler ist, ist zu solchen Findigkeiten fähig: wenns sein muss, sogar unters Bett! »Oh, das Marcilein ist ein sehr liebes Kind, mit dem gäbe es keine Schwierigkeiten«, sagte schnell und unschuldig des Meisters Mutter.  
  Es war eine amüsante Szene, die vielen Sprösslinge konnten den Gast partout nicht verstehen. (Es gab keinen gemeinsamen Nenner.) Und währenddessen das permanente Kichern des Herrn Marci unter dem Bett! Der Beauftragte fragte - obwohl sein Auftrag ein anderer war -, was das sei. »Der Marci hat sich versteckt«, antwortete prompt der Meister, der die Wahrheit liebte. Darüber lachten dann alle herzlich. Des Meisters Vater tauschte mit dem Abgesandten - wie mit jedem Abgesandten - das Du, dann wurde dieser allmählich hinauskomplimentiert. »Ach, ich habe mich sehr gefreut«, sagte die Mutter des Meisters und ließ sich zum Abschied, wie von jedem Abgesandten, die Abseitsregel erklären; was das sei, ein Abseits. »Mein Junge«, sagte später die heilige Frau und kugelte sich vor Lachen, »ich verstehe das nicht.« - »Weil du nie aufpasst, Muttchen.« - »Na-ha-tü-hür-li-hich nicht.« Und über das holprige Gesicht flössen die Tränen herzhaften Gelächters. (»Der Augenblick der Abgabe zählt.«)  
  »Was wird meine Arbeit an meinem Arbeitsplatz sein?« Er versuchte, das nicht addressiv zu fragen, mit wenig Erfolg; er dachte daran, dass er zu viel gelernt habe, um jetzt eine Alibistelle anzunehmen. Plus seine hohe Moralität! »Schau, ich verstehe dich ja, mein Lieber«, sagte mit angesäuerter Herzlichkeit der Genosse Oberingenieur, »aber momentan können wir dir einen Par-Exzellenz- Arbeitsbereich, das heißt einen Mathematiker-Arbeitsbereich, nicht zusichern. Aber schau mal. Das ist lediglich eine Frage der Zeit, ich rede mit Baittrok aus der Zentrale, die haben eine Abteilung für Rechentechnik.« - »So was in der Art bräuchte man«, sagte der diplomierte Stürmer. Der General lachte sprudelnd heraus. »Wenn du so darauf bestehst, ich kann es regeln, dass du zur Arbeit erscheinen musst. Nicht einmal für das Training geben sie dir frei.« Darüber amüsierte sich Hinz und Kunz prächtig. Als sich das Gelärm gelegt hatte, sah es der Meister, fälschlicherweise, als richtig an, an seiner Überzeugung festzuhalten. »Ich will keine Arbeitszeit, sondern Arbeit.« Der Mann vom Verband riss sich ungeduldig die Sonnenbrille herunter. Der Meister sah denn, das muss ich nicht extra betonen: er hatte seinen Blick böswillig sofort dorthin vertieft - klare, blaue Augen. Wie die von Paul Newman. Eigentümlich. »Was wir möchten, ist, dass der Sportgenosse hier, unter der Ägide dieses Sportvereins spielt.« - »Tja«, sagte er und hob etwas ratlos seine schmalen, grazilen Schultern, »deswegen bin ich hier und nicht anderswo.« - »Also dann, Péter«, der Wortführer schob sich von der Seite heran, »hier, wenn ich bitten darf.« Und schon ward ein Stift in des Meisters Hand gedrückt, vor ihm das Papier, darauf ein kurzer, stumpfer Finger, hilfsbereit anzeigend, wo. Er spreizte die freie Hand über dem Papier (der kurze, stumpfe Finger zog sich eilends zurück), setzte sie liebevoll auf, wie er das bei jedem Papier zu tun pflegt. Doch seine Stimme war eine solche nicht; obwohl er das verbarg. »Dafür haben wir noch Zeit«, sagte er heiter. »Es würde uns beruhigen, wenn die Sache erledigt wäre«, sagte der Potentat nun wieder mit Brille. »Wir hätten gerne, dass du unterschreibst«, der Genosse Generaldirektor sprach ihm freundlich zu. Er schüttelte leichthin den Kopf. »Warten wir die Nachrichten der Zentrale in der Sache der Stelle ab.« - »Mein Lieber, betrachte das als erledigt.« - »Das freut mich sehr«, er sagte die Wahrheit. »Es wäre für uns beruhigend, wenn der Sportgenosse …« Hier sprang der Meister auf - er spürte dasselbe wie auf dem Europäischen Empfang - und wurde bestimmt. »Also, hört zu«, sagte er das Per-Du galant ausweitend, »die Sache ist im Wesentlichen gebongt. Ich komme hierher.« Die Freude über diese Mitteilung wurde vom Niederlegen des Stiftes egalisiert. (Also, das ist keine ganz alltägliche Szene! Wie er, der Meister der Feder, die Feder niederlegt. Eine schmerzliche Situation, auf jeden Fall.) »Sobald die Stelle, über die wir sprachen, da ist, ruft ihr mich an und ich komme und unterschreibe. Wir haben noch Zeit, wenn auch nicht viel.« (Das ist so eine charakteristische Wendung von ihm, dass er die Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens mit einer spielerischen Bewegung ausweitet, zu einem Unendlichen hin: Wir haben Zeit, wenn auch nicht viel. Und dieses Unendliche schmiegt sich dann doch in so einer bescheidenen Ordnung zwischen die Geschäfte der Praxis, aus denen es herausgehoben ward.)  
  »Wenn du meinst…« - »Ich meine es.« Alle standen auf. »Wir freuen uns sehr, dass der Sportgenosse so verantwortungsbewusst über die Arbeit denkt«, sagte der verschwiegenere (: kleinere) Potentat. Der andere Potentat schwieg betont, und als die kleine Hand des Meisters beim Abschiednehmen zu ihm kam, bedeckte er diese mit seiner schweren, sogar auf den Fingern behaarten, gepolsterten Hand und sprach freundlich also: »Schreiben Sie das bloß nicht, Eckermännchen. « Es war nämlich so, dass die Sache nach einigen Veröffentlichungen in Zeitschriften mehr oder weniger publik, das heißt bekannt wurde. Der Meister hätte seine Hand gerne zurückgezogen, doch diese klemmte fest, wie in einem Schraubstock! »Ich schreibe alles«, sagte er, vor sich hin starrend, leise, tonlos, verloren. Die feiste Handfläche zuckte ein wenig, doch das bedeutete für den Meister noch keine Gelegenheit. »Aber denken Sie jetzt bloß nicht, wir hätten Sie hier gefichtet.« - »Aber Sie haben mich doch gar nicht gefichtet «, sagte er erheitert. »Das sage ich ja, dass wir Sie nicht gefichtet haben. Wenn wir Sie fichten, sieht das anders aus …!« Hopp, da entschlüpfte endlich die kleine Hand der schwitzenden, eisernen Faust; man nahm nicht an, dass sie so klein sein würde. »Oho, natürlich, und wie, auf jeden Fall«, er grinste und stimmte lauthals zu, mit jener liebenswürdigen Ungehobeltheit, die er von Herrn Marci gelernt hatte, und ließ die gestandenen Mannsbilder stehen. »Dafür, mon ami, wird man mich noch mal so richtig in den Arsch treten.« Und er rieb seine kleinen Blumenhändchen aneinander, wie ein Geschäftsmann …  
  Es war also geschehen. Er fühlte Leichtigkeit in sich und ein wenig Trauer. Wer wird wohl an seiner Stelle spielen? Und wer wird der neue Mannschaftskapitän? Vielleicht der Libero. Aber hoffentlich der Linke Verteidiger. Doch sein Umherschweifen wurde bald pragmatischer. Hús, Basa, Oszvald, Dr. Móka, Ugróczky. Welcher? »Na? Hast du unterschrieben? «, fragte der hochgewachsene Junge. Die am Geländer Lehnenden schauten nun wieder sie beide an. »Noch nicht.« - »Klar, Männe. Da hast’s, friss.« - »So was in der Art.« Sie hatten sich schon verabschiedet, als der Meister sich plötzlich umwandte. »Wisch dir doch endlich die Ellbogen, um Himmels willen!« Der Mittelfeldspieler hob den Ellbogen, zuckte die Schultern, schlug den Meister lachend gegen die Brust. »Ich seh’ schon, heute bist du bescheuert drauf. « Sie verabschiedeten sich erneut.  
  Er entfernte sich unten am Spielfeldrand. Das Training neigte sich dem Ende zu. Hús flankte in die Mitte, Oszvald und Dr. Móka schossen aufs Tor. Dr. Móka kam, als er einem davonrollenden Ball hinterherrannte, in die Nähe des Meisters und erkannte ihn. Sie hatten einmal zusammen in der Kreisauswahl gespielt. »Ein Schmalzstullen-Spiel zugunsten der Hochwasseropfer.« - »Was ist, Kleiner, kommst du zu uns?« - »Sieht so aus.« - »Gut.« Dr. Móka nickte und ging zurück zum Bälleschießen. Als er zum Obergeschoss hinauflinste, sah er dort zu seiner großen Überraschung seine vorherigen Verhandlungspartner geschart, um zu spannen. Um ihn auszuspannen. Sie schubsten und schoben einander. »Wissen Sie, mein Freund, wie auf der Penne, wenn in der Szentkirályi-Straße eine heiße Mieze auf der Sonnenseite vorbeiging. « Er blieb stehen, ein wenig gegrätscht und sich nach hinten lehnend, sah er nach oben, frech hinauf. »Was ist?«, jauchzte er. Eine Antwort von oben gab es freilich nicht, nur ein nervöses Durcheinander und ein negatives Drängeln, weg vom Fenster, wie wenn das nämliche Fräulein es (in der Szentkirályi-Straße oder woanders) den milchbärtigen Gymnasiasten zurückgibt: »Na, was ist, Jungchen?!« Er ließ den Sportplatz lange hinter sich. Er ahnte nicht einmal: er war zum letzten Mal hier.  
 
 
  22 Der Meister hob den Finger (das Land verstummte) und bewegte diesen. »Sehen Sie, mein Freund, wir wechseln hier die Erzählebenen wie andere Leute die Unterhosen. Dies ist gleichzeitig eine Erklärung.« Doch mit einem Auge observierte er bereits die Plastiktüte, die neben den Handtüchern hing: ob es darin Gummis für die Stutzen gab. Dann, während er zwischen zwei klauenartig gebogenen Daumen einen Einmachgummi, den er gefunden hatte, dehnte und entspannte, um zu prüfen, ob er in ausreichendem Maße elastisch war, sagte er angemessen: »Wissen Sie, mein Freund«, und dabei zupfelte er resigniert den Gummi, »was ich möchte, ist, dass die Zeit nur so in den Roman hineinrinnsalt. Wie wenn … Ach, zu alt!« Und er warf den rissigen, zu alten Gummi von sich. Er war gerade in großer Stimmung zu lehren, großer Vorfahren Ergebnis war er hier und jetzt. Im Trainingsspiel hatte die Mannschaft seelenlos gespielt, man musste etwas tun. Woraufhin er sich zu Wort gemeldet hatte und in Aussicht stellte, wenn das so weiterginge, würde die Mannschaft nach den Spielen zusammenbleiben müssen und er würde Ausschnitte aus seinem neuen, tausendseitigen Roman vorlesen. Natürlich gab es so einen Roman nicht, aber das konnte keiner mit Sicherheit wissen. Die Jungs jedenfalls waren eingeschüchtert und ergingen sich in leisen Beteuerungen. Der Rechte Verteidiger sagte ernst: »Dann nehmen wir uns lieber die Meisterschaft vor.«  
  »Wie wenn«, setzte er seine romantheoretischen Auseinandersetzungen bezüglich des Hineinsickerns der Zeit fort, »wie wenn aus einem ungeschickt geöffneten Milchschlauch die Milch auf den Tisch läuft. Sanft, natürlich; damit noch der Atem der Kühe zu spüren ist. Die Politur oder die Fettigkeit treibt die Flüssigkeit zu kleinen Seen zusammen, man könnte sagen: sie taucht hier und da auf. Schön ruhig. Keine Didaktik, nur Milch.« Er sann nach, in seinen schönen »schmutzig grauen« Augen teilten sich Weisheit und Zweifel den Platz. »Mein Freund, der Roman ist eine subjektive Epopöe, in welcher der Verfasser sich die Erlaubnis ausbittet, die Welt nach seiner Weise zu behandeln. Es fragt sich also nur, ob er eine Weise habe; das andere wird sich schon finden.«  
  Der Verfasser dieser Zeilen nimmt, wie aus dem Bisherigen in aller Eindeutigkeit klar geworden sein dürfte, die Literatur sehr ernst. Er kaufte also - bei passender Gelegenheit - 10 Liter Milch, 16 St. Halbliter- und 2 St. Literflakons, ging in die Küche hinaus, um dieselben ungeschickt zu öffnen. Er kann sagen, es kam ihm bezüglich der Methoden so manches in den Sinn. Er riss in der Mitte mit den Zähnen daran herum, und die Milch spritzte ihm ins Gesicht. »Dass die Zeit … so?« Er schüttelte erschrocken seinen milchigen Kopf. Er zerrte, schnippelte, riss am Schlauch. Wildtierhafte Chancen und Konditionen. Während die Sanftheit des Milchtropfens, wenn er da ist, unbestreitbar ist. Einmal brach das Erlebnis in Form einer Frage herauf. Ich weiß nicht, ob der Meister schon solche zerfetzten-geschändeten Plastikschläuche zu sehen beliebt hat? »Ich beliebte«, sagte er mit verschlossener Kühle.  
 
 
  23 Der Meister beeilte sich zum Training, diesmal mit der HÉV. Sein Orlow’scher Rappe wurde immer öfter von Frau Gitti in Beschlag genommen. Es herrschte eine mächtige Erwärmung. Der Meister ward - als Intellektueller - von leichten Kopfschmerzen geplagt; Ausdünstungen menschlicher Körper, die Feuchte, all das verschlimmerte seinen Zustand noch. Da wandte sich Kálmán Mikszáth an ihn und fragte, wie spät es sei. Der Meister sagte, wie spät es war. »Danke, mein Sohn«, sagte Herr Mikszáth, der ungemein schwitzte und schnaufte. In seinem kurzen Haupthaar glitzerten, wie Meeresaugen (»sanft!!!«), die Schweißtropfen, sein Bart war durchnässt, als käme er aus dem Bade, sein sich hochwölbendes Westlein hob und senkte sich wie ein Blasebalg in der Schmiede. »Die armen Knöpfe«, dachte der Meister sorgenvoll. Aus einer Tasche lugte eine in Mitleidenschaft gezogene Zigarre hervor. »Mein Freund! Wie ein Pferdefuß! « - »Diese freigesinnten braven Herren …« Herr Mikszáth schüttelte den Kopf im Rhythmus der Westenbewegung. Der Meister schloss die Augen. Das Reden und Schweigen fiel ihm schwer. Aus Herrn Mikszáth sprudelte das farbige Märchen hervor, wie gewöhnlich.  
  »Ich komme aus dem Abgeordnetenhaus. Hör dir das an, Brüderchen. Nur so viel, ich hatte beschlossen, meine Uhr nach einer perfekten anderen zu richten. Zu diesem Zwecke sprach ich auf dem Flur Kálmán Tisza an, der in ein Gespräch mit Lajos Láng vertieft war.  
  >Eure Exzellenz, wie spät ist es?< Tisza antwortete zerstreut: >Eins ist sicher, nämlich, dass es Mittag vorbei ist.< Aber natürlich konnte ich danach nicht meine Uhr stellen.« Der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Der Meister überreichte seine Monatskarte, zu der er von seinem Institut monatlich 65 Forint Zuschuss erhält. Herr Mikszáth manövrierte so lange hin und her, bis er drumrumkam. Nun sahen sie sich zum ersten Mal an, wie zwei… Menschen. »Doch weiter … Zum Glück kam Hegedűs vorbeigelaufen.  
  >Ich bitte dich, wie spät ist es?<  
  >Gleich, gleich!<, rief er im Laufen, und er läuft noch heute, wenn er nicht stehen geblieben ist. Ich drehte mich auf der Ferse um und schritt in Richtung Ministerzimmer. Unterwegs kam mir Kálmán Széll entgegen.  
  >Eure Exzellenz, wie spät ist es?<  
  Er antwortete gelangweilt: >Soll ich das jetzt auch noch wissen?< Auf diesem Wege erfuhr ich die Zeit auch nicht, doch da saß in einer Ecke Mihály László, er würde es mir gleich verraten.  
  >Was schlägt die Uhr, Miska?< Unser Freund Miska sah mich misstrauisch an.  
  >Hm<, sagte er und sah sich vorsichtig um. >Warum fragst du das ausgerechnet mich? Frag doch den Horánszky!«  
  Die HÉV hielt an der Haltestelle Filatorigát. Viele Frauen stiegen ein, sie kamen zumeist aus der Weberei. Herrn Mikszáths Nasenflügel erbebten, so wie die des Meisters. »Aber Onkel Kálmán«, sagte Letzterer leise, während sein Blick sich in den Armausschnitt eines Kattunkleids versenkte. Herr Mikszäth blieb unerschütterlich. »Ich hätte Horánszky auch gefragt, aber ich habe ihn in der Gruppe, die Gajári zuhörte, der ein Jagdabenteuer zum Besten gab, nirgends entdecken können.  
  >Ödönke, mein Herz, wie viel Uhr ist es?< Gajári, der ewig aufmerksame, höfliche Gajári antwortet, ohne nachzudenken: >Wie viel wünschst du denn?<  
  Woraufhin ich mich unbefriedigt abwende, dem mürrisch auf und ab gehenden Imre Veszter zu, wie spät es sei.  
  >Weiß der Geier<, knurrt der bitter. Ich sehe schon, dass ich hier nicht weit komme, und schnappe mir Apponyi auf dem Korridor.  
  >Wie spät mag es jetzt wohl sein?<  
  Apponyi holt seine Uhr hervor und sagt:  
  >In Anbetracht dessen, dass ich meine Uhr vorgestern um zehn Uhr zwanzig mit der Uhr des Politechnikums verglichen habe, aber sich bereits gestern Mittag um elf Uhr eine neunminütige Differenz zeigte, und angenommen nun, dass diese Differenz von permanentem Charakter ist, ist es gegenwärtig noch nicht ganz ein Uhr; aber da die Differenz aller Wahrscheinlichkeit nach eine sukzessive ist, denn Differenzen sind entwicklungsfähig, kommt in ultima analysi meiner Meinung nach im konkreten Fall dasselbe Ergebnis heraus, nämlich, dass es noch nicht ganz ein Uhr ist.<  
  Davon wurde ich auch nicht schlauer; das Beste schien, sich doch an einen alten Freigesinnten zu wenden. Na, da kommt doch Károly Fluger herangezuckelt.  
  >Wie spät ist es, Alter?< Sein Schlappbart hängt herunter, traurig winkt er ab:  
  >Uns wirt net eimol des mehr gsagt!< Ich ließ den wehmütigen Schwaben stehen und ging zu Jókai, der aus dem Oberhaus zu einem kleinen Plausch herübergekommen war.  
  >Wie spät haben Sie es, Onkel Móricz?<  
  Jókai war zu Scherzen aufgelegt. >Ja, bin ich denn deine Uhr? Ich gehe zwar, ich schlage auch, aber ich zeige nicht an.<  
  Und damit schlug er mir kräftig auf den Rücken und ging weiter. Selbst die Erde schien in diesem Augenblick zu beben. Dezső Szilágyi kam aus dem Ratssaal, fauchend, schnaufend wie der Waldochse aus dem Dickicht.  
  >Exzellenz, ich bitte dich, was sagt die Uhr?<  
  >Was ist das für eine dümmliche Frage ?<  
  Ich trollte mich und zwischen all den gleichgültigen, kalten Figuren sah mich als Einziger Pál Kiss aus Nemeskér freundlich und vertraut an.  
  >Euer Gnaden, wie spät ist es?<  
  Er dachte nach, zog seine Uhr hervor, sah aufs Ziffernblatt und schlug plötzlich den Deckel wieder drauf.  
  >Wenn du’s unbedingt wissen willst<, sagte er zögernd, >kann ich Darányi fragen. < «  
 
 
  24 Liebster Péter!  
  Hierher hat mich also der liebe Gott geworfen! Es war ein mächtiger Fall, mir tut noch vieles »weh«, aber am meisten das Herz. Es schmerzt von der mich umgebenden Schönheit und der Einsamkeit. O wie sehr wünsche ich mir Sie und die liebe Gitta hierher.  
  Ich kam nach zehn Stunden Zugfahrt hier an. Das Tal ist wundervoll! Rosskastanien, Rhododendren. Die Sonne geht um 1/2 9 unter. Gerade habe ich Abschied von ihr genommen. Im Park ruft noch der Kuckuck. Frühmorgens weckten mich das Gurren wilder Tauben und der Gesang der Amseln. Die bunten Fenster sind hier ganz pfingstlich. Fast fängt das viele Rot Feuer darin. Die morgige Messe mit Musik und Chor wird im Radio übertragen. - Ich war schon bei einer Papstmesse. Und Sie, Sie Pirat auf päpstlichen Gewässern? Das BiblischTheologische Wörterbuch habe ich Ihnen schicken lassen. Mein Gott, wie vieles es doch gibt, wofür wir dankbar sein können. Das sage ich nicht wegen des Wörterbuchs. - Gestern, am 20. August, war ich in Gedanken in Budapest; wie wohl der »Tag des Neuen Brotes« gefeiert worden ist und wann! Gab es ein Feuerwerk? Konnte man es von Ihnen aus gut sehen? Wie ist Ihre Stellung? Ich habe Guszti Bucsányis Foto wiedergefunden. Was für ein fescher Mann er doch mit Bart war! Und heute ist er ein greiser alter Mann.  
  Gott segne Dich, mein Sohn.  
  Jolánka  
 
 
  25 Liebster Péter!  
  Ich schicke Ihnen hiermit zwei amüsante Schreiben bezüglich Karlas Process in 50. Damals waren Sie noch gar nicht auf der Welt. Aber vielleicht interessiert es Sie. — Ohne jeden Grund ist mir, als ich im Garten des Kurhotels saß (nicht in der Sonne!), schlecht geworden und ich rief um Hilfe. Die einstigen Menschen hatten einen besseren Geschmack, als ihn die heutigen haben. - Die Kellner sind sehr nett, aber mir scheint, sie lassen die Zitrone weg. Sie denken, ich bin schon so alt. Heute Mittag erkundigte ich mich nach den Zitronen. Ich fragte listig, als wäre ich voll guten Willens. Der Kellnerjunge ist nicht rot geworden, dabei war ich mir sicher. Katalin brach in Tränen aus.  
  Es umarmt Sie Ihre greise Jolánka  
  PS: Die Schriftstücke behandeln Sie bitte vertraulich. Oder wie Sie wollen. Mich interessiert das nicht mehr. Und Karla ist es egal. Wenn ich noch was finde, schicke ich es. Sie verstehen was von Zahlen, Sie wären wahrscheinlich dahintergekommen, es reicht, wenn man sich das Datum ansieht. Am 7. April war der Freispruch, am 8. (!) die Internierung, die mit einem rechtskräftigen Freispruch (24. Okt.) 3 Jahre dauerte. Die arme Karla. Es wundert mich nicht, dass sie voreingenommen ist, obwohl es mir äußerst auf die Nerven geht.  
  Jolánka  
  1. Auszug aus dem Protokoll der Hauptverhandlung, 7. April 1950. Zeugenaussagen  
  Ferenc U, wohnhaft in Cs.: Ich kenne die Angeklagte nur vom Sehen. Im Februar dieses Jahres fuhr ich mit János Nagy nach O., um Kohle zu holen. Die Angeklagte wartete mit ihrem kleinen Wagen vor der Kohlesortierung und hatte dabei einen Wortwechsel mit dem Sekretär der Landarbeitergewerkschaft Défosz. Der Sekretär sagte, sie könne keine Kohle ausfahren, da sie kein Mitglied der Défosz sei. Worauf die Angeklagte sagte, wenn ich auch nicht in der Défosz bin, ich esse dasselbe Brot wie Sie. Hiernach entfernte sich der Défosz-Sekretär und die Angeklagte unterhielt sich weiter mit József F. und sagte über den Défosz-Sekretär W., der wird auch noch mal ein kleiner Junge, und zeigte dabei mit der Hand auf die Erde.  
  Angeklagte: W. war damals gar nicht mehr da, er war schon längst aufgeflogen.  
  Zeuge: Ich dachte, der, der damals Défosz-Sekretär war, hat W. geheißen.  
  József B.: Die Angeklagte hatte einen Wortwechsel mit dem Défosz-Leiter und dabei machte sie die Aussage, dass sich die Lage noch ändern würde, die werden noch mal ganz klein, und dabei zeigte sie nach unten. Von einem Krieg war nicht die Rede gewesen. Den Défosz-Leiter kenne ich nicht.  
  János H., Vorsitzender der Défosz: Ich sagte F., die Angeklagte würde gerne den Mitgliedsbeitrag zahlen, aber sie dürfe nicht, woraufhin die Angeklagte fragte: Wieso, bin ich vielleicht ein Kulak? Worauf ich sagte, kein Kulak, sondern ein Klassenfeind. Woraufhin die Angeklagte fragte: Ich darf also nicht ausfahren? Darauf antwortete ich: Das habe ich nicht gesagt, und entfernte mich.  
  József B.: Es war so, wie U. gesagt hat.  
  János H.: Mir gegenüber hat keiner erwähnt, dass die Angeklagte so etwas gesagt hätte, und sei es in meiner Abwesenheit. - Vor mir war W. Vorsitzender der Defosz. - Ich kenne die Angeklagte als Fuhrunternehmerin. Im Winter fuhr sie sogar Rundhölzer für die Bahn und Kohle für die Arbeiter in M.  
  Gusztáv K.: In Cs. habe ich gehört, sowohl der Apotheker als auch der Tierarzt hätten einen Einberufungsbefehl bekommen. Wir haben uns den Kopf zerbrochen, was der Grund dafür sein könnte. Wer die Nachricht verbreitet hatte, das weiß ich nicht.  
  István P.: Weiß nichts, die Angeklagte kennt er nicht.  
  József F.: Der Vorsitzende eröffnet ihm die Aussagen der Anklage. Diese habe ich nicht gehört. Ich habe gehört, als die Angeklagte mit H. zum ersten Mal gesprochen hat. H. fragte mich, wieso ich nicht in die Défosz eintrete. Die Angeklagte schaltete sich in die Unterhaltung ein und sagte, auch sie wäre gerne eingetreten. Worauf H. sagte, sie dürfe nicht eintreten.  
  Ferenc U.: Nach diesem Gespräch, nachdem H. gegangen war, wandte sich die Angeklagte an F. und sagte: Das wird noch mal anders, der wird noch mal ein kleiner Junge. Dabei richtete sie ihre Hand auf den sich entfernenden H. und zeigte auf die Erde.  
  József F.: An eine solche Aussage der Angeklagten kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe keine Kriegsnachrichten gehört. Demokratiefeindliche Aussagen habe ich nicht gehört, ich weiß, dass die Angeklagte im Winter Rundhölzer für die Bahn gefahren hat.  
  Gusztáv K.: Ich stand da, habe aber U. und B. nicht gesehen, F. ja.  
  U. und B. geben übereinstimmend an, dass das Gespräch nicht beim Messgehalt stattfand, sondern ca. 15 Meter davon entfernt.  
  Angeklagte: Das Gespräch fand nicht an der Wiegevorrichtung, sondern ca. 10 Meter davon entfernt statt. - Es stimmt, dass mehrere in der Nähe standen, aber nicht alle kenne ich mit Namen. Ich kenne Gusztáv K. Wenn ich ihn sehen würde, könnte ich mich äußern.  
  2. Abschrift  
  Staatssicherheitsbehörde des  
  Innenministeriums  
  Bpest, VI. Andrassy-Straße 60.  
  Fernspr. 127-710  
  Postamt 509.  
  ENDBESCHLUSS  
  Hiermit wird nach Erlass des Premierministers Nr. 8130/1939 § 1, Abschnitt b) und nach Erlass des Innenministers Nr. 228010/1948 IV/1 § 2 für  
  (mit Schreibmaschine überschrieben) ehemalige Gräfin, Großgrundbesitzerin  
  Fuhrunternehmerin, wohnhaft in  
  die Polizeiaufsicht (Internierung) verfügt.  
  BEGRÜNDUNG  
  Genannte hat sich der antidemokratischen Hetze schuldig gemacht, welche geeignet war, Hass gegen die Demokratie zu schüren, aus diesen Gründen ist aus Gründen der Staatssicherheit eine Internierung angezeigt. Dieser Endbeschluss ist anhand Art. XXX. § 56, Abschnitt b), aus dem Jahre 1929, ungeachtet eines Widerspruchs sofort durchzuführen. Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von 15 Tagen beim Herrn Innenminister Widerspruch eingelegt werden. Bpest, 8. April 1950  
  3. Abschrift  
  Oberster Gerichtshof der Ungarischen Volksrepublik B. IV. 5984/ 1950-8. ( ) Dass die Angeklagte mit ihrer im Sachverhalt festgestellten Aussage nicht die Änderung der demokratischen Staatsordnung in Aussicht gestellt habe, sondern ausschließlich auf eine im Zusammenhang mit der nächsten Wahl des Défosz-Vorsitzenden zu erwartende Veränderung anspielte, welche lediglich für die Person des damaligen Défosz-Vorsitzenden unvorteilhaft sein würde, mit welchem sie eine gewisse Meinungsverschiedenheit gehabt hatte - dies wird auch durch die Kleinheit anzeigende Handbewegung der Angeklagten bekräftigt, mit der sie die von ihr gewählten Worte (»Der wird auch wieder so ein kleiner Junge sein!«) begleitete und die auf so eine personenbezogene Veränderung hindeutet. Hätte die Angeklagte tatsächlich an einen Systemwechsel gedacht, hätte sie in diesem Fall die Veränderung im Schicksal der Funktionäre der Demokratischen Grundinstitutionen nicht mit der üblichen, Kleinheit anzeigenden Geste symbolisiert, dieses Kleinwerden entspricht nämlich bei weitem nicht dem Schicksal, das die demokratischen Funktionäre im Falle eines angenommenen Systemwechsels erwarten würde.  
  Gemessen daran erwies sich der Widerspruch als gegenstandslos und wird vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen, das Freispruchurteil wird bestätigt.  
  Bp., den 24. Oktober 1950  
  4. Kistarcsa, 2. Regiment Teure Mamili!  
  Die Besuchszeit für den 22. wurde aus technischen Gründen verschoben. Ich schreibe dir, wann sie genau stattfindet. Die Sachen, um die ich in meiner Karte vom 2ten gebeten habe, schicken Sie bitte per Post. Zu der Kleidung kaufen Sie, bitte, Mamili, noch einen Trainingsanzug in meiner Größe, möglichst in Dunkelblau, und zwei Packungen Natron. Ich bitte Sie, die Lebensmittel getrennt aufzugeben und das große Paket auch getrennt. Am besten, Sie nähen die Sachen in eine Art Sack ein, auch die kleineren Dinge, damit sie sich nicht verstreuen. Bleistifte brauche ich nicht. Ich hoffe, Mamili, zu Hause sind alle wohlauf? Bitte schicken Sie die Pakete so los, dass sie möglichst beide nächste Woche hier ankommen. Ich warte auf Antwort auf meine Karte vom 2ten, ich küsse Sie, teure Mamili, bis zum Wiedersehen.  
 
 
  26 »Die Vorortbahn zieht weiter.« Da seufzt der Feinschmecker ob dieses überreichen Übereintreffens, des strukturellen Verhältnisses zwischen Leben und Werk. »Gefällig.« - Wie sich an so eine alltägliche, graue, doch durchaus tätige Tatsache, das Losfahren der HÉV, und mit was für prächtigen Fesseln, die die Ganzheit, die unverbrüchliche Einheit des Seins vozierende, wenn auch ein wenig zu bekannte optimistische Erkenntnis anschließt, dass das Leben weitergeht!  
  »Die Vorortbahn zieht weiter«, murmelte der Meister in Stille; die HÉV-Wagen setzten sich in Bewegung, das graue Massiv der Árpád-Brücke blieb langsam zurück. Der Meister hatte einen guten Platz erwischt und auch wieder nicht - er stand an der sonnigen Seite, in mächtig großer Erhitzung, dafür aber am Fenster -, und so fühlte er sich wohl und wieder nicht. Aber er tat alles, um sich wohl zu fühlen: er holte keine Luft, »drehte sich auf die Kante«, seine Nase, das berühmte Stück, drehte-wendete er so, dass ihm die Kühle des durch sie entstandenen, bedeutenden Schattens zum Troste gereichen konnte. Die Sache ging nicht so richtig voran. Esterházy war auf schöpferische Weise unzufrieden; er wusste, der Schriftsteller braucht heutzutage sein Wort nicht mehr zum Schicksal der Findlingskinder zu erheben und muss auch nicht für einen kürzeren Arbeitstag und mehr Freizeit wider die Arbeiter-und-Bauern-Macht zur Feder greifen! Doch schon was zum Beispiel den Kampf um die wahre Befreiung der Freizeit angeht, ihres Sinns, ihrer den Menschen bereichernden Inhalte, hat die Kunst eine große, durch nichts zu ersetzende Rolle.  
  Die HÉV fuhr an der Essigfabrik entlang und wandte sich, sich in die Kurve legend, von der Donau ab. Der Meister war von leichten Kopfschmerzen geplagt. Die Kurve brachte die Menschen ein wenig in Bewegung, sie rieben sich aneinander. Er wusste sehr gut, was ein junger Autor braucht. Was er braucht, ist kein Schulterklopfen, sondern Vertrauen und ein strenges Urteil, damit ihm nicht schon oft bei Erscheinen des zweiten Bandes die Puste ausgeht, aber am meisten braucht er vielleicht, dass man ihn nicht in Scheindebatten erstickt, die auch so schon auf jeden Fall anachronistisch sind.  
  »Leider«, er zog etwas milder seine zierlichen Schultern hoch, »leider kann ich mich zu Schicksalsfragen nicht auswachsen.« Doch das ist so nicht richtig. Ich wollte schon längst bemerkt haben, dass man beim Meister nie weiß, was er ernst nimmt und was nicht. Und das ist, nicht wahr… so nicht richtig. In den Augen des Meisters glomm schelmisch ein Licht auf, und er sagte gutgelaunt, wobei er meine Backen, wie die gemeinen Tantis, zwischen zwei seiner kralligen Finger zwickte. »Na, na, Sie Schlimmer« - bei »-mer« zwickte er zu -, »so viel kann man schon wissen.« Ich wiederhole: Er schien sehr wohlgelaunt zu sein. Später nahm das ab. Höflich sprach er: »Aber, aber. Ich sinke vollständig auf mein eigenes Niveau.«  
  Doch zurück zur HÉV, nicht dass die sprichwörtlichen Pferde hier mit uns durchgehen; »der HÉV zugewandt«. »Was für eine HÉVtigkeit, mein Freund.« (Selbstironie.) Vor der Essigfabrik war eine alte kleine Lokomotive abgestellt. Die Kaffeemühle. Die Kurve ließ auch sie verschwinden. Doch an diesem Tag veranlasste ihn alles zu sensiblem, gesellschaftlich relevantem Nachsinnen. Am Fuße der sich wie Pilze vermehrenden, helle, weiträumige und praktisch aufgeteilte Wohnungen beinhaltenden Gebäude standen halb abgerissene Häuser (Krüdy, 1878-1933; etc.). Schatten entstanden. »Um die heutigen Probleme des Sozialismus zu verstehen, mon eher ami, müssen wir immer und immer wieder die Vergangenheit beleuchten. Es gibt viele Fragen, die auch im Zusammenhang mit unserer Vergangenheit aufgeworfen werden. Literatur ist Entscheidung, sich bekennen, eine Wahl treffen, urteilen. Entweder Dózsa oder Verbőczy. Da gibt es kein Verhandeln! Hier kann es kein Nachsehen, Vergessen, Verzeihen geben! Ein jeder muss seine Wahl treffen.«  
  Schon stellte ihn das Leben wieder vor eine frivole Situation: als sie die Kurve verließen, die Szentendrei-Straße erreichten und gerade dabei waren, auf die Gerade vor der Haltestelle Filatorigat einzubiegen, stand der Meister vor der Wahl. Wenn er ein bisschen Richtung Frau schlurfte, könnte er in einem unbedachten Moment seine Ecke verlieren (bei der Elek-Benedek-Straße, wo die Türen »verkehrt herum« aufgehen, fast mit Sicherheit), wenn er sich aber zum untersetzten, schnaufenden Mann mit dem überhaupt nicht reizvollen Äußeren hin bewegte, schien sein Platz gesichert zu sein und auch die Sonne beschien jene Seite seines Gesicht, auf der die dazugehörige Stirnseite nicht weh tat. Der Meister wählte den Untersetzten.  
  Als er sich bewegte, bewegten sich auch seine Arme und er spürte mit seiner Nase, dass er stark schwitzte. (Ich weiß, das ist kein literarisches Thema, aber wir werden noch sehen, womit sein Licht solche niedrigen fleischlichen - oder, in anderen Fällen: geistigen - »Dinge« überzieht.) Er fand seinen eigenen Schweißgeruch nicht abstoßend, eher, vielleicht zu Unrecht, stellte er sich vor: Schweißgeruch ist männlich. »Mein Freund, das riecht wie ein Löwe.« Man kann ihn von der Praxis her gut verstehen, die harte Kindheit hat sich tief eingekerbt, und gewiss konnte das Deodorant im Leben der Familie keine Hauptrolle spielen … Nun aber, trotz alledem, durchlebte er, dank seiner sehr sensiblen Sensibilität für das Kollektiv, tief und drastisch, dass er nicht nur er selbst war, sondern - für andere auf jeden Fall - auch ein fremder Körper, und deswegen fand er es dennoch etwas abstoßend, als er in seinen Achselhöhlen jene charakteristische Feuchte wahrnahm. Er trug das schwarz-orange Trikot. »Ein hervorragendes Trikot. Ich bin sehr schön darin«, sagte er einmal vertraulich, sich auf Informationen stützend, welche er von Frau Gitti bezogen hatte. Der Stoff ist auch ein guter, luftdurchlässig, formstabil. Im Winter könnte man es tagelang anhaben. Aber wer trägt im Winter Sommertrikots? Das ist wieder so eine typische Volte des Lebens.  
  Die HÉV bekam eine rote Ampel, blieb mit einem Ruck stehen. Da wandte sich der kleine Untersetzte, es war Kálmán Mikszáth (1847- 1910, der dem Meister liebste große ungarische Schriftsteller, er
[törölt]
« klaut »
entleiht von ihm, sooft er kann), an den Meister und fragte ihn, wie spät es sei. Er fing seinen Spruch mit großer Umständlichkeit, unter häufigem Hüsteln an. Doch die Schönheit seines Geistes ließ die nicht sehr attraktive, heisere Stimme, das faltenübersäte, hässliche Gesicht, den herunterhängenden Welsbart (über den Herr Marci eine kleine Weile später sagte: »Was für ein ungarischer Schnauzer! Doch ich werde, wumm, einen Walrossschnauzer haben!«) und die ständig verrutschende Krawatte vergessen. Der zu Übergewicht neigende, untersetzte Herr Mikszáth, dessen tatarisch runder Kopf sich fast ohne Hals (»halslos«) zwischen den breiten Schultern erhob und den ein Leser einmal verwundert gefragt hatte: »Sie haben diese Novelle geschrieben, mit dieser Statur?« - wurde schön, wenn er sprach; der innere Zauber eines Menschen mit einem reichen Leben und einer reichen Seele machte ihn schön. »Wie spät ist es?« Der Meister sagte es ihm. Der andere bedankte sich schnaufend. Herr Mikszáth schwitzte und schnaufte überaus. - Der pfeifende Atem, das ständige Hüsteln zeigten ohnehin an, dass der Motor des Lebens in ihm zu stottern begonnen hatte, das Herz und die Lunge.  
  »Irgendwoher kenne ich ihn«, der Meister schloss seine Augen mit müder Didaktik. »Kümmerlich bin ich«, er spielte auf seine pochende Schläfe an. (Und neben dem gedrungenen Herrn Mikszáth prangte dies als mehrfach wahr.) Der schnell bekannt Gewordene — der unbekannte Bekannte!, wie es ein jeder ist - sprach farbig, mit breiten Gebärden. Der Meister nickte. In Herrn Mikszáths Igelhaar entwickelten sich Schweißtropfen, nach der Art von spät reifenden, saftigen, spätsommerlichen Früchten, sein Bart war wässrig (»Wie das Moor von Ecsed vor der großen, Herz und Seele formenden gemeinsamen Arbeit«), seine Weste wölbte und knautschte sich, ging auf und ab wie ein Schaufelberglift. Aus seiner Zigarrentasche lugte eine wohlgemute Zigarre hervor. (Das genaue Aufeinandertreffen von Zigarre und Zigarrentasche beruhigte den Meister.)  
  Der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Der Meister zeigte seine Monatskarte (für die er vom Institut, an dem er für 2700 Forint im Monat ein Intellektueller mit sicherer Stellung ist, einen Zuschuss bekommt); Herr Mikszáth manövrierte so lange hin und her - »Du bist ein rechter Schelm!«, hatte ihm einmal Kalman Tisza gesagt —, bis er drumrumkam: der Schaffner hatte den Meister erkannt, küsste ihm schier die Hand. »Mit wem spielt ihr am Sonntag?« - »Mit der Zwirn.« - »Zu Hause?« - »Nein, dort.« - »Sind sie gut?« Der Meister deutete mit seiner Unterlippe ein Schmollen an. »Letztes Jahr haben sie uns zerlegt.« Doch da stand der Schaffner-Junge mit strenger Maske bereits vor ein paar Studentinnen; der Meister registrierte die Szene mit Heiterkeit. »Die ist ungültig«, sagte er zu einer kleinen Schwarzhaarigen (»so eine Art Druschba-Mieze«)\ der Blick des Jungen wippte zwischen zivil und offiziell hin und her wie zwei benachbarte Farben des Regenbogens. Die Schwarzhaarige gab irgendeine schnippische Antwort, woraufhin ihr der Schaffner die Monatskarte zurückgab und weiterging. »Das war ein impotenter Scherz«, bemerkte der Meister sauersüß.  
  Er blickte - sich über seinen persönlichen Schmerz hinwegschwingend - zu Herrn Mikszath. Die beiden Männer sahen sich verschwörerisch an. Dem Meister schlug aus Herrn Mikszáths Mund eine freundlich sich hervorschlängelnde Mischung aus Wein- und Zigarrengeruch entgegen. Die pausbäckigen Wangen und das Kinn schienen ein klein wenig unrasiert zu sein, die etwas hervorstehenden Augen wurden, »von einem doppelten Graben umkreist«, wie ein Burggraben.  
  Der Meister wurde von der schriftstellerischen Vene erfasst. »Und aus dem Burgfenster beugt sich die Wunderschöne Daschenka und die Eiche heraus.« Es sind Herrn Mikszáths blutunterlaufene Augen, die für diese Assoziation verantwortlich sind, und natürlich des Meisters von Belesenheit herrührende Bildung. »In der hohen Eiche, auf dem trocknen Zweige der hohen Eiche, saß ein Kuckucksvogel. Kuckuck! Kuckuck! Kleines Mädchen, geh nach links!« Aus Herrn Mikszáths Augenwinkel eilte eine dicke Falte, eine Art Fleischhügel auf seine Wangen zu und breitete sich dort aus - wie die Anschwemmung langsam gewordener Flüsse erhöhte die Wange selbst, beziehungsweise wurde zu dieser. Nun glänzte sie vor Hitze. »Daschenka ging nach links. Woher, woher nicht, sprang auf einmal, woher, woher nicht, stand auf einmal der Bär Mischka vor ihr, mit vollem Namen Michail Ivanowitsch. Packte Dascha zwischen zwei Tatzen und lief sogleich mit ihr davon.«  
  Jetzt erst kam die HÉV an der Haltestelle Filatorigat an. Es musste gerade Schichtwechsel sein, viele Frauen standen vor dem kleinlichen, düsteren Gebäude. »Oh, die leichten Kattunkleider«, seufzte der Meister und sah, wie die Augen des neben ihm stehenden kleinen, unrasierten, nach Wein riechenden alten Mannes die Frauen suchten. »Hooo, bei meiner Ehre!« Mikszáth ruckte mit dem Kopf in Richtung einer hochgewachsenen Frau; in der Hand der Frau ein Zöger, in ihrer Achselhöhle, am Rand des Ausschnitts, fast parallel zum Rand ein kleiner, blasser Halbkreis. »Das Natron hat sich abgesetzt.« Ihr schwarzes, schweres Haar fiel regungslos abwärts, wie die gefrorenen Niagarafälle. Ihre Augen malte sie nicht an, doch ihre Fingernägel waren hässlich rot. Es ist doch die Natürlichkeit am schönsten, nespa?! Herr Mikszáth redete, während er die Frau ansah.  
  »Schön, wie eine voll erblühte Rose. Wie ihre Gestalt, so ähnlich wird auch ihr Name sein, Rózsa Búzás oder Téglás. Wie die vibrieren, sich wippen machen kann, gütiger Gott. Jeder Muskel an ihr bewegt sich und kitzelt das Männerauge. Siehst du, mein Sohn: sie ist groß, gerade wie eine Lilie, und doch ist jeder Körperteil rund und wohlgeformt, als hätte sie ein Piktor hingepinselt.« Aus dem Zöger ragte eine Abendzeitung, die Esti Hírlap hervor, und durch das Gitter des Zögers zeigte sich ein eingedellter Joghurtbecher. »Esti Hírlap, Joghurt «, sagte der Meister mit einer vom Kopfschmerz schwer gewordenen Zunge. Rózsa Búzás (oder Téglás) ging erst in die eine Richtung, dann in die andere; vermutlich war ihr die Situation an der einen Tür vorteilhafter erschienen als an der anderen. Kálmán Mikszáth drehte sich aufgeregt hin und her, da auch für ihn die Situation an der einen Tür vorteilhafter war als an der anderen. (Die Frage ist nun also etc.) Wieder schlug die schriftstellerische Vene des Meisters ein, wie der Blitz. (Wie der Blitz ins elterliche Haus. »Bumm«, hatte die kleine Dorko Mitocs gesagt, die gerade ihre Zeit dort verbrachte, und gelacht. »Fünftausend«, hatte der Privatunternehmer gesagt und der Mutter des Meisters die Hand geküsst. »Ach, die …!«, er hatte abgewunken, »es wird eine Menge gelabert, bitte um Verzeihung, und das Volk, Küssdiehand, ist unzufrieden.« Und obwohl diese Worte bei des Meisters Mutter — die aus mild reaktionären [anders der Vater!] und persönlichen Gründen die Kommunisten nicht ausstehen kann — auf einen fruchtbaren Boden fielen, war die gute Frau unzufrieden mit dem Ergebnis. »So viel Geld, du lieber Gott!« - Zu einem späteren Terminus »blubberte« die Frau also: »Mein lieber Sohn, für gewöhnlich schreie ich dich nicht an, aber das wirst du augenblicklich streichen. « - »Was soll ich streichen?«, sagte der Meister mit schelmischem Schmunzeln und einer ordinären Geste. »Streiche es, denn seitdem ich sehe, dass die genauso alt werden wie ich, schau dir den greisen Tocska an, bin ich ganz beruhigt. Und, wie ich höre, war auch Attila József ein Kommunist…«)  
  Zurück zu der Vene: »In einer hohen Eiche, auf einer hohen Eiche trocknem Zweig saß ein Kuckucksvogel. Kuckuck! Kuckuck! Kleines Mädchen, geh nach rechts! Maschenka ging nach rechts. Woher, woher nicht, sprang auf einmal, woher, woher nicht, stand auf einmal der Bär Mischka vor ihr, mit vollem Namen Michail Ivanowitsch. Packte Mascha zwischen zwei Tatzen und lief sogleich davon mit ihr. Er rannte mit ihr, rannte davon.«  
 
 
  27 »Ich, zum Beispiel, und möge ich gar eine Million Gesichter sehen, halte dennoch die Gitta Reén für die Schönste.« - »Du bist lieb.« - »Es ist schön, mit dir zu leben.« Der Meister und Gitta - doch beiseite mit der Geschmacklosigkeit.  
 
 
  28 Die Außen flankten in die Mitte, die Innen legten einen Zahn zu und bemühten sich, den Ball ins Netz zu befördern. Lange wiegte der Meister sein edles Haupt: »Einen sich bewegenden Ball… das ist sehr schwer … sehr schwer.« Anfangs versuchte er sich in sorgenvollen Lufttritten. Herr Öschen, der Gerätewart - dessen Verhältnis zum braven Herrn Armand ein gespanntes war -, legte Herrn Mikszáth eine Flasche Kőbányaer-Bier aus. »Kellerkalt«, sagte der kleine Herr Öschen und lachte (heißt: der Keller ist warm - das ist der Witz daran). Der große Palotze nuckelte am Bier; sah dem Meister zu, der an der Torraumgrenze der Reihe nach fast die geflankten Bälle traf. Mehr Bier war vom Gerätewart nicht zu kriegen, »’s reicht, Papa.« Herr Öschen war von kleinem Wuchs, doch von bestimmendem Charakter. (Zu dieser Zeit begannen sich gewisse Schwierigkeiten anzuspannen, wobei Herr Öschens Bestimmtheit erneut zum Vorschein kam, was - im übertragenen Sinne - zu blutigen Gefechten zwischen ihm und Herrn Armand führte. In einer vergifteten Atmosphäre gedeihen notwendigerweise grundlose Verdächtigung und Verleumdung. Im Wesentlichen ging es um die Armut.)  
  Kálmán Mikszáth winkte dem Meister zu, er würde jetzt gehen. »Spiccer Bar?«, rief der, während er einem davongesprungenen Ball hinterherhatzte. Der große Anekdotenerzähler, der seine Meinung so manches Mal
n
Jegyzet Ich füge hier seine Entrüstung ein: »Was soll das heißen, so manches Mal?! Und die anderen Male?« - Aber das sei so zu verstehen: dass ihm die Kinnlade herunterfiel.
mit verblüffender Offenheit sowohl Regierung als auch Partei sagte, den sein realistischer Instinkt, sein lebendiger Realitätssinn davor bewahrte, den Pfad der Desillusionierten zu betreten, auf dessen Seele die erschreckende Trostlosigkeit seiner Zeit schwer lastete, der sich nichtsdestotrotz, wenngleich in Zynismus verkapselt, die schöne Heldenhaftigkeit seines jugendlichen Ebenbildes bewahrt hatte, und aus dessen Beziehung zu Kálmán Tisza die bürgerliche Literaturgeschichtsschreibung einen Mythos fabrizierte (um so seine schneidende Kritik zu entschärfen: denn wie könnte einer, der fast jeden Samstag und Sonntag auf der Terrasse von Jókais Villa auf dem Schwabenberg Tisza kiebitzt, ein unerbittlicher Satiriker der herrschaftlichen Gesellschaft sein), nun, dieser Mensch zuckte mit den Achseln und winkte im Weggehen dem Sport treibenden Meister zu, er würde »noch irgendwo ein paar Dezi kippen«. Der Meister nickte und hörte sich anschließend aufmerksam an, was die nächste Übung sein würde; es folgte eine sog. spielerische Übung, doch, wie immer, verstand er sie nicht. »Entschuldige, aber ich verstehe es, Fichte, nicht.« Woraufhin man es ihm erklärte, langsam, wie einem Kinde. »Hat sich aber echt gelohnt, dich studieren zu lassen, Kumpel.«  
 
 
  29 »Aber Onkel Kálmán!«  
 
 
  30 »Wer ist die Type?«, fragte Herr György nachlässig (dabei kennt Herr György jeden, wirklich jeden), sah dabei quasi durch den Meister hindurch, während seine Hände schnell wie eine Haspel rotierten: er wusch auf die Schnelle ein Glas ab und zeigte auf das Mütterchen, das neben dem Meister und seinem Begleiter stand. »Nullzwei vom Roten, meine Teure, richtig?« - »Genau, mein Lieber, genau, es fehlen nur dreißig Fillér.« Die Alte trat befangen auf der Stelle. Ein schwarzer, schmuddeliger Trenchcoat hing an ihr herum, schlug große Falten, nur über ihrem gebeugten Rücken lag er stramm. »Wie eine unglückliche Hexe.« (Hinsichtlich des Aussehens erinnerte sie den Meister an seine Großmutter. Nur dass dieser Alten »ostentativ die Kraft abging«. Doch auch seine,Großmutter wurde von der Zeit, die vergeht, auf dieselbe Weise geknickt. Sie wurde zu einer schwarzen Bäuerin, einer gutherzigen Hexe, auch sie. Wenn sie gebeugt, nur noch zu Boden schauend, mit einer Geschwindigkeit, dass der Meister kaum nachkam, durch die kleine Siedlung trippelte, wurde sie in der Spalte zwischen den immergleichen Häuschen, auf der Straße, mit großem Respekt begrüßt. Und mit Recht. So war es denn auch sehr lustig, wenn sie dem einen oder anderen, vielleicht gar nicht unbedingt überheblichen westlichen Touristen in einer passenden Weltsprache den richtigen Weg wies.) Herr György warf dem Meister frohgemut einen Blick zu. »Was, es fehlt was? Macht nichts, Omama, dann bringen Sie’s eben morgen vorbei.« Doch noch während er das sagte, ergriff die alte Frau mit zittriger Hand das Glas, hielt es für einen Augenblick und stürzte dann blitzschnell den Wein hinunter; sie murmelte etwas in Herrn Györgys Richtung und sputete sich hinaus. »Adjö, meine Damen, adjö«, rief ihr der weitberühmte Schenk hinterher.  
  »Wer ist die Type?«, fragte er erneut und zeigte auf Herrn Mikszáth, der bescheiden, doch kompakt neben dem Meister stand. »Bitte, verzeih, Onkel Kalman«, sagte dieser und schlug zielgerichtet die Augen nieder, um sie anschließend in ähnlicher Weise für Herrn György aufzuschlagen: »Ist doch egal, oder nicht, Kumpel? Ein Jemand halt.« - »Zwei Bier?« - »Zwei Bier«, sagte er von gewissen Gefühlen erfüllt zum jüngeren Bruderherz.  
  Zeit ging vorbei und mit einem Mal dachte er, warum, warum nicht, er könnte sich (als Folge des ihn verfolgenden Verantwortungsbewusstseins sowie Wissensdurstes) einiges erlauben, und so fuhr er, nachdem er einmal seinen Humpen auf dem Blechtresen abgesetzt und - gleich wie seine Hand von den Bergspitzen die Wolken - sich den Bierschaum von der Nase gewischt hatte, Kálmán Mikszáth an, (obwohl) der den Meister augenscheinlich gern hatte. (Im Folgenden ist die Esterházy-Ironie etwas bleicher. Könnte es ein Zufall sein? Ein Sternzeichen des bewussten Handelns oder das des Stromausfalls der Disziplin? - Oh, oh, sagten die Vitrinensoldaten.)  
  »Sag, Onkel Kálmán, übernahmst du gewisse Aufgaben freiwillig oder hat dich Árpád Bercsik, der Chef der Pressestelle des Ministerpräsidenten, dazu aufgefordert?« Genauso, direktemang in die Mitte hinein! Phantastisch. Herr Mikszáth war noch nicht fertig mit seinem Bier. Er trank es akkurat, wischte sich mit dem Handrücken den Bart. Bis dahin war dieser, wie von Raureif, von weißem Schaum bedeckt. »Freiwillig. So empfand ich es als richtig. Ich glaubte daran.« - »Mach mich nicht schwach, Onkel Kálmán. Hätte das ein jeder geglaubt? « - »Viele.« Der Alte nahm versonnen einen Schluck. Nun gab es mehr, das sie voneinander trennte; als hätte es gar keinen Dialog gegeben. »Sehr viele.« — »Aber Onkel Kálmán!« Der Meister schlug ärgerlich, ungeduldig in die Luft. (Jetzt erst sieht man, was für ein Glück es war, dass der Humpen bereits hingestellt war.) Der Alte mümmelte nur vor sich hin, als wollte er etwas sagen und dann wieder nicht. »Uns geht’s so damit, dass wir darüber genauso wenig reden können, wie man nicht von seiner ersten Liebesnacht reden kann.« - »Aber Onkel Kálmán, darum geht es ja! Die Braut hatte ’nen Schwanz!« Herr Mikszáth sah dem Meister nur selten in die Augen; das war jetzt so ein Moment. Und was spiegelte sich da nicht alles in diesem verhangenen braunen Augenpaar: das große Wissen darum, wie der Hund hinterm Ofen hervorzulocken ist. »Du bist vielleicht ein Mameluk, Alter«, sagte der Meister jugendlich. Kálmán Mikszáth wandte sich um: »Worte brechen keine Knochen.«  
  Der Meister entbrannte in unbändigem Lodern. (Denn gerade, was das Wort angeht, ist er so sensibel, wenn damit Schindluder getrieben wird. Das schlägt ihm mächtig auf die Laune. »Satt herumzusitzen und zu lügen, mein Freund, ist die schlechteste Version.« Darüber hätte der gute Mann noch Folgendes sagen wollen: »Mein Freund, die Grammatik ist ohne Moral.« Und wenn seine Laune gar zu schlecht, fügt er noch hinzu: » Kultur ist Parodie. « Kraftvoll kann er sich da hineinversetzen.) Seine Kurutzen- und Labantzen-Ahnen (denn Esterházys gab es wie Sand am Meer) trafen in ihm aufeinander, die Toledaner Klinge auf die begradigte Sense, sein eigenes Auge blitzte, eine Flagge war er, die man entfalten kann, und ein Fahnenmast; definierbar. Kálmán Mikszáth geriet nicht in Aufregung. Er winkte Herrn György wegen eines neuen Biers. »Sie haben einen guten Zug, Alter«, sagte lachend der große Schenk. Herrn Mikszáths aufmerksame Indolenz hatte den Schaffenden unseres Jahrhunderts gedämpft. »Weißt du, mein Junge, lass deine Kurutzen mutig sein, der Schriftsteller muss es nicht sein.« (Aber der Meister wollte weder mutig noch nicht-mutig sein.)  
  Ein dünnes, blondes Knäblein tauchte in der Kneipe auf, es zog ein Klavier an einer Schnur hinter sich her. Ging geradewegs zum Wirt, fragte ihn etwas, und der schüttelte verneinend seinen Kopf. Die Stammgäste saßen an den Tischen und tranken nicht viel, aber ständig. »Suchst du deinen Vater?!«, fragten sie ihn, ohne von den Karten hochzuschauen. Sie waren von seiner Nummer kaum beeindruckt, manche von ihnen wurden sowieso bald schon abgeholt, andere holte nie jemand ab.  
  Der Meister bohrte mit publizistischem Eifer weiter. »Aber Onkel Kálmán, es gibt doch gewisse verdächtige Zeichen …« - »Ach, steig mir doch vom Frack. Ich bin schon ein alter Baum … Mein Memoar lässt nach.« - »Ein gutes, mürbes Memoar, das ist was Feines!«, polterte der Meister, der den Ruf eines großen Feinschmeckers genießt. Herr György winkte: Leise, ihr guten Leut, meine arme Mutter ist krank. (Später wird sich ihr Zustand zum Glück bessern.) Herr Mikszáth zuckte mit den Schultern. Alles Mögliche mag ihm in den Sinn gekommen sein. » Na ja, die Schimmernden Winde! Neues Land, neues Leben, neue Illusionen! « - Guter Gott, da kann ich mir auf die Lippe beißen; und ich erinnerte den Meister an die vielen positiven Schicksale, welche von diesem ironischen Sätzlein beleidigt werden. »Wenn ich nicht beleidigt bin …«, sagte er mit lockerer Keckheit. Ich erinnerte den Meister an seine Situation, mehr noch, ich wagte zu bemerken, dass er schließlich und endlich, historisch betrachtet, doch eine Art herziges (und nicht herzögliches, ha, ha, ha!) Kuckucksei im kuschelweichen Nest des Sozialismus sei. Ein nützliches, redliches Kuckucksei natürlich. »Und du, Kuckuck, kannst das zu deiner lieben Frau Mama sagen!«, brüllte er leichthin, elegant (wie der Bruder des kleinen Fritzchens im Witz). Nachdem er also so frappant die ihm entgegengestreckten, durch mich vermittelten infamen Dolche abgewehrt hatte, sekkierte er erneut Herrn Mikszáth. Er wollte etwas erfahren und er hielt etwas für nicht in Ordnung. »Ein abgekartetes Spiel ist das, mein Freund.«  
  Währenddessen arbeitete Herr György ordentlich. Die Gäste liebten ihn; schade nur, dass Herr György sich so über sie hinaushob. Er gab ihnen, was sie erwarteten — auch wenn er die Halb- und Zweidezis sparsam maß schäkerte, so abgerissen sie auch waren, mit den Frauen, gab sich männlich mit den Männern. Nur dass… Egal: Herr György besaß das, was man »die Wärme des Herzens« nennt. »Gyuri, mein Lieber, ein Achtel gespritzt für mich.« Der Jemand bemerkte den Meister. »Grüß dich, Peti, mein Lieber. Du hier? Endlich bist du auf dem richtigen Weg.« Sie lachten, der Meister hatte keinen blassen Schimmer, wer das war, mit dem er da redete. »Werdet ihr am Sonntag gewinnen?« — »Klar.« — »Das hast du letzte Woche auch schon gesagt. « - »Und, haben wir gewonnen?« - »Nein.« - »Na also.«  
  Herr Mikszáth hatte sich zurückgezogen, in die Nähe des Flippers. Der Meister folgte ihm. Dieses unerbittliche Vertrauen, dieser optimistische Zynismus! Der Meister pirschte sich vorsichtig heran. »Du warst Autor in einer tristen Übergangszeit.« Herr Mikszáth nickte; deswegen? Oder quittierte er ein weiteres Freispiel des Flipperkönigs? »Freilich, in jenen dürftigen Zeiten …« Doch hier schoss der Meister übers Ziel hinaus. »Merke dir, Jungchen, die Zeiten sind immer dürftig. « Herr Mikszáth schenkte seine Aufmerksamkeit den hin und her springenden Flipperkügelchen.  
  »Man erzählt sich, Onkel Kálmán, in jungen Jahren wäre eine liebenswerte Heldenhaftigkeit in dir gewesen, eine moralische Kraft, welche in deinen Worten farbenprächtig aufschien.« Sie standen neben dem Flipperkönig, so zischelte der Meister. »Freilich … Ich verstehe schon … Große Zeiten bringen heldenhafte Charaktere hervor, doch der Unbeweglichkeit stummen Jahre fressen den Stahl des Charakters an.« - »Sehen Sie, mon ami, das ist ein Blödsinn. (Dabei hat er es selber gesagt. - E.) Bewegung ist relativ; die Frage des Koordinatensystems, für eine Weile. Es gibt keine unbewegte Zeit, sofern ich existiere!« Und er sah mit seinen Augen triumpherfüllt nach vorn. - Der Meister schmierte etwas den Welsbart, Pardon, des Herrn Mikszáths. Er wollte den Hasen aus dem Busch locken. »Mein Freund! Die Hasen …! Einen Schmarrn! Kauen nur am Gras herum und werden fett.« Und die Semmelknödel?; doch Schluss mit der Vorwitzigkeit.  
  »Onkel Kálmán, ich bitte dich recht herzlich, ich darf ja wohl sicherlich hoffen, dass in dir, durch dich, der Unterschied zwischen dem kleinlichen, dekadenten Ich-Kultus der verrotteten Welt der Bourgeois und dem stolzen Selbstbewusstsein jener, die vom heldenhaften Pathos der demokratischen Freiheitsbewegungen gestreift wurden - nachzuweisen war. Dein Hingezogensein zur Gentry, Onkel Kálmán, bedeutete niemals eine Identifikation mit diesen.« Zufrieden rieb der Meister seine Händchen mit den abgeknabberten Fingernägeln aneinander. »Wissen Sie, mein Freund, dieser Roman tat ein Übles mit meinen Fingernägeln.« (Heute ist es der Roman; doch schon von alten Zeiten an: die kalten Ängste der Kindheit, das Winseln im abgründigen Dunkeln, das Vergraben des Kopfes im Kissen, das Kratzen der Laken, die Hand zur Faust geballt - all dies konkludierte darin, dass der Meister nicht gerade die Perle der Maniküren ist.) Doch nur der Flipperkönig wandte sich um. »Hundert?« - »Bitte, was?« Woraus der Flipperkönig sofort schloss, dass der Meister mit diesem Spiel nicht vertraut ist, und versuchte, ihn zu beschwatzen. Doch er war nicht zu beschwatzen. Herr Mikszáth schnaufte, rührte sich. Dann fiel ein schweres Wort, langsam, überlegt.  
  »Was willst du.« Herr Mikszáth wandte sich um wie ein zu alt gewordener Bierjunge. Abermals begriff der Meister etwas, der Ärmste. Doch Herr György war beschwichtigend zur Stelle: »Na, na, nicht doch, na: meine süßen Kleinen.« Alle beschützte er. »Mein lieber Junge, es ist schwer, ein ungarischer Schriftsteller zu sein.« Herr Mikszáth sah versöhnlich drein. Doch der Meister wollte immer noch etwas.  
  »Ein frevelhaftes, volksfeindliches System …« Der Satz brach entzwei. »Zum Henker! Stellen Sie sich vor, mein Freund, ich fand kein Prädikat.« Nun ja: Wie er manchmal während des Schreibens die Zähne fletscht und sich dabei das Kinn streichelt. (So, wie manchmal während des Fußballspiels, wenn jene gewisse »Lähmung« ihn übermannt.) Seine Hand dabei über dem Papier, die Linke violent gespreizt, wie die der Greifvögel. »Zu Recht. Fürchtet euch sehr!« — Wenn nun in so einer Situation die kleine Mitocska mit ihren rosigen Händchen am Rücken des Meisters anklopft und noch auf viele andere — übrigens sehr süße — Weisen ihrem Vater ihr Liebesbedürfnis zur Kenntnis bringt, verliert dieser eventuell die Geduld. »Liebe Awdotja Jegorowna«, brüllt er gemessen, »scher’ dich in deine Mutter, das heißt zu ihr«, leider kann er auch so direkt werden, »ich fange jetzt schon das fünfte Mal diesen vermaledeiten Satz an.« Ein wenig als Abbitte, seinen Kummer mit der Kleinen quasi teilend, sagt er dann: »Nicht ein einziges vermurkeltes Prädikat, meine Kleine, fällt mir ein.« Einmal, bei einer Gelegenheit, sagte das kleine Mädchen dazu: »Papali.« Während sie ihrer Gewohnheit getreu heftig gestikulierte, ihre offenen Handflächen drehte und wendete. »Musst kurze Sätze schreiben, Papali.« — »Mein Freund! Was hätte ich tun sollen. Ich versprach, mein Stil würde je tiefer, umso einfacher werden.« (So viel zur Beruhigung der Literaturfreunde!) (Die Zeichen mehren sich.)  
  »Aber Onkel Kálmán, wie kann es sein, dass niemand erkannte, worum es ging? Dass das geneigte herrschaftliche Gehirn der Herr war! Der herrschaftliche Schuft! Und dass im raschen Blinzeln des kalten, glanzlosen Auges des Generals herrschaftliche Schurkerei wohnte!« Und dann, ganz leise. »Oder hattet ihr Angst.« - »Lass mich. Ich bin alt. Wir haben alles auf uns genommen. Alles. Wir haben uns geirrt, auch das nehmen wir auf uns.«  
  »Das ist ja wohl das Mindeste«, sagte der junge Mann. Herr Mikszáth wandte sich vom Flipper ab. Obwohl dieser aufgeregt schwirrte; die Einsätze erhöhten sich. »Jungchen. Wenn du, damals, dort… hättest du genauso.« - »Ich wäre damals im Gefängnis gewesen!«, rief er hart heraus. Herr Mikszáth nickte. »Bei meiner Ehre, aberjadoch! Das wäre keine große Kunst gewesen. Aber da drin, im Gefängnis, dort drin, dort hättest du, damals, genauso … Du hättest nicht anders können. Zustimmend oder verneinend, aber auf jeden Fall genauso! Die Schablonen bleiben im Geist kleben wie die Kletten in der Wolle der Schafe. Es kommt einem gar nicht in den Sinn, dass es auch anders sein könnte.« - »So was gibt’s«, dachte der Meister tief in seinem Inneren. Denn wie oft kam es vor, dass plötzlich, vielleicht sogar schon an der Strafraumgrenze, in einer sogenannten günstigen Position, ihm nichts einfiel. (»Angemessene Verschiebung.«) »Ach, du lieber Gott«, denkt sich der Stürmer mit Blick auf den Ball, welcher rollt, »mir fällt nichts ein.« Wieso, was, wofür, für wen und vor allem wie. »Vielleicht mit der Spitze, krach, mitten hinein ins Gestrüpp!« könnte man da desillusioniert denken. Doch dann verstrickt er sich naturgemäß in ein kompliziertes Gerangel, erkämpft mit harter, mühevoller Arbeit eine Ecke und wirft seinen Kameraden einen um Vergebung bittenden Blick zu.  
  »So was gibt es nicht«, sagte er laut. »Du bist jung.« - »Jungsein ist ein moralischer Vorsprung.« Gefällig. »Irrtum.« Hier bediente er sich der Weisheit. »Der Irrtum ist recht gut, solange wir jung sind; man muss ihn nur nicht mit ins Alter schleppen.« Sagte er, um gleich danach zum publizistischen Eifer zurückzukehren. »Ich habe noch nichts Böses getan und übernehme für das Getane auch keine Verantwortung. « - »So stolz brauchst du nicht darauf zu sein, dass du nichts getan hast… Im Übrigen kommt ihr ganz langsam auch dazu, zu tun … Aber,Jungchen. Wie ich schon sagte, wir übernehmen die Verantwortung. Wie du selbst sehen kannst.« - »Ihr rechnet ein bisschen ab, konfrontiert ein wenig, und schon glitzert in euren Augen wieder der alte Frohmut. Ihr seid äußerst gerührt.« Er hob seinen Belehrfinger: »Dabei ist einer neuen Wahrheit nichts schädlicher als ein alter Irrtum! « - »Was weißt du davon?! Dass hier Generationen voller Glauben und Überzeugung gelebt haben, die sich aus tiefer Überzeugung der Umformung der Gesellschaft annahmen! Was weißt du davon, en detail.« Und so ward in des Meisters Falle getappt: »Natürlich. Das ist das, was ich auch sage! Ausgerechnet ich soll was sagen? Ich, der ich damals - 1, o, 1, 2, 3, 4, 5, 6 Jahre alt war, in dieser Reihenfolge?!«  
 
 
  31 Teure Jolánka!  
  Seien Sie so lieb, den Stammbaum, den Sie mir neulich geschickt haben, noch einmal zu schicken, diesmal mit Filzstift geschrieben. Ich danke Ihnen sehr. (Ich hab ihn verloren, deswegen.)  
  Es küsst Ihre Hände:  
  Péter  
  (Die Zeichen mehren sich. - Der Filzstift!? Weil es die Druckerei so braucht! Keine Spur von Verlorenhaben. Hier bediente er sich der Lüge; der Stammbaum ist in all seiner Pracht auf der gegenüberliegenden Seite zu sehen - rein drucktechnisch ist es so, natürlich, endlich: einwandfrei. Wo also ist die Unschuld?! Wo? Nirgends, ist doch klar. Und was haben wir im Gegenzug gewonnen? Den Blick darauf, wie die Literatur sich tätig hineingestaltet in den Gang der Welt.) Siehe auch Fußnote Nr. 7 (S. 167).  
 
 
  32 An diesem Punkt kamen die aufgestauten Sehnsüchte bezüglich der sogenannten Allgemeinverständlichkeit zum Vorschein, welche er scheinbar - ich betone: meine Meinung ist subjektiv! - nicht willens war zu befriedigen. Es sprach der Meister schroff : »Wer einem Autor, mein Freund, Dunkelheit vorwerfen will, sollte erst sein eigen Inneres beschauen, ob es denn da auch recht hell ist: in der Dämmerung wird eine sehr deutliche Schrift unlesbar.« Pritz-Pratz, das war alles. So warf er, mit einem prächtigen Unterdrall, den Ball zum Absender zurück. Unzweifelhaft, dieser Ausspruch zeugte von Haltung, aber auch von nicht wenig Rigidität. Doch dann ward die Temperatur wie gewöhnlich gegen christliche Wärme getauscht. (Zu Kennern von Werkstattgeheimnissen werden wir; Neureiche - würde er, die Ahnen im Rücken, vielleicht sagen.)  
  Vielleicht waren Ziegel zu schleppen und der Meister sah so lange in seine staubige und von den schartigen Ziegelsteinen leicht, jedoch schmerzlich aufgerissene Handfläche, dass kein Platz mehr in der Reihe übrig war, oder vielleicht konnte er das Tragen des mobilen Tores nicht unterstützend begleiten, oder sämtliche Ecken der Plane waren bereits besetzt, mit welcher Plane der gemähte Rasen hinausgetragen wurde (»Zivilist auf dem Platz«), oder die Medizinbälle waren knapp vor seiner Nase alle geworden - jedenfalls standen wir auf einer ruhigen Insel, rundherum herrschte Emsigkeit, welche Wohlbefinden entstehen lässt. Der Meister tastete seine Handfläche ab, knautschte sein Trikot, trat verstreute Grashalme beiseite und sprach:  
  »Wissen Sie, mein Freund, dieses Kapitel hier in der Mitte des Buches, versteckt, umgewühlt, ist wie ein tiefer als tiefer, schöner als schöner geheimnisvoller, gefährlicher Brunnen.« Ich stellte es mir vor. Ob sein Wasser trinkbar war? Und leuchtete herrlich ihm die Natur? Daraufhin fuhr er auf, »einige« würden am liebsten eine Wassersteuer über seinen Brunnen verhängen wollen. Er war aufgewühlt: Er war drauf und dran, sich fast einen Platz an der riesigen Plane zu erdrängeln.  
  Doch dann richtete er seine Schritte doch Richtung Schlackebahn. Ein wenig angewidert - nach dem Gras! - blieb er im schwarzen Gelände stehen, welches die Erinnerung an so viele lange oder gnadenlos schnelle Läufe bewahrt. Er hatte seine neuen Schuhe an, mit hohen, gefährlichen Stollen. Mit diesen begann er, in die Schlacke zu zeichnen. Er musste den Fuß dafür seltsam schräg halten, damit nur ein Stollen »griff«. »Wessen Sie, mein Freund, das ist die Zweifache- Brunnen-Konstruktion.« Und er erzählte dem Interessierten, dass, so wie sich ins ursprüngliche Romanmaterial die Tisza-Zeit eingräbt, so gräbt sich in diese die Rákosi-Rede ein. »Projektion, Kumpel.« Na, sagte ich hämisch und stolz zu mir, da gibt es aber im Falle des Meisters auch noch andere Hohlwege.  
  Die Zeichnung selbst sah so aus: Eine sehr schöne Zeichnung. Und das mit dem Fuß! Ich - das ist bekannt und ich habe es auch nie geleugnet — liebe die Blumen und die künstlerischen Dinge im Allgemeinen so, aber wirklich so sehr! Aber zum Beispiel auch einen Weg, einen kleinen Gartenpfad, wo in den gekritzelten Parallelen des geharkten Schotters federleichte Frauenschüchen tapsen (Zeichen! Spuren!), das Pfädlein windet sich, läuft an einem malerischen Steingarten vorbei, berührt die hochfahrende Rosenlaube etc. etc., das muss ich vielleicht nicht weiter ausführen. So entwickelte sich in mir ein gutes Gespür für Symmetrie. Werfen Sie einen Blick auf diese Zeichnung. Sie ist symmetrisch! Deswegen mag ich sie.  
  –––––  
  Der Meister erschien im Ausschank. Es war eine heruntergekommene kleine Stampe, dem Boden entströmte brutaler Petroleumgeruch, der Küche der Übelkeit erregende Duft der Kutteln, all das durchtränkt vom abgestandenen Atem des Biers. (»Ja, mein Freund, das ist dieselbe Kneipe.« Amüsant, diese Raum-Zeit-Konstruktion.)  
  Der Meister gab Herrn György einen Wink, dieser ließ seinen traurigen, braunen, Frauen in den Wahnsinn treibenden Blick aufblitzen und zapfte das Bier. Hier schrie Sanyi, der Flipperkönig, laut auf: »Ja!« Er hatte irgendein unglaublich großes Geld gewonnen. Wie viel denn? »Achtzehn Lappen.« Das glaube ich nicht. »Ich auch nicht. Aber so viel hat er gewonnen.« (Anm.: 18 Lappen = 18 Tausender; zeitgenössischer Slang.)  
  »100 Stück Lafrans-Rosen an die Kackmutter !« Der Flipperkönig freute sich, dabei war er es gewöhnt - aber der Einsatz! »Heute ist jeder mein Gast!«, rief er. »Bravo!« Hände klatschten, wenn auch nicht so begeistert, »wie ich es erwartet hätte«. Der Flipperkönig war nicht sehr populär. Angeblich betrog er. Einmal hatten sich drei vorgenommen, ihn zu verprügeln. »Aber in echt.« Sie sprachen ihn in der K.-Straße an, an der Ecke gegenüber dem Selbstbedienungsladen. »Sanyika, Fichte, hast ’n Tschick?« Er wusste natürlich schon, »was Sache war«. Er holte eine Forintmünze hervor, schnippte sie hoch, um sie, nach ihrer - erwartungsgemäßen - Wiederkehr, zwischen zwei Fingern zu verbiegen. Die verkrüppelte Münze warf er den drei »Angreifern« zu. »Hier,Jungs. Dafür könnt ihr euch Kippen kaufen.« Wie an einem Ehrenspalier schritt er an ihnen vorbei.  
  »Auf ein Bier!«, er winkte nun Herrn György zu. Der Schenk nickte. Der Flipperkönig war mit dem Meister zusammen in die achte Klasse gegangen. »Ich beneidete ihn sehr für seine Weitwurftechnik … Meine persönliche Bestleistung, mein Freund, waren 32, Meter.« Ich nehme an, bei den Mädchen reichte das für den ersten Platz. »Für den zweiten.«  
  Der Flipperkönig entdeckte den Meister, der quasi immer noch in der Tür stand, denn seitdem er eingetreten war, war immer etwas Neues passiert, was seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. »Wenn wir etwas beobachten, ist es unvorteilhaft, wenn gleichzeitig uns selbst etwas widerfährt. Denn Letzteres verändert uns, und dann weiß man nicht mehr, auf wessen Konto die Beobachtung geht.« (Nach einer Idee des Herrn Heisenberg - E.) Hernach bediente sich der Meister einer sehr ansehnlichen, uns in die tiefen Grotten des Schöpferischen führenden Bemerkung: »Ich entwickle mich so schnell von meinen Dingen weg.« (Wer, wenn nicht ich, sollte das wissen! Ich, der ich diese Veränderungen verfolge und dadurch die Sachen erschaffe! Und dadurch immer mehr in Temporückstand gerate; die Zeichen mehren sich.)  
  »Grüß dich, Peti, mein Lieber. Was trinkst du, Fichte!« - »Gruß, Alter.« - »Was geht ab, Alter? Fichte, hab ich dich lang nicht mehr gesehen … Wie geht’s, wie steht’s?« - »Geht so. Frauen, Drogen, Sprit.« - »Kinder?« - »Ein Mädchen, ein Junge.«
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Jegyzet In der ersten Version des Manuskripts las sich dieser Abschnitt noch so: »Kinder?« — »Nein, nur eine Tochter.« — »Macht nichts, Hauptsache, gesund. « - Doch dann, während der berüchtigten Durchlaufzeit der Druckerei und der sorgsamen Ausarbeitung wurde ihm ein Sohn geboren. »Sehen Sie, mein Freund, die Literatur ist ein Bruchstück aus Bruchstücken; davon, was geschehen und gesagt ward, ist das Wenigste aufgeschrieben, von dem Aufgeschriebenen ist das Wenigste geblieben.« Aber es gab auch andere Effekte, zum Beispiel kann er seitdem nicht mehr wahrheitsgetreu sagen: »Ich bin das einzige männliche Glied meiner Familie.« Also ein Bonmot weniger, aber wie viel Gewinn, durch einen Sohn, an Tiefe. Als würde er seinen Kritikern folgen. Ganz so ist es allerdings nicht.
- »Ich habe zwei Jungs.« - »Ich wusste gar nicht, dass du geheiratet hast.« - »Oh, oh, und wie! Seit fünf Jahren schon in Handschellen. Hab die zwei Jahre bei der Fahne abgeritten, danach ein bisschen Rumhängen, doltsche vita, und dann, Hipp-Hopp, in den Schraubstock. Mit Frauund- Kind ist es vorbei mit dem Herumgehopse.« - »Das stimmt.« - »Ich komm hierher, spiel ein bisschen auf diesem Scheißding. Kleine Gehaltsaufbesserung.« - »Wie ich sehe, läuft’s gut.« - »Peti, mein Lieber, Fichte, eins kannst du wissen, meine Hände, das sind Werkzeuge. Die Technik der flinken Finger.«  
  Sie lachten. Der Meister wurde von mehreren Seiten begrüßt, der Flipperkönig wurde von jemandem gerufen, er ging. Der Meister liebte diese dümmlichen Gespräche sehr, diese seine oberflächlichen Beziehungen, denn darin spürte er am stärksten die »Unwiederholbarkeit«. So hatte er einmal auch einem knochigen Freund (Tátrus), der gerade im Begriff war, in den Westen auszureisen, den Begriff der Heimat umschrieben. (Vergebens. So was kommt vor.) »Dieses Fancsikó und Pinta hat mich nicht gerade umgehauen, Fichte«, hatte so ein Halbunbekannter in der Halbzeitpause eines Kleintorspiels gesagt, er freute sich tagelang darüber. »Ich bin trivial, mein Freund.« Hier erblickte er plötzlich, wie einen Blitz, einen der Spieleragenten. Zu dieser Zeit hegte er bereits reichlich Verdacht, in der Transfersache würde sich nichts bewegen. Er bedauerte es. »Na, was gibt es Neues, Chef!«, sagte der Meister und schlug Genanntem auf den Rücken, fröhlich, wie ein Geheimpolizist. »Wie sieht’s aus? Spielen wir defensiv oder greifen wir an?« Der kleine Untersetzte wurde, sage und schreibe: rot. »Also, ich sag’s dir, Peter, mein Lieber, so was habe ich noch nicht erlebt, ich sag’s dir ganz ehrlich, dass ein Fußballspieler einen Arbeitsplatz verlangt hätte, zum …« Er sprach das Wort gar nicht aus: Arbeiten. Er senkte den Kopf. »Und dann hat die Leitung dem Doktor Móka das Vertrauen ausgesprochen.« - »Ist gut, Alter«, sagte er und ließ die nicht besonders sympathische Figur stehen.  
  (Die Sache wird in der ganzen Vorstadt erzählt: »Weißt du, wieso der Bruder vom Eszterházi nicht gewechselt hat?« Usw. So gewann die Treue - im falschen Gewände des Zufalls und der gewissenlosen Sportfunktionäre - ihre Schlacht. Ende. - »Mein Freund, dieses Transfermotiv versickert nun wie Pipi in der Sahara.« Der Meister benutzte in seinem Lob das Wort »Sand«, doch angesichts der Wichtigkeit und des Umfangs der Unternehmung entschied ich mich für oben stehende Änderung. Es ward eine Wahl getroffen zwischen Treue und Wahrheit. - »Nun, mon ami. Nicht wahr. Wenn ich nun einer der ---------- sten ungarischen---------bin, so ist diese leichthändige Großspurigkeit, mit der ich die Kunst ins Reine bringe — doch ziemlich beunruhigend«, sagte er und streichelte furchtbar sein Kinn.)  
  So wurde der hintere Raum, das Arbeitszimmer, das Land der vier Könige zum Mittelpunkt der Ereignisse. Hier standen den Kartenspielern ziemlich wackelige Tische zur Verfügung, unter deren Beine Herr György Papierknäuel gelegt hatte. (Die Kartenspieler werden böse, wenn das passiert.) Wenn sich die Plätze als nicht ausreichend erwiesen, ließen sich die leidenschaftlichen Tarockbrüder auch neben dem Billardtisch nieder, sich der Gefahr des Todes durch die Kugel aussetzend. (Womit ich die Elfenbeinkugel meine, welche unser Bruder Fluger - Meister des Komitats Szolnok - mit seinem Queue weit hinausspringen lässt.)  
  Tarock im Skart. »Tarock liegt.« - »Der Zwanziger hilft mit tous les trois.« - »Contra!« - »Rekontra pagat ultimo!« - »Rekontra!« - »Superkontra!« - » Hirsch !« - »Papst!!« - »Nördliche Eisenbahnverbindungsbrücke !!!«  
  »Beruhigen Sie sich, meine Herren«, warf Herr György beiläufig, drohend hin und kam hinter dem Tresen hervor. »Wer ist die Type?«, fragte er den Meister. Dieser sah zu Herrn Mikszath, der in einer großen Kartenschlacht kämpfte, seine Stirn glänzte, sein großes Schnaufen war bis hierher zu hören. Vor ihm der Rotwein. Herr György er wartete keine Antwort, er beklagte sich über die Schmerzen im Kreuz und eilte zurück an die Arbeit. Der Meister nahm ein Glas vom Tresen an sich, zog einen Stuhl neben Kálmán Mikszáth und kiebitzte. »Wissen Sie, mein Freund, das war vielleicht ein Gratiswein.« Damals erhielt Herr Marci als Lohn für seine goldenen Füße manchmal Wein aus Budafok und ließ auch dem Meister etwas davon zukommen; aber der Wein von einem Mikszáth ist doch noch ein wenig umsonster! Der Meister befand sich in einer finanziellen Lage. - Nicht lange vor diesem Zeitpunkt hatte, auf sehr amüsante Weise, das Aufeinandertreffen der beiden Weinlieferanten stattgefunden. Der Meister und Herr Mikszáth wandelten zwischen Pappeln entlang, in ein großes, freundschaftliches Gespräch vertieft. Der Meister war Herrn Mikszáth schnell ans Herz gewachsen, was eine vehemente Beschleunigung erfuhr, als Herr Mikszáth erfuhr, dass (auch) der Meister zuerst Palotzisch und dann erst Ungarisch gelernt hatte, dank des reinigenden Sturms der Geschichte. Vor dem Hause der Familie fegte Herr Marci gerade oberflächlich den Gehsteig. (Und ich spreche nicht von der Oberfläche des Gehsteigs, um das Mittel des Humors anzuwenden.) Das war vielleicht ein riesiges Drunter-und-Drüber; was der Staub und die Blätter dort anstellten! Immer nur auf, auf, niemals ein Erliegen! Wie er Herrn Mikszáth erblickte, ließ Herr Marci, bumm, den Feger fallen, als wäre er ohnmächtig geworden. »Was für ein ungarischer Schnauzer!«, sagte er mit unverhohlenem Neid. (Nicht umsonst benutzte ich eben den Ausdruck »ohnmächtig«. Denn wenn Herr Marci während des Gehsteigfegens oder des Schneeschaufelns von einer Backfischgruppe überrascht wurde, welche von der Medizinischen Oberschule zur HÉV unterwegs war, fiel dieser, wenn ihn seine Lust in diese Richtung trieb [und man erzählt sich: er sei reichlich getrieben], das Weiße des Auges nach außen gekehrt, einfach in Ohnmacht. Und die wiederbelebten und wiederbelebten ihn [Mund-zu-Mund-Beatmung, elementare Manifestationen der mütterlichen Natur usw.]. Und er belebte sich allmählich wieder. So weiß die Mutter des Meisters gar nicht richtig, ob sie Freude oder eher Trauer ob der unerhörten Faulheit ihrer Söhne empfinden soll …! - Dass sie z. B. nicht einmal den Gehsteig fegen wollen.)  
  »Welche Straße meinst du, Kumpel?«, der Meister wandte die Redewendung seines Bruders an. »Die Bart-Straße?« - »Was für ein Welsbart!«, variierte Herr Marci und schlug Kálmán Mikszáth auf die Schulter. Herr Mikszáth stand recht ratlos inmitten des vibrierenden Familienlebens. »Doch ich werde, wumm!, einen Walrossschnauzer haben!« Er verbog die Hände zu Klauen, hob sie an die Stelle seines zukünftigen Bartes, zog die Oberlippe hoch wie eine wütende Nutria und riss sie, mit einer von der onomapoetischen Lautfolge des »Wumms« diktierten Bewegung, nach vorne. »Wumm! So einen!« Mikszáth und Esterházy, diese beiden weltgewandten Männer, lächelten einander entgegen. »Ach, die Jugend in ihrem Ungestüm!«  
  Herr Mikszáth fühlte sich sehr in seinem Element, da die Kartenpartie zustande gekommen war und der Wein in Strömen floss. »Setz dich, mein Junge, in den Schatten dieses alten Baums.« - »Dort sumpften wir uns einen, mein Freund, er und ich, wir zwei.« Doch so eine Bagatelle ist die Situation nicht! Zwei Polizisten traten aus der äußeren Dämmerung herein. Um den Flipper herum entstand eine kleine Bewegung, Hände in vollen Taschen zuckten, doch abgesehen davon passierte nichts, nur Herr György war diensteifrig zur Stelle, sein Bewusstsein war vom Sein bestimmt. »Es wünschen die Herren Kommissare.« — »Wir sind im Dienst.« Herr György schnitt eine Grimasse zum Meister hin und lief los, das Bier zu zapfen. Herr Mikszáth mischte launig die magischen Karten. Der junge, blonde Polizist sah sich scharf den Meister an. »Sag, Onkel Kálmán«, der Meister wandte sich um Erfahrung an den älteren Kollegen, »bist du nie nervös? « - »Ich, nerveux? Bei meiner Ehre, warum sollt’ ich’s sein?! … Ich bin so ein kleiner Mann nicht, um die Regierung zu sehen oder nicht zu sehen. Die ist mir vollkommen gleichgültig. Ich sehe nur Ungarn.« Die Karten wurden ausgeteilt, er sah sich sein Blatt an. Sein Blatt sah er auch. »Die Dinge werden, auf die eine oder andere Weise, früher oder später, sowieso passieren. Und so, wie ich die Kräfteverhältnisse kenne , und ich kenne sie gut « - mit seiner gepolsterten Hand strich er liebevoll über die fettig en Karten » kann ich sogar noch gewinnen .«  
  Die Polizisten tranken das Bier aus und gingen. Herr György sagte zum Meister: »Weißt du, wer der blonde Bulle war? Der Csuresz. Erinnerst du dich, noch aus der Jugend.« - Plötzlich fielen dem Meister die Zitronen ein. »Bei der Jugend haben wir immer Zitronen bekommen. « Der zierliche Vater des damaligen Halblinks hatte sie in einer Papiertüte mitgebracht. Er schnitt sie vor ihrer Nase auf, es lief ihnen der Speichel die ganze Pause lang, der Alte wurde praktisch zum Ende der Pause fertig. Dann bekamen sie nach der Reihe ihre Portion und aßen sie, Grimassen schneidend. Man durfte auch Nachschlag verlangen. Oft betrachtete der Meister die Sonne durch die dünne Scheibe. »Warum gibt es heutzutage keine Zitrone mehr?« - »Man hat nachgewiesen «, antwortete Herr Armand einmal, »dass es nicht nützt.« Herr Armand runzelte die Stirn. »Paradeiser mit Salz bringen viel mehr.« - »Du sagst das so, Fichte«, der Meister fiel über seinen Trainer her, » als ob wir welche bekämen.«  
  »Der Csuresz also. Hatte einen guten linken Fuß, er hat nur zu viel herumgemährt. Von ihm konnte man die Kugel höchstens erben.« — Herr György liebte solche Sprüche. Und wenn er sich einmal einen angewöhnte! Wochenlang war nichts anderes von ihm zu hören, ebenso vom Herrn Marci! Als er zum Beispiel bei einem Knochenbrecher in der Slowakei war und bei großer Kälte wiederkam, machte er die Kälte wie folgt anschaulich: »Die Eisbären flehten händeringend, man möge sie hereinlassen.« Er zeigte ihr Händeringen mit seinen Händen. Tagelang echote das ganze Haus davon. »Die Eisbären… etc.« Der Meister hatte gefragt: »Und, bist du nun geheilt?« - »Weiß ich nicht«, wimmerte der Riese. - »Neulich hat er beim Alten vom Sanyi den Test gemacht. Der Alte hatte einen ordentlichen Pegel. Das Fahrrad ging von alleine nach Hause, wie das Pferd. Und der Csuresz hält ihm grimmig das Mundstück hin. Daschau, der Csuresz, rülpst der Alte. Weißt du noch, wie er früher immer herumgeschrien hat auf dem Platz? Weißt du noch? Gib ab, Csuresz! Konnte man glatt einen Hörsturz davon kriegen. Ziehen, Onkel Sanyi, nicht blasen, ziehen, flüsterte ihm der Csuresz dann zu. So ist der davongekommen … Weißt du, was die ihm aufgebrummt hätten? Drei Lappen, Fichte, drei Lappen. Die von der Ziegelfabrik haben sich den Csuresz schon zweimal vorgenommen, weil er ein Arsch war. Haben ihm mächtig die Hucke vollgehauen.« Der Meister nickte zurückhaltend. (Er war Uniformen einigermaßen entfremdet.)  
  Herr Mikszáth spielte leidenschaftlich Karten. »Ich hab’s dem Jókai ins Gesicht gesagt, dass ich ein viel besserer Tarockspieler bin als er. Und du, Onkel Moritz, bist ein viel besserer Schriftsteller als wie ich - und das ist auch was wert. Das hab ich ihm gesagt.« Der Meister entsann sich der vielen krummen, krampfädrigen literarischen Beine und dachte von sich bezüglich des Fußballs dasselbe wie Herr Mikszáth bezüglich des Tarocks. » Und das ist auch was wert.« Und hier holte er mit einem unerwarteten, fintenreichen Bogen seiner Hand, welche eine geheime, tiefe Tasche berührte, einen Tennisball an die Oberfläche. Dort ruhte der Ball, in seiner Hand. Strähnig legten sich die Härchen an. Was sollen wir nun davon halten? »Sehen Sie, mein Freund«, er erweiterte den Horizont um ein Stück, so schlicht und natürlich, wie andere sich die Hose lockern, »eigentlich lernen wir nur von Büchern, die wir nicht beurteilen können. Der Autor eines Buchs, das wir beurteilen könnten«, hier lächelte er bescheiden, »müsste von uns lernen.« Nicht schlecht, das muss ich schon sagen!!!  
  »Schau, Onkel Kálmán, da haben wir deinen Bauch.« - »Ja … da haben wir ihn.« Ein Geständnis brach aus dem Meister heraus. »Onkel Kálmán, ich habe mich in deine Wampe verliebt.« Herr Mikszáth prustete in sein Glas. »Himmelsapperment aber auch!« Er blinzelte, er hatte auch im Auge Wein. »Onkel Kálmán, mein süßer alter Vorläufer, ich möchte ein Experiment mit dir machen.« Er warf den Tennisball bis auf Kopfhöhe hinauf, als sich dann seine kleine Handfläche wieder um ihn schloss, ließ er das Handgelenk ein-, zweimal nachfedern; taxierte mit vorgeschobener Unterlippe das Gewicht des Balls. Davon verstand der Meister eine Menge. »Ein Experiment.« In den ferkelhaft kleinen, jedoch lebendig glitzernden Augen des Herrn Mikszáth war Angst zu erkennen. Er hielt den Tennisball weiter in Bewegung, in einem merkwürdigen Rhythmus, von dem jemand in erschöpfender Ausführlichkeit und mit analytischer Genauigkeit nachgewiesen hat, dass es nichts anderes als der sogenannte Herzrhythmus sei, und das ist so frappierend, dass einem - beinahe - das Herz davon stehen bleibt, er fing also in einem merkwürdigen Rhythmus zu sprechen an, als würde er eine Lektion aufsagen.  
  »Bleibe, bitte, regungslos sitzen. Oben auf deine Wampe werde ich, siehe, den Ball legen, welcher, siehe, von dort herunterrollen wird. Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden, wann der Ball deine knöpfchenverzierte Weste verlässt. Ich bitte dich inständig, lieber alter Freund, rülpse du nicht und überhaupt: sorge für sichere Bedingungen. « Vor lauter Verdutztheit bekam Herr Mikszáth keine Luft. »Das ist es.« Der Meister erkannte die Laborbedingungen. »Das ist es! Wenn du nicht einmal mehr Luft holst!« Und damit richtete er Herrn Mikszáths Weste, legte den Tennisball auf die Wampe. Er rückte mit dem Stuhl weiter zurück, neigte den Kopf zur Seite. Da hatte sich schon viel Volk um den Tisch herum versammelt. »Wieso denn«, sagte Herr Mikszáth. Das Volk wusste, was die Stunde geschlagen hatte, und lächelte. Der Meister bat um Ruhe. »Vohwähts!«, rief er und ließ die Kugel, die er in der ausgestreckten Hand hielt, einfach los. Die fünf gespreizten Finger zeichneten eine Dornenkrone um die Handfläche. Der Ball nahm seinen frivolen Weg und verabschiedete sich ungefähr nach dem ersten Drittel der Wampe von dieser. »Jetzt«, rief der Meister fröhlich, denn bis jetzt lief alles wie am Schnürchen. »Sehen Sie, Schnuckelchen, es stimmt!« Er stützte sich auf seinen erlernten Beruf. »Freunde! Vom Scheitelpunkt einer ruhenden Halbkugel mit einem Radius von R rutscht ein Massepunkt ohne Anfangsgeschwindigkeit ohne Reibung.«  
  Die Frage des Meisters war natürlich nicht mehr und nicht weniger als die, wo sich der Massepunkt von der Oberfläche der Kugel trennen würde. Betrachten wir folgende Abbildung:  
   
  Der Massepunkt wird sich an jenem Punkt vom Untergrund lösen, an dem die für die zentripetale Beschleunigung erforderliche Kraft größer wird als die zur Mitte der Kugel weisende Komponente des Gewichts des Massepunktes.  
  Die zentripetale Beschleunigung beträgt: also  
   
  (1)  
  Andererseits, ausgehend davon, dass die Zustands- und die Bewegungsenergie gleich sind:  
   
  Entziehen wir dieser letzten Gleichung v2 und fügen wir dieses in (1) ein, erhalten wir daraus cos oc ausdrückend Folgendes:  
   
  ( 2)  
  Unmittelbar aus der Abbildung lässt sich Folgendes aufschreiben:  
   
  (3)  
  Verbinden wir (2) mit (3), erhalten wir:  
   
  Herr Mikszáth kam langsam wieder zu sich. »Einen Stich hast du, mein Sohn, wie der Wein des Kálmán Szell.« Der Meister wich den Blicken aus und schickte den Tennisball erneut auf seinen Weg. Letzterer wackelte ein wenig, der Meister suchte mit winzigen, kreisenden Bewegungen nach dem richtigen Platz. Er flüsterte. »Weißt du, Onkel Kálmán, so eine Wampe ist etwas Wunderbares. Fleisch gewordene Gemütlichkeit und Respektabilität…« Er schnappte sich den Ball, die Muskeln auf seiner Hand traten hervor. (Plus eine Ader, wie bei starken Männern.) »Sag, Onkel Kálmán, hast du wirklich wissend um das zu Wissende Tarock mit Tisza gespielt?« - »Wenn uns der vierte Mann fehlte«, sagte ruhig der Meister der bissigen Anekdote, der Jókai und die Dekadenz umging und einen erfolgreichen Kampf um eine Stimme führte, die geeignet war, die Wirklichkeit der Zeit widerzuspiegeln. »Wie sollten wir denn ohne vierten Mann Paskievics
n
Jegyzet 4er Tarock, ansonsten war der Genannte, wie wir das wohl wissen, ein talentierter General der zaristischen Truppen, die, wie wir ebenfalls wohl wissen, bei der Niederschla gun g des ungarischen Freiheitskampfes 1848-1849 gerne behilflich waren.
spielen? «, setzte er, eine kleine Spur beleidigt, fort. Der Meister nickte verständnisvoll. »Nun ja … Tarock mit Tisza zu spielen … Eine ernste Variante!«, sann er im Anschluss nach. (Sollte das die Lösung sein? »Mein Freund, die Lösung«, sagte er niedergeschlagen, »steht da: « ) Während er mit einer Hand erschrocken den gebeutelten Tennisball umklammert hielt, winkte er mit der freien Hand - denn eine seiner Hände war frei — ab. »Aber ich kenne keinerlei Kartenspiele. Außer Rot gewinnt  
  (Nun, hier ist wieder ein interessanter Platz - wie das Loch im Bretterzaun des Frauensonnenbades, unsere Beweggründe sind natürlieh nicht zu vergleichen! um die geheimen Beugen der Kunst auszuspähen, den entspannten, doch konzentrierten Geist, die Augen niedergeschlagen, die Extremitäten umhergeworfen, und alles, alles steht offen für das wundervolle, sich verströmende Sonnenscheingold. »Waren Sie, mein unglücklicher Freund, schon in einem Frauensonnenbad!? Ich kann Ihnen sagen, es gibt wenige Dinge, die unappetitlicher wären.« - Hierbei handelt es sich um ein verstecktes Geständnis: Er empfindet sich als kompetent in Bezug auf Frauensonnenbäder, da er, und dies ist eine keusche Huldigung, ein Körper und eine Seele mit Frau Gitti ist! Doch ungestört zurückgekehrt nun zu den geheimen Beugen der Kunst, ihrer dunstigen Reinigung, zur flüchtigen und bewussten Schönheit der Farben und Düfte: der verehrte und aufmerksame Leser möge es erfahren: der Meister kann auch Schnapser - oder Schnapsel? - spielen! Sie wissen genauso gut wie ich, was ein gegebenes Wort ist. Ich weiß, dass sich die Verhältnisse geändert haben - das Verhältnis der Produktionsmittel, der Produktionsverhältnisse, der Produktionskräfte etc. -, doch gentlemanlike ist gentlemanlike. Erschüttert formuliere ich für einen Moment: Er hat nicht die Wahrheit gesagt [da er nicht nur Rot gewinnt, sondern auch Schnapsei spielen kann]. Doch legen wir uns sogleich triumphierend die Hand aufs Herz: Offensichtlich ist doch, dass Irrtümer nicht gleichrangig sind. Es gibt das zutiefst subjektive, zufällige Straucheln. Wie wir wissen, waren selbst solche Riesen der Literatur, wie Tolstoi einer war, nicht vor falschen Ansichten gefeit, dennoch war Tolstoi ein getreuer Spiegel der russischen Revolution! - ich glaube, was hier zu klären war, haben wir hiermit geklärt.)  
  Herr György begann, nicht viel Federlesens zu machen. »Daaamen und Häärren! Immer nur vorewäärts, immer nur vorewäärts. Trrrauriger Auckenplick.« Traurig sah er einen jeden Beliebigen an. »Morgen wieder, Alterchen«, schniefte er, »morgen sehen wir uns wieder.« Um anschließend ausfallend zu werden wie ein ausufernder Feldwebel. »Feierabend, holsderdeibel! Auf, ’naus, auseinander, nach Hause, es wartet schon das traute Heim. Und morgen dann der Herr Schorsch!« Man rappelte sich zusammen, nur der Flipper klackerte weiter. Hier bediente sich Herr György einer sehr einfachen, jedoch umso wirksameren Waffe. Er zog, hoppala, den Stecker. Drohende Empörung entstand: »Spinnst du, Graf?« - »Hattest du keine Angst?«, fragte der Meister seinen Bruder zu einem späteren Terminus. »Ich hätte ihn plattgemacht«, antwortete dieser Schrank von einem Kerl. »Aber der kann sich ziemlich prügeln.« - »Keine Sorge. Wenn es ernst geworden wäre, wären da ein paar Kumpel gewesen.« - »Hm, hm«, sagte der Meister.  
  »Wissen Sie, mein Freund, ich habe noch nie jemanden geschlagen. Nur meine jüngeren Brüder.« Hoho, die guten alten Zeiten, als der Meister seine kleinen Brüder nach Strich und Faden hatte vermöbeln können! Zum Beispiel war er so weit gegangen, einen Ohrfeigenwettbewerb auszuschreiben! Wer denn die meisten Ohrfeigen von ihm aushalten könnte. »Als ob, mein Freund, ich das Leben gewesen wäre.« Der Wettbewerb wurde mit überragendem Vorsprung von Herrn Mihály gewonnen, der mit blauen Lippen das Klatschen, Puffen etc. von 212 Ohrfeigen erduldete. Bezeichnend für die Qualität der seelischen Vorbereitung des Meisters ist, dass Herr Mihály - wenn es nach ihm gegangen wäre - gar nicht bei 212 stehen geblieben wäre, er hätte seinen Rekord noch verbessert; doch dazu kam es schließlich nicht. Der Meister war der Sache überdrüssig geworden, und andererseits schämte er sich auch. Herr Marci hielt bis 56 durch, bevor er »abkackte «. Und Herr György trat gar nicht erst an, ängstlich sagte er: »Nein.« Damals war er dem Meister bereits körperlich überlegen, aber er traute sich noch über ein Jahr nicht zurückzuschlagen, er war durchdrungen von (Leibeigenen-)Bewusstsein. Die Entwicklung der Kräfte blieb auch dem Meister nicht verborgen; offensichtlich deswegen war er in Bezug auf Herrn György noch aggressiver, provokativer. »Ein elendes Jahr war das.« Er führte eine echte Schreckensherrschaft ein, eine Polizeidiktatur mit Spionen, Hinrichtungen, falschen Anschuldigungen, Prozessen, einer Unzahl von Ohrfeigen, es zickzackten die Gendarmenfedern, bis er sich eines Tages durch Herrn Györgys Rückhand eine derartige Maulschelle fing, dass ihm Hören und Sehen verging. Er riss alles mit sich, Bett, Sofa, Vase, Bücherregal, alles. Danach weinten sie, Herr György und er, gemeinsam, den ganzen Nachmittag im Garten unter der Hängematte, womit die Situation geklärt war. Herr György ist so viel stärker als der Meister, dass eine Prügelei gar nicht in Frage kommt. Nicht so Herr Marci! Hier ist von jener Unbekümmertheit keine Spur, Herr Marci ist sowieso weniger autoritätsgläubig als Herr György. Herr Marci bringt es heutzutage noch fertig, selbst nach anerkennenden Kritiken, seines, des Meisters - sonst eine - Feder haltende Rechte zu verdrehen, und sobald sich der Meister zu einem S verbiegt und mit der Stirn das berühmte rechte Bein des Herrn Marci berührt, zischelt dieser: »So, Hundling! Jetzt wirst du für alle Leiden bezahlen! Du wirst für deine Sünden büßen, die du gegen mich begangen hast im Laufe einer langen Zeit.« - »Aber Marcika«, winselt der versierte Führer der Feder; oh, es ist schmerzlich, ihn so zu sehen: vielleicht ist es die geschwisterliche Liebe, die das Bild etwas vergoldet, »aber mein süßes Marcika, ich hab’ doch schon neulich gebüßt!« Herr Marci lässt den Meister los, schubst ihn nach Lust und Laune hin und her, so dass dieser zwei Stühle umwirft und am Heizkörper landet; Herr Marci denkt über des Meisters Worte nach. »Macht nichts«, fällt ihm ein. »Büßt du eben noch mal.« Und geht mit erhobener Faust auf den auf dem Boden herumkriechenden Meister los. »Verrückte«, die Mutter des Meisters lächelt trocken.  
  »Wissen Sie, mein Freund, jene Ohrfeige kam gerade zur rechten Zeit. Obwohl sie ruhig hätte weniger kräftig sein können. Der eingeführte Terror war allmählich sehr ermüdend geworden. Und langweilig. « Hierzu sei angemerkt - obwohl es an anderer Stelle vielleicht weniger missverständlich wäre, aber manchmal, Vergebung!, Vergebung!, habe ich genug von diesem Hin und Her, dass der Meister so von der einen Traufe in den nächsten Regen flutscht, dass eine anständige, verlässliche Konstruktion, das heißt ein linearer Ablauf der Dinge nunmehr nichts als ein flüchtiger Traum ist, was doch mehr als merkwürdig, auf alle Fälle aber ermüdend ist, und da ich nicht möchte, dass das in mich gesetzte Vertrauen erschüttert wird, bemühe ich mich, was thematisch oder zeitlich zueinandergehört, auch zusammenzubringen; hoppala, aber ich habe schon zu viel verraten - ich muss also hierzu bemerken, dass er ein ähnliches Ding wie vom Herrn György noch einmal verpasst bekam, im August 1968 am Ufer des ungarischen Meers; als sie in kleiner Runde (»Jungs und Mädchen in praktischer Mischung«) über eine Bahnschranke geklettert waren, stand da auf einmal die Feuerwehr mit ihrem süßen, kleinen roten Wägelchen und der entsprechenden Bemannung. »140 Forint«, hieß es. Der Meister fing vom Boden der Praxis her zu zanken an, fand das Bußgeld zu hoch. (Anmerkung: es ist auch zu hoch; andererseits: ein disziplinierter Staatsbürger klettert so gut wie nie über die Bahnschranke …!) Der entstandene Disput bediente sich harscher Töne, der Meister hatte »eine große Klappe«. Da, als wäre er einem Pilz gleich soeben aus dem Boden geschossen, trat ein Mann aus dem Schatten der Platane hervor, näherte sich ohne Eile dem Meister, der gerade dabei war, den Uniformierten seine Lieblingstheorie auseinanderzusetzen, wonach er sich den angewandten Ton verbitte, sie seien nicht des Meisters Vorgesetzte, der Meister sei auch nicht ihr Untergebener, und obwohl auch sie nicht die Untergebenen des Meisters seien, seien sie nichtsdestotrotz die Hüter der Ordnung des Meisters, wofür er, der Meister, seine Steuern bezahle. (Dies war eine äußerst nette Übertreibung, denn damals zahlte er noch keine Steuern, er hatte gerade das Abitur abgelegt und hatte das Gefühl: die Welt gehöre ihm. Diese kindliche Einstellung zu den Dingen begegnet uns hier auf Schritt und Tritt.) Der Mann von der Platane trat in aller Ruhe an den Meister heran und verabreichte ihm ohne Schwung eine derartige Ohrfeige, dass er sich - wie in den Cartoons nach einer Gortschew’schen Ohrfeige — etwas über den Erdboden erhob, um anschließend in einem sanften Bogen nach hinten zu fliegen, geradewegs gegen einen Holzzaun, den er der Länge nach umwarf. »Wissen Sie, mein Freund, am nächsten Tag stand ich lange daneben, mit einem gefüllten Tatschkerl in der Hand, und dachte mit einem der Leistung gebührenden Respekt an mich. Doch am übernächsten Tag stand der Zaun schon wieder, nichts war mehr zu sehen, ich selbst konnte auch nur noch anhand der Platane Schlüsse ziehen.« Der Zaun war umgefallen, langsam, hatte sich quasi nach dem Meister niedergelassen (denn er selbst brach doch schnell durch). Die Ohrfeige tat nicht weh, mehr noch, wenn der Meister in seinem Fluge den großen, erschrockenen Vögelchen-Blick einer »kleinen Blonden« auch nicht sehen konnte, er konnte ihn sich vorstellen, und für einen Moment dachte er: er hat ein gutes Geschäft gemacht, so billig wurde er zum Helden, der objektive Betrachter (»Nun, das bin ich nicht, mon ami! Ich kann versprechen, ehrlich zu sein, parteilos jedoch bin ich nicht.«) mochte die Situation als hinreichend kompliziert empfunden haben, der eine hatte ebenso wenig recht wie der andere, und es wäre auch nichts Schlimmes passiert, doch plötzlich fürchtete er sich dort sehr, damals, er fürchtete sich sehr. Diese Ohrfeige kam also nicht zur rechten Zeit.  
  »Spinnst du, Graf. Ich hab da noch 5 Freispiele drin.« - »Ist gut, Kumpel. Brich mir jetzt bloß nicht in Tränen aus. Aber damit dich die Hunde nicht anpissen, Kumpel, komm morgen wieder, 5 Minuten vor Öffnung, dann kannst du deine 5 Spiele abfeiern. Kriegst sogar noch ein Bier dazu«, warf ihm Herr György überlegen zu und stieß die Bande ohne nachzudenken hinaus in das schäbige Dunkel. Jedwede Äußerung von Kleinlichkeit wühlte Herrn György sehr auf; er hatte ein gesegnetes Herz, welches mit großem Egoismus gepaart war. »Na, Alter«, wandte er sich, aus Rücksicht auf den Meister freundlich, an Herrn Mikszáth, der zwar einiges vertrug, nun aber doch ein wenig »angegangen« war. Mit unsicheren Bewegungen verabschiedete der sich von den Partnern, streichelte dem Jungen am Klavier, der virtuos das Jesssör spielte, über den blonden Kopf. »Mjusik«, Herr Mikszáth nickte zufrieden, ein echtes Talent, der seines Schicksals Schmied sein konnte und nicht wie der Halbtalentierte dessen Gefangener; aber ja, sein Weg war ein harter gewesen: es hatte viele lähmende Lügen gegeben, die der Seele Fallstricke legten, und es hatte ihm keine helfende Kraft zur Seite gestanden, dennoch hatte er sich - zwar nur verhältnismäßig - eine innere Unabhängigkeit zu erkämpfen vermocht: hatte zum Fürsprecher der Sache des Volkes zu werden vermocht; ihn nachahmend fortzusetzen ist nicht möglich, doch möglich und erforderlich ist, von ihm zu lernen, nicht nur die Werkstattgeheimnisse der Meisterschaft, sondern auch das schriftstellerische Verhalten. Der Junge zog sein Klavier nach draußen, dabei geschickt die Schuhe umschiffend, der Meister senkte den Kopf. »Leise puffend wich der Bierschaum zurück!«  
  »Na, Alter, einen Gespritzten vom Roten würden Sie noch kippen … Haben kein Kleingeld, was? … Bringen Sie die 40 Fillér eben morgen vorbei.« Herr György schäkerte, produzierte sich ein bisschen, dem Meister gefiel das und wieder nicht; er lachte herzlich mit ihnen, dieser große, stattliche Mensch, doch dann, wie wenn man von einem schnellen Sommergewitter innerhalb eines Augenblicks patschnass wird, brach Müdigkeit über ihn herein und er ging, über Kreuzschmerzen klagend, um die Abrechnung zu machen. »Netter Junge«, sagte Herr Mikszáth, als sie hinausgetreten waren in die schwere Sommernacht. Ohne Aufsehen zu erregen, jedoch mit großem Interesse untersuchte der Meister den dort dümpelnden Trabant des Herrn György. Um es mit einem Scherz zu sagen: Ob es im ABC-Laden frisches Matzen gab, erfuhr er nicht; doch er betrachtete lange die auf das schmutzige Fenster gekritzelte Aufschrift schmutzig. »Sehen Sie, mein Freund. Das Auto ist ohne Zweifel schmutzig. Es steht sogar drangeschrieben: schmutzig. Und dort, wo die Buchstaben sind, das S, das C usw., wie ist es dort? Dort, ausgerechnet dort, ist es sauber. Sehr interessant ist das, mon ami, dass es gerade die Sauberkeit ist, die das Schmutzige ergibt.« Kann man das so interpretieren, dass das untadelhaft Reine erst den Schmutz, den Verrat usw. aufzeigt? »Achhh, wozu in allem eine Lehre suchen.«  
  Bis zur HÉV-Haltestelle fielen nicht viele Worte zwischen den beiden realistischen Schriftstellern, das Gehen, diese komplizierte, Körper und Seele durchwalkende Aufgabe, nahm all ihre Kräfte in Anspruch. Einmal nur wurde das unablässige Fortschreiten unterbrochen, als Herr Mikszáth den Meister wie ein Stanitzel voller Erdnüsse packte; er sah den Meister auf eine Weise an, dass dieser spüren sollte, nun würde etwas Lehrreiches folgen. Doch dann gingen sie beide weiter. In der HÉV summte Herr Mikszáth leise vor sich hin. Der Schaffner junge blieb neben ihnen stehen. »Meine letzte Runde.« Doch als er sah, wie diese beiden mit verschlossenen Gesichtern nickten, ging er weiter seines Weges. »Und das sportliche Leben, Péter?«, warf er zurück. »Wenn’s sein muss, spiele ich für die halbe Gage«, antwortete jener mit erschlaffter Heiterkeit. (Kálmán Mikszáth fuhr schon wieder schwarz.)  
  Das Fahrzeug hielt. Herr Mikszáth warf einen flüchtigen Blick hinaus und riss mit erschrockener Schnelligkeit die Tür auf. »Filatorigát. « Er schob sich umständlich hinaus. Drehte sich um. Sah den Meister an. »Servus, Söhnchen.« Jetzt waren sie beide wach. »Quark«, sagte der Ältere von unten mit säuerlichem Lachen, »das ist keine kluge Welt, heute, aber, Gottchen, die gestrige war es auch nicht. Und bestimmt wird es auch die morgige nicht sein. Das hat doch etwas Tröstliches.«  
  Die modernen, automatisch schließenden - jedoch per Handkraft zu öffnenden! - Türen fielen, wie eine Guillotine an ihrem freien Tag, mit einem großen Knall zu. »Tröstl- paff!« Sie bissen Herrn Mikszáths Wort praktisch ab. Den Schwanz des Wortes; so eine Enthauptung war das. Die Türen schlossen sich, doch die HÉV fuhr noch nicht los. Im mehr oder weniger zum Spiegel gewordenen Fensterglas konnte der Meister zugleich sich selbst und Herrn Mikszáth sehen. Der Meister beobachtete die Konstruktion seines Auges, wie es von kurz auf lang umstellte: von seinen eigenen ungeordneten, krausen Locken zum stacheligen Schopf des Alten.  
  Vor dem schwarzen Hintergrund die Helle seines eigenen Haars, und in dessen Rahmen sein durchscheinendes Gesicht. Und in diesem Rahmen dann das Gesicht des Herrn Mikszáth! Mal seine vollen Bäckchen, die vom Rüssel des Meisters geteilt werden, und mal - was für eine Parade! - sein Schnurrbart (Feldweih? Wels?), der die rosigen Lippen des Meisters rahmt. Und die Augen! Funkeln einander an, wie zwei Edelsteine in der Auslage. (»Daneben, mon ami, das gepfefferte Preisschild.«) Die HÉV ruckte an, der Meister schlug mit seiner Schläfe am Haltegriff auf. Er sprang ans Glas, drückte seine Stirn dagegen, sah hinaus. Doch er sah niemand Bekanntes, nur ein großes Gewimmel, denn die Nachtschichtler sputeten sich gerade, in die Webfabrik zu kommen. Doch nirgends Herr Mikszáth. Der Verschmitzte! Bestimmt hatte er schon die Spur des einen oder anderen jungen Mädchens mit wiegendem Hintern aufgenommen, die hier als Weberin arbeitet und deren Stundenlohn gerade von 13,50 auf 15 angehoben worden ist; obwohl die Weberinnen (»früh (sterben) …«) eher für Leistungslohn arbeiten.  
  –––––  
  Ich hatte geplant, hier eine von des Meisters zahlreichen Zettelchen einzufügen, welche ihn während seiner Arbeit umgeben »wie eine kleine Familie«. (Nun, in diesem kleinen Vergleich kann man jene künstlerische Unerbittlichkeit auf frischer Tat ertappen, welche er sich selbst gegenüber anwendet, sowie die Selbstsucht, Eigenschaften, welche, zugegeben, manchmal seine Familie, nunmehr Menschen aus Fleisch und Blut, in eine nachteilige Lage bringen. - Nichtsdestotrotz ist der Meister ein ernsthafter, verlässlicher und selbstloser Mann. In ihm wohnen Einsamkeit, Freiheit, die Leidenschaft der Seele, eine großformatige Optik, der Glauben an sich selbst sowie die Nähe zur Sünde und zum Wahnsinn; doch es mangelt ihm auch nicht an menschlichen Zügen, an ein wenig Gefühl, Sehnsucht, Liebe. Doch dies ist vollständig improvisiert. So einer ist er.) Statt des Einfügens zog sich der Meister in sein von erwähnten Zetteln umkranztes Heiligtum zurück, um mit stundenlanger fleißiger Arbeit - mit Filzstift! - einen sogenannten spontanen Zettel (siehe nächste Seite) herzustellen. Worüber ich mich bei mir doch ziemlich amüsierte, dass nämlich auch ein Mensch von so einem Format seine kleinen Eitelkeiten hat.  
   
 
 
33 Fuchs du hast die Gans gestohlen,
gib sie wieder her!
Gib sie wieder her!
Sonst wird dich der Jäger holen
mit dem Schießgewe-he-her!
Sonst wird dich der Jäger holen
mit dem Schießgewehr.
 
 
 
  34 (Sumpf-Sonntag) Kongo Mitics grinste, der Meister stand da in seiner ganzen Vaterschaft. Die seidigen, dünnen Haarsträhnchen des kleinen Mädchens streuten sich in ihre luftige Stirn, beziehungsweise hinten in den Nacken. Auf ihren Wangen blühten die Rosen der Gesundheit und der Lebensfreude. »Neiin, Papali, neiin«, ein Widerstreben tat sich auf. Der Meister stimmte mit seiner einschmeichelnden Stimme ein Lied an. (Die Beziehung zu seiner Tochter ruhte auf einem ehrlichen, freundschaftlichen Fundament, entbehrte jedoch nicht einiger didaktischer Tricks.) »Fuchs, du hast die Gans gestohlen «, seufzte er, »gib sie wieder her!« Es stand gut um die ablenkenden Dinge, als Mitocska unachtsamerweise auf Zoard den Großen trat (ihren großköpfigen besten Gummihundfreund) und auf erinnerungswürdige Weise heftig hinschlug. Das rosige Mündlein verkrümmte sich; fertig war das Weinen. »Weine nicht, Pawlowicht.« Der junge Vater befahl dem Weinen mit einem wenig geschmackvollen und beträchtlich ungeschichtlichen Maulepatsch Einhalt! »Weine nich, das Leben ist brutal… Doch lasset uns fortfahren!« (Oh, die Erinnerung, diese trügerische Frau mit Wespentaille! Na, ich erinnere mich lieber an Situation und Personen: um es unbescheiden zu sagen: an das Wesentliche! Doch die Worte! Die Worte nun, als der Packesel meines Lebens, vermitteln. — Der Meister steht nicht gerade ebenso zu dieser Sache. - All dies musste mir ob der Härte der Logik einfallen. Hat er es tatsächlich so gesagt: Doch lasset uns fortfahren? Und nicht etwa so: Jedoch lasset uns fortfahren? Oder fuhr er ganz einfach [?] nur fort? Und wie weit führt uns dies in die Irre? Ob Sie wohl ebenso sehr Gefangene des Inhalts sind wie ich selbst, ein verlässlicher Intellektueller, oder ob Sie gerne eintauchen in die fragwürdigen Fluten von Form und Stil??? - Ich, wenn ich an eine Sache denke, und wenn ich dann ein anderes Mal wieder daran denke, dann weiß ich plötzlich nicht mehr, ob es dieselbe Sache ist, an die ich zuvor dachte … Doch dann, wenn ich die Lider schließe und an den Meister denke, beginne ich fortgesetzt die Absätze also: An einem kühlen, sonnigen Sonntag im Monat September des Jahres 19… - und so weiter. Sehen Sie, Herr Dezső! So eine glückliche Hand bin ich. Es gereichte mir zur allergrößten Freude, wenn zahlreiche Leute glaubten: das und das ist ihm widerfahren [das wäre er selbst], jetzt hat er es erzählt, und … [auch diese drei Punkte wären er]. Ein hoffendes Herz bin ich. Doch lasset uns fortfahren!
 [!]
[sic!]
)  
  »Doch siehe, ich bin dir ein guter Vater: halte deine Stirn für ein zwitscherndes Bussi hierher.« Das Gesicht der kleinen Seele erhellte sich, sie verband einen tapsigen Schritt mit einer Streckung ihres Körpers auf die Zehenspitzen und pressionierte also ihre Stirn an den Mund ihres Vaters. Ich kann sagen, es entstand ein wunderbares Konzert. »Wissen Sie, mein Freund, Haydn hätte sich sicher an mir erfreut.« — »Siehst du, kleine Deyna, das war ein richtiger Heilkuss nach Papis Art! Frag nur deine Mutter, wie gut der ist!« - »Péter!« Frau Gitti ist inzwischen aus dem Badezimmer gekommen, wie sie sich hinhockte, beschrieb ihr Jeansrock vielversprechende Kurven.  
  »Ich fasse also hiermit unsere Ergebnisse zusammen«, so der Haushaltsvorstand: »Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her. Und ich setze zugleich fort: sonst wird dich der Jäger holen.« Hier lächelte bereits der Mann wie auch die Frau und auch die kleine Dóra-Bora, sie bereiteten sich auf etwas vor, mehr noch, Frau Esterházy kitzelte mit ihrem Zeigefinger seidig Dorko Mitics’ Ohr. »Mit dem Schießge-«, sagte der Meister und beugte sich erwartungsvoll nach vorne. »Mit dem Schießge-«, sagte das Ehepaar gut eingespielt. Mitocska (im Übrigen: der beste Leo, Obertaubfisch, eventuell mein kleines Schlachtrind) ließ heldenhaft den Azur zur vollen Reife kommen. Eins, zwei, drei, viea: »-WIEAH!«, rief sie schließlich, wobei einige A in der großen, großen Heiterkeit verloren gingen. Awdotia Jegerowna strich ihren Eltern nachsichtig über die Wangen. »Dein Kind hat eine Aussprache«, sagte der Meister ironisch, »wie ein schlechter Dissident.« - »Ungenau«, verkniff si  
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  Eszterházi  
  (Aufsatz)  
  Eszterházi ist ein Hauptwort. Der Name von 1 Familie. Christen. Gute Menschen. Einmal starb 1 Eszterházi. Papu hat ihn begraben. Der Ärmste hatte 2 kleine Kinder. Möge er in Gott ruhen!  
  Warum ist der Dissident im Unrecht?  
  Viele gehen ins Ausland, um dort zu leben. Dass sie ihre Heimat verlassen, ist sehr verwerflich. Was wäre, wenn alle Ungarn verlassen würden? Die meisten dissidieren, weil ihr Gehalt, eventuell ihre Arbeit, besser ist als hier zu Hause. Dabei ist auch im Ausland nicht alles perfekt! Und wenn sie wollen, dass auch Ungarn nicht hinten anstehen muss, sollten sie das Vaterland lieber unterstützen. Wir brauchen hier jeden Einzelnen! Hier ist es die Arbeitsamkeit, die die größte Anerkennung genießt, im Westen ist es das Geld. Aber warum wollen sie noch ins Ausland? Vielleicht wegen der schönen Landschaften? Aber die haben wir doch hier zu Hause genauso! Das blaue Wasser des Balaton und der Gipfel des Blauen Berges locken die Touristen an. Abgesehen davon ist die medizinische Versorgung in den sozialistischen Ländern herausragend. Wenn im Ausland einer krank wird, verliert er sein gesamtes Vermögen. Wir haben die Poliklinik. Und wie viele kluge Köpfe Ungarn der Welt gegeben hat! Unsere kulturellen Erfolge folgen einer auf den anderen. Gerade neulich trat der Chor des Ungarischen Kinderradios mit frenetischem Erfolg auf. Unsere Volkstänze sind weltberühmt. Auch das kleine Ungarn hat sich im Laufe der Jahre gemausert! Und wie viele ausländische Besucher wir haben! Im Sommer wimmelt es nur so von ihnen am Balaton und im Hortobágy. Interessant, dass für manche Menschen nur andere Länder schön sind. Ich aber denke, »die weite Welt gibt anderswo nicht Raum noch Heimat dir. Hier musst in Segen oder Fluch du leben, sterben hier«.  
  In einem Kurutzen-Lager  
  Die im Wald umherschleichenden elenden Deutschen entdeckten auf einer Lichtung das Kurutzen-Lager. Eifrig schwangen sie sich auf ihre müden Pferde und zogen im Galopp zu ihrem Befehlshaber, dem kranichfüßigen, elsternäsigen Anführer der elenden Horde.  
  Die Kurutzen ahnten nichts, sangen, kochten. Die Wachen, die ein hirschledernes Wams, schwarze Stiefel und schöne Samtkappen trugen, bewachten wachsam die Ruhe des Lagers. Die Anführer saßen in ihrem Zelt und unterhielten sich über die Labantzen. - Was für niederträchtige Schurken das doch sind, statt uns zu helfen, sind sie gekommen, um unser Vaterland zu erobern! Was für eine Brut!  
  Doch was war das?! Die Pferde wurden unruhig. Sie spüren Laban tzengestank, warf ein Soldat scherzhaft ein. Da ist etwas im Busch! Alarm, zu Pferde! Ein blutiger Kampf entbrannte. Nach fast zweistündigem Gemetzel gelang es ihnen, die Labantzen zu zerschlagen. Diesmal waren wir siegreich, doch wie wird es nächstes Mal sein?, seufzte jemand. Die Toten wurden mit dem gebührenden Respekt begraben.  
  Daraus können wir sehen, was für ein mutiges, heimatliebendes Volk das war. Sie waren imstande, ihre Familien zurückzulassen, um unser kleines Vaterland zu verteidigen, leider ohne Erfolg.  
  Meine Wortmeldung bei der Mieterversammlung  
  Werte Mitbewohner! Als Erstes möchte ich Károly Mathe meinen Dank dafür aussprechen, dass er dafür gesorgt hat, dass die Buslinie nun auch die Kalászi-Straße berührt, es gibt jedoch leider noch Fehler, wenn auch immer wenigere. In erster Linie die Buslinie. Seit dem Hochwasser verkehrt der Bus nicht mehr auf der alten Strecke. Das bedeutet einen großen Nachteil. Neue Wippen müssten auch aufgestellt werden. Ich bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit und bitte darum, meinen Fall den übergeordneten Organen weiterzuleiten.  
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  ch die Frau jedes weitere Wort und schaute verliebt zurück. (Dies ist ein Instrumentarium der Verdichtung meinerseits: denn daraus folgend hatte der Meister zuvor verliebt hingeschaut.) Mitocska grinste klassisch zwischen den Eheleuten, ein wenig vor ihnen, damit man sie gut fotografieren konnte.  
  Unleugbar, der Meister ist eine seltsame Kreatur. Er sitzt oder steht wo auch immer, auf jeden Fall unter ernsthaften Menschen, die für Geld oder aus Begeisterung oder aus anderen gut nachvollziehbaren Gründen - eventuell nicht immer einwandfrei! - ihre Arbeit tun, und dann sagt er auf einmal so was wie: »Gestern bin ich beim Taubfisch endlich mal Erster gewesen!« Er seufzt und wirft mit verstohlenem Stolz einen Blick zur Seite. Besser, man führt die Konsequenzen so einer Herausgegriffenheit nicht weiter aus. Worum geht es denn hier? »Um eine Der-Meister-und-Mitocska-Komposition.« - »Wir sind die beiden Taubfische.« - »Karpfen.« - »In Ordnung, halt du nur die Flossen richtig.« Sie hält sie richtig. »Und dann, mein Freund, fing sie an, in der Stube auf und ab zu gehen, leise, auf Zehenspitzen, und tat dabei verzweifelt den Mund auf. Das ist der Taubfisch.« Die Jury stellt Frau Gitti, streng und unparteiisch. Mitocska ist Erste, der Meister Zweiter. Und in so einem Fall erklärt er ihr ausführlich den Wert einer Silbermedaille, denn, »Täubchen, im Falle einer so gerechten Jury könnte es auch passieren, dass du mal Zweite wirst. Und das muss man dann auch in Ehr halten.« So bereitet er das kleine Mädchen auf das Leben vor. Und tatsächlich kam einmal die Zeit, und der Meister errang den ersten Platz. Hoho, aber da ergab sich doch keine Lektion daraus, denn Mitocska Deyna wurde nicht Zweite. »Papali, ich nicht Taubfisch, ich Dóra.« Paff.  
  Doch zurück zu unserer Eselsbrücke, zu einem kühlen Sonntag im Monat September - jener Tag fing schon am Morgen an. »Kein Blödsinn. Denn wie viele gibt es, die nicht einmal um Mitternacht …« Der Meister erwachte um Punkt halb acht. Sein großes Sichstrecken ward von einem unbekannten Knacken begleitet. »Wissen Sie, mein Freund«, sagte er zu einem späteren Terminus, »wissen Sie, so mag sich der Soldat im Kriege fühlen: gerade schickt er sich an, die Hand nach dem Geschenk der Marketenderin auszustrecken, welches die Marketenderin selbst ist, als: Rattatattata. Das Haar des jungen Soldaten erbebt wie von einem flüchtigen Wind berührt, aber ansonsten passiert nichts.« Nichts? »Nichts. Aber alle haben große Angst.«  
  »Scheibenkleister«, sagte der Meister nach einer Stille der Fassungslosigkeit, »das Bett!« Frau Gitti öffnete ein Paar verschlafene Augen. Von neuem bewunderte der Meister die morgendliche Glätte ihres Gesichts, das frische Rot der Lippen, das blendende (natürlich nicht so verstanden!) Schwarz der Augen, den zarten Bogen der Brauen, die vertrauliche Neutralität der Nasenwurzel (»herrvorragend!«) und die müde Reinheit der Stirn; er, der Meister, erwachte jedes Mal zerknittert wie eine Bulldogge. Hja, ein paar Furchen waren schon erschienen im Gesichte, dahin die Samtigkeit des Gymnasiasten. »Du wirst immer schöner.« - »Die Nuten«, flüsterte die Frau dort fachkundig. »Was?!« - »Die Holzzapfen.« Das stimmte ihn milde. »Gutes Wort. Holzzapfen.« Doch jetzt war kein Platz für die Kunst, leider - wie ich hinzufügen muss.  
  Mit großer Fürsicht kletterte er aus dem Bette. Mit einem flüchtigen Blick maß er das Terrain: keine Hausschuhe nirgends. Am anderen Ende des Zimmers nestelte Domino Dikics an der Grenze zwischen Wachsein und Schlafen. Stille (die Stille) war angezeigt. Der Meister war über diese Wendung, die der Hausschuhe, nicht erfreut: er mochte es nicht, wenn er, vor der WC-Schüssel stehend — auf das Nachlassen der morgendlichen Steife seiner Rute wartend —, mit einem mähenden Kreisen seines rechten Fußes den kleinen, gelben, schwammigen Teppich (von dem der Meister andauernd glaubt, es sei ein Handtuch, ein heruntergefallenes Handtuch) zum Fuße der Schüssel schleifen muss, weil sonst die Kälte von den kalten Steinfliesen bis zu seinen Knien hinaufkriecht. »Wissen Sie, mon eher ami, dastehen, bis sich die Leitungen umgestellt haben.« (Erneut drängt sich Unsicherheit auf. Ist es wirklich die Aufgabe eines Chronisten, persönlichen Begebenheiten derartig auf der Spur zu sein? Vielleicht erwähnte ich es bereits: Nichts, was mir ferner läge, als ein »Großer-Mann-in- Puschen«-Stück zusammenzustellen. Doch ich hoffe, dass früher oder später auch die humanistischen Reserven des Privatlebens aufscheinen. Und dann … »Rette sich wer kann!«)  
  »Unter dem Stuhl rannten zwei alte Turnschuhe gegen die Wand an. Die aufgefransten, verschlissenen Schnürsenkel lagen lang hingestreckt hinter ihnen. Der Linke war vorne aufgerissen, als wäre sein Besitzer ein Linksfüßer. Unsere erschrockenen Blicke trafen sich. Gottverdammt! Sie hatten Angst, ich hatte Angst, aber sie mehr. Sie winselten in der Ecke, sahen aus, als würden sie abwechselnd einander und die Wand beißen. Sie stanken.«  
  Gerade hätte sich der Meister in das Unabänderliche gefügt, als er unter einer fallen gelassenen Manuskriptseite und einer zerknüllten Nagyvilág die mitgenommene Hacke eines Turnschuhs hervorlugen sah. Er schlüpfte pantoffelartig hinein, schlurfte so hinaus. An der Spitze des linken Schuhs war der Stoff wie eine Wunde ausgefasert, so den Anschein erweckend, der Meister wäre ein Linksfüßer, dabei ist er ein Rechtsfüßer, und gerade das Hintreten mit diesem Fuß zieht den anderen nach sich, welcher auf diese Art erodiert. »Eine Maus?«, fragte leise Frau Esterházy. »Was?!«, sagte er, der Form entsprechend, gereizt. »Ob dieses Geschähe von einer Maus kommt?« - »Nein. Keine Maus. Pantoffeln. Das heißt: Turnschuhe.« - »Pantoffeln?« Der Meister ließ es auf sich beruhen. »Ja, Pantoffeln.« - Ein solcher Tschardas der Fragen, Leidenschaften, Missverständnisse und Zärtlichkeiten verlangt nach einer Erklärung. Zu dieser Zeit hatten sich die Mäuse im Elternhaus des Meisters sehr vermehrt. Sie waren jedes Jahr da, diesmal aber vermehrt. Die Frau Mutter des Meisters, diese, ich darf sagen, bewundernswerte Frau, die so viel erlebt und erlitten hatte, experimentierte mit raffinierten Konstruktionen. Zunächst schickte sie natürlich des Meisters » alten, ergrauten Vater« los, um offizielle Mäusefallen zu besorgen. Doch diese bewährten sich nicht. »Der Stift«, die liebe Mutter seufzte dem Meister zu, als dieser nach einem ermüdenden Training rastete. »Schau, mein Sohn«, sagte der Vater, der herbeirannte, um seiner Frau auszuhelfen, denn das Gesicht des Meisters zeugte nicht gerade davon, dass sehr viel Information verarbeitet worden wäre, »schau, ich glaube, es reicht, wenn ich so viel sage: die Maus müsste, um den Tod zu finden, mit einer Hand die Falle gegen die Feder drücken, während sie, wenn sie genug Courage in sich hätte, den wohlschmeckenden Köder verspeist.« - »Weder Käs’ noch Speck?«, der junge Esterházy brach in Johlen aus. Die Eltern forcierten die Sache nicht weiter. Die Mutter des Meisters machte eine sanfte Überleitung. »Hast du keinen Hunger?«  
  Der Meister war erwachsen geworden, darüber freut er sich nicht, doch er grämte sich auch nicht. »Hast du Hunger?« - »Noja, Mütterchen, wenn du grad was Feines dahast. Was Leichtes.« - »Brot mit Lyoner«, sagte die Mutter mit niedergeschlagenen Augen. Der Meister winkte ab. »Meinetwegen, her damit.« Tja nun: das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn ist nun einmal so. So in der Art. Mein grandioses Unternehmen — das eben so groß ist wie das vom Meister abstrahlende Lichtbündel — hat mich ein wenig durcheinandergewürfelt: ich schreibe in der 1. Person: die Frau Mutter des Meisters trat an mich heran und sagte: »Péter.« Sie nennt mich lieber so als Johann. »Péter, muss das hierher ?« Ich sprach mit großem Respekt zu diesem allmählich ergrauenden, sehr sympathischen Geschöpf, das mir mit dem einen oder anderen Schmalzbrot, aber auch mit anderen Dingen schon oft zu Hilfe kam, wofür ich ihm Dankbarkeit schulde. »Glauben Sie mir, gnädige Frau, Ihr Sohn wird dadurch nur noch an Größe gewinnen.« — »Aber ja, natürlich«, sagte sie unaufmerksam, »aber was hier geschrieben steht… irgendwie ist es so nichtliterarisch …« Ich leugne es nicht: Es schmerzte mich ein wenig. Aber wo gäbe es einen, der nicht schwer an scheltenden Worten trüge? Wo? »Gnädige Frau, das kann kein Kriterium sein«, antwortete ich leise und beugte mich über ihre wunderbare, von blassen Adern durchzogene, schmale, dünnhäutige, vom vielen Abwasch zerquälte Hand und küsste diese. Sie schlug die Augen nieder, auf ihrem Gesicht, welches, der Zeit sei’s geschuldet, schon etwas aufgedunsen war, stand ein trauriger, fettiger Glanz. Fast hätte sie geweint, wie so häufig in letzter Zeit. »Pass bloß auf dich auf«, sagte sie dann. Ich liebe sie sehr, schließlich ist sie die Mutter des Meisters!  
  Die Hauptmäusefangmaschine war raffiniert, da einfach. Der Nusstopf! Ein Stück Karton mit einem Blumentopf drauf, mit einer Nuss unter dem Rand: das war alles. »Und sage, schöne Mutter mein, bewääährt er sich?« - »Ja.« Also, etwas komplizierter ist das schon, darüber habe ich Kenntnis. Denn die Nüsse pflegen, inmittels ihrer Eigenbewegung (?), im Laufe der Nacht sich wegzubewegen, worauf der Blumentopf, bumm!, herunterfällt. Der gute Vater schläft zwar weiter wie ein Murmeltier, doch die wache Mutter fährt immer wieder erschrocken-achtsam hoch. »Was ist?! Wer ist da?! Bitte! Pétergyörgymihálymarci! Bist du das?!« (Nicht jeder davon ist eine reale Möglichkeit. Der Meister ist fort, Herr György arbeitet von früh bis spät, Herr Mihály ist im Wienerland, und Herr Marci schließlich hat einen sportlichen Lebenswandel. »Schauen Sie sich das an, mein Freund! Fradi, Kneipe, Wien, Literatur: Wer könnte da noch was anderes sagen?«) Zu ihrer Entlastung sei gesagt, zu diesem Zeitpunkt - da sie am Ende ihrer Arabesken angekommen ist - schläft die gute Frau bereits wieder. Aber am nächsten Morgen dann! Dieses blutrünstige morgendliche Lauschen! »Sie kratzt, eindeutig: sie kratzt!« Der Henker ist Herr György. Mit seiner riesenhaften Statur ergreift er die Topfnussmauskarton- Komposition, um anschließend ein geeignetes Element dieser (die Maus!) mit sachdienlichen Handgriffen zu ertränken. Herr Marci, der ein empfindsameres Gemüt ist, hängt weinend an Herrn Györgys Hosenbein und fleht um das Leben der armen kleinen Seelen. »Nicht, nicht!« Doch Herr György befreit sein Bein aus der blitzenden Umklammerung von Herrn Marcis Zähnen und tut seine Pflicht. Herr Marci seinerseits hockt sich traurig in einen Armsessel, um sich mit dem einen oder anderen seiner Lieblingsbücher zu trösten. (Herr Marci liest zwei Bücher: Herrn Jacks Die eiserne Ferse sowie das gelbe Buch des Herrn Dezső. Sonst nichts. Manchmal den Meister, aus Anstand.) Bei einer Gelegenheit etwa fiel Herrn György auf, dass im Bein seiner Hose, die er an der Tür gegenüber seinem Bett aufgehängt hatte, »ein wildes Tier sein Unwesen trieb«. Herr György griff nach seiner guten alten 38er Smith and Wesson, seinem Pantoffel
n
Jegyzet Autsch!! Diesen Text im Nachhinein überprüfend, korrigierend und beschämend merke ich, dass der » Pantoffel« hier schon zum wiederholten Male Erwähnung findet! Aber dann ist das ja ein Motiv! Aber dann ist das ja Kunst. So was aber auch! Dabei wollte ich das nicht. Vielleicht bin ich einfach ein Glückspilz: Ich schreibe nur hin, so und so … und, bitte: schon wieder ein Pantoffel! Wenn ich sage: Kunst, lobe ich nicht etwa mich selbst, sondern die Welt: dass die Pantoffeln darin so angeordnet sind, dass sie früher oder später zum Motiv werden. So ist das vielleicht nichts Zweifelhaftes. Bemerkung: » 38er Smith and Wesson« schrieb ich scherzeshalber.
pirschte sich an die Tür heran, schlug mit einer furchtbaren Bewegung auf das Knie der ausgeblichenen Cordhose und drückte, presste die Puste herauswärts. Eine kurze Zeit später trug er den toten Körper auf dem Pantoffel hinaus wie auf einem Schild. »Mit oder auf diesem«, sagte Herr György, der auch seine klassische Bildung hat, und von seinen Hünenschritten erbebte das Haus. »Oh, wie süüß«, seufzte Herr Marci bereits das zweite Mal innerhalb eines Menschenalters und zeigte auf die Maus. »Krepiert«, klärte ihn Herr György auf. »Schade.«  
  Der Meister also kam an jenem vielversprechenden trockenen Spätsommermorgen aus dem Badezimmer und blieb sorgenvoll vor der Küche stehen. Nachdenklich schlurfte er mit den Turnschuhen, schließlich entschied er sich für die Küche. (Die Wahl war die richtige: Während er hinausging, um die Zeitung zu holen, konnte das Teewasser aufkochen.) Mit dem dritten Streichholz gelang es ihm, die Gasflamme anzuwerfen, er setzte das Teewasser auf. Er ging hinaus, die Zeitung zu holen. Der Meister wurde von kurzfristiger Panik erfasst: ob wohl der Zeitungsbote (»der Zeitungsjunge«) die Népsport hereingeworfen hatte. »Manchmal vergisst er es, wenngleich immer seltener. « Die frische Luft wirkte erfrischend. »Mein Gesicht erwacht.« Das Gesicht des Meisters erwachte. Das Wetter war kühl für die Jahreszeit, wie an einem veritablen Herbstmorgen (wenn die Sonne scheint). Im langsam sich auflösenden Nebel tauchten die Gegenstände und Menschen auf und wieder hinab wie auf einem Gemälde von Renoir. Diese Unsicherheit wurde dadurch ausgeglichen, dass durch Nebel und Kühle, »mein Freund, die Luft sichtbar geworden war«. Ich möchte mich nicht lange damit aufhalten, aber wenn wir können, versuchen wir ihn uns in diesem Moment vorzustellen, wie er, bedrängt von diesen Doppelheiten, vor dem Briefkasten steht, die zusammengefalteten Zeitungen unterm Arm, in seiner ein wenig zu kurzen Pyjamahose (welche er ein wenig zur Seite gezogen hatte, damit sich der Eingriff - Verzeihung, Verzeihung - nicht an der ihm zu diesem Zwecke zugewiesenen Stelle befand und sich somit keinerlei Hoppala gegenüber einem eventuell zu begegnenden Nachbarn ergeben konnte), mit der einen Hand den Kragen des Pyjamajäckchens, dort, wo der oberste Knopf fehlte, zusammenhaltend, mit der anderen Hand wie gewöhnlich in einem fremden Briefkasten nach fremden Zeitungen kramend, um diese dann unglaublich schnell und gehemmt zu überfliegen, mit einem immer frischeren, doch von der Nacht immer noch beträchtlich zerfurchten Gesicht auf Sichtbares und Unsichtbares achtend, bis er endlich zu zittern beginnt; er streckte sich, soweit es seine Umstände ihm erlaubten: weniger mit einer Bewegung als mit seinen Muskeln, dem Muskelwillen. Sobald die Schläfrigkeit des Körpers verflogen war — was man für eine Weile als Ausgeruhtsein akzeptieren kann -, stellte sich heraus: dass er müde war. Der Meister war müde. Besonders die Existenz der Waden war beweisbar. Ein Muskel am Aufeinandertreffen von Schenkel und Gesäß ließ von sich wissen. Die Müdigkeit war gut, der Schmerz war nicht gut.  
  Ein wenig übertrieb er auch das Zittern, ließ groß die Zähne klappern, seine Kiefer donnerten. Angesichts einer heraustretenden Frau (»die fremde Zeitung!«) fuhr er gewissensgeplagt zusammen. »Guten Morgen!«, grüßte die Frau; vom kleinen Tor sah sie noch einmal zurück, ihre Augen waren mit großen Grüntönen ummalt, geschmackvoll, aber doch massig, der Meister hob eine Hand zu einer Art von beginnendem Abschiedskuss: dabei öffnete sich der Pyjama, die Andächtigkeit löste sich in nichts auf, die Gänsehaut wütete.  
  Es war Sonntag, die Zeit des Earl Grey. Der Meister gab eine Prise dieses Tees in die Teekanne. Aus der Stube drangen die winzigen, fordernden Geräusche des Lebens zu ihm. »Kusch!«, rief er hochgelaunt hinein. »Geliebte!«, schickte er dann verfeinernd hinterher. (Wie anders ist doch diese Akribie als die morgendliche Eile der Alltage. Wenn er sich Tag für Tag hinausquält, sich dem Kreise seiner schlafenden Familie entreißt, ins Badezimmer schlurft, blinzelnd den Spiegel findet und darin - er, ja! - sein Angesicht, wie er lang durch das Glas schaut, damit irgendwie der Tag anfangen kann - »Man müsste das so machen, mein Freund«, einmal brach die familiäre Erfahrung aus ihm heraus, »dass wir lange im frühmorgendlich dunstigen, sonnenbeschienenen Riesengarten spazieren gehen würden, in eine Spinoza- Ausgabe von 1920 vertieft, na-tür-lich hätten wir ihn schon hinter uns gelassen, selbstverständlich, aber wir würden ihn immer noch sehr mögen, es wäre nicht später als 1/2 8, denn von keiner Trägheit würde die Rede sein, im Gegenteil, ein leichter Wind würde unser Haar räufeln und manchmal wie nebenbei im Buch blättern, der Garten wäre im Grunde eine Wiese, eine mächtige grüne Zeichnung, man müsste nicht befürchten, sich an irgendetwas zu stoßen, und dann stünden wir nach einer Kehre plötzlich vor dem kleinen Gartentisch, rundherum unbegründet viele Korbstühle; Jam, Schinken, knusprige, braun glänzende Semmeln und Butter in kleinen Rollen! Ich glaube, mein Freund, so gebührte es sich, einen Tag würdig zu beginnen.« - Wenn der Meister die zeitliche Ausdehnung seines versonnenen Schweifens vor dem Spiegel in zwei Teile teilt, dann ist es gut, wenn ihm spätestens kurz nach Beginn des zweiten Teils einfällt: das Teewasser. Wenn er sie jedoch in drei Teile teilt, muss das in der Mitte des zweiten Teils [»also etwas später«] der Fall sein. Das ist der letzte Moment, in dem es sich noch lohnt, das Teewasser aufzusetzen. Danach das Gleiten der Seife, das Preschen des kalten Wassers, anschließend gieriges Zähneputzen sowie das Sich-rosa-Färben des aus dem Munde plätschernden odolhaltigen Wassers während dieser Tätigkeit… Und der Tee! Wenn es auch kein weißer Tee ist, wie - soweit ich weiß - die Chinesen das heiße Wasser nennen, ist doch auch von der Dunkelheit und Öligkeit, welche dem Meister so lieb sind, nichts da. »Trotzdem ist er gut, weil er schön warm ist.« Und um halb acht dann stellt er sich haargenau auf seiner ernsthaften Arbeitsstelle ein. Dabei könnte er sich auch verspäten. »Péter«, der Portier zwinkerte, »8-10 Minuten, wann immer Sie wollen. Wann immer Sie wollen.« Der Portier war, nach eigenen Angaben [ich formuliere es deswegen so, weil der Meister misstrauisch ist: »Kann es so viele Schweinehirten gegeben haben?«], Schweinehirte bei der väterlichen Familie des Meisters, aber als der »geschickte und tüchtige Bursche, der er war« etc. »Sehen Sie, lieber Péter, wenn Ihr Großvater nicht so gut zu mir gewesen wäre, wäre er noch viel besser gewesen, hä-hä, zu mir.« - »Verzeih, Onkel Laci.« Aber das meinte er nicht ernst.)  
  »Heute Morgen wird die Familie weiche Eier essen«, verkündete er in die Welt. (Sorgenvolles Festklammern an der Stoppuhr …!) Auf das geflochtene Holztablett stellte er den Salzstreuer, die Eier in einem Körbchen, die Teetassen, die Kanne, von ihm geschnittenes Brot, trug alles in die Stube hinein und stellte es aufs Bett. »Voilá, der perfekte Ehemann«, sagte der Meister und verbeugte sich mit etwas lückenhafter Eleganz (die Pyjamahose hatte sich nämlich zurückgedreht). Die Gattin lächelte hold und sagte voller Dankbarkeit: »Löffelchen, Untersetzer, kleine Teller, Jam, Lyoner, Äpfel.« Dass all dies fehlte. Der Meister nickte gekränkt, erkannte das sachliche Rechthaben seiner Gattin an, doch daraus entstand keine Distance. Im Gegenteil!  
  Er schenkte für Frau Gitti etwas Tee ein. Wieder eine Nuance. Es gibt einige kleine Dinge im Leben, in denen er, um es mal so auszudrücken: nicht unanfechtbar ist — wenn man das überhaupt Anfechtung nennen kann. Er selbst erkennt diese liebenswerten Nachteile seines Menschseins mit ziemlichem Kichern. Hierzu gehört sein Teeeingießen; denn es mag per absurdum sein, dass es die Höflichkeit ist, die ihn bewegt, aber es ist wohl eher »das bisschen Hinterhältigkeit«, denn wer als Erster Tee bekommt, bekommt ihn blass. Denn, so verbunden zwei Menschen auch leben mögen, es bleiben unnahbare Terrains, Fremdheiten, Geheimnisse, leider. Auch er hat Frau Gitti den Tee-Trick noch nicht verraten. »Na, na, mon ami!«  
  Nachdem der Meister minutiös abgewartet hatte, bis die Teller geleert und die Räume des Abfalls gefüllt waren - und auch er selbst ein wenig Nahrung aufgenommen hatte -, nahm er seine Frau und ließ sich mit ihr, vorsichtig, damit sie durch die verrückte Statik des Bettes keinen Schaden erlitt, aufs Bett fallen und küsste ihr die Hand. »Liebste.« - »Liebster.« Frau Gitti war schön wie ein Gemälde. Ihre braune Haut und die Sommersprossen leuchteten nur so, duftige, bunte Seifenblasen flogen über der Stadt, der Meister schloss die Augen und überall blieben die Menschen stehen und staunten, staunten … »Wissen Sie, mein Freund, mit diesen meinen Augen habe ich sie gesehen, ich persönlich, meine Frau!«  
  Darauf folgend rang der Meister langwierig mit Luigi Dongo, deren fröhliches Lachen und an Bernhardiner erinnernde Schnauber das wohnliche Zimmer füllten. Während der Meister vorsichtig die Betten machte, wurden beim Kind die Windeln gewechselt und der Kaffee wurde gekocht. »Ist Zucker drin?«, fragte er sanft. »Warum sollte welcher drin sein?« - »Kein Vorwurf; nur eine Frage«, antwortete er schnell, aber nicht schnell genug, als dass er das Hineingeben von Zucker in seinen Kaffee hätte verhindern können, obwohl, er wollte es in Wahrheit auch nicht verhindern. Das Kaffeetrinken ging unmerklich ins Zeitunglesen über. Mittlerweile spielten schon die Lichter eines richtigen Vormittags im Äther. Das Zimmer hellte sich auf, die Staubkörner funkelten, auf dem Teppich glitzerten ein paar lange goldene Haare sündig auf. Er las die Erzählung in der Sonntagsbeilage. »Schön«, sagte er richtigerweise zu den verschwiegenen Wänden, »schön: kaum verdorben.« Denn so erbarmungslos und gutherzig konnte er sein, wenn er wollte. Er nahm die Sportzeitung. »Jaczina, ei Jaczina«, brummte er. Ein erstklassiges Literaturblatt, das auf Armlänge lag, schaltete sich in das Rondo ein: die Verlautbarung der Trainer mündete in neue Rechte für die Gewerkschaftsfunktionäre, welche eine Erzählung im Stile Krúdys verfeinerten. »Wissen Sie, mein Freund, es war wundervoll: den ganzen Tag über habe ich nichts, aber auch gar nichts gemacht. Ich gammelte nur. Es war ein guter Sumpftag.« (Von wegen Sumpf! Was für eine Selbstungerechtigkeit! Denn wie er so vor sich hin spaziert, Sonnenblumenkerne knackt und sich kratzt und in unbedeutende Gespräche hineinlauscht, sozusagen: in die Konversation der Welt, lagert sich all das, nicht wahr, in ihm ab und er wartet wie ein räuberischer Tiger, auf weichen Pfoten …! Eine harte Arbeit ist so was. Und wie viel Spucke die Sonnenblumenkerne kosten! Mein lieber Gott! »Ein Sommernachmittag kostet eine Menge Spucke!« - Nun. Ich wage zu hoffen, dass ich die Arbeit, das Leben, den Fluss des Lebens und den Tod des abgöttisch geliebten Esterházy, wenn auch durch die etwas trübe Linse der Liebe, jedoch auch mit einer Distanz betrachte - denn wie groß ist doch diese! -, die als Gewähr gelten kann.)  
  Zu Mittag ging der Meister auf einen Sprung in die Kathedrale, um dort eine Dankesmesse singen zu lassen. Die bunten Fenster lenkten manchmal die Aufmerksamkeit ab. Als er nach Hause zurückkehrte, schlug ihm bereits im Treppenhaus Kartoffelgeruch entgegen. »Wissen Sie, mein Freund, ich habe einen Redaktor gesehen, dessen Nüstern, als jemand von einer Erzählung, und zwar, ich sage euch: der meinigen, behauptete: aber mein Lieber, das ist doch ein realistisches Werk!, wie bei einem Schlachtross erbebten, und er antwortete hoffnungsfroh: Meinst du wirklich, Onkel Imre? … Warum habe ich das jetzt erzählt? Ach so. Auch ich erbebe so, wenn ich den Geruch von Kartoffeln vernehme.« Die Kartoffeln mit Zwiebeln und Öl hatte der Meister noch während seiner Dorf-Phase zu lieben gelernt. (Der Hunger trieb’s rein.) Seine Anhänglichkeit duldete keine Grenzen! Schon lange konnte man sich wieder Fleisch leisten, als er sich als Geburtstagsfestessen nichts anderes wünschte. (Das Mittagessen im elterlichen Haus begann, wie auf dem Dorfe, stets um 12 Uhr. Auch das ist so ein Überbleibsel. Doch die modernen Zeiten haben auch das allmählich verdrängt. Jeder isst, wenn er nach Hause kommt.) Man kann sich die Empörung der Herren György, Mihály und Marci vorstellen! Doch damals war noch der Meister der physische Kraftgewinner und musste nicht beim Nachbarn borgen gehen für die eine oder andere Ohrfeige, sozusagen Backpfeife. - Seitdem hat sich die Situation, wie wir wissen, geändert! Auweh, wie oft habe ich ihn gesehen, wie er in gedemütigter Position um Gnade flehte, während ein Riesenknie gefährliche Löcher in seinen Brustkorb drückte und eine Hand erbarmungslos an der vorhandenen Nase drehte. Ein Glück, dass der Meister so gebrechlich ist, dass es nicht wirklich einen Modus gibt, ihn zu züchtigen.  
  Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Klingel. Sobald sich die Tür öffnete, bemerkte er sofort: hier war auch noch von Wurst die Rede. »Kartoffelpaprikasch?«, fragte er, die Brauen hebend. »Wieso, passt es vielleicht nicht?«, sagte die Frau, zum Schein angreifend. »Doch.« Schließlich war es so, dass das Essen mehr Saft enthielt, als zu erwarten gewesen war, dafür hatte es auch mehr Paprika; beides brachte er zur Sprache, unter - bzw. + Vorzeichen.  
  »Ich mach mich mal raus zu Marcis Match.« Er erhob sich vom Tisch, sozusagen sofort hinein in den schmutzigen Ballonmantel. »Nimm einen Apfel mit«, sagte Frau Gitti, während sie, unter den Mantel greifend, das Kreuz des Meisters knacken ließ. »Es ist gut, mit dir zu leben«, sagte er verlegen. »Nimm einen Apfel mit.« Und er nahm einen mit. Kazimierz Mitovics tobte sich auf einem riesigen Blatt Papier aus, welches der Meister noch am Tag zuvor aus der Putzerei mitgebracht hatte. Das Aushilfsmädchen suchte lange nach dem Mäntelchen. »Ich finde es nicht«, sagte sie, »dabei fallen mir fast schon die Augen aus dem Kopf.« Wie sie sich so streckte, schnellte der kurze Kittel veritabel bis zu ihrer Taille hoch, so dass sie im Schlüpfer dastand, dunkelblau. Der Meister räusperte sich - jetzt - und sprach höflich: »Und wenn Sie sich so strecken, fallen mir auch die Augen aus dem Kopf.« Die Stille daraufhin fiel größer aus, als der Meister es erwartet hatte (er hatte gar keine erwartet), und das Mädchen wurde rot; das Mäntelchen fand sich, es war irrtümlich zwischen die Röcke geraten. »Wer das wohl gewesen sein mag«, flüsterte das Mägdelein.  
  »Ich beeil’ mich«, sagte der Meister leichthin und bog zu seinem vorzüglichen Rappen ab, auf den er sich schwang. Vom Schwung pendelte der Apfel wie eine Eisenkugel aus. Sie begaben sich in einen lauen Trab im aufblühenden Licht. »Ein hervorragender Tag. Kann man schön blinzeln.« Er lehnte sich kommod nach hinten, bewegte den Fuß zerstreut im Steigbügel vor und zurück, die Geschwindigkeit dem Rhythmus des Pferdes überlassend. »Dem Pferd.« Er selbst kümmerte sich quasi nur um den Blinker. Sein Körper wurde erneut von Müdigkeit zerschnitten, welche aber nun eindeutig gut war. Das Rütteln konnte er als wohltuende Massage oder aber als mittelalterliche Folter empfinden.  
  Herr Marci war nicht in der Lage gewesen, dem Meister einen Gratiseintritt zu gewährleisten, also kaufte sich der Meister eine Karte; anschließend Kürbiskerne. Hierzu verlangte er auch ein Stanitzel - sich damit dem Problem des »In welche Tasche soll ich sie denn kippen, junger Mann?« verschließend - das junge Zigeunermädchen ärgerte sich sichtlich, aber der Meister spürte, dass er keine andere Wahl hatte. An der Spitze des kurzen Anstiegs - hinter großen, schwarzen Rücken - erschien das Spielfeld: das Gras war grün, der Torpfosten weiß, die Sonne schien, das Netz war gespannt: in Ordnung; der Meister nickte. Langsam spazierte er zu den Betonstufen auf der anderen Seite. Die Simultaneität der Schärfe der nahen Bilder und des verwischten Bogens des gegenüberliegenden Kreises war günstig. Er tastete in seiner Tasche herum, im dortigen Dunkel legte sich seine Handfläche mit geistesabwesender Freude um den makellosen Apfel (von dem sich später herausstellte, dass er eine Bohrung verbarg, eine bittere Bohrung), bevor er, diesen mit dem Handgelenk gegen die Wand der Tasche drückend, die Brille erreichte und hervorzog. Er wischte mit dem Daumen - zuerst kreisförmig, dann in parallelen Vertikalen - umständlich über die Gläser, die sich fettig anfühlten und zerkratzt waren. Der Fingerabdruck »wie ein gepflügter Acker auf einer Luftaufnahme«. - Ich verstehe nichts davon, natürlich, ich weiß nur: schmutzigere, verkeimtere, vernachlässigtem, erbärmlichere Augengläser als diese! Oder, wie Herr Marci anno dazumal so schön sagte: Augläser!  
  Der Meister nahm einen Brillenbügel in den Mund, ließ die Brille selbst (mit den Bewegungen seines einstigen, inzwischen toten Physiklehrers) hin und her schwanken und spazierte ohne Hast auf die andere Seite. »Wissen Sie, mein Freund, das Spielfeld war bereits von jenem Raunen, ohne das ein echtes Match nicht anfangen kann.« Der eine oder andere Leser erkannte ihn, und hätte er die Hand nicht schnell zwischen Apfel und Kürbiskernstanitzel versenkt, hätte man sie zweifellos abgeküsst. »Aber, aber«, er lächelte, und ich nehme stark, sehr stark, an, dass er die vereinzelten Versuche, vor ihm in die Knie zu gehen und ihm die Schuhe zu putzen, nicht einmal bemerkte. (Welche, Letztere, das, unter uns gesagt, mehr als nötig gehabt hätten. Manchmal erklärt sich Herr György gegen zehn Einheiten bereit, sie zu putzen. Es gab schon mal Präzedenzen hierfür.) »Wie viele bayerische Meter wird wohl dieses Feld der Länge nach sein?«, dachte er während all dem.  
  Herr György war schon da. Sein eleganter Lodenmantel wie ein Fichtenwald! Ein finstrer Fichtenwald. Und auch der alte Herr Vater des Meisters war da! Der Wind hatte ihm das graue Haar in die Stirn geschlappt, durch die lockeren Büschel waren die schutzlosen Schläfen zu sehen. Er krümmte sich fröstelnd. An seiner Schulter - dort, wo die Hexen ihren Buckel haben - spannte der Mantel; er trampelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Er war so dünn, so mager, wie ein Vögelchen. »Ojjoj, mein armer alter Vater: wie ein magerer Kleppervogel. « Die Knochen in seinem Gesicht lagen sehr nah an der Luft, sein Mund fast, als weinte er. Ich liebe den Herrn Vater des Meisters sehr, schließlich ist er der Vater des Meisters!!! »Kalt«, sagte Herr György. »Die Sonne scheint«, sagte der Meister und strich sich über das Haupthaar, an dessen eigentümlicher, rauer Oberfläche der Wind zu ertasten war.  
  Währenddessen liefen die Mannschaften auf dem Rasen auf. »An die Arbeit«, hätte der Meister eigentlich gesagt, aber bei Herrn Marci erfasste ihn jedes Mal eine merkwürdige Verkrampfung, so dass er bescheidener an so eine Sportveranstaltung heranging. Die beiden Brüder jedenfalls verabschiedeten sich von ihrem Vater und setzten sich ab. Denn, alles was recht ist: So, wie der Vater des Meisters schlachtenbummelt! Ein Skandal.  
  Er zog den Apfel hervor, biss hinein. »Kalt.« Die Kälte fuhr ihm in einen Zahn hoch. Als er plötzlich auf einen hochgestellten Kragen aufmerksam wurde. Eine Winzigkeit zuvor war ihm ein Kürbiskern zwischen den Zähnen stecken geblieben. Nachdem er ihn geschickt mit der Zunge herausmanövriert hatte, spuckte er ihn aus, auf die Schulter des vor ihm Stehenden. »Da gäb’s aber was«, bedeutete er Herrn György und zeigte ihm die Position des Kürbiskerns. »Keine Panik«, sagte der mächtige Herr György. »Und dann sehe ich dort dieses Sakko mit dem aufgestellten Kragen.« Der Filz. Und in der Niederung des Aufeinandertreffens von Filz und Stoff auf der Kehrseite des Kragens: Schmutz. Alle Arten von Schmutz. Und dann plötzlich (»jetzt sagt er’s …!«) glaubte der Meister sich zu erinnern an die hochgestellten Krägen gewisser Sakkos, an ihren grauen Filz: »Es ist mir lebhaft im Gedächtnis.« Auf der äußeren Plattform einer 33er Straßenbahn, mit blauen Lippen, aufgestelltem Kragen, welcher gerade bis zum ausrasierten Nacken reicht. »Der Filz: so viel kann man behaupten!«  
  Der Meister wurde immer steifer, jede Bewegung, so glaubte er, könnte die Sache schlimmer machen. Selten kommt was Besseres nach . Er wartete auf Herrn Marci am Spielerausgang. »Den einen Einwurf. Den hast du schön geworfen«, rief er liebevoll mitten hinein in die verschwitzten Spieler, um sich anschließend zum Parkplatz zu sputen, wo er das Pferd angebunden hatte. Herrn György und den Vater brachte er bis zum Batthyány-Platz, wo diese die HÉV nach Hause nahmen. Der Meister hielt sein Ross zum Galopp an. Ich glaube nicht, dass er auf Geschwindigkeitsbegrenzungen achtete …  
  Zu Hause angekommen, wieder im Blutkreislauf des Alltags, versuchte sich der Meister mit der Windel. Die Windel kann man, wenn sie einmal flach ausgelegt worden ist, auf verschiedene Weise falsch anlegen. Ich muss schon sagen, der Meister kannte diesbezüglich kein Hindernis. Die kleine Mitovics spürte die Unsicherheit der Hände und hub routiniert zu greinen an. Dann sagte sie: »Nangaa.« Was so viel heißt wie, dass die Welt seit einer Weile nicht mehr nach der ihr genehmen Ordnung voranschreitet. Doch wenn auch das Machwerk bis zu den rundlichen Knien hinunterreichte, der Rand der Windel unten heraushing - der Materie, wenn es dann so weit wäre, einen sicheren Wegweisend -, die winzige Taille nackt war und sich einige Patentknöpfe am Ende an ein und derselben Stelle anschließen mussten, weil nur noch dort Platz war, wodurch die Symmetrie aufgelöst ward - wurde das Werk fertig, und zwar badete der Meister in seinem Schweiße, doch konnte er vermelden: »Fertig.«  
  Frau Gitti kam herein und nahm sogleich wahr. Sie beugte sich über das Bett und flüsterte also: »Armes kleines Ding.« Sie rückte vor, um sich am Hals ihres Kindes »zu schaffen zu machen«, wobei sie sich mit ihren Knien, welche einen beträchtlichen Teil des Gewichts der Frau vertraten, auf das Rückgrat des invaliden Bettes aufstützte. Krach! »Himmelsakrakruzitürkennochmal!«, der Meister sprang auf, der sowieso schon angesäuert war ob des zwar subtilen, doch eindeutig kritischen Verhaltens. Das Leben ging natürlich auch jetzt weiter. Dóra schlief ein, der Meister fing schweigsam zu essen an. Diesen Abend legte er von schlechter Form Zeugnis ab. Er tauschte das Schweigen gegen farbige Worte, mit ihnen die Ragoutsuppe, welche er vorgesetzt bekommen hatte, lobend, erwähnte, dass, wie man sehen könne, die Jahre nicht spurlos vorübergegangen seien, Routine und das Feuer der Liebe stellten sich allmählich ein, in der Suppe sei nunmehr auch Salz, lauwarm sei sie auch nicht mehr, und jene Wässrigkeit, die in den Anfängen, nach den üppigen mütterlichen Suppen, so viel (im übertragenen Sinne) Bitterkeit verursacht hatte, als … als die Frau mit leisem Schmerz sagte: »Komm wieder runter, Kumpel. Ist’ne Konserve.« - »Schmeckt gut«, sagte er, sich wieder in sich zurückhüllend. (Wie jeder Titan, ist auch der Meister unglücklich.) Doch das ist noch nicht das Ende: es gab noch eine kleine »Überraschung«. Haselnusstorte. »Deine Mutter hat sie geschickt«, sagte die Gattin beiläufig. Als der Meister bereits auf das zweite zusammenhängende (permanente) Butterstückchen in der Krem stieß, murmelte er mit vollem Mund: »Die Mam ist aber auch nicht mehr die alte«, und zeigte mit vorgeschobener Zunge das inkriminierte Stück. Frau Gitti fing zu johlen an und mit ihr, knechtisch, auch der Meister, und erst, als dem Manne schon die Tränen kamen, verriet sie, dass sie selbst die Torte gebacken hatte, die Stimme riss ab, und die Frau ging, um ein Bad zu nehmen. Quel malheur!  
  Er setzte sich traurig in seinen trumm Lieblingsarmsessel und durfte in den Nachrichten der zerknitterten Nagyvilág lesen. Die Lampe malte gelbe Kreise auf das Parkett und oben auf dem Plafond knackste ein ums andere Mal ein Lichtfleck von der Form eines Absatzbeschlags (welche durch die Nahtstelle des Lampenschirms entstand), wie ein Vogel oder eine größere Mücke.  
  Später schlich er ins Badezimmer. Steckte den Kopf hinein. Erst die Nase, dann den Kopf. »Wissen Sie, mein Freund, diese Reihenfolge ist so reumütig.« Frau Gitti las in der Wanne. Der Vorsprung, hinter dem sich die Wanne verkroch, verdeckte ihren Kopf. Das Ende einer großformatigen Zeitung schlappte herunter: doch der haltende Arm war nicht mehr zu sehen, nur die sich streckende Hand, um sie vor dem Wasser zu schützen. Auch so war der untere Rand schaumig geworden. Am Rand des Blattes rundherum das nasse Papier, wie eine eitrige Wunde. »Auf dem Goli-Platz kann man, wenn zuvor reichlich trockene Tage aufeinander folgten, zu so einer Wunde kommen.« Doch der Schaum war weiß wie Schnee. »Lass mich dich anschauen.« Der Zeitungsrand zuckte, mehr nicht. Auf dem überhängenden Ende sah er: Do You Wanna Dance - nur kopfüber. »Ich biete Remis an.« - »Ich nehme an.« Auf der Wasseroberfläche schwammen Schauminseln, nicht zweckmäßig. Ein Schenkel, das Riesenunterseeboot, hob sich heraus. Von der zylindrischen Oberfläche - welche mit Sommersprossen verlobt war - zögerte das Wasser abzulaufen. Der flache Bauch wie ein Silberteller, der obere Rand kam ebenfalls ans Ufer, unten lief eine Knitterung herum, wie eine zierende Schmuckkette. Von einer Bewegung der sanft abfallenden Hüfte kräuselte sich das Wasser und ein Beben durchlief alles - den Meister mit einbezogen. Im vom Badesalz grünen Wasser regte sich, weiter unten, wunderbares Nixkraut … »Schlucken Sie nicht so viel! Haben Sie Maulwürfe im Hals ?!«  
  –––––  
  (Vergrößerung) Der Meister ist erwachsen, darüber freut er sich nicht, doch er grämt sich auch nicht. (Er will seine »kindliche Sensibilität « nicht bewahren, aber er kauft sich auch nicht gleich ein Portemonnaie.) (Nicht, dass er dadurch nicht etwas verloren oder gewonnen hätte.)  
  Jedenfalls kann so etwas nur neuerdings Vorkommen: seinerseits zu denken, dass er jetzt auf einen Sprung bei den Eltern vorbeischaut. Vor oder nach dem Training; oder vor oder nach dem Spiel. Da sieht man wieder, für wie viele Dinge dieses Spiel als Knotenpunkt dient. Er schob sich auf die ihm eigene umständliche Art aus der HÉV, mit jener übertriebenen Höflichkeit, mit der er mehr schadet als nützt. Trottet die Pappelallee entlang. Achtet darauf, weder rechts noch links zu schauen. Jene zwei Straßenecken, bis der Meister zum heutigen Widerschein der uralten Residenz (mehr noch, haben wir keine Scheu es auszusprechen: Residenzen) ankommt, bergen tausend Gefahren. Die Grundschwierigkeit hier ist, dass der Meister erkennt, ob der, der ihm entgegenkommt, eine Art Bekannter ist, weshalb er anfängt, ihn stark zu fixieren, wovon er natürlich nicht »klüger« wird, umsonst kneift er so verteufelt die Augen zusammen, mehr noch, bildet mit beiden Daumen und Zeigefingern einen rhombenförmigen Bereich als Brille; der Entgegenkommende hingegen sieht offenen Auges, dass der Meister ihn bemerkt hat, und wundert sich zu Recht, wieso dieser ihn nicht grüßt. Wenn sich dann das Objekt bis auf zwei Meter angenähert hat, blüht der Meister auf und tut schnarrend, was man von ihm erwartet, so, dass der andere währenddessen noch keinesfalls sein Gesichtsfeld verlassen hat. All das ist sehr ermüdend. (Und für viele verdächtig. Poor Esterházy!)  
  Der Haushüterkomondor - heldenhafter Nebendarsteller vieler seiner ihm teuren Novellen - ist verendet, aus Altersgründen. »Sió schläft. Für imme«, fasste Mitovics zusammen. Der Meister mag mit der Linken das zweiflügelige Gartentor zu sich reißen (was er auch tut!!), während er mit der Rechten die Stützstange wegstößt, um sie sofort danach - wie einen Hals - wieder zu packen, doch die Gewalttätigkeit, der Schwung seiner Bewegungen können den Hund nicht mehr ärgern, so dass dieser, sich noch nicht einmal auf seine gesunden Instinkte verlassend, unverbindlich zu fletschen anfinge, das heißt, seine Zähne blitzen nicht mehr gelb hervor, auch das warnende Knurren ohne Aggression ist nicht mehr zu hören - vorerst. Man muss ihn nicht wissen lassen, wer wir sind (wer der Meister ist), und das ist natürlich nicht einfach.  
  Das Manöver findet auch jetzt statt, nur undisziplinierter, krachend und puffend; und auch ohne besondere prophetische Gaben kann vorausgesagt werden, dass die Stützstange — vergebens die mal sorgenvollen, mal strengen, aber auf jeden Fall häufiger werdenden Ausbrüche der Mutter des Meisters — eines Tages nicht mehr aus ihrer scheintoten Lage wiederauferstehen wird, sie wird immer tiefer im Schlamm versinken, in der aufgeschütteten, weichen Erde. (Denn früher war Moor hier, Riedgras und Erpel. Deswegen gibt es keinen Keller. Wo - neben der Kohle - auch ein Pingpongtisch hätte stehen können …! Aufgeschütteter Boden! Wie geheimnisvoll! Als würden wir in Wahrheit über der Erde unterwegs sein! No, was ihn anbelangt, stimmt das auch; seine dichterisch-künstlerischen Bezüglichkeiten! Als wäre er derjenige, der sich um die Schwarzlieferungen kümmerte, damit der Humus, also der Nährboden, hierherkam.)  
  Er mag beschließen - wenn dieses seltsame Gastspiel dort, wo er immer zu Hause war, morgens vonstattengeht -, sich in Herrn Marcis Zimmer zu schleichen, der bestimmt noch schläft, während er, am Bett des Stürmers stehend, flüstert: »Mein süßes Holzbein!«, und ihm das schlafende Kindergesicht streichelt. Herrn Marci kann er beim für um 11 Uhr bestellten Frühstück Wiedersehen. »Mamchen, das Heugabelfrühstück möcht’ich zu um 11 «, so Marcis Anordnung. (Herr Marci hat ein enormes Sprachtalent. Der Meister
[törölt]
« stiehlt »
entleiht bei ihm auch nicht zu knapp. Die Wurzeln der muttersprachlichen Schönheit der Brüder sind bei der Mutter zu suchen. Die heilige Frau kann sogar die beiden ungarischen »e« sprechen. Der große Mann nicht mehr …) Herr Marci isst Unmengen. Nachdem er Ham and Eggs aus vielen, vielen Eiern vertilgt hat, umarmt er sehnsuchtsvoll die weißhaarige Frau. Lässt ihre Glieder krachen. Sie kreischt wie ein Backfisch. Was für eine Szene! Aber, aber. »Gibt es kein Fleisch, Mütterchen? Kurz angebraten?« Und dann noch 3-4 Scheiben Fleisch! So viel isst der Herr Marci! Dabei hat er kein Gramm Übergewicht, dem Ungarischen Fußballbund sei Dank!  
  Doch es ist auch vorstellbar, dass Herr Marci aus einem nicht nachvollziehbaren Grund früh erwacht. (Oder der Vater des Meisters aus einem nachvollziehbaren Grund spät…) Dann aber: gibt es ein großes Tohuwabohu: Herr Marci gibt die Losung aus: Streich! Ein Streich bedeutet Folgendes: Der morgendliche Sonnenschein fällt über das Zimmer her. Lichtdolch. Der Kindsvater schläft. Er liegt auf dem Rücken (immer), das rechte Bein zieht er an, vom linken ist schon die Decke gerutscht, eine goldgelbe Decke mit ausgefranstem Rand; sein Mund steht offen, sein Kinn hängt herunter, als wäre es gebrochen, dadurch wirkt sein Gesicht wie eingefallen, man wartet, wann der Wangenknochen durch die blasse und stoppelige Haut sticht: jemand hat das Fleisch unter dem Jochbein geklaut. Wie ein Toter: die Spitze des Lichtdolches kriecht bereits über den Adamsapfel. Da Herr Marci ein guter Mensch ist, löst er die Situation auf (er ist kein Anhänger des sinnlosen Todes). Der Eckpunkt, der sich dafür am meisten anbietet, ist der große Zeh des Vaters. Herr Marci reibt die Hände aneinander - niemand, aber wirklich niemand würde annehmen, dass diese so groß sind wie die von Herrn György, wie zwei Schaufeln -, seine bis auf den Stumpf abgenagten Nägel (verglichen mit ihm ist der Meister eine Manikür-Reklame!) bleiben von Mal zu Mal an der Haut hängen, ein koboldhaftes Lachen kommt über seine Lippen. (Der Meister hat viel von seinem kleinen Bruder gelernt.)  
  Und zwirbelt ihn. Der Vater fährt schnarzend hoch undsoweiter. (»Die brutal starken Väter sind dekadenten Enkeln gewichen.« - Das Gesetz der 3. Generation.) Hier folgt eine kleine Pause, die Aufmerksamkeit erlischt, der Vater badet. Doch dann schwenkt Herr Marci die Badezimmertür, als würde er in einem (in zwei!) Büchern blättern, auf Zehenspitzen - trippelnd - pirscht er sich an seinen Vater heran - den er mit dem Meister gemeinsam hat -, dessen weißer Körper wie ausgebleichter Tang in der Wanne schwebt. Die Umrisse des Körpers sind unbestimmt geworden: einzelne Wasserwellen ließen verdächtige Übergänge entstehen; allerdings sahen die verbliebenen festen Konturen in der Kopfgegend auch nicht vertrauenswürdig aus. Natürlich meinen sie aber nicht, dass sich der Vater im Badewasser plötzlich auflösen könnte. In der Höhe des Halses und ungefähr auf gleicher Ebene mit der Hüfte liegt eine hölzerne Brücke über der Wanne. Eine Handvoll Sonne ist von irgendwo her nach etlichen Zusammenstößen bis ins Bad gelangt; und macht — durch Staubkörner — die Luft sichtbar. Auf den Staubkörnern ist niemand. (»Muss das sein? Muss nicht!«) Rechts liegt der Rasierpinsel, von zwei Bakelit-Töpfchen umrahmt. In der Mitte des Holzbretts steht ein Spiegel, in einem glitzernden Metallrahmen, unversehrt, leicht nach hinten gelehnt, als hätte er Kreuzschmerzen. Lückenlos füllt das Glas den Rahmen aus und ist höchstens ein wenig angelaufen. Links, weiter hinten auf: dem Brett, liegen Tuben, halb hochgekrempelt, wie die Hosenbeine von Krüppeln.  
  Der Meister schaut sich den Kampf, Verzeihung, hohnlachend an: Herr Marci bespuckt seinen alten Herrn mit odolhaltigem Wasser und schlägt anschließend die sich fragend hebende bedeutende Stirn - pitsch!-patsch! — zweimal mit dem Lederpantoffel. Doch da all das dem alternden Mann nur ein »kindisches Gekicher« entlockt, lässt Herr Marci kaltes Wasser dorthin. »Ist das ein Angriff, junger Mann, ein Angriff ?!« Mit seiner breiten, in Dresche und Straßenbau gestählten Handfläche patscht er ins Wasser. Der jüngere Bruder wird praktisch geduscht.  
  »Und ich hockte geduckt auf dem Block des WC-Deckls.« (So was aber auch …! Dass er selbst des geringsten Pathos verlustig gehen muss … Oder ist der Meister vielleicht der neue Streiter für eine neue Sache? Verspritzt er sein erhabenes Licht auf die Alltäglichkeiten!? - »Was verspritze ich? Das war ich nicht. Das war György. Oder der Marcos. Oder, süßes Mamachen, lass uns auch deinen Ehegatten, unseren guten Vater, nicht von der Demütigung ausschließen. Mehr noch … bist du, mein Täubchen, vielleicht a priori über jeden Verdacht erhaben?!«)  
  Der Streich geht mit den verklingenden Stirn-Detonationen des Pantoffels zu Ende.  
  Herrn Marcis Erfindungsgeist hat immer schon eine große Rolle gespielt. Nehmen wir: das Salzen des Tees! Das war eine süperbe Arbeit. Der Vater trank ihn auf einen Zug aus und sie prusteten, prusteten nur in ihren eigenen! Milch in die Galosche! Der Milchschlauch. Einer der sichersten Kunstgriffe bei eiligen Eltern! Nur danach … Angelsehne für die Tante, wagemutig pendelnde Schaukel für den Cousin, und überhaupt: das Wegziehen des Stuhls. »Einer der intellektuellsten Scherze, mein Freund.« Aber alles kann auch sanfter anheben.  
  Ins Bett schlüpfen! Das war eine der besten Sachen. Nach der Reihe die fremden Betten abklappern für ein bisschen Nachdösen. Hier zeigt sich der Vorteil einer großen Familie! Denn betrachten wir es jetzt aus dem Blickwinkel des Meisters, dieses ehemaligen Kindes: das Bett der »Mami« - um die Stufe des Hineinversetzens in den Meister auch von meiner Seite zu präsentieren das Bett der Mami ist bestimmt schon leer (nämlich: leer von Mami). So früh wie sie kann man einfach nicht wach werden! Wenn es tatsächlich leer ist, kann man es sofort okkupieren. Das ist der beste Fall, denn da das Bett der Mami das wärmste ist (»flauschigwarm«), kann es von hier an nur noch schlimmer werden, wobei Papis Bett, das kalt ist und nach Nikotin riecht, den Tiefpunkt darstellt - nichtsdestotrotz erfreut es sich, vielleicht gerade wegen dieser männlichen Rigidität, einer relativ hohen Popularität. Aber viel besser ist es, wenn sich schon einer der pfiffigen kleinen Brüder dort breitgemacht hat, denn dann ist dessen Bett wiederum leer. Und da es sich hierbei um Zeiten handelt, die von der Gewalt des Meisters gelenkt waren, und zwar in eine sehr gute Richtung, war das Herumkugeln hier jederzeit unterbrechbar. Mehr noch, selbst das Bett des Papis konnte man einnehmen: entweder durch eine Verzögerungstaktik, wartend, bis der Betreffende sich von allein verzog, oder mit ausdauernden Streich-Aktionen, eventuell durch Teilung. Hier kann ein kurzes Kabbeln entstehen, wer innen beziehungsweise außen liegen soll. »Wer nach inninnen und wer nach außinnen gehen soll.«  
  Bei diesen Gelegenheiten konnte man den in den Dingen der Welt bewanderten Vater nach den wichtigen Sachen fragen. Zum Beispiel, wer ein guter Mensch sei, und wer ein schlechter. Beziehungsweise, konkret, ob ein gewisser Jemand ein guter Mensch sei. Ob zum Beispiel Kennedy ein guter Mensch sei? Des Meisters Vater lachte seufzend auf, seine gelben, mit Zahnstein belegten (wie wir von Herrn Glass wissen: schönen) Zähne waren zu sehen. »Man kann Menschen nicht in Schubladen stecken.« Aber da der kleine Meister hartnäckig blieb, einfach nicht lockerlassen wollte, sagte er: »Guter Mensch.« Oder aber: »Schlechter Mensch.«  
  Der Vater des Meisters, dieses auf vier Beinen wandelnde Wörterbuch, wie er ihn einmal mit respektloser Präzision, die den Meister glücklich charakterisiert, nannte, war nicht nur für seine Menschen-, sondern auch für seine Hundeliebe berüchtigt. Um den Schuppen herum erschienen streunende Vierbeiner. Das war nicht zufällig. Denn der genannte Mann stellte auch nach Siös Ableben - und gerade beim Schuppen - mal dies, mal das hin. Es kamen auch die Bestien in schöner Zahl: der Meister kann sich konkret an zwei erinnern: an ein Amalgam aus Dackel und Schäferhund, brrr!, sowie an einen puliartigen Puli mit drei Stück Beinen.  
  »Fürchterlich«, jammerte die Mutter des Meisters mit jahrzehntelanger Routine, doch der Vater des Meister trug mit emsiger Gleichgültigkeit die Essensreste (Knochen, Kartoffeln usw.) und das in Milch eingeweichte Brot (eine Delikatesse!) hinaus. Doch irgendwann knurrte das Gleichgewicht des Lebens los, und die Hunde liefen, sich zu einem Rudel zusammenschließend, Sturm gegen den Schuppen. Der nach Hause kommende Meister fand sich einer großen Aufregung gegenüber. Die Mutter des Meisters rang verzweifelt -die Hände vor ihm. »Sie fressen die Kohle auf!« - »Aber Mamilein!«, sagte er kompetenterweise. Die vierfache Mutter beugte sich aus dem Fenster und sprach so, nicht zu laut: »Mársch, ihr Hunde!« (Das A hatte sich die Frau aus einer ausländischen Sprache geliehen. Als sie zum Beispiel einmal vom Optiker nach Hause kamen — »Er hat Adleraugen. Das macht 100 Forint.« -, auch erinnert er sich an so ein erinnerungswürdiges A. »Táxi!« hatte die Mutter gerufen. Aber dann fuhren sie Bus. »Und erinnerst du dich, altes Mädchen, wie wir uns dann weit voneinander aufstellten und so taten, als kennten wir uns nicht, während wir uns wollüstig zuzwinkerten!« - »Was war das für ein Skandal, was für ein Skandal!«)  
  Doch da erhebt sich die väterliche Figur hinter der Schreibmaschine, winkt seinem ältesten Sohn, und die beiden Männer - sich auch mit kurzen, männlichen Bewegungen hervorragend verstehend - gehen los. Mit angehaltenem Atem drängen sie hinein - da hinein, ja, in das stille Örtchen! »Oh, mon ami, ist denn das alles, was übrig ist von der uralten Jagdleidenschaft?! Von den großen, frühmorgendlichen Jagden, dem Heer der Horne, dem Heer der Treiber, den dampfenden Rücken der Pferde, den keuchenden Fuchslungen, dem Kill? Pirschen im WC, nach den im Schuppen rammeln wollenden, verwilderten Hunden?!«  
  Keine Zeit für lange Seufzer, der Vater des Meisters lässt, von irgendwo sehr tief drin, einen riesigen Brüller los. »Schäärst di weg oda nit, Himmelsakrakruzitürken!« - »Es gab einen Förster«, erzählte einmal der Vater des Meisters dem Meister, »der hat die Treiber so gottlos gejagt. Schäärst di ins Hulz oda nit, tu schmutzfiassiga Wallache, tu! Lange Jahre verstand ich es als: Wollaffe.« Die väterliche Stimme, welche sich im bläulich schimmernden Licht der adligen Sahlongs (welches, wie wir wissen, ein Schatten ist) trainieren durfte, tut das Ihrige: die vielen Scheusale geben Fersengeld! Der alternde Mann zieht sich stolz durch das WC-Fenster zurück (stößt dabei mit dem Knie gegen den WC-Deckl - denselben wie oben welcher ein unwürdiges Knallen von sich gibt), und der Sohn schaut stolz auf ihn, den Vater.  
  Hier zum Beispiel hat Herr Marci genug vom Fegen. Unwahrscheinlich, dass er fertig wäre, eher, dass die Medizinischen Oberschülerinnen gegangen sind. »Was gibt’s Neues?«, der Meister krallt ihn sich, denn auch er wird Tag für Tag nach auf Herrn Marci bezüglichen Aktualitäten abgehört. Einmal hat er sich in seinem Armsessel nach hinten gelehnt, knautschte vehement seinen Dichtermantel unter sich und schlürfte von seiner delikaten Zigarre. »Wisst ihr, meine Lieben, auch die Sportärzte sind nicht mehr die alten.« Früher hatte er leichtes Spiel. Es ging alles so flott. »Fürstenlinie? Gräfliche Linie?«, der liebenswürdig reaktionäre, doch vergessliche Arzt stellte die Frage, und schon war der Stempel drin: wettkampftauglich (Datum). Seit aber Herr Marci im Rampenlicht war, hätte er allsogleich farbige Details liefern müssen, was Herr Marci genau zugelegt habe, und wie viel. »Wie viel, Péter?« Schlimmes ahnend sagte der Meister, dass nichts. Fürwahr, dies schmerzte den Herrn Doktor, dass der Meister es nicht zugab. Sie verriet. »Péter, wir schweigen wie ein Grab.« Und schwenkte den Ausweis in der Hand. Der Meister konnte nichts tun, er schüttelte nur den Kopf. »Da haben sie mich auch gleich zum EKG und zum Röntgen gescheucht.«  
  Doch Herr Marci wich dem Meister immer aus. »Lass mich in Frieden. Was gibt’s Neues! Lies die Zeitung.« Doch dann sagte er: »Wollen wir Schnapseln?« — »Fattachen«, sprachen sie ihren Herrn Vater an, denn mittlerweile sind sie frech wie die Fliegen geworden, »Fattachen, wir nehmen dich mit rein in die Partie.« — »Eine Zehner-Runde, Alter.« Der Vater nickte, setzte sich zu ihnen, mischte und gab. Doch vergebens: Er verlor mit Schellen und Trompeten. Vielleicht, weil Schellen Trumpf war? Bei weitem nicht. Weil die beiden Brüder falsch spielten. Der Meister reichte Herrn Marci unter dem Tisch den Eichel Unter, während dieser Ersterem den Schell König zuschob. »Wissen Sie, mein Freund, unser Abschnitt über dem Tisch, besonders unser Gesicht, war wohlerzogen, wir ergrauten in Ehren und Anstand. Ich rief das Schell Ass, sagte dann die Vierzig an und fertig.« Sie gewannen mit links. Der andere kräuselte nur die Stirn. Wie wir wissen, konnte er ungeheuer gut die Stirn kräuseln.  
  »Ihr habt betrogen«, sagt er dann trotzdem, verwundert. Hier greift sich Herr Márton einen mit unerwarteter Diensteifrigkeit zur Hand befindlichen Pantoffel (!) und schlägt mit einer seinem nachdenklichen Gesichtsausdruck widersprechenden Heftigkeit dem Vater auf die Stirn. (Die heutige Jugend! Der heutige Respekt vor den Eltern! Moderne, schlimme Zeiten!) »Kusch«, Herr Marci lacht etwas erschrocken. Zwischen seinen eingesunkenen Schultern blickt der Alte hoch. »Warum«, teilt er leise mit. Er steht auf und sie sagen: »Fattachen, du hast verloren.« - »Tölpel«, sagt dieser und setzt sich wieder hinter oder vor seine Schreibmaschine, um die atemberaubende Studie über »Die Kartoffel in Ungarn« in die deutsche, englische oder französische Sprache zu übertragen; denn das ist seine Arbeit.  
  –––––  
  Er streckte sich ausgiebig. Die Zeit war wieder mit Arbeit vergangen, und das liebte er sehr: so aufzustehen, dass er wusste, was er zu tun hatte. Einmal, in der schönen, buntfenstrigen Kathedrale kniend, sprach er dafür auch ausführlich Dank. Ein anderes Mal sah er zum Fenster hinaus, seine Stirn presste er, wie üblich, gegen die Scheibe (welche davon auf anzukreidende Weise »verfettete«) und sah hinein ins tiefe, räumliche Dunkel, als ihn das gerade genannte Wohlgefühl erfasste: dass das schon seit fast 2 Jahren so geht. Da sah er dort gründlich in das Dunkle hinein.  
  Wenn der Meister arbeitet, hört und sieht er nichts. Und wenn er arbeitet, kann er auch unter den unmöglichsten Bedingungen arbeiten: mitten in allem geht er schnell hinaus, um jemanden zu windeln, oder befreit ein pummelig-rosiges Beinchen, weil der Große Teddy draufgefallen ist, oder bleibt, über seine Arbeit gebeugt, in einem Zimmer so groß wie eine mittlere Küche, wo noch 5 weitere Intellektuelle in sicherer Stellung schwatzen, schaffen, rauchen, und er springt nur selten hinter dem Deckmantel seiner Fachbuch-Bastionen (Software Informationsmaterial, Parametrisches Programmieren etc.) auf, um auf Wunsch von Herrn Tamás zur angebrachten Tafel zu gehen (von der der Kreidestaub sowieso in seinen Nacken rieseln würde) und als Orientierungshilfe das eine oder andere doppelte Integralzeichen aufzumalen, um somit seine fachliche Anwesenheit unter Beweis zu stellen. (Die Situation ist nicht so zynisch, sondern: so hoffnungsfroh.) (Seine Selbstbeherrschung war groß, sie bildete sogar das herausragende Charakteristikum seines Wesens; zusammen mit der Wohlüberlegtheit, mit deren Hilfe es ihm stets gelang, Herr über seinen Stoff zu werden.)  
  Er sieht und hört nichts, doch von Zeit zu Zeit ruft er aus seinem aus Vorhängen gebildeten, prächtigen, riesig winzigen Zimmerchen (wie hat er dagegen gekämpft, gestritten, manövriert und intrigiert! — doch dann gab er zu: »Schnecke, du hattest substantiell recht!«), nun, von hier also ruft er verträumt hinaus: »Ich li-iebe dich!« Währenddessen pflügt seine Feder das Papier, sein Kopf und das sichtbare Stück seiner Seele sind derweil unbewegt. Später: »Ich brauche dich wie ein Bissen Bro-hot!« Doch die sich begeisternde Person kann von massig Misserfolg getroffen werden. »Mein Freund! Beseeltheit, die sich in Worten zeigt…!« Auch das ist eines seiner Steckenpferde. »Viel ruhiger «, er winkt aufgebracht seiner Gattin zu, wenn diese ein an sich wertvolles, vielleicht nur in größeren Zusammenhängen verzwergendes Ereignis ausmalt. »Und, stell dir vor …!« - »Täubchen«, sagt er unheilschwanger, »ich gehe ganz einfach die Wände hoch, wenn du die Geschichten so vorträgst wie X. Um Gottes willen, mal’s mir nicht aus, und vor allem: begeistere dich nicht!« X dient hier zur Bezeichnung eines namhaften Prosaschreibers; ist aber keine Konstante. Mal nennt er auf jugendliche Weise diesen, mal jenen. Und das lässt ihn erweichen; anders Frau Gitti.  
  Was mag Frau Gitti in den ersten Jahren der Ehe nach so einem »ich liebe dich« oder »ich brauche dich« gedacht haben? Bitteschön: sie hörte auf ihr Blut und strömte ins kleine Vorhangzimmer, brach durch die Hügel der Manuskriptseiten, Wörterbücher, Zettel, Notizen, über Apponyis Memoiren, den gesammelten Mikszáth, den Däumling, über das Heft mit dem Titel »Besuch in den entwickeltsten Ländern der Erde«, einen Asterix-Komik (großes Format), das Gewürzbuch, Sándor Nemeskéri-Kissens Jagdgeschichten, über die Ausgabe der »Lieder der Freien Völker«, über einige katholische Zeitschriften (Vigilias), welche einer heißen Frau gleich von zwei Sexy- Magazinen (was für eine zielgerichtete Frivolität!) umrahmt werden wie ein Sandwich aus südlichen Gefilden: Frühlingszwiebeln, Tomate, Olive, Fisch, Krebse, Salat, Salat, Salat! - über und durch all dieses hindurch brach sie, um auf dem Schoß Péter Esterházys, ihres amtlich anerkannten Lebenspartners, anzukommen; woraufhin der Meister irrsinnig aus der Haut fuhr, sich wunderte und nicht verstand, wie die Frau so plötzlich hierher, dorthin, gekommen war: »Was zum Kuckuck! Hier kann man aber endgültig nicht mehr arbeiten!« Doch die Zeit verblasst; 4-5 Jahre Ehe sind 4-5 Jahre Ehe: die Frau macht sich also auf, »die mollige Fee«, bricht durch die neuen Vigilias und die zwei alten Sexys (»gefällig!«), hinauf auf den Schoß ihres amtlich anerkannten Lebenspartners, und sie versehen einander mit Küssen; der Hand des Meisters entgleitet die Pelikan-Feder (für welche er die Patronen Stück á 2 Forint in Herrn Járays Fachgeschäft besorgt), das Klopfen, das auf das Fallen folgt, bringt den Schaffenden wieder zu sich und er fordert die schöne Frau auf, sich zu entfernen, welche dieser Bitte zögernd - denn der Meister zog sie an sich - nachkommt. (»Die Frau ist gut für die Liebe, solange sie schön ist - und gut fürs Hacken, wenn sie alt ist.«)  
  Dies geschah, doch auch er sprang alsbald auf. Die Pflicht rief ihn: das Fußballspiel. Nachdem die große innere Anspannung nachgelassen hatte, stellte sich heraus, dass ihm der Kopf weh tat. Noch dazu hatte auch sein gutes Orlow’sches Ross einen Ausfluss - vielleicht der Benzinhahn?, wer weiß es? (»Der Jóska Bór weiß es, aber wo ist der Jóska Bór? Wer weiß es?«), so kamen der Bus und anschließend die HÉV zu ihrem Einsatz.  
  Getreu einer »unwillkürlichen Gewohnheit des zwanzigsten Jahrhunderts « hatte er die Zeit eng bemessen; es war nichts Neues, dass er als einer der Letzten zum Training kam. Die Jungs lehnten am Eisengeländer. Er hätte dennoch nicht sagen können, was anders war, was es war, das sich zu seinem Nachteile gewendet hatte, aber er spürte gleich die Spannung, wofür das einzige Zeichen die Steife der Begrüßungen war. Feierlich drückte ihm ein jeder die Hand, obwohl das nur sonntags üblich war, beziehungsweise wochentags nur seitens des Linken Verteidigers. »Was ist los?«, fragte er geradeheraus. Die Truppe johlte los, als Alibi, wie in der Schule, wegen was anderem. »Was soll die Zeremonie ?!« Paff. Stille.  
  Der große Geist nahm zugleich drei Dinge wahr, die Klammer zwischen diesen ist die Zeit, als solche locker, aber unheilschwanger. Im Geräteraum saß, die Arme unter dem »riesigen Gehör« verschränkt, Frau Süsann, die Gerätewartin. Sie saß so, dass man sie von draußen nicht grüßen konnte. Ad eins. Die Knurrigkeit der riesigen Frau war ihm nicht unbekannt, aber jetzt war es doch irgendwie anders … »Endgültiger?« Ad zwei: wie sich der Meister gerade weiter nach innen in den Geräteraum beugte, um dieser Frauen-Sache auf den Grund zu gehen (oder ob man innen angelangt vielleicht grüßen könnte), hier, wie ein plötzlicher Traum: es gibt keine Umkleide mehr.  
  Aber so, wie ich es sage; das ist nicht der Stil! Die Personen und der Geräteraum befanden sich diesseits (Verzeihung) einer hervorspringenden, das heißt aus der Längsachse des Gebäudes hervorspringenden Ziegelsteinmauer; um die Situation in ihrer Geschichte (ihrer Vergangenheit) zu erklären: der Geräteraum war nachträglich an das Originalgebäude angeklebt worden; diese Ziegelsteinmauer war seinerzeit die Außenwand jenes Gebäudes - in dem sich also die Umkleideräume und die Duschen befanden. Hinter diese Mauer fiel nun der Blick des Künstlers! Um anschließend bestürzt herunterzuparadieren. Denn wo »gestern« noch eine bescheiden abblätternde Umkleide sowie die Duschen mit dem immer wieder verstopften Abfluss standen, war nun … nichts, im Grunde. Ai, der verräterische Ausdruck seines Gesichts! »Was ist los, Kumpel«, die Sport treibenden Jungmänner lächelten gezwungen. Sie waren besser informiert, nicht nur, weil sie eher am Platz angekommen waren, sondern weil so ein Einsturz, Maßnahme und Vernichtung seine Wurzeln drinnen, in der Fabrik hat, wo ein Großteil der »Kinder« arbeitet, je nachdem für Leistungsoder Stundenlohn. Der Meister durfte also nur noch die schwere, honigsüß-fettige Frucht konstatieren, das tausendfache Säuseln der Baumkronen, die zitternd brillierende Bewegung der Blätter, das »sommerliche Zittern«, doch dort in der Tiefe, wo die Rede von sinistren Möglichkeiten der Mineralsalze und Wasseradern geht, ist er ein Fremder. Ein seltener Fall bei ihm, der sonst doch so zu Hause ist in der Welt. Die vorangegangene Sache ward ihm bei einer späteren Gelegenheit auch vorgeworfen, was den vortrefflichen Mann in eine sehr depressive Stimmung trieb. - Um irgendwo zu Hause sein zu können, müssen wir woanders fremd sein. »Gefällig.«  
  Als hätte eine Bombe in das Jenseitige der Ziegelsteinmauer eingeschlagen. »Jessas«, sagte natürlich der pazifistische Meister und tat nun - nachdem er sich aus seiner Steifheit losgewandt - einen Schritt beiseite, um sich alles genau anzuschauen. Die anderen mögen nicht viel früher so und dort gestanden haben.  
  »Hier hatten gewisse Zwischenwände gestanden, ohne Zweifel.« So viel. So viel war er in der Lage zu sagen, er, Herr und Sklave des Wortes, »so viel«. Der Anblick war keiner, der die Zunge löste; der charakteristische Effekt war eher die Lähmung. Man hat die Decke heruntergeschlagen, nun in Form von Mauersteinen unten zu sehen, an die einst darüber thronende Tribüne erinnerten nur mehr die magere Kläglichkeit der Eisentraversen und die Anhäufung des Brettmaterials auf dem Boden. Mit den Mauersteinen war der Mörtel heruntergefallen. Alles war von Staub bedeckt. Das ist ein sehr bezeichnender Moment. Aus den wegen ihrer statischen Rolle so wichtigen Betonstreben standen die dünnen Eisenstäbe heraus, wie erstarrte Gedärme. »Wo ist der Schmäh von gestern?«, brummte er gebildet. Außen hing, halb heruntergefallen, verrenkt, die Tafel mit der roten Schrift: Achte auch die Mannschaft des Gegners! Ein rostiger, trockener großer Nagel hing aus der Tafel. Wände waren verschwunden, und mit ihrem Verschwinden veränderte sich der ganze Grundriss. Der Meister kannte sich nicht mehr aus. Das schmerzte ihn am meisten; so konnte es passieren, dass er, als er sich zurückwandte, statt menschlicher Worte also sprach: »Wo waren die Duschen?« Eine große Stille war die Antwort und das starke Lachen der Gerätewartin.  
  Hier kam es zur dritten Beobachtung. Auf das gerätewartliche Gelächter, welches eher zynisch denn freudenvoll oder überrascht war, ruckte der Meister nervös mit dem Kopf, wie das Pferd an der Kandare, wenn es daran gezogen wird; diese plötzliche Geste führte zum Effekt: hinten am Heizkessel erblickte er die Herren Öschen und Armand. Der kräftig gebaute Herr Armand und der schmächtige und betagte Herr Öschen, wie sie sich hin und her windend emporreckten, wie eine Mischung aus Strauch und Fichte
n
Jegyzet Wir verwenden das Wort hier in seiner botanischen Bedeutung.
, und was ist wessen Arm, wenn es denn gerade um den Arm ging, das zu sagen wäre schwierig gewesen.  
  Die kurzsichtigen Augen des Meisters sowie seine lebhafte Assoziationsbasis verband das mit einem uralten Vorkommnis, welches sich anno dazumal nicht selten wiederholt hatte, und wenn sie, die kleinen Jungnickel, die sie waren, an langen Sommerabenden auf dem Platz blieben, um der A-Mannschaft zuzuschauen und naserümpfend die übrig gebliebenen bitteren Biere zu trinken, konnten auch sie sehen, wie Herr Öschen, dieses bisschen von einem Mann, winselnd an dieser urmütterlichen Hand biss, welche ihm in den Bisspausen liebevoll über die seidigen Löckchen strich. Frau Süsann war riesig wie eine Statue auf einem öffentlichen Platz, die Schinken, der Brustkorb, die Schultern - die Üppigkeit einer Königin! Sie hob die Säcke voll mit (nassen) Monturen oder Medizinbällen wie ein Mann.  
  Aber sie war eine Frau. Der Meister kann sich gut an einen Fall erinnern, noch vom Anfang der sechziger Jahre, welcher sich tief in seine pubertierende Seele eingrub. Eine Strandszene ist ihm von ähnlich sinnlicher Kraft erhalten geblieben (der Wind wehte): wie er sein Knie gegen J.s Rücken drückt, die mit ihrem Rückgrat dagegenhält, obwohl ihr Verlobter anwesend ist, neben ihnen am blauen Geländer. (Oder damals noch Minium?) Die Geschichte ist nicht sehr ergiebig, doch der Druck von J.s Rückgrat bleibt ihm für immer im Gefühl seines Knies erhalten, die Glätte ihres Rückens, die Spur der Badehose an ihrer Hüfte. Im Nachhinein unauthentisch durchdacht: J. war ein ziemlich schmächtiges Persönchen. Von Frau Süsann können wir sagen, was wir wollen, mäkeln etc., doch zu so einem Ergebnis werden wir keinesfalls kommen. An ihrer wundergleichen Fraulichkeit konnte es keinen Zweifel geben; noch nicht einmal jetzt, da sie bereits auf den Renten-Briefträger wartet. Welcher im Übrigen nunmehr der Rechte Verteidiger ist, »der Glückspilz«.  
  Doch zurück zu den sechziger Jahren, zum Urerlebnis! (»Mir ist, bevor ich 10 war, alles widerfahren«, sagte Herr Sándor, der Dichter.) An einem Montagmorgen, im Sommer, ging der Meister auf den Platz hinaus, schob in einem kleinen Zugkarren die verbrauchte Montur vom Gáz-Platz, denn anders konnte man es nicht organisieren, er hatte sowieso schon Ferien und ist abgesehen davon ein hilfsbereiter Mensch. Überdies ist ihm zu Hause der Boden unter den Füßen heiß geworden. Bedauerlicherweise hatte es sich nämlich ergeben, dass das vehemente abendliche Spiel der vier Teufelsbraten (»der Heuschrecken «) eine derartige Wendung nahm, dass Herrn Marcis Fuß unter die Lehne des Sofas geriet, während die anderen drei, nicht wahr, auf dem Sofa. Woraufhin Herrn Marcis Fuß, krach, zerbrach. (Wenn ihm also der eine oder andere Ball verspringt, kennt man den Grund. Der Meister nimmt die Verantwortung auf sich.) Doch die Brüder befahlen ihm, zu schweigen wie ein Grab. - Die Eltern nahmen an einem Luftschutzlehrgang teil. - Herr Marci schluchzte, war aber zur Genüge eingeschüchtert. Die Kinder gingen brav ins Bett, und der gute Meister kassierte das Lob der heimkehrenden Eltern ein. Doch bis zum Morgen war Herrn Marcis Fuß heiß angeschwollen, er bekam Fieber und jaulte, was kein gutes Licht auf den Meister warf. Sic transit gloria … Es schien besser zu sein, das Zuhause vorübergehend aufzugeben.  
  Er zerrte und schob die zwei riesigen Säcke auf dem zweirädrigen kleinen Karren. Woher kam der Karren? Hatte er ihn vielleicht vom Onkel Tocska bekommen oder vom Leibwächter? Oder gab es damals noch einen Familienkarren? Jedenfalls quietschte er auf charakteristische Weise. Schlimmer, er quietschte lächerlich; so zerstob die Freude, die das Lenken und die sich windende Parallele der beiden Radspuren mit sich brachte, schlimmer, vor dem ABC-Laden, wo beim winterlichen Aufwärmen die Große Kurve Richtung Berg hinauf geht, erfasste ihn ein ausgesprochenes Schamgefühl, obwohl die Verkäufer- Fräuleins (manche von ihnen im heiratsfähigen Alter; »mannbar, mein Freund, mannbar!«) diesmal gar nicht höhnisch kicherten.  
  Die Große Kurve erfreute sich keiner Popularität. »Sie ist ein wen’g länger, als es sein müsste. Wissen Sie, mein Freund, man hat das Gefühl, man schafft es gerade nicht, sie bis zum Ende zu laufen. Und die Situation verbessert sich auch nicht, wenn man sie zu Ende gelaufen ist, denn man denkt es weiterhin. Ja, mon ami, es ist nicht möglich, Erfahrungen zu sammeln.« Es waren die Mädchen und die Hunde, die sie über das Laufen um den Platz herum erhoben. »Wessen Sie, mein Freund, sie existiert.« Sie existiert, diese Art geheime Verbindung zwischen den Läufern und den Hunden, deren Trautheit durch die Anwesenheit von Herrchen und Trainern keinesfalls bedroht werden kann und welche durch nichts anderes angezeigt wird, außer von Zeit zu Zeit durch einen missbilligenden Blick, eine vorbeihuschende Hand, Gekläff und Gekeuch. »Ruhig Blut, Opa, seien S’ froh, dass der Schoßhund bellt.« - »Wenn der dich in den Arsch beißen würde, hättest du nicht mehr so eine große Klappe!« - »Na. Das ist doch das, was ich sage, Opa.«  
  Und wenn dann die Truppe - leider in einer recht späten Phase - mit keuchenden Lungen und vom Beton bereits hart gewordenen Waden vor dem ABC ankommt, warten dort die Verkäufer-Fräuleins, auf sie, aneinandergekuschelt in der großen Kälte - als wären es seit ihrer Zeit in der U14 dieselben 4 Mädchen: die Zigeunerhafte, die Kleine mit dem gelben Trikot, mit dem spannenden Trikot (wie viele obszöne Wortverfälle wurden hier ausgenutzt!; »Wie viele? Einer!«), die Blonde mit dem Mäuschengesicht und den langen Tänzerinnenbeinen und die Mollige mit den Pferdezähnen, die »Mollieinheit« - die Sohlen schlagen immer fühlloser auf, und die Mädchen lachen sie interessiert aus, worauf sie eine kurze, mit Luft unterstützbare Antwort geben, eine konkrete.  
  Jetzt, damals, stand keine draußen, die kleine Schwarzhaarige war an der Kasse, das Schmettern des Kassenautomaten war bis nach draußen zu hören, dies machte sie, das Mädchen, in den Augen des kleinen Jungen (das war er) klug; die Mausgesichtige sprach mit jemandem, durch das spiegelnde Glas war nur ihr ewiges Grimassieren zu sehen, sie grimassierte ständig - dennoch beeilte er sich so, mit dem jämmerlichen Quietschen zu verschwinden, als hätten die vier jeden seiner Schritte beobachtet. Irgendwie war es so, als wäre er selbst es gewesen, der da so quietschte. »Beschämend. Auf offener Straße! Auf offener Straße!«  
  Er fing zu rennen an, der Wagen hinter ihm machte große Bocksprünge, die Säcke taumelten hin und her wie Betrunkene, ihre Lage in den Kurven war keine beneidenswerte. Keuchend, sich hetzendtreibend, als wäre es die entscheidende Phase in einem wichtigen Spiel, lief er mit einem wagemutigen Schlenker vor dem Geräteraum auf, ließ den Karren mit einem fröhlichen Plumpser nach vorne fallen - ein funktionsfeindliches Einschlagen der Stange wurde von einer Halterung glücklich verhindert, welche jetzt auch bremsend wirkte -, und er, mit der Selbstvergessenheit von einem, der sich auf einer großen, grünfarbenen Wiese (»wo geflochtene Stühle und Frühstücksbutter in Röllchen etc.«) mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken fallend dem blauen Himmel zuwendet, neigte sich nach hinten gegen die Säcke, als dritter Betrunkener, und japste, schnauchte, keuchte. »Ich spiele die Traurigkeit aus mir heraus«, wie der Künstler von nationalem Rang vor manchem Spiel zu sagen pflegt, und jetzt war im Wesentlichen dasselbe passiert: er hatte die Scham aus sich herausgelaufen. (Manchmal entsteht die schlechte Laune natürlich auch nach dem Spiel, quasi durch es. Dann sitzen sie, Herr Csucsu und er, auf irgendeiner »Turnbank«, sitzen nur da und schauen sich das Trikot oder die Hose an, die unter ihren Füßen knautscht. Ein Sitzen.)  
  Und auf einmal, hopp!, klopf!, war die Rückenlehne, der Sack, weg, und er, mit dem Kopf hintenüber, fiel um, bumstili!, der Karren kippte gefährlich, den Körper des Jünglings mit sich reißend, welcher auf dem harten, körnigen Brett auf den Rücken fiel und sich mit ausgebreiteten Armen dem Himmel zuwandte. Doch als er die Augen wieder öffnete - denn er hatte sie geschlossen -, erhob sich eine riesige Wolke über ihm: Frau Süsann. Der Meister eilte, sich schnell wieder zurückzusetzen, doch die Frau, den großen Sack auf der Schulter, welcher ein physikalischer Auslöser war, reckte lachend eine Hand vor, als der Meister an den kritischen Punkt kam, berührte ihn nur mit den Fingerspitzen, und das Knäblein plumpste flugs in die Ausgangslage zurück. Das wiederholte sich etwa dreimal, begleitet von Frau Süsanns anschwellendem Lachen. Der Sack bebte nur so. Jene umgekehrte Perspektive, in die der Meister dort geriet, brannte seinem Gehirn die Bögen, die Schnittlinien, Kehlen und Aushöhlungen ziemlich ein, angefangen bei der komplizierten Abgetragenheit der ihm am nächsten liegenden Trainingshose (und eine extreme Wahrnehmung am Sichtpunkt: seine Stirn berührte die schwabbelige Hose am Knie!) und dann weiter oben …! Was ganz oben war, konnte sich erst später herausstellen! Denn zunächst - und besonders, da sie im Gegenlicht stand - kam es ihm so vor, als wäre die Frau nackt ( » nackt!« ) : er sah ganz sicher ihren bloßen Bauch, welcher sich flaumig wölbte (fast wie ein Bierbauch, oder vielleicht war er es ganz), das viele Fleisch darüber war funkelnd missverständlich, die Schultern klar, die Achselhöhle, das »Baumeln« der Achselhöhlen: nackt!  
  Aber nein. »Stehen Sie doch auf, Péterchen, die Sonne scheint Ihnen auf den Bauch oder wohin«, sagte sie und beendete das merkwürdige Spiel, ergriff den zweiten Sack am Hals, und einen über die Schulter geworfen, einen hinter sich herzerrend ging sie in den Geräteraum. Er sah ihr sogleich hinterher und konnte den Bogen sehen, der den Rücken in Höhe der Schulterblätter teilte: sie war also nicht nackt. Aber dass das ein Büstenhalter sein könnte, daran hatte er keine Sekunde gedacht. »Ein Badeanzug. Zweiteilig. Und das war das Oberteil. « Dabei war es ein Büstenhalter.  
  Der Junge hockte wieder vorne auf dem Karren, er traute sich nicht, beim Ausladen zu helfen, und wollte es auch nicht. Die Frau war mit der Arbeit fertig. Sie nahm zwei Handtücher aus einem Regal und schwang sie sich über die Schulter, so wie es der Meister selbst auch getan hätte. »Baba, Péterchen. Danke, dass Sie sie gebracht haben. Ich geh jetzt baden, ich hab noch nicht gebadet. Baba.« - »Küssdiehand. « Die Aufregung hielt auf eine Lösung zu. Was dort mit dem Meister passierte, übertraf jede Vorstellung.  
  Als die königliche Dame mit einem erdbebengleichen Rucken ihrer Hüften zwischen den kleinlichen Umständen, namentlich hinter einer Tür, verschwand - darüber die frisch gepinselte Tafel: Respektiere auch die gegnerische Mannschaft! - , begann das Schleichen des Meisters, sein Herz schlug ihm bis in den Hals, wehe, es hätte nicht oder hätte woanders geschlagen!, vorsichtig ging er um das Gebäude herum, damals heizte man den Kessel noch mit Kohle, nicht mit Öl, als die Tür der Duschen ganz in der Nähe aufknarzte, warf er sich auf den Boden wie der gute Pista Tüske des Herrn Banga, den unsere Feder bereits Gelegenheit hatte, leicht »wie eine verirrte Faschistenkugel das Haar von Partisanenmädchen
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Jegyzet »Hast du Fieber, fragte erschrocken flüsternd Tanja und strich mit der Hand über Nataschas heiße Stirn und Wange. Es ist nichts, aber, bitte, zu Feri kein Wort darüber. (Feri ist der Partisane.) Doch der arme Feri! Aus seiner Werghose fällt und fällt die Spreu. Der Eimer fällt um, im flüssigen Aggregatzustand wird fester Aggregatzustand gespült. Die schwere Eisentür geht auf. In der Ferne tropft etwas Licht herunter (als wäre es von einem männlichen Glied). In Feris Augen blitzt die alte Heiterkeit auf. Er geht los. János ist immer noch in Ketten. Die Handschellen klappern. Feri auf der Treppe. János schreit auf.«
« zu berühren. Seine Stirn berührte die Schlacke, und wie er so vor Aufregung schnaufte, wirbelte er den Staub vor seinem Gesicht auf, wovon ihn das Husten ankam. Seine Lenden presste er fest auf die Erde. Das Warten tat ihm gut. Danach das sich Sichhochrecken bis zum kohlenstaubverschmierten, dunstigen Fenster, diese Verflechtung, die Verflechtung von Wasser und Körper, und die Seife! Die Seife, wie sie sich festsetzte in den schwarzen Falten! »Wie Raureif!« Er besah sich gründlich die abgelegte schäbige Kernseife, von der er sich bislang immer zimperlich zurückgehalten hatte, er konnte weder den Geruch noch die zähe Konsistenz leiden, und seither lässt er mit großer Liebe das bräunlichgräuliche Waschmittel von ungenügender Qualität an sich herumrutschen. »Sie hat es gewusst.«  
  Zurück über den Assoziationsfaden purzelnd, wie die Spinne, welche das zu Spinnende aus sich selbst spinnt, was gar objektiv ist - egal, ob sich eine Fliege darin verfängt oder nicht -, kommen wir wieder bei dem Meister an, wie er das Gekabbel der beiden Männer beschaut. Wie er näher herantrat, nahm der Zorn sein Ende. Herr Öschen war noch blasser, Herr Armand noch röter, in seinem sich ins Graue neigenden Haar Schweiß. Er war immer jünger als Herr Öschen gewesen, aber nicht so sehr, dass es die Leidenschaft gebremst hätte. Herr Öschen sagte - während seine knochigen, dünnen Beine in den weiten Klotthosen nervös vibrierten; Platz genug war da —, er sagte also. »Wer zum Herrgott bezahlt mir das alles!« Herr Armand schlug in die Luft, das war offensichtlich eine bekannte Wendung im Streit. Herr Öschen drehte sich auf der Ferse um. »Servus, Péter«, sagte er ruhig, als wäre er gar nicht aufgebracht, um anschließend natürlich aufgebracht loszugehen, mit schwungvollen Schritten und Armbewegungen, der Mannschaft murrte er etwas zu, winkte seiner Frau mit dem Kopf, »mir nach«, und die Frau folgte ihm ohne ein Wort, zu der gerade mal lochgroßen Dienstwohnung. »Sie schlich nicht und sie scherzte nicht: sie folgte ihm.« (Frau Süsann, wie eine pankratische Frau, und Herr Öschen wie ein passgenauer Schoßhund. »Es schien: sie liebten einander.«)  
  »Ach, Fichte«, Herr Armand winkte ab, nachdem man sich begrüßt hatte. »Fichte.« - »Was ist los?«, sagte der Meister, dabei konnte er es doch sehen. Die Konsequenz auf die Ursache zurückzuführen ist nicht mehr als eine historische Verfahrensweise. Und wie der brave Herr Armand, » angeheizt durch seine eigene partikuläre Wahrheit«, sich Luft machte, schien durch die »feigen Eisentraversen «, durch die Risse im Dach, das sich über die ehemalige Tribüne neigte, immer und immer wieder verzweifelt der Himmel auf. »Ich hab mit dem neuen Generaldirektor geredet. Ist ganz in Ordnung, war früher mal Fußballer. Wir haben gegeneinander gekickt, er konnte sich erinnern.« - »Bestimmt hat er gesagt, du hättest ihn in dem Spiel ganz schön fertig gemacht und hat gelacht.« Herr Armand flog daraufhin aus seinem Schwung. Der Meister verneigte sich feinsinnig; seine Lebenskenntnis! Herr Armand fuhr etwas unsicherer fort, doch er erreichte schnell wieder die vorangegangene Vehemenz, wie man das an der Farbigkeit seines Gesichts sehen konnte. »Ich hab mit ihm geredet, er hat versprochen, dass es Geld geben wird.« - »Und?« - »Und dann könnte man diese Scheiße einreißen und was Neues an die Stelle bauen.« - »Und, was ist dann jetzt das Problem?« - »Weil, die haben die Umkleide schon am Montag auseinandergenommen, und es sind zwei Tage jetzt, dass die Maurer nicht kommen. Der Herr Gerätewart, der hier, nicht wahr, bekanntlich das Totumfaktum ist, denn wer sonst könnte das sein, weiß, dass sie gar nicht kommen werden, weil das Ganze abgeblasen worden ist.« - »Und in Wirklichkeit?« - »Was weiß denn ich! Was kommst du mir jetzt auch noch damit! Sakrakruzitürken, wenn es ein paar kleine Schwierigkeiten gibt, muss man da gleich flennen wie ein altes Klageweib? Gleich, dass es nicht geht? Und gleich, wer das bezahlen soll? Wie soll man so was zustande bringen? Auf so eine Her-damit-aber-gleich-Art? Wie?« Der Meister schwieg. Selbstverständlich war ihm der Idealismus seines Trainers sympathisch, dieser ungebrochene Tatendrang, das gemeinschaftliche Denken. »Dafür ist diese Generation zu beneiden. Genauer gesagt, die Gemeinschaftserfahrung ihrer Jugend.« - »Aber die Lage ist nicht so einfach.« Nein, denn dies hier ist Herrn Öschens Arbeitsstelle, und weil kein Geld da ist, fehlen die entsprechenden Arbeitsvoraussetzungen. Die Zentrifuge ist kaputt, der Rasenmäher wird immer kaputter, die Walze …!, die Walze hat das letzte Mal vor 5 Jahren ein gewitzter Jemand in Bewegung gesehen, der Abfluss in den Duschen ist ständig verstopft, das Grundwasser kommt hoch, in welchem Fall ein Verkehren nur über auf Ziegelsteine gelegte gefährliche Bohlen möglich ist, der Geräteraum ist klein, die Wände sind feucht, der Putz bröckelt, die Kabel werden nass, der Rasen verbrennt, der Sprenger ist mies, die Netze lösen sich auf, der Trainingsplatz ist von mannshohem Unkraut überwuchert, die Turnschuhe gehen langsam zur Neige, es gibt zu wenige und zu kleine Handtücher, mein Gott, wie klein die sind, die Jugend hat kaum genug Trikots, die Trikots bringt keiner raus zur Meisterschaft oder er bringt sie an den falschen Platz - »Auf den UFC-Platz statt nach Solymár, weil der Laci Kohut sich um alles andere lieber kümmert als um das Disponieren der Wagen« —, die Socken haben Löcher, das Warmwasser ist zu wenig, zu wenig, zu wenig.  
  Also hörte sich der Meister verständnisvoll Herrn Armands Ausbruch an, aber er stellte sich nicht auf dessen Wellenlänge ein und räsonierte daher auch nicht mit ihm. Sondern wurde immer trauriger. »Es ist vollbracht…« Verlegen wühlte er mit den Füßen in der Erde, sagte Hm-hm zu Herrn Armands glühenden Worten und fühlte sich immer stärker in die bekannte Tragödie ein: die Verlierer zerfleischen sich gegenseitig. »Die arme Leut.« Die Herren Öschen und Armand waren nicht in der Position, auf andere wütend zu sein, »sie konnten sich nur gegenseitig an den Kragen gehen«. Zum Zwecke der Beendigung seiner in die Stille hineindringenden schlechten Laune bediente er sich einer nützlichen Variante der Ersatzhandlung: er stellte sich vor die Regale und fing an, die Montur auszugeben. Er suchte die Garnitur - Trikot, Hose, Stutzen, Schuhe, Handtuch - mit so einer Umständlichkeit und in mehreren Anläufen zusammen, dass schon der bloße Anblick (mit Mitgefühl oder ohne) eine Truppe wieder fröhlich machen konnte; obwohl er es nicht deswegen tat.  
 
 
  35 Und erneut bedient er sich eines Spontanzettels (siehe nächste Seite).  
 
 
  36 Dem Meister nach hatte es schon am Nachmittag angefangen. »Wissen Sie, mein Freund, ich stand da, in der Mitte von Zimmer Nr. 903, eine Fachzeitschrift in der Hand, darin mein Fachartikel. Das war schrecklich, so in der Mitte des Zimmers!« Die Tippfräulein kicherten, der Meister gefiel ihnen und wieder nicht. Seine Vorrechte beim Portier nutzend kam er rechtzeitig auf dem Platz an. Im Grunde fiel das Training aus, denn Herr Armand teilte mit, dass der Mittelverteidiger am Tag zuvor verstorben war, also fand nur ein bisschen Kleinfeldspiel statt, wobei die Mannschaft des Meisters 6:5 verlor; gerade so.  
  Der dunkle Vogel Nacht hatte sich schon gesenkt, als er läutete, distinguiert, sich mit der Schulter gegen die Klingel lehnend. Dabei bemerkte er, dass etwas Weißes im Briefkasten stak. Während der Meister selbstvergessen durch Europa spaziert war, hatte Herr Marci den Schlüssel des Briefkastens verbummelt. (Aber, aber, Herr Marci! ’tschuldigung auch. Aber so viel Schonung werden die Energiereserven des Meisters wohl verdienen!) Die Freilegung war selbst für die Miniaturhände des Meisters keine einfache Angelegenheit. Nach mehreren Anläufen gelang es schließlich. Doch so stand Frau Gitti schon seit einer ganzen Weile in der Tür und wartete ab, was ihr Gatte da »herumwurstelte «. »Wissen Sie, mein Freund, ich weiß gar nicht, aber als ich sie darum bat, die Karte der Jolánka anschauen zu dürfen, da war es schon ... Ach!«  
  »Warum? Warum musst du sie sofort lesen?!« - »Entschuldige, aber ich bin so neugierig.« Angesichts des unverständlich wütenden Gesichts der Frau fügte er unsicher hinzu: »Ich würde sie gerne lesen ...« Aber da die Frau nicht nachgiebiger wurde, setzte er wütend fort: »Abgesehen davon, empfindest du es nicht als abstoßend, dass ich die Karte so in der Hand halte, ein wenig nach außen gekippt?« Frau Gitti winkte ab. »Péterchen, mals nicht aus«, sagte die Furie. Der Meister fuhr sensibel auf. »In dem Fall, sei so gut und sprich heut nicht mehr zu mir«, sagte er sehr bestimmt. Und fügte noch mit leichter Stimme wie ein »päderastischer Filmregisseur« hinzu: »Danke. Das wär’s für heute.« Doch der leichte Ton brachte keine Leichtigkeit. Das Herz sitzt tief. Sie gingen sich in der kleinen Wohnung aus dem Weg. (Sonst konnte Mitocska ankommen und »nicht, nicht, Papilein« sagen. Und dann geht er in sich und schickt Mitocska zu Frau Gitti, damit sie ihr sagen möge: »Du bist wunderschön, Mamilein«, und dann käme das Mägdlein mit glücklichem, schlingligem Gesicht zurück: »Hab’s ihr gesagt, Papali«, und würde grinsen. Aber sie schlief schon.)  
  Als der Meister später zu Bett ging, war sein Platz im Bett neben Frau Gitti verwaist. Er hatte sich halb dort eingenistet, als er sich zu einer selbstironischen Annäherung entschloss, aber diese kam schlecht an. »Ich lese mal den ersten Satz vor. Er ist ungeheuer nett.« - »Nein!«, rief die Frau aus, ein wahres Wunder, das Mitovics Bulanscher nicht aufschreckte. »Interessiert mich nicht, interessiert mich nicht, interessiert mich nicht!«  
  Am Morgen stand er früh auf, ging einkaufen, vergaß auch den Säuglingsmilchbezugsschein nicht zu Hause - es war ein denkwürdiger Tag. Zu Hause angekommen stellte er die Tasche in der Küche ab. Sie neigte sich ein wenig zur Seite, aber zum Glück Richtung Wand. »Die Lage des Sauerrahms war auch so ... hm ... kritisch.«  
  Esterházy trug den Müll hinaus. Währenddessen bereitete Frau Gitti das Frühstück vor: schnitt Brot, nahm einigen Käse hervor, Fromasch, was noch übrig war von der Lesereise, sowie Radieschen (ein Geschenk des Herrn Noah Webster). »Was zum Kuckuck hast du da reingetan?«, der Meister mit dem Abfalleimer kam gerannt. »Es stinkt unbändig.« - »Das Letscho.« Er stellte den Eimer naserümpfend in die Küchenecke. »Vielleicht wäschst du ihn mal aus.« - »Warum muss man das Letscho da reintun?! Da kommt einem ja das Kotzen«, sagte er und ließ einen kräftigen Strahl warmen Wassers in den gelben Plastikeimer.  
  »Lass uns den Kaffee im Garten trinken«, schlug der Meister nach dem Frühstück vor, das in großer, unguter Stille verlaufen war. »Mir egal.« Aber sie gingen hinaus. Die kräftige Morgensonne veranlasste den Meister zum Blinzeln, die Umrisse der Dinge waren zugleich schmerzlich eindeutig und dunstig zitternd. (»Die übliche Vision.«) Alles war licht. »Möglicherweise.« - »Ist Zucker im Kaffee?« - »Wieso, hast du Geburtstag?« - »Im Übrigen: nein.« Der Meister sah zur Frau; sie sagten es gleichzeitig, ohne Lachen. »Kein Vorwurf, nur eine Frage!«  
  Mitics »legte sich« gewaltig. Doch vorher hatten sich die Verhältnisse auch formal wiederhergestellt, denn Frau Gitti sagte mit heiterem Ernst: »Ich lese mal den ersten Satz von Tante Jolánkas Karte vor, er ist so nett.« - »Lies vor«, der Mann gab seinen Segen und stellte seine Kaffeetasse auf dem Baumstumpf ab. (Der Garten ist ein von Beton befreiter Streifen; aber der Baumstumpf könnte auch in jenem Garten stehen! »Mein Lieber, als ich den Brief anfing, war es ein heißer Sommer, und nun ist es schon Spätsommer.« Der Meister legte seine Hand in ihre. »Liebste«, dachte er. »Liebster«, sagte Frau Gitti keusch.  
  Miticsens Dreirad kippte bedauerlicherweise, und Dorko Mitics biss in eine Betonkante. »Jessas!« Das Elternteil mit den schnelleren Reflexen sprang auf, denn aus dem Munde des Kindes strömte in ei- nem dicken Strahl das Blut. Der Meister freilich tastete sich von der Grammatik und der Geschichte her in die Gegenwart vor. Blut muss fließen knüppeldick, vivat, hoch, die Republik!, murmelte er und sprang ebenfalls auf, als Zweiter. Als Mitocska ihren Mund öffnete - die erste Blutwelle war verebbt –, sahen sie voll Schrecken, dass sich die ganze untere Zahnreihe nach außen neigte. Der Meister sah zu seiner Frau. »Einarmiger Hebel«, er nickte. »Schlug hier dagegen, neigt sich nach da.« Frau Gitti drückte wagemutig, mit einem Schwung, die Zähne zurück. Mitics schluchzte noch lange: »Mamali, Mamali.«  
 
 
  37 (zuvor) »Der Knochenmann deckt dich.« Er sah einem angenehmen, aber um einen sichtbaren Einsatz gehenden Spiel entgegen. Er zog hinter der Front der Zuschauer vorbei, er war ein wenig spät dran und musste auch noch die sanitären Anlagen aufsuchen. Plötzlich wandte sich einer aus der hinteren Reihe um - »wieder die ungeheuer großen, schwarzen Mantelrücken« - und legte dem Meister eine Hand auf die Schulter. Er, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. »Der Knochenmann deckt dich.« Der Meister hatte natürlich seinen üblichen dichterischen Weg mit der sichtbaren, praktischen Bewegung verschmolzen, so kam er nur langsam wieder dort an, wo sie beide standen. »Er macht was?« Der andere lachte. »So ist’s recht, Péter! Nur nicht in die Hosen machen!« Womit er den uninformierten Meister seines Weges gehen ließ. Er lief mit immer höherer Geschwindigkeit weg, aufgeregt in die Umkleide hinein, vorbei am friedlich Pfeife rauchenden, die Augen nur höchst selten, schildkrötengleich öffnenden alten Gerätewart. (Es handelt sich um eine fremde, jedoch vertraute Sportanlage.) »Nicht böse sein, Onkel Józsi«, sagte er, bereits in Montur, und wie liebenswert er für diese Beschämtheit doch ist, » aber ich musste so nötig Pipi, dass ich vergessen habe zu grüßen.« - »Was muss, das muss«, antwortete der Alte und ließ sich gleichmütig von der lauen Möglichkeit bescheinen. (Es gab einen Gerätewart auf dem G.-Platz, der gab nie etwas heraus. Er hatte nur ein Auge. Freundlich blinzelte er immer und rang sogar mit den Händen. »Hab keins, mein Junge, auch kein Strumpfband.« - »Der Mistkerl! Denn er hatte alles da!«) In der benachbarten Kirche fing man an, zur Sechsuhrmesse zu läuten, das kolossale Gebimmel war - mitten in der Kompliziertheit des beginnenden Spiels — kaum erträglich. Manchmal zum Beispiel presste der Meister sich im Laufen beide Hände auf die Ohren; man kann es sich vorstellen. Aber dann wurde es auch still.  
  –––––  
  ein »gespenstisch gleiches Wetter« - damals spielte Herr György noch, ein großes Glück; dem Meister jagte man in Rudeln nach; er machte seine zwei Dribbler, wie Bomben schlug neben ihm je ein Verteidiger ein und daraus konnte er erraten: es ging ihm an den Kragen; er ließ den Ball wegtrudeln und brach mit seinen langen, »musizierenden « Schritten aus dem Kreis aus, den schmalen Pfad der Flucht auf Herrn György ausrichtend, der wie ein Naturphänomen an der Strafraumgrenze herrschte; dabei eilte Herrn Györgys Karrierebogen zu jener Zeit schon abwärtszu; z. B. spielte er mit einem Nierenwärmer - »lachhaft«; rührend fürsorglich war Herr György dem älteren Bruder gegenüber, der sich mit seinen fragilen Schritten sehr viele Feinde gemacht hatte, mochte er noch so sauber gespielt haben: Ärger und Tore gebären Unmut, und Herr György brachte anschließend aus reiner Geschwisterliebe jeden zu Fall (trat ihn in den Boden, kickte ihm ein Loch in die Brust, faschierte ihn, plättete ihn, ließ ihn aufheulen, nahm ihn auseinander), der vorher den Meister zu Fall gebracht etc. hatte. »Da gab’s vielleicht was auf die Nüsse!«; einmal, ein anderes Mal, blitzte es auf dem Acél-Platz, und Herr György verkündete, so könne er keinen Sport machen, denn da er der größte sei, werde der Blitz am sichersten in ihn einschlagen, woraufhin der Meister seine Kapitänswürde aufgab, denn schließlich war ihm das hypothetische Leben seines kleinen Bruders lieb und teuer, und dem Schiedsrichter vorschlug, er möge seine beiden Linienrichter auf die Schultern nehmen, damit sie die Stattlichsten wären, womit das Mittelverteidigerdilemma gelöst wäre; »wissen Sie, mein Freund, selbst der Torpfosten, selbst der letzte Linksverteidiger ist wichtiger, verstehen Sie es ruhig so: substantieller als die Schiedsrichter«; so kam es dann, dass er den Platz gar nicht erst betrat, denn all das passierte noch am Fuße einer der das Spielfeld umgebenden Pappeln, schon wurde er mit einer Gelben Karte" geahndet; diese errang er noch ein weiteres Mal, aus einer ähnlich marginalen Situation heraus, aber wenigstens konnte der Meister sehen, wohin seine »manchmal schon oberflächlichen Gags« führen; er stand am Spielfeldrand herum, etwas weiter weg spielten die anderen Fußball, als er auf einmal sah, dass sich die Erde bewegte, der Grasbüschel wippte und wackelte, und sieh an, schnüff, schnüff, schnüff, ein Maulwurfshügel erhob sich dort, »Meister«, der Meister richtete die Aufmerksamkeit des Linienrichters auf das Phänomen, »Meister, winken S’ doch mal, der Maulwurf ist im Abseits«; »ich weiß, es ist keine große Pointe, aber er war wirklich im Abseits«; der Linienrichter rief den Hauptschiedsrichter heran, gemeinsam verhängten sie eine Verwarnung mit Gelber Karte gegen den Meister, mit den Worten - Gott ist mein Zeuge –: »machen Sie sich gefälligst nicht lustig über einen minderbemittelten Arbeiterverein« - »sehen Sie, sehen Sie, mon ami, was für soziale Sensibilitäten dort grassierten« ----------- einmal war er nach nur zwei Stunden Schlaf zum Spiel gezwungen (»hat sich so ergeben«); zwei Stunden Schlaf sind für seinen in der Entwicklung begriffenen Organismus: wenig; in solchen Fällen hat er das Gefühl, der Raum sei eingedellt und er müsse sich seitwärts zwischen zwei unsichtbaren Etwassen hindurchquetschen; seinen Bauch zog er, wie ein Yogi, ganz ein, den Kopf drehte er zur Seite, damit seine Nase kein Hindernis bildete; wie ein ägyptisches Abbild! Jedoch die Beschäftigung mit dem Ball ist in so einer Position keine geringe Mühe! Er hätte es gerne gehabt, wenn Herr Banga oder Dóra, diese prachtgroße brave Frau, dieses Eingedelltsein einmal zeichnen würde-----------lange, raumkneifende Übergabe  
  (danach) Der Meister blickte in den Spiegel der Glastür. Seine verschwitzten Locken flammten auf, schön wie der Mondschein oder ein »Lagerfeuer«. - »Und die vielen süßen kleinen Frauen in Trainings- hosen, mit Reisig in der Hand summen sie, ein wenig falsch, Lieder aus der Bewegung«, er brauste sofort weiter auf dem dichterischen Bild, wie es seine Art war. Der Meister neigte den Kopf - »das ist mein geliebter Sohn, an dem ich meine Freude habe« - , und ohne dass er seine schnelle Eile verlangsamt hätte, stopfte er sich das entlaufene Trikot in die Hose, machte dann einen korrigierenden Rückzieher und zog es wieder heraus, wischte sich die Stirn und zwang es abermals zurück. Ein leichter Sieg wurde davongetragen und er hatte dabei eine gute Figur gemacht. »Mindestens eine Eins plusplus.«  
  Er tappte mit seinen wehen Füßen bereits auf dem hinuntergeworfenen, gestreiften Trikot, eine Gewohnheit, der er trotz vieler mahnender Worte nicht entsagen konnte (oder wollte?!), als der Knochenmann neben ihm das Wort ergriff. (Er wusste es schon.) »Wissen Sie, mein Freund, vor dem Spiel vermag ich von jedem bis ins Innerste zu denken, wie gut er sei.« Tatsächlich: Einen Milchbart wähnt er für einen Titanen, welcher vor Kraft nur so strotzt und einen plattläuft, im tattrigen Alten erblickt er das Hirn, »der muss nicht einmal mehr laufen, verteilt die Bälle aus dem Knöchel und wir können uns abhetzen, kommen für alles zu spät«. - »Das gemeine Aas, das«, sagte der Gegner, der sein Haar wie der frühe Elvis Presley kämmte. »Wie ein Hahnenkamm.« Der Meister war äußerst interessiert zu erfahren, es hielt ihn quasi gefangen, ob die Frisur hinten ausrasiert war. Deswegen rutschte er ein paarmal zur Seite mit dem Trikot, ganz wie eine bohnernde Frau. (Renoir: Die bohnernde Frau) »Das gemeine Aas«, der andere schäumte weiter. »Tatsächlich«, der Meister stimmte unerwartet zu, und als der Knochenmann daraufhin den Kopf hob, schlug er mit seinem Blick, wie ein gedungener Mörder, blitzschnell zu, auf den Nacken des Knochenmanns nieder; doch umsonst und vergebens: die seichte Beleuchtung (nicht stark genug, nicht blendfrei etc.) sowie die fehlende eine oder doch eher anderthalb Dioptrie(n) zeigten nichts Sicheres, aber natürlich widerlegten sie auch nichts. Er hätte sich gewünscht, dass er ausrasiert sei. Selten einmal wurde der Meister so in die Mangel genommen wie bei diesem Spiel. »In den ersten 5 Minuten war ich 3-mal auf dem Boden.« Der Knochenmann war, was seine Mittel anbelangte, nicht wählerisch. »Hat mich hübsch faschiert.« Das war es nicht, was den Meister in Aufregung versetzte, ein paar Ekelhaftigkeiten nimmt er durchaus hin. »Das ist der Job eines Verteidigers.« Zum Beispiel ist er ausgesprochen gereizt, wenn ihr eigener Verteidiger ein »Hasenfuß« ist und »nicht hinlangt«. Nun wurde bei ihm hingelangt, so weit, so gut, aber der alte Verteidiger war teilweise stolz darauf, das hatte er dem Meister nämlich gesagt, und teilweise überschritt er dabei gewisse Grenzen (versetzte dem liegenden Meister einen Tritt, zwickte ihn in die Seite etc.). Dem Meister war der Zorn also anzusehen - sein ästhetisches Interesse für das Haar hat davon nichts verwaschen! -, dennoch sagte er freundlich: »Der Schiri war wirklich ein Aas.« Der Knochenmann warf ihm daraufhin einen misstrauischen Blick zu, während er langsam - wie einer, der sich auf einen Schlag vorbereitet, einen symbolischen - seine Hose herunterzog. Der Meister versetzte: »Ein Aas, dass er dich nicht eher vom Platz gestellt hat.« Er traute sich nicht, näher zu treten, dabei spürte er, dass er nun die lokale Wahrheit hätte erfahren können. Der Gegner kam dahinter, woher der Wind wehte, dass er Opfer eines arglistigen Spiels geworden war.  
  »Was willst du«, der Knochenmann griff sofort scharf an, »glaubst du, du bist der Big Player?« Der Meister antwortete ehrlich: »Also das bestimmt nicht.« Der Gesprächspartner war ausgesprochen feindselig. »Bei mir hättest du nicht einen versenkt.« - »Erlaube mal, Alter«, sagte er mit der Seele einer Brandotter, »bei wem hab ich denn welche versenkt?« - »Erst, als man mich schon rausgestellt hat.« Die Sache wurde zunehmend wilder. »Kann sein, Kumpel«, sagte er mit »Messer-Lippen«, »aber bis dahin bist du auch nur über den Platz gekrochen.« - »Worauf bist du so obenauf ? Dass du der Macker in einem fünftklassigen Team bist? Könntest froh sein, wenn du mal in einer Mannschaft gespielt hättest, wo ich war.« Dem Knochenmann war anzusehen, dass er einer glorreichen Vergangenheit entgegenblickte. »Kumpel, von Erinnerungen kann man sich nichts kaufen.« Der andere sortierte sich wütend, hob sein Handtuch hoch und schmiss es wieder hin. »Denk bloß nicht, dass du nie alt werst.« Der Meister zuckte die Schultern, tat einen Schritt zur unmittelbar neben der Umkleide befindlichen Dusche, welche gerade okkupierbar erschien. »Und du werst nie, verstehst du, nie in einer Mannschaft spielen, in der wo ich gespielt hab.« Der Meister drehte sich mit all seiner Persönlichkeit um. (Die Duschchance war so natürlich dahin.) »Wieso. Wo hast du denn gespielt.« - »Egal wo. Guck nach. Kann man nachlesen.« Der Gegner keuchte, schaute ihn blitzend an. »Gut«, sagte der Meister mit einer augenblicklich sich auftuenden Traurigkeit, »ich werde nachschauen. Wie heißt du?« - »Das kannst du auch nachlesen!!« - »Ist gut, Kumpel«, sagte er und ging in die Dusche. Als er zurückkam, war der alte Spieler schon im Aufbruch begriffen. »Servus«, sagte er allgemein. »Servus«, antwortete der Meister ebenso.  
  Sie gingen schon draußen durch die klamme, kühle Luft, eine Gruppe nasser Locken schlug ihm gegen die Stirn, eine andere, veranlasst durch die Kapuze des Mantels, neckte ihn am Hals; sie standen an der Ecke neben der Kirche, er schupfte mit der Schuhsohle über den schmierigen Asphalt und sagte bereits zum wiederholten Male zu Herrn Icsi, er habe das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben, seine Unerbittlichkeit gegen die in die Vergangenheit gerichteten Illusionen des Knochenmanns sei - hier - nicht angezeigt gewesen. »Bestimmt fängt er einen Riesenstreit mit seiner Frau an.« - »Was will der von der Frau?«, Herr Icsi zeigte auf den Meister und wandte sich den anderen zu. Herr Icsi war nicht einmal bereit, die Grundbrutalität der Verteidiger hinzunehmen, dementsprechend bewertete er also diese Tragödie, welche auch vor einem guten Torhüter nicht verborgen bleiben konnte.  
  (Der Meister knabberte noch eine ganze Weile an dieser dissonanten Angelegenheit, besonders, da er das Gefühl hatte, der Alte sei anno dazumal tatsächlich ein »besserer Player« gewesen als er selbst. Er erzählte die Geschichte Baum und Strauch, farbig, psychologisierend Frau Gitti, seiner Mutter, Herrn György, seinem Vater, er versuchte sogar, den Fall in einen literarischen Rahmen zu heben. »Ein Aas«, sagte er traurig.)  
 
 
  38 Der Meister kräuselte die Stirn. Dabei schnalzte er mit der Zunge, spitzte den Mund, zischelte, und bei alldem lauschte er auch noch. Frau Gitti sah mehrfach herein, ob Hülfe erwünscht sei. »Nein! Und ich bitte dich sehr, flüstere nicht mit dem Kind, wenn ich arbeite! Ihr könnt ruhig randalieren, Hauptsache, ihr seid still! Still!« Doch wie sich die Lösung einstellte, stellte sich auch die Ruhe der Familie wieder her; so ist die Verflechtung. (»Gitti, an einer Stelle, wo deine menschliche Größe herauskommt, würde ich hinschreiben, dass du Schweißfüße hast. Als eine Art künstlerischen Kontrapunkt.« - »Nein. Dann weine ich und benetze deine Dinte mit meinen Tränen.«) Furchtbare Gräben taten sich über den Augenbrauen auf, wo Frau Gittis Finger mit so einer schmerzlichen Liebe entlanggleiten konnten. Die Gräben sind ein väterliches Erbe: wie jene Stirn lang ist! Wie ein kleinerer Fußballplatz.  
  Das viele »Sssss!« und »Ssssch!« brachte schließlich den Frieden, die Stille der Lippen und des Geistes. »Sssss. Hören Sie, mon ami? Ssssch. - Man kann den Klang-Effect ausprobieren. - Wie der Wind. Kalt ist der Wind und er sssäuselt. Produktionssssroman. Na, natürlich gibt es überall einen Konvektor, oder wenigstens einen Kamin!« Wahr, wie wahr! Bei seinen knackenden Lauten und dem freundlichen rötlichen Lichte schwirren nur so die vielen Gedanken! »Was wir, unter uns gesagt, mein Freund, mehr als gut gebrauchen können.« Ich erlaubte mir noch einzuwerfen, dass das ungarische Wort für Kurrrzroman, »kisssregeny«, das auf englischem Sprachgebiet heimische Wort »kiss« beinhaltet ... »Hm, hm«, er mimte ein Nachdenken, »dass das ein Kussroman wäre?!« Das gefiel ihm.  
 
 
  39 Mit profaner Verdrießlichkeit stellte der Meister fest, dass dadurch, dass sie der Reihe nach alle das schwarze Trauerband über das weiße Trikot gezogen hatten, ein jeder per Trauerband zum Mannschaftskapitän geworden war, dabei ist das nur der Meister. Die Schweigeminute war am Anfang des Spiels. »Dieses Rindvieh von Schiri hat die Minute genau abgemessen. Wissen Sie, mein Freund, wie lang so eine Minute ist? Also ich weiß es jetzt.« 23 Mann stehen da, denn natürlich gibt’s schon wieder keinen Linienrichter, und der Wind wirbelt die schwarze Schlacke auf! Was für eine Zeremonie! In diese scharfe, tonlose Szene drang das realistische Geklapper eines Müllwagens vom Hügel hinter dem einen Tor. »Die Töne, die Bilder und ich sind auseinandergelaufen wie die Hühner.« - Sie spielten nicht schlecht, trotzdem führte der Gegner glatt. Als schon alles verloren war, brach er überflüssigerweise in den Strafraum ein, denn irgendwas musste er machen, wo er zu Fall gebracht worden ist. Der Spielleiter pfiff, ohne zu zögern. Der Meister liegt in der Sechzehnergegend, den Kopf auf der Erde, fast verbeißt er sich in sie, fast weint er, und auf seinen Lippen nur schwarzer Staub, nur Staub.  
 
 
  40 »Der Veverka kommt sein großes aufgedunsenes gesicht gleitet gleitet verliert seine festen umrisse fließt tritt über die ufer wie die rasende theiß bald drängt sich sein haariger bauch vorwärts hinein in ein einsam stehendes zimmer nimmt seine form an füllt es aus sein schweres männerparfüm streunt überallhin und die unheilschwange- ren wedler der Krawatte und die gewalttätigen gut rasierten doppelkinne hopp wir sind grad auf einen sprung vorbeigesprungen und dich insbesondere wollen wir nicht stören peterchen du peterchen schreibe nur schönes edles aus dem tanze von dunkel und hell von weichem und hartem springt er heraus wie ein fisch auf einmal ist mir zum weinen zumute aber das wirst du mir büßen sein auge eine warze in seiner nase frostschutz sein mund ein morscher bauschstupf in seinen nasenlöchern kreuzspinnen Veverka genau Jenő sage ich sagt Veverka dieser lüster hat deine große ist auch schon gekauft wir sind auch schon weg gieße den pandanus veitschii gieße den pandanus veitschii.«  
 
 
  41 Der Meister verlangsamte den Lauf seines Pferds, besah sich blinzelnd die schmale Gestalt, die sich ihm auf dem Gehsteig näherte, über dessen Oberfläche sie etwa einen halben Meter schwebte wie ein Engel. Als er in der Erscheinung - wie gewöhnlich im letzten Moment - den Dichter Herrn Sándor erkannte, trat der Meister auf die Bremse und das treue Orlow’sche Ross schlug beinahe Wurzeln in dem sich in einem ziemlich schlechten Zustand befindenden Asphalt. Geschickt entwand er seinen Fuß dem Steigbügel, sprang federnd - der sportliche Körper! - ab, und sie begrüßten einander. Er freute sich sehr über das Zusammentreffen, denn schon längere Zeit schob er ein »Vorbeischauen« bei Herrn Sándor vor sich her, und so hatte er immer häufiger an ihn gedacht. Nach den schnellen Gesten der Begrüßung setzte Herr Sándor sein engelhaftes Preschen fort, der Meister sputete sich neben ihm, mit schnellen Schritten. »Wissen Sie, mein Freund, ich bin noch nie so schnell gegangen, ohne dass ich gelaufen wäre ... Das heißt, einmal doch. Mit einer Stenotypistin bis zum Marx- Platz ... Wie die rannte! Und Slalom zwischen den Leuten lief! Ihr wunderbares Katzenschnäuzchen!« Das stattfindende Gespräch war dennoch so, als würden sie gemütlich flanieren bei herbstlichem Malso- mal-so-Wetter. Herr Sándor stellte dem Meister Fragen bezüglich dessen Familie und Arbeit, und er antwortete wahrheitsgetreu. (Frau Gitti krank, Mitocska wunderprächtig, der Roman immer dicker. »Die Quantitätsanzeiger sind beruhigend.«) Als sie dann am Ziel des Dichters (»welches ihn findet«), am ABC, angekommen waren, hub der Meister zu einem nicht sehr minutiösen, nichtsdestotrotz herzlichen Abschied an. Doch Herr Sándor widersetzte sich - ohne dass er in die Richtung geschaut hätte, in der sich der Kopf des Prosaautors befand, so dass dieser, wie schon so häufig, das Gefühl haben konnte, Herr Sándor sei nicht da, oder wenn doch, dann sei er selbst er nicht.  
  »Warte mal, warte mal, wir kaufen der kleinen Dóri was ...« - »Aber nicht doch, Sándor ...«, brummelte der Meister (die 3 Punkte sind hier die charakteristischste Redewendung), doch Herr Sándor war da schon wie ein Aal in die üppige Warenauswahl hineingeschlüpft. Sie gerieten zwischen die Waschmittel; Tomi Star, Tomi Super. »Vielleicht etwas von hier«, sagte Herr Sándor leise im gemeinsamen interregalen Dahinjagen. »Nicht doch, Sándor ... ich rufe dich an und dann kommen wir mit der Dóra zusammen ...« Herr Sándor nahm eine Packung Eierteigwaren (Tarhonya) zur Hand, der Meister winkte automatisch ab. Das Glück führte sie zu den Schokoladen. Der Meister, wie einer, dem bereits alles egal ist, zeigte auf die (ungefüllte!) Tafel mit den Haselnüssen, die er (!) am liebsten mag, sie mögen das für die Tochter kaufen. Angesichts der Schlange, die vor der Kasse feststand, wurde er ganz verzagt. »Aber Sándor ... das abzuwarten.« Und fast hätte er zu flennen angefangen.  
  Doch Herr Sándor drängelte sich mit einer Entschlossenheit, die man ihm nicht zugetraut hätte, zur Kassiererin vor, die stark schwitzte, auf den Kassenautomaten eindrosch, die Augen nur bis zu den Körben hob und mit zauberischer Schnelligkeit wieder und wieder das Geld zählte. Herr Sándor sprach sie in seiner interessanten Modulation an, zeigte auf die beiden Tafeln Schokolade (denn natürlich ließ ihn seine große Geberlaune gleich zwei kaufen): »Die zählen Sie dann bitte dazu.« Die Kassiererin sah nicht einmal auf, und wozu auch? Herr Sándor reichte dem Meister die Hand, gab seiner Freude ob des Treffens Ausdruck, und als er sich im Kreuzfeuer der ihn erkennenden Blicke am Ende der vollständigen Schlange einreihte, blieb der Meister mutterseelenallein zurück, in einer Art Auslieferung. (»Warenauslieferung, ha-ha.«) Er trat eine Weile auf der Stelle und machte sich schließlich aus dem Staub.  
  »Wissen Sie, mein Freund, ich stand da auf dem Hügel, drückte die beiden Haselnussschokoladen an mich - etwas weiter weg scharrte ungeduldig das Pferd — und war vollkommen gebrochen.« Auch später dachte er immer wieder an diese »unmenschliche Szene«. »Dieses Rasen! Wie ich aus meiner Zeit vertrieben worden bin!« Manchmal war ihm also Herrn Sándors Größe einfach unheimlich.  
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  >>Der Garten der Vasas - visuelle Novelle<<  
   
  An der mit X bezeichneten Stelle saß der Meister mit Vasa aufs Vorzüglichste, während die Sonne unterging und ihm ins Auge schien, am Fuße dreier junger Fichten, in einem einfachen, grünen Viereck.  
  »Wissen Sie, mein Freund, ein Gespräch mit dem Vasa bedeutet eine intensive, Entschuldigung, Lebenserfahrung. Als wäre der Vasa ein funkelnder Eisblock, nur eben nicht aus Eis, sondern aus Zeit.« So schön kann der Meister auch sprechen.  
  »Ich kann die Antwort für dich deswegen nicht bagatellisieren, weil ich mit dir so rede, als würde ich mit mir selbst reden.« (Edit ist wunderschön)  
  Drüben, im Hof des Nachbarn, steht ein Essigbaum mit großer Krone, Sonne und Mond im Weg. In den letzten Jahren konnte ich immer besser durch das Netz der Äste blicken, da er blattlos geworden war, laublos; er ist vom Schlag getroffen. Er lebt noch. Legt seinen Schatten über die große, manchmal ungestörte Stille unseres Hofs. Er duftet nicht, sein Geruch ist säuerlich, fast stinkt er. Besonders im Herbst, wenn er einen gelben Staub verstreut. Aber nach unten, sagt man, treibt er Wurzeln, die größer sind als seine Krone.  
  –––––  
  - der Meister spürte noch die Wärme ihrer Hände in seiner Handfläche, und er konnte sich darüber nicht von Herzen freuen*
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Jegyzet Das war typisch für jenen turbulenten Tag.
, Frau Gitti war verführerisch in die Badewanne geklettert, und schon klingelte Herr Imre, denn er war der, der klingeln sollte. Neben ihm kläffte sein verspielter Vierbeiner. Doch Herrn Imres Hund mit dem Namen Pam oder Pami - der verspielte Vierbeiner! - ward nicht hereingelassen, denn Frau Gitti fürchtet Hunde wie das Feuer! (An wie viele, oh, wie viele knorrige Umklammerungen seiner Gattin kann er sich erinnern, von denen ihm wirklich der Arm zu schmerzen begann, und an die leise Panik, welche er gereizt abwehrte. »Nur ein Hund.« - »Das würde ich auch sagen«, konnte die angstvolle Frau noch sagen.) »Wissen Sie, lieber Imre«, sagte die schöne junge Frau zu einem späteren Terminus, »ich kann mir einen Hund nur vor einem Gartenhintergrund vorstellen.« Darüber amüsierte sich Herr Imre prächtig, während er Nüsse knackte.  
  Doch zunächst einmal wurde der Hund ausgewiesen. »Ist das dein Hund?« - »Klar.« Sie standen angespannt in der Tür. Der Hund grassierte ein und aus, Frau Gitti noch verängstigt im Badezimmer. (»In Splitterfaserangst!«) »Sie ist nackt«, flüsterte der Meister dem Dichter zu. »Brav«, nickte dieser und wartete auf immer neue Fragen, die auch nicht lange auf sich warten ließen. »Und, kann er parieren? « - »Nein«, antwortete Herr Imre hart. Der Meister nickte, er hatte das erwartet. »Ein Glück, dass er wenigstens nicht reinrassig ist.« Anschließend fügte er besserwisserisch hinzu: »Echt Promenadenmischung ... Und wie heißt er?« (Das wird eine recht interessante Passage:) Herr Imre antwortete in der ihm eigenen trockenen, doch so lebensprallen Art: »Pam oder Pami.« Der Meister hob, wie man das auf einigen hinterbliebenen Fotos seines Großvaters sehen kann, eine Doch zunächst einmal wurde der Hund ausgewiesen. »Ist das dein Hund?« - »Klar.« Sie standen angespannt in der Tür. Der Hund grassierte ein und aus, Frau Gitti noch verängstigt im Badezimmer. (»In Splitterfaserangst!«) »Sie ist nackt«, flüsterte der Meister dem Dichter zu. »Brav«, nickte dieser und wartete auf immer neue Fragen, die auch nicht lange auf sich warten ließen. »Und, kann er parieren? « - »Nein«, antwortete Herr Imre hart. Der Meister nickte, er hatte das erwartet. »Ein Glück, dass er wenigstens nicht reinrassig ist.« Anschließend fügte er besserwisserisch hinzu: »Echt Promenadenmischung ... Und wie heißt er?« (Das wird eine recht interessante Passage:) Herr Imre antwortete in der ihm eigenen trockenen, doch so lebensprallen Art: »Pam oder Pami.« Der Meister hob, wie man das auf einigen hinterbliebenen Fotos seines Großvaters sehen kann, eine Augenbraue. »So heißt er? Pamoderpami?« Herr Imre kannte sich sofort aus (das heißt, begriff sofort den versteckten Sinn), was das Problem war. »Er hört sowohl auf Pam als auch auf Pami.« Der Meister winkte ab, wie einer, der gerade eine sehr unwichtige Sache erfahren hat. »Aber sein Name? Was ist sein Name?« Hierüber lief der Hund hinaus in den äußeren Raum, unter den Himmel. Herr Imre, die gute Mutter, rief ihm hinterher: »Pa-am!« - »Ach so«, der Meister zog sein Wissen daraus. Eine kurze Weile später war Pam zurückgekehrt, und Herr Imre fragte ernst: »Und ich«, hier zeigte er mit einer blassschönen, französischen Geste auf sich selbst, »darf ich hinein?« - »Ja.«  
  Doch hier stellte sich eine plötzliche Wende ein, sie gingen doch nicht hinein, sondern hinaus, nachdem der Gast also sprach: »Hast du eine Taschenlampe?« Hinaus gingen also die beiden Männer, dieses Zwillingsgestirn der Prosa und der Dichtung, um nachzusehen, was für ein Öl aus dem Schiguli lief. Da lagen sie platt auf ihren Bäuchen und analysierten die Lage, während Pam in der sanft ansteigenden, jedoch umso kurvenreicheren Straße, ordentlich randalierte. »Das Fließen hat eine radiale Richtung«, stellte der Meister fest. Es sei hinzugefügt: richtig. Auf den staubigen, schlammigen Reifen beinahe regelmäßige, »zehenweise« dunklere Verdunkelungen! »Das ist das Ol«, sagte Herr Imre finster. »Vielleicht aus dem Differential«, der Meister versuchte sich bestimmt. Jetzt erst verstand Herr Imre, mit wem er unter einem Schiguli lag: mit einem - bitte um Nachsicht für das Wort, ich benutze es in einer speziellen Richtung - Antitalent. »Es ist nicht symmetrisch«, sagte er noch bedeutsam und ließ die Lampe, diesen kurzschlüssigen Apparat, hin und her blitzen. Ratlos erhoben sie sich. Pam sprang auf den Rücksitz. »Ich bin in irgendein Schlagloch gefahren.« - »In einen Ausbruch«, er benutzte sein Lieblingswort. »Es gibt viele Frostschäden.« Herr Imre war der Meinung, nachdem er die Autotür bereits abgeschlossen hatte, dass Pam vielleicht permanent frische Luft brauchen könnte (selbst um den Preis der Kälte), und öffnete - um an der Kurbel drehen zu können - die Autotür. Gerade, als die Tür des Schigulis aufging, kam die Feuerwehr an der Ecke an, in ihrem süßen kleinen roten Wagen. »Verständlich, mein Freund, irgendwo kann es manchmal immer Feuer geben.«  
  (Einmal hatten der Meister und seine treue Gefährtin eine kleine Feuersbrunst verursacht. Sie werkelten am Abendessen, die Schlinglige Banditin schlummerte bereits. Der Meister ließ sich von einer surrealen Bildfolge hinreißen. Die Auswirkung war auf das Teeausgießen nicht wünschenswert. Ein ehefrauliches Auffahren machte ihn auf das übersprudelnde heiße Wasser aufmerksam. Die Bildfolge war aber aus dem von uns unterstützten, oberflächlichen Aspekt der Praxis her dennoch nützlich. Jawohl!  
  Die damalige Dichtung startete mit einer gut definierbaren, frühmorgendlichen Schweineschlachtszene; und dass man Blut essen kann: das war die Lehre daraus! — Die versengte Schweineschwarte führte in eine österliche Kirche, die Flamme der Kerze, welche der Meister hielt, erfasste das nach vorne schwingende Segel des damaligen Haars des Meisters; inmitten des jammernden Lamentos der Frauen seine, man kann es so sagen, heilige Ruhe, wie er die Flamme in die Faust nahm, ihr auf diese Weise wissenschaftlich den Sauerstoff entziehend. - Weihrauchgeruch, Silber, festlicher Wind. Hier allerdings stockte der Meister, denn die zeitliche Einordnung des Bildes und besonders die der Gerüche bereitete ihm Sorgen. Plötzlich stellte sich aber heraus, dass es um das Jetzt ging!  
  Sie sprangen auf, der Meister wollte ratlos mal hierhin, mal dorthin laufen. Schließlich blickte er bedrückt zur Teekanne zurück: »Auch die ist nur mehr lauwarm.« Was für eine Sensibilität für das Lauwarme, während doch Feuer dort loderte! Frau Gitti entdeckte den Brandherd. Das Laken neben dem Gasboiler brannte. Die Dusche! Das Gespritz! Und der Geruch!! Der Meister machte sich alsdann viele Umstände. »Die Asche«, jammerte er. »Die Nachbarn«, jammerte er, denn er fürchtete taktlose Fragen, welche auf das Lüften hätten folgen können. »Jetzt hör schon auf«, sagte die Gattin, die die Aufräumarbeiten leitete.)  
  Die Türen des Feuerwehrfahrzeugs schwangen auf, zwei sprangen heraus, und nachdem sie die halbe Strecke in angestrengtem Marsch zurückgelegt hatten, setzten sie ihren Weg weiterhin bestimmt, doch schon etwas gemütlicher fort, auf die beiden jungen Männer zu. Der dritte Fahrgast des kleinen roten Autos hatte sich Zivilkleidung über den jungen Körper gestreift und begann, sobald er aus dem Auto ausgestiegen war, herumzulungern. Das Auto hatte keine 20 Meter von unseren beiden Helden angehalten, der Zivilgekleidete lungerte dennoch ohne jede Befangenheit herum. »Lungerte dort herum, mein Freund, abends um drei viertel zehn. Wüssten Sie dafür eine Erklärung, wenn man gerade eine bräuchte?« Was könnte ich, aus meiner engen Rolle heraus, dazu sagen? (Das schwarze, kräftige Haar des Herumlungerers wehte mit bläulichem Licht, ein paar hin und her schwankende Haare auf seinem Schädeldach erweckten den Eindruck von Jungenhaftigkeit.) »Wildschäden«, sagte Herr Imre unwillig und, noch auf die Frostgräben zurückverweisend, mehrschichtig.  
  »Wem gehört der Wagen?«, der Uniformierte stellte die zielgerichtete Erkundigung an und heftete seinen Blick auf die beiden herausragenden Mannspersonen. Der Meister und Herr Imre sahen sich an und antworteten gleichzeitig. Der Meister sagte: »Meinem Freund.« Denn Herr Imre war ihm ein solcher (siehe S. 187); eine ganze Weile war er ihm fast ein Freund, schon das beurteilte er als einen sehr günstigen Zustand, aber dann, als Herrn Imres Fehlen irgendwann endgültig erschien, wovon er sich - wenn auch nicht als Ganzes, aber in Form von einer Art Loch - leer fühlte, beschloss er: Herr Imre sei: sein Freund. Und Herr Imre sagte: »Meinem Vater«, denn der Schiguli gehörte seinem Vater.  
  »Aha«, sagte der Fragesteller und sein Blick hüpfte hin und her. »Aha.« Nun erkannte er in den beiden Geständnissen (!) den Widerspruch und schlug, keine Zeit lassend, zu. »Die Ausweise!« Der Meister schaute zur Erde, auf seine Pantoffeln, denn er war bereits in Pantoffeln zu dieser späten Stunde. Nun hob er ein wenig die Zehen und zog sich, die Ferse aufstützend, ein wenig aus dem Pantoffel zurück.  
  »Mein Freund! Ein Motiv!« Anschließend hob er das Doppel aus Fuß und Pantoffel vom Boden ab und ließ Letzteren über einen Zeh, namentlich über den großen, schaukeln. Hier fing Pam (nicht deswegen) zu kläffen an.  
  Diese beiden Ereignisse - Äußerungen von Heimeligkeit und Besitzverhältnis - setzten im Fragenden eine ganze Reihe an Gedanken in Gang. »Aha.« Sie beide brachten kein Wort heraus, ihre Aktionsfähigkeit war in dieser Richtung, glaube ich, langsamer als die des Durchschnitts. »Aha«, sprach der Uniformierte weiter, wie in einem Monolog; es war ihm anzusehen, er bedenkt vieles, wägt ab, entscheidet, manches Ereignis lässt er als unwesentlich beiseite, ein anderes erfindet er: er denkt. Seine Gedanken kamen - und ich muss wohl nicht betonen: wie beruhigend das allgemein ist! - am richtigen Ziel an. »Aha. Dann ist das wohl tatsächlich Ihr Wagen ... Dass der Hund darin so ... Gehört Ihnen ...« Herr Imre nickte, obwohl der Wagen seinem Vater gehörte. »Na dann, Wiederschau’n«, sagte des Meisters und Herrn Imres Mann fürs Feuer und trat an den inzwischen herbeigeflitzten, kleinen, süßen roten Wagen. Der nette bel ami mit seinem bläulichen Schopf saß schon drin.  
  Herr Imre wiegte humanistisch den Kopf. »Dass ihm gar nicht einfällt, dass es irgendein Problem geben könnte! Nur, dass wir ihn hätten geklaut haben können!« Er wiegte ihn weiter. »Und wir freuen uns noch, dass wir davongekommen sind!« In diesem Moment fiel aber der Pantoffel vom großen Zeh des Meisters, er schreckte zugleich auf und sagte zum Fremden (obwohl, wer ist wem kein Fremder?, wer?): »Verzeihung, Chef. Könnten Sie sich nicht mal anschauen, was hier läuft?« Die üppige Zweideutigkeit, die sich hier zwischen dem auslaufenden Öl und einer neuerlichen Sauerei hervortat! Ausreichend! Herrn Imre tuschelte er dergestalt zu: »Er wird herumkriechen, wie der Rechtsverteidiger des Volán SC!« — »Was ist das Problem?« Die offizielle Person schluckte den Haken und wandte sich um. »Als würde Öl ausfließen ... Und wir wissen nicht: ist das gefährlich oder nicht gefährlich?« Der andere bückte sich. Der Meister spürte regelrecht, wie sich das Pistolenhalfter in den Bauch drückte. »Na, so kann man aber nichts sehen«, hielt er fest. »Ich mach’ mal Licht.« Und er hielt Wort: er beleuchtete: zuerst den einen Reifen, dann, um den kniend positionierten Menschen »tiefer hinunterzulassen«, hinten etwas, und schließlich - um über jeden Zweifel erhaben zu sein - den anderen Reifen. »Radial ölig«, sagte der Meister. Als der Uniformierte schnaufend wieder hervorkroch, glänzte sein Gesicht, seine Mütze hatte er schon zuvor abgesetzt, nun fiel ihm das hellbraune Haar nach vorne, so sagte er: »Ach, das ist nichts, wissen Sie, nur ein bisschen Fett. Zu viel geschmiert, ist aber nichts.« Da erschien es dem Meister so, als spräche er mit einem Fachmann, einem alltäglichen Monteur, der sein Fach versteht und verlässlich arbeitet. Doch dann verscheuchte er den Gedanken, was dadurch erleichtert wurde, dass der Mann sich den Gürtel richtete und das Schapo wieder aufsetzte. »Alles Gute«, sagte dieser ungerührt. »Danke.« Als dann das kleine rote Autochen leise über die kurvenreiche, nächtliche Straße davongeschlichen war, rieb er - wenig sympathisch - seine beiden Blumenhändchen zusammen: »Hihihi. Herumgekrochen.«  
  »Aber, mein Freund, was soll dieser Unsinn!?« Bitte um Verzeihung, aber was ein Happyend ist, das weiß ich wohl ... Und was wäre das für eine Geschichte, die mit einem »die Ausweise bitte« endet und fertig. »Eine sehr schöne kleine Geschichte.« Und war es etwa nicht der Meister, der gesagt hat, was darin wahr ist, ist alles nicht wahrscheinlich, nur das ist wahrscheinlich, was ich hineingedacht habe, also das, was nicht geschehen ist. »Das habe nicht ich gesagt.« Und überhaupt, wenn in der Kunst nichts Künstliches ist, was bliebe dann? Er parierte enerviert: »Nichts.« Zu einem weisen Terminus sprach er dann also: »Dichtung und Wahrheit«, und er wusste, wieso. Alsdann charakterisierte er künstlerische Bestrebungen so: »Der Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug«, dass diese beiden die Künste hervorbrächten. Paff.  
  Zurück nun aber in der ursprünglichen Situation, war Esterházy äußerst zufrieden mit sich, was für ein hervorragender Mensch er sei, doch als Belami durch das hintere große Fenster des sich entfernenden Autos zurückblickte und sein Gesicht, auf halbem Wege zwischen Weinen und Lächeln stehend, ganz und gar so aussah wie das des Conferenciers in Cabaret, legte er die Hand auf die Schulter des bereits auf den Eingang zuhaltenden Dichters und sagte: »Phu, Fichte*
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Jegyzet Wir verwenden das Wort hier auch im dichterischen Sinne.
, das hätte auch schiefgehen können.«  
  In der Tat.  
  Währenddessen zog Frau Gitti in einen langen Schlafrock ein und erkundigte sich sorgenvoll nach dem Hund. Herr Imre hielt die hübsche junge Frau durch die bravouröse Handhabung seiner Stimme lange Zeit im Zweifel, damit diese - nachdem sich der Schabernack aufgeklärt hatte — in eine umso fröhlichere Laune geraten konnte.  
  Mehr noch: die Zurückkehrenden erwartete bereits eine Reihe von Salzgebäck und Äpfeln auf dem kleinen Tisch. Herr Imre fiel das auch auf. Doch der Meister winkte nur: »Sie ist eine Perle«, flüsterte er. Als Herr Imre anfing, am Aschenbecher zu fimmeln, drohte ihm die Frau regelrecht. »Wenn Sie auf den Boden aschen ...!« — »Aber ich rauche nicht.« — »In dem Fall wäre es einfach unverzeihlich, wenn Sie auf den Boden aschen würden«, die Frau lächelte in ihrer profunden Klugheit. »Honignüsse sind auch da.« Darüber freute sich Herr Imre; seinen schmalen Intellektuellenkopf, welcher unten durch einen Bart Abwechslung erhielt, hob er mit Schwung. Wie er später - bereits enttäuscht — mitteilte, dachte er, es handele sich um eine Delikatesse (aus Marokko), mit Honig gefüllte Nüsse oder so was. Nach so einer Ausgangsstellung kann man sich die Entrüstung vorstellen, als der Meister — der sich im Laufe der Zusammenkunft ganz als Familienvater zeigte, er legte alle Gerichte vor, tranchierte, und zwar mit besonderem Geschick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuschenken - die Nüsse und in einem extra Fayencetöpfchen den Honig hereinbrachte. »Wieso heißt das Honignüsse? Nüsse essen, Honig essen, wieso?« — »Der Zeit-Faktor.« — »Aha«, der Dichter griff das Wort auf. »Wie Flachs und Hanf.« - »Dick und Doof.« - »Fancsikó und Pinta.« - »Na!«, röhrte er heraus.  
  Herr Imre redete nicht lange um den heißen Brei herum, er zückte seine Gedichte und drückte sie dem Meister in die Hand. Er wusste sofort, was er zu tun hatte, und machte sich an die Arbeit. Sein Gesicht war streng und wurde schön. (Mit einem Ohr nur hörte er dem neckischen Wortwechsel zwischen Frau Gitti und Herrn Imre zu; Herr Imre stellte, in ungeheuer schwache Scherze gekleidet - welche der Meister neuerdings immer mehr mag -, die Vaterschaft des Meisters in Frage - der Mann von den Gaswerken etc. -, so dass dieser, ans Ende gekommen mit dem Lesen der Gedichte, als Erstes folgende Worte zwischen den Lippen hervorpressionierte: »Ich will seinen Namen! Den Namen des schurkischen Tohuwabohu!« Die Gattin lachte nur. »Amen«, antwortete sie, oder etwas Ähnliches. Die Erklärung für Herrn Imres traurige Fremdheit ist hier die folgende: zum Teil nahm er, zu Recht, übel, dass die Aufmerksamkeit des Meisters geteilt war, zum Teil verspürte er, da er der - sich zwangsläufig entwickelnden - innerehelichen Sprache lauschte, jene Befangenheit, welche eine nahe Verwandte der Wut ist.)  
  Er las. Wenn sein strenges Gesicht auch keine Maske war, doch in sein Herz zog Wärme ein. Er dachte daran, was es für eine beruhigende Sache ist, dass es Herrn Imre gibt; er haftet für die Sachen. »Mich jedenfalls beruhigt er sehr«, er drehte die Flamme etwas zurück. Dieses denkt der Meister über nicht sehr viele Menschen, aber einige gibt es doch. Sodann, nachdem er die Blätter wie Karten aufgefächert und sie auf einmal betrachtet hatte, um sie anschließend wieder einzeln zu betrachten, dann von der Rückseite, und sie schließlich wieder hintereinander getätschelt hatte, legte er seine gespreizte Hand, als würde er den Segen erteilen, auf die Blätter und improvisierte eine kleine Rede. »Schön.« Anschließend gab er das Dossier zurück, akkurat geschlossen. (Wie einmal ein Jemand, ein Filmregisseur, anmerkte: »Wie liebevoll du mit Papieren umgehst! Wie du ein Heft öffnest oder schließt.« Der Meister wurde sehr ärgerlich deswegen, aber er zeigte es nicht.)  
  Sie aßen Datteln, dann Äpfel, schwatzten locker über dies und das und fühlten sich äußerst. Bei einer Wendung nahm er ein Buch Frau Galgóczys in die Hand, an die er stets mit großem Respekt dachte, und sagte kopfschüttelnd: »Ihre Vergänglichkeit ist so mitreißend.« Doch da standen sie schon, verabschiedeten sich.  
  Draußen am Auto setzte Herr Imre seine Brille auf. »Wie viele Dioptrien?«, fragte der Meister auf dem Fuße. »Warum?«, der hochgewachsene Mann wandte sich mit dem Gesicht zu ihm. »Wieso fragt mich das jeder?« Doch der Meister gab frappant zurück: »Ich habe auch eine! Ich frage dich wie eine Krähe die andere!«  
  Herr Imre wärmte lange, peinlich sorgsam den Motor an, was der Meister nicht mehr abwarten konnte, denn er fing regelrecht zu schlottern an. Herr Imre beugte sich noch ein letztes Mal aus dem Auto und rief dem bibbernden Prosaautor ein Artmann-Zitat zu, über den Mond, aktuell, denn von droben lächelte ihnen das große, gelbe Tellergesicht freundlich zu. »Lange Schatten. Lange Schatten.« (Das ist nicht das Zitat, das ist ein Gedanke.)  
 
 
  42 »Er ist gestorben«, sagte der Trainer beim Freitagstraining. Sie standen da. Und ein wenig währenddessen: »Bitte zwei Runden zu laufen!« Während des Laufens winselte er wie die Hunde. Sein Mund geschlossen; hörte sein tonloses Weinen von innen. Er wich den Blicken aus, wie die anderen dem seinen. Sie liefen, schneller als sonst. Er hatte den Mittelverteidiger nicht wirklich gemocht, denn er war kein guter Fachmann; Positionierung, Schussbereitschaft etc. Auch die Tore am Sonntag gingen einzig und allein ... (»Auf sein Konto. Bei der Wirtschaftslage!«) Ihre Beziehung beschränkte sich also auf Witzeleien vor dem Spiel (der Mittelverteidiger hatte einen guten Humor, zumindest war er witzig) und auf Herumgemoser danach. Sie kannten einander nicht. Aber diese Oberflächlichkeit machte das Ganze noch brutaler. Nach den zwei Runden spielten sie Kleinfeld, im Grunde fiel das Training aus, sie spielten langsam den Schrecken aus sich heraus (so wie er regelmäßig die schlechte Laune), auf das vierte Tor, das sie kassierten, folgte bereits eine ziemlich große Auseinandersetzung. Sie verloren gerade so, 6:5. »Aber was ist denn passiert?«, fragte jemand, als sie unter der Dusche standen, weil er das Schweigen nicht mehr aushielt. »Nichts ist passiert!«, rief der Mittelstürmer aus (er wohnte in einem Haus mit dem Mittelverteidiger; sie hatten sogar mal eine gemeinsame Frau). »Nichts!« Er stellte sich unter die Dusche und sein blondes Haar trieb langsam, durchnässt nach vorne. Das Wasser rannte in Streifen an seinem Gesicht herunter. (War ein bisschen angetütert, wie sonst auch, backschwalbte die Ági, wie sonst auch, aß zu Hause ein halbes Kilo Brot auf, knabberte viel Picksalami dazu, wie sonst auch, dann stritt er sich auch noch mit seiner Mutter, schmiss die Tür und rief zurück, er würde für immer weggehen; das lief jede Woche so ab, mit geringen Modifikationen.)------------ Nächsten Sonntag hatte er schon die Strümpfe an, gut kann er sich an den kalten Steinfußboden erinnern und an das Loch im Strumpf, als der Linke Verteidiger mit ernster Miene die Trauerflore hervorholte. »Sie lagen neben den Gummis für die Stutzen! Da lagen sie!!« Zuvor, sich noch mit dem Beinkleid plagend - welche Lochpositionierung die vorteilhafteste sei -, hatte er noch daran gedacht, dass es sich geziemt hätte, Trauerflore zu nähen oder nähen zu lassen, doch sofort - durch eine Zeiteinheit untrennbar - fiel ihm auch ein, dass es so wohl besser sei, »wenigstens bekommen wir keinen Krampf, jedes Mal, wenn wir einander ansehen.« Aber es gab Trauerflore. Die ganze Zeit, während der Linke Verteidiger ihm das Band mit einer Sicherhejznadel am linken Arm befestigte (die Nadel sprang ständig aus dem zusammengekniffenen Stoff heraus, der Linke Verteidiger schob sie mit dem Fingernagel durch), die ganze Zeit über verspürte er eine animalische Angst, die Nadel würde seine Ader durchstoßen.  
  Nach dem Anstoß - es war abgesprochen - schoss der Gegner den Ball hinaus zur Ecke und der Schiedsrichter pfiff. Es waren viele Zuschauer gekommen, meist aus der Ziegelfabrik, sie erzeugten eine aufgeheizte Stimmung; sie verstanden nur langsam, worum’s ging, bis da- hin flogen leider auch unpassende Bemerkungen auf, doch dann wurde es still. »Ich stand am Mittelkreis und konnte gut sehen, wie der in Habacht stehende Schiri ganz langsam sein Handgelenk drehte und hinunterschielte, wie viel noch übrig ist von der Minute. Weil das Rindvieh sie genau stoppte. Ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte. Geradezu kaute der Mittelstürmer des Gegners Kaugummi.« Der Meister blickte auf seine Schuhe hinunter. Bewegte seine Füße darin. (Seitdem ihm Herr György mit grandseigneurhafter Nonchalance bezeichnenderweise zwei Paar Schuhe geschenkt hatte, ein Paar »scharfe« und ein Paar »Übungs-«, war er kaum mehr in der Lage zu entscheiden, welche er konkret anziehen sollte; rutschiges Gras, harter Boden, harter Gegner - die Abarten der Stollen.) In der schwarzen Schlacke glitzerten Glasscherben. Der Wind frischte auf: raschelnd flog die schwarze Schlacke und raschelnd flog das Haar vor den Stirnen der Jungs. Er hörte sein eigenes Schnaufen, als hätte er Nasenpolypen. Hinten, auf der riesigen Müllhalde hinter den Toren, lärmte ein ZIL. »Hier blickte ich zur Eckfahne.« (Zum Zwecke nicht in Tränen auszubrechen.)  
 
 
  43 »Hahohoho, das Dohorilein, unser kleines Mädchen, hallo.« Die Stimme ergoss sich hinter den Sieben Bergen hervor zu ihnen herein und traf ihn, wie immer: wie mit dem Holzhammer. Wieder schob sich Veverkas großes, gepflegtes Gesicht herein. Der Meister saß in Gesellschaft seiner Hefte in seinem herrlichen kleinen Vorhangzimmer, ermattet vom ganzen Tag (nur die Windeln, die zu schmierenden Brote und die Mülleimer boten ihm Erholungspausen), dem ganzen Tag, der jetzt zur Neige zu gehen schien. Jozef Veverka stand bereits ausladend vor ihm in seinem neuen Schafspelz! »Hab ihn mir in Vonyarcvashegy machen lassen.« (»Ehrenwort.« Und?!) Er zwinkerte dem Meister zu, der von so etwas Gänsehaut bekommt: »So ist es billiger.« In ihm erwachte das Teufelchen: »Um wie viel?« - »Ich könnt’s nachrechnen und dann wäre das so viel wie, lange Rede, kurzer Sinn, Péterchen, es hat sich gelohnt. Natürlich das Benzin mit ein- gerechnet.« - »Dann ist’s ja gut.« Und bot den Eheleuten Platz an. »Wir bleiben zwar nicht lang, aber die Mäntel würden wir doch ausziehen. « Alles lachte, ihm wurde väterlich auf den Rücken geklopft und er durfte wie begossen dastehen. »Gitti hat auch gelacht.« (Die Ärmste, sie wurde dort zwischen zwei Feuern aufgerieben, in einer klassischen Konfliktsituation.)  
  Er half also Frau Veverka aus dem Mantel. »Wie fesch Sie heute sind, Teuerste«, raunte er der kleinen Frau müde ins Haar. Eine zerbrechliche Person, Arbeit und Männer hinter sich. »Ach, Péter, Péter, erzähl’ doch keinen Unfug!« (Die Ärmste - auch sie -, wie sie dem Meister listig, erniedrigt - der Veverka! -, erbärmlich, verschmitzt das weiße Laken - ein Halblaken - unter die Kehrseite zu schieben pflegte, damit der Schutzüberzug des neuen Kolonials nicht schmutzig wurde. Einmal erwähnte sie ihren Jozef als gutes Beispiel, der wasche frühmorgens sogar seine Socken eigenhändig, da der Meister sich gerade selbstgefällig darüber grämte, er selbst könne nicht einmal einen Knopf annähen. Oh ja! »Na ja«, sagte er, »wenn meine Füße so schwitzen würden, wie die vom Jozef« - darauf ist er sehr stolz; dass seine Füße nicht schwitzen -, »dann würde auch ich in einen Waschbären übergehen.« - »Aber nicht doch.« Frau Veverka wurde rot. Offensichtlich stimmte die meisterliche Behauptung. »Stimmt es etwa nicht?!« Gleich schoss er über das Ziel hinaus, wie schon so oft, wenn es um Scherze ging, darauf wurde er auch schon hingewiesen, diesmal übernahm konkret Frau Gitti diese undankbare Aufgabe. - »Dabei beklagt sich doch die ganze S.-Straße darüber bei mir. Und wenn wir schon dabei sind, hör auf, mich zu kneifen, Gitti« - denn die gute Seele beabsichtigte, das taktlose dichterische Strömen zu beenden, doch er antwortete, wie ihm einst durch Herrn György geantwortet worden war, wenn er bei ihm, irgendwie in vornehme Gesellschaft geraten, als guter Bruder unter dem Tisch durch Beingrabbeln den ordnungsgemäßen Gebrauch eines Schneidwerkzeugs anmahnte oder ihn zu einer nuancierteren Ausdrucksweise ermunterte etc., und das Ergebnis war: Herrn Györgys rohe Zurückweisung, welche stets gro- ßen Erfolg in Erwachsenenkreisen nach sich zog; der Meister war zeit seines Lebens ein einfacher, ordentlicher Einserschüler, wohlerzogen durch dick und dünn, aber das ward ihm im Grunde nicht entsprechend honoriert —, »und wenn wir schon dabei sind, in der Straße wird auch übel genommen, dass der Jozef seine Socken auf die Straßenbahnstromleitung hängt, die Strecke bekommt davon einen Kurzschluss, eventuell kommen die Leute sogar zu spät zur Arbeit, und wer entschädigt sie dann dafür? Ich glaube, das ist verständlich. Sagen Sie, Mamachen, aber ganz ehrlich, entschädigen Sie sie dafür?!« Man kann sich die Szene vorstellen.)  
  Der Meister, dahingestreut in seinem Trumm von Armsessel, war nicht gerade comme il faut. Jozef Veverka sagte daraufhin schnell hintereinander: »Warum drehst du, Péter, den Pandanus veitschii nicht in die Sonne?«, »Wo ist die Vase für die Blumen?« Der Meister schüttelte mit zusammengebissener Freundlichkeit die Fragen von sich wie der Hund das Wasser, und hernach wuchs die Stille nur und wuchs. (Frau Veverka ging Frau Gitti in der Küche zur Hand, sie hatten, wie gewöhnlich, sagen wir 6 x 10k Eier mitgebracht, 3 kg Rüben, Sellerie, ein wenig Fleischsuppe und in einem Zöger Kartoffeln. »Süßer Schatz«, kommentierte er den kulinarischen Anblick nach dem Ende der Dinge, »wieso hast du nicht gesagt, dass wir von den 100, die sie das letzte Mal... Ach, hol’s der Teufel!« Entschuldigung. Einmal charakterisierte er in einer intimen Situation die Sache wie folgt: »Gitti, irgendwie ist das aber doch eine Mäsallianz!<<) In der Stille moserte Veverka fortgesetzt. Beleidigt moserte er. Der sensible Meister strich sich über die Schläfen, sprang auf und röhrte: »Was wollen Sie von mir, lieber Jozef Veverka?! Ich habe zwei Kinder, ich habe gedient und die Népszabadság hat über mich geschrieben*
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Jegyzet Negatives
. Lecken Sie mich doch bitte am Arsch mit Ihrem Pandanus veitschii!!«  
 
 
  44 Demonstration der Methode.  
 
 
  45 Das war keine einfache Sache, dass die Umkleide, die es nicht gab, dort stand. »Paradoxa, mein Freund, tun Menschen bei Sinn und Verstand nicht gut.« Den Verfall so eins zu eins zu sehen hatte etwas angeknackst, und er spürte, dass die Mannschaft im Begriff war, langsam auseinanderzubersten. Ein Klubhaus, die Ordnung der Umkleiden: das waren äußere Zeichen, die den Eindruck eines Klubs, einer Mannschaft vermittelten. »Aber wissen Sie, Katzenpfötchen, diese Armut verstärkte die Amateurhaftigkeit.« Aus Fußballspielern wurden Bolzer. Der Meister selbst auch ...! Dass er das noch erleben musste! Er zum Beispiel hat sich nie gegiftet, wenn die Umkleide (jene alte) feucht war, und wenn er sich dort auf der wackligen Bank, deren Sitzbretter, wenn sie sich gegeneinanderbewegten, mit Leichtigkeit das Fleisch einzwickten, unaufmerksam nach hinten lehnte, fiel ihm der Putz auf den Kopf, in sein großes, buschiges Haar, und noch 3-4 Tage später fanden sich Mauerreste unter dem ein selbstvergessenes Kratzen vollführenden Fingernagel, und wenn zur Frühlingsschmelze oder durch den Herbstregen oder aus einem anderen triftigen Grund das Grundwasser hochstieg, balancierte er ohne ein Wort der Klage über die auf kippelige Ziegelsteine aufgebockten Bohlen. »Wir sind ein kleiner Verein.« Er stand dazu.  
  Aber dass man sich um einen großen Weidling versammelt Umstände machen muss, plus der Gartenschlauch: und das soll das Duschen sein! Das war zu viel. Dafür konnte sie nicht einmal mehr die Tatsache entschädigen, dass hinter dem Kesselhaus die Handballspielerinnen um einen anderen Weidling herumflatterten! - Natürlich nicht, denn diese Möglichkeit bestand im Falle eines vorhandenen Bades noch viel potenzierter! Eine Umkleidekabine oder ein Bad, in die oder das man nicht hätte hineinspähen können, ist noch nicht auf diese Welt gekommen. Dort oben zum Beispiel, wo das Ofenrohr herauskam! »Ab ins Kino«, sagte ein »Großer« dazumal und stellte sich auf die Bank (dieselbe Bank), lockerte einen Ziegelstein, schob das Rohr beiseite und los ging’s. »Ist erst die Wochenschau!« Doch der Meister ging nie mit ins Kino. Er wäre sehr gerne, aber leider taten ihm die Mädchen leid. »Wissen Sie, mein Freund, wie sie sich so wuschen, da taten sie mir leid.« Und wahr ist auch, dass er damals erst ziemlich spät an die Reihe gekommen wäre. Herr Holubka fragte ihn häufig über die Mädchen aus. »Besonders über eine namens Móni.« - »Wir schicken ihnen ein paar Möhren! Als Geschenk«, versprach er immer wieder. »Und wenn sie verlieren, schicken wir geriebene!« Aber er versprach’s immer nur. Seine schlechten Zähne bewegten sich dabei dunkel und der Speichel stob zwischen ihnen hervor. Der Meister mochte Herrn Holubka, aber nicht, wenn er so war, und verstehen tat er schon gar nichts. So war das damals mit dem Kinogehen. Und was war jetzt, da sich seine Persönlichkeit voll entfaltet hatte? »Lass uns die Mädels ausspannen«, sagte der Junge Manndecker, der in einem Alter war, als man natürlich denken könnte: er wird Fußballer, ein großer. Er war phlegmatisch und trickste ein bisschen viel. »Töröcskei, mein Junge«, sagte er mahnend, »zähl mit. Zähl mit und beim (n-1)sten Dribbler gib ab.« Na, der Effekt war ... »Aber die sind ja noch gar nicht behaart«, der talentierte Nachwuchs machte seinen eigenen Plan madig. Als der Meister daraufhin den Blick hob - das war ehedem auch sein Lieblingsproblemkreis -, wurde er rot. Der Meister wiegte den Kopf, winkte weise und mit leiser Traurigkeit ab; er ging vor, um einen guten Ball herauszusuchen: einen, der relativ rund war - viele unter ihnen haben schnuckelige kleine Beulen; über diese streichelt die Grasmücke mit den Worten: »Der kleine Sancho!« - das heißt mehr oder weniger rund, nicht zu leicht, nicht zu schwer, aber ein wenig weicher, als er sein müsste, denn der Meister mag ihn so.  
  Herr Armand stand am Spielfeldrand, seine kräftige Statur warf einen stumpfen Schatten aufs grüne Gras. Der Meister daddelte mit dem ausgewählten Ball, näherte sich so dem Trainer. Auf dessen behaartem Unterarm funkelte das Licht, ausgenommen am Handgelenk, an dem seine Uhr Platz nahm, an einem dicken, schäbigen, rissigen Armband, wie es auch der Vater des Meisters trug. In der Hand des Trainers das obligate Spiralheft - Spiralheft!, was für gute-schlechte Bekannte des Meisters diese doch sind, wieder eine Nuance, aus deren freudigem Anlass wir unsere Fähigkeiten erwecken, auch er, der Meister, schreibt in Hefte, wie zum Beispiel Herr Tibor Déry, um es mit einem Beispiel zu beleuchten, und oh, er tippt nicht, nein, er spielt auf Bettel in dieser technokratischen Welt, lauscht den ewig schönen Melodien des Zeisigs, der Ammer und der Maulwürfe, während er mit seinem verantwortungsbewussten Skeptizismus über die (sozialistische) Welt nachdenkt -, eine Art Trainingstagebuch, und der Stift in seiner Hand bewegte sich zögerlich, klimperte über die Spiralbindung etc. - auch das kannte er.  
  »Ist nicht gerade viel los«, sagte Esterházy. Der Trainer winkte vehement ab, und der Wind des Winkes reichte, wie es seine Absicht war, auch bis zum Meister, da dessen Bemerkung ein wenig leger war. Für Herrn Armand war alles, was wichtig war: heilig. Sein ansonsten anschaulicher Humor, sein (donau)schwäbischer Schalk, kam nur in nebensächlichen Dingen an die Oberfläche. Z. B.: »Du bist schön wie ein Dudelsack, von weitem und bei Nacht«, sagte er zu einem Spielleiter, um anschließend für ein halbes Jahr gesperrt zu werden. Der Meister hielt es anders mit den Scherzen, wie wir das mit wehem und ängstlichem Herzen von Seite zu Seite konstatieren können.  
  Der Meister probierte am Ball herum. Sein Blick fiel auf seine Turnschuhe, und wie der Ball periodisch verflog (oder die Gravitation, ha, ha, ha), daran konnte er die Abnutzung der Schuhe sehen, besonders links, darunter die Socke, darunter, wenn er ihn auch nicht sehen konnte, er wusste um seinen geschundenen großen Zeh: die Abnutzung drang durch alle Schichten nach unten. Der Ball flog immer höher - die Produktion wurde schwieriger; man sagt, da sieht man, wo überall einer nachschaut, der mit Fleiß vorangeht, man sagt, Herr Titi Göröcs hätte ihn bis zu 30-mal 20-30 Meter hoch geschossen –, ihm blieb Zeit, Herrn Armand anzusehen, ob dieser etwas sagen wollte, doch dieser schrieb nur mit schweigsamer Eigenwilligkeit in das Heft (der Meister brach fast in Tränen aus angesichts der disproportionalen - aber nicht überflüssigen! Hoho! Aber nein! - Bemühung: »Um Gottes willen, was schreibst du da, mein Ärmster!«, und dieser Satz war für Personen so schön verallgemeinerbar), also glitt sein großes, durchdringendes Auge weiter in den Hintergrund, zu den Schutthaufen und den aufgeschichteten Ziegelsteinen. Aus dem abgerissenen Gebäude ragten ziellose Eisen in die Außenwelt, alles war dick mit Staub bedeckt. Auch trockene Schilfstückchen gab es, in Büscheln. »Woher, wozu?« - »Besonders diese speckigen Ziegelsteine!« Die Mörtelreste auf den Steinen deprimierten den Meister so ziemlich. Die Socke rutschte auf den Schuh hinunter. Er mochte es, wenn die Socke - auch im Training - das Schienbein bedeckte, er war kein Anhänger des »Herunterkrempelns «, aber die Socken wurden im Laufe der langen Jahre so kurz, dass der (unumgehbare) Gebrauch des Einmachgummis beschwerlich und schmerzlich gewesen wäre: wir denken dabei an die durch den Gummi verursachten tiefen, rötlichen Gräben. Neben dem Eingang, dem ehemaligen Eingang, lag ein Heer aus Turnschuhen. Die Umbauten hatten einen Einfluss auf den Geräteraum (es gab keinen mehr), diese Ausstellung war ein Ergebnis der Umgestaltung. »Was für gewrungene Schuhe!« Wer schon mal abgetragene Turnschuhe in großen Mengen gesehen hat - durchgewalkt, zertreten, mit im Wind flatterndem Innenleben -, weiß, was für ein jämmerlicher Anblick so etwas ist! Wie ein Sammelgrab.  
  Der Trainer schlug sein Heft zu. Der Stift wäre zwischen zwei leichten, dünnen Seiten fast geborsten. »Ich hab ihnen gesagt, dass das eine fiese Nummer ist.« Herr Armand sprach so, als hätten sie sich bis jetzt unterhalten. Die Sonne schien, der Wind wehte; dank der Kühle der Luft waren die Konturen - die des verkrüppelten Gebäudes, des Berges dahinter, der sich rekelnden Bäume - bedeutend. Der Rauch aus dem Kesselhaus wurde unangenehm niedergedrückt. Das durch den Wind verursachte Säuseln ergab einen Effekt, als würde ein Filmaufnahmegerät surren; als würde auf einen Amateurschmalfilm gerade der Text aufgesprochen; die Synchronisation; es gab also eine kleine »Abweichung«. »Ich hab ihnen gesagt, das ist eine fiese Nummer, und dass man so was nicht machen darf.« Hier ließ der Meister von seinem geliebten Werkzeug, dem Ball, ab: wie eine Träne rollte dieser von seinem Spann. »Wie?« Der Stürmer schüttelte den Kopf. Herr Armand, als er sah, dass er nicht au fait in der Korrespondenz war, lachte heraus. »Was sind die Neuigkeiten? Greifen wir an, oder verteidigen wir?« - »Angriff ist die beste Verteidigung«, sagte er schmollend, da man ihn so zurechtgestutzt hatte (denn so konnte man das auch auffassen: als Zurechtstutzen). Doch dann, plötzlich, wie in ökonomischen Dingen so häufig, ging ihm ein Licht auf: »Ist kein Geld da ?« Selbst die oberflächliche gute Laune Herrn Armands war jetzt dahin, erneut bemächtigte sich die finstere Ehrbarkeit seiner. »Ich weiß nicht, was sich so ein Direktor denkt? Was ist ein Direktor? Und ich bin Werkführer.« Der Meister nickte ein wenig dekadent; was für ein Glück, dass er dies nicht mit einem Klangeffekt begleitete! »Verstehst du, das ist die Gemeinheit, markiert den Kumpel, oder meinetwegen, lass uns Kumpel sein, und heute sagt er, tut ihm leid, ohne Erklärung. Es tut ihm leid.« - »Was? Dass er den Kumpel markiert hat?« - »Schmarrn. Wegen dem Geld. Dass kein Geld da ist. Aber, Kruzitürken, dann soll er doch das beschissene Alte nicht abreißen lassen.« Herrn Armands individuelle Aufgebrachtheit ist durch die Wortwahl gut charakterisiert, die vulgäre Erwähnung des Verdauungsprodukts: ansonsten vermied er hässliche Wörter mit großer Sorgfalt; von Zeit zu Zeit tadelte er sogar den Meister, der im Eifer des Gefechts oder ein manches Mal aus Stilgründen den Einsatz dieser nicht verschmähte. »Lässt es niederreißen und sagt dann, es täte ihm leid.« Der Meister überwand seine Voreingenommenheit und fragte schwer: »Kann Kacsoh kein Geld beschaffen?« Er sprach es aus, die große Seele. »Er wurde abgesetzt. Leider«, sagte Herr Armand. (Ihre Meinung über Kacsoh war ähnlich; in was für einem Hinausgestoßensein sie sich nun wiederfanden.) Der brave Mensch blies heftig die Luft aus und wedelte mit den Händen; Herr Armand war Werkzeugmacher und sehr stolz auf seine beiden Hände: »Zwei feiiiine Stücke«, äffte er liebevoll den Meister nach (es war dessen Gewohnheit, feiner Text, feine Schnecke, feiner Spieler zu sagen - um die Prioritäten rasch Revue passieren zu lassen), »zwei feine Stücke«, sagte er und drehte die beiden stumpfen, massigen Hände, in deren tiefen Falten ur-schwarzer Schmutz und Öl saßen; jetzt wedelte er mit diesen nämlichen beiden Händen.  
  Nach einem Quäntchen des Zögerns - ob er es laut sagen sollte oder nicht - sagte der Meister laut: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.« Herr Armand tat nicht so, als würde er glauben, dass der Meister scherzte (es gibt trennende Momente und welche, die auf eine Übereinstimmung hindeuten!), und winkte ab. Hier sahen sie sich an. »Schön wär’s. Na. Weißt du überhaupt, mit wem ich Tag für Tag kämpfen muss? Dass man die Jungs an Trainingstagen eher gehen lässt, dass man den Sportfonds dafür einsetzt, wofür er da ist, damit es wenigstens Schuhe gibt und jemand die Montur rausbringt, wann und wo man sie braucht, damit man nicht dasteht wie bepinkelt.« Ja: das ist auch so was wie das Baden im Weidling. Die Montur muss draußen sein. Das sollte vielleicht doch nicht die Aufgabe der Spieler sein!!  
  »Mit dem Laci.« Der Meister gab sich ungläubig. »Dem Kohut Laci?« Von den »Kindern« - ja, langsam wurde der Meister zum Majoresko! - hatte er schon gehört, dass es »ein Problem« mit dem Laci Kohut gab. Dass er ein »Eiterbatzen und ein Aas« (Pardon) sei, wie es der stille Linksverteidiger formuliert hatte; aber dieser ist befangen oder eben sachlich, denn Herr Kohut hatte was mit der Frau des Linksverteidigers angefangen. »Dabei war das Material schon im 3. Monat.« Das Mädel mit dem farblosen Haar aus dem ABC-Laden. »Was ist, mein Junge, war das Aufbautraining doch nicht ganz umsonst ?«, spottete der Meister, als er von der Hochzeit hörte. Die kleine Frühgeburt mit ihren 4 Kilos! Doch dann wurde er traurig. Einmal fragte er sogar — auf ziemlich ungehobelte Weise — unter der Dusche: »Sag mal, Kumpel, hättest du sie auch so geheiratet?« Denn das ist die verdammte Frage, die immer im Raum steht. Der Junge drehte den Wasserhahn zu. Nur noch sie beide duschten. Der Meister kann nur schwer unter einem wunderbaren, schmerzlich-heißen Wasserstrahl hervorkommen. Es wurde still. »Außerhalb des Platzes ein kluger Junge, mein Freund. Ansonsten ein präziser, harter Verteidiger.« Er schaute auf die Stirn des Meisters (also nicht in die Augen ...) und sagte klug: »Die Frage hat sich so nicht gestellt.« - Und lachte meckernd auf, was der Meister ihm wiederum herzlich gern erlassen hätte. Die Version ging so, dass die Gattin des Linksverteidigers, das frischgebackene Frauchen, Herrn Kohut gerade noch so zurückgewiesen hatte.  
  Der Meister hatte noch mit Herrn Kohut gespielt. »Er konnte gut ranklotzen.« Die Herren Armand und Kohut waren wie Gog und Magog (um auch diesem Kulturkreis zu schmeicheln) oder wie Honignüsse etc. Sie spielten von der Jugend an zusammen, waren das Deckungspaar - »der Lacika und der Armand!« -, ihr großer, lokaler Ruhm flog nur so von einem Vorstadtplatz zum nächsten. »Sie nahmen den Platz huckepack, wie der Gyuszi Rakosi.« - »Wir sind noch füreinander gestorben auf dem Platz«, das durften sie sich häufig anhören. Und dem Meister dämmerte auch so etwas; wie ihn einmal auf dem Zwirn-Platz der damals noch aktive Spieler Herr Kohut fast außer sich anschrie: »Junge, stirb hier oder geh brausen.« - »So sagte er es: brausen.« Er begleitete das Heraufbeschwören mit einem säuerlichen Lächeln, wie jemand, der seine eigenen Grenzen erkannt hat. »Deswegen nur erinnere ich mich daran.«  
  »Genosse Kohut ist ein guter Genosse«, sagte der Trainer knapp. »Abteilungsleiter und treibt quer, wo er nur kann.« - »Aber wieso«, fragte er kindlicher Art. Der Trainer zuckte verbittert die Achseln. »So ist es einfacher. Nichts machen scheint immer einfacher zu sein. Und weil alles, was er gegen mich oder eben gegen euch macht, Geld bedeutet, das nicht ausgezahlt werden muss, ist er bei denen auch noch beliebt.« - »Aber wie viel Geld ist das schon? Nichts.« - »Das habe ich auch gesagt. Kleinvieh macht auch Mist, hat er darauf gesagt. Da hab ich die Tür hinter mir zugeschmissen, dass sich die kleine Sekretärin da, aber sicher ... an ihrer Wurst- oder was Semmel verschluckt hat, als ich auf der Treppe wieder herumgekommen bin, hab ich sie immer noch hüsteln gehört, und wie sie immer sagt: Naha so wahas, Genosse Kohut, naha so wahas ...«  
  Der Meister hub wieder an, den Ball hochzuhalten, fein und leise, um nicht zu stören. »Lehrgänge, da ist er groß drin.« Der Meister lauschte dem Rauschen des Windes, welches sich einfügte in jene unvergleichliche, geometrische Ästhetik (Torpfosten, rechter Winkel, Fahnenflattern, der Wellengang des Netzes, Grüntöne etc.), zu der ihm jeder Sportplatz verhalf. »Ach so. Du hast den Kohut in wärmere Gefilde geschickt. Vorhin hab ich’s so verstanden, es wäre der Direktor gewesen.« - »Davon verstehst du nichts. Man sieht’s, dass du dein Leben lang nur gelernt hast.« Unter uns gesagt, respektierte er den Meister dafür, das war hier zum Teil eine Redensart, teils der Ausdruck einer tatsächlichen Kritik statt einer differenzierteren Analyse seitens des Herrn Armand. »Mir wurde eine Bearbeitung in mehreren Stufen zuteil. Zuerst hat mich, nicht wahr, der Genosse Kohut zu sich bestellt. « - »Mach keine Witze. Dich lässt er auch bestellen?« - »Er hat angerufen, von wegen, komm doch mal kurz hoch, Alter.« Der Meister nickte beruhigt. »Worüber freust du dich so? Was ist dadurch anders? So hab ich ihm die Tür duzend geschmissen! Höflich sein, das ist am leichtesten. Alter Freund hier, alter Freund da.« Darin stimmten sie überein. »Gut. Und danach ließ dich also der Direktor rufen, mit dem du seit frühester Kindheit...« - »Nein. Ich bin gleich brühwarm zu ihm hoch ...« - »Haben sie dich vorgelassen?«, fragte er in bewanderter Weise. »Die Mumme, die alte Sekretärin, wollte anfangen herumzufiepen, aber die Polstertür war offen und ich hab gesehen, dass er drin saß und dass keiner bei ihm war.«  
  »Und ihr habt die alten Zeiten wieder ...«, sagte er trivial und verstummte ähnlicherweise. Herr Armand schwang stolz seinen großen Kopf. »Ah-ah. Da hieß es diesmal Genosse von hinten und von vorn und Siezen und alles ...« - »Und?« - »Ich hab zu ihm gesagt, Moment mal. Ich bin nicht hierhergekommen, um mir was über Engpässe anzuhören und Bemessungsgrundlage hier und Jahresbudget da. Ich will nur sagen, dass das eine fiese Nummer ist und Punktum.«  
  »Das glaube ich nicht«, sagte der Meister, denn das war es, was er dachte. Der Ball blieb stehen. Herr Armand lachte heraus. Es war kein sehr spontanes Lachen, aber es war angebracht - beides war ihm anzusehen. »Ich bin ganz ruhig. Ich trau mich alles zu sagen. Die können’s drehen, wie sie’s wollen, ich bin der Malocher.« - »Hm, hm«, sagte er. »Verstehst du. Malochen muss man immer.« - »Einen Direktor muss es auch immer geben«, sagte er leise, es war ihm eben eingefallen. »Natürlich«, Herr Armand lachte und es wurde klar, dass der Werkzeugmacher diesen Einwand schon erwartet hatte, und der Meister war lediglich in diese Erwartung hineinspaziert. »Natürlich muss es immer einen Direktor geben. Nur nicht immer denselben.« - »Dich können sie auch feuern.« Herr Armand amüsierte sich die ganze Zeit. »Klar. Aber ich bleibe trotzdem, wer ich bin. Ein Werkzeugmacher.«  
  Der Meister senkte die Lider. (»Wenn wir nichts zu verlieren haben, das ist ein sittlicher Zustand«, er rieb sich ein anderes Mal die Lippen.) Der zu kurze Strumpf war zusammengerollt auf seinen Schuh gerutscht. Plötzlich, er wusste selbst nicht, wieso, bückte er sich, als würde er sich die Schuhbänder binden wollen, und strich über sein knorriges Schienbein. Herr Armand, der sich über den zusammengekauerten Meister erhob, hätte man wie eine riesige Eiche oder sogar eine lebende Statue fotografieren können - man hätte nur auf die Sonne achten müssen, die hinter ihm vorbeizog, aber das ist, nehme ich an, eine einfache technische Angelegenheit.  
 
 
  46 - ! (Man darf es noch einmal lesen: [Imre] hat plötzlich das Gefühl, alles hier zu lieben, sich über alles zu freuen: über [Jankas] Nähe, die Gräser, den Platz, die verblassten Zebrastreifen, die versifften Toiletteneingänge, die blassen Feuerwehrautos, den Sieg der Osmanen bei Mohacs, die Kapitulation bei Kápolna, die einsamen Telefonzellen, die Grimmigkeit der Passanten und die weißen Schäfchenwolken am Horizont.) (Siehe auch Fußnote Nr. 54, S. 472)  
 
 
  47 Lieber Péter!  
  Gestern habe ich Ihren Brief mit den Fotos erhalten. Das Grinsebäckchen Dóra ist zum Anbeißen, der kleine Marcell wunderschön. In meinem Traum war er nicht so schön. - Leider ist schon wieder eine große Husche im Anzug, ein leichter Wind weht dazu. Die Kellner sind sehr nett, obwohl es mir so scheint, als würden sie an der Zitrone sparen. Sie denken, ich bin schon so alt. Heute Mittag erkundigte ich mich nach den Zitronen. Listig fragte ich es so, als hätte ich gute Absichten. Der Kellnerjunge wurde nicht rot, dabei war ich mir sicher.  
  Ich kann auf der Terrasse liegen, ein Kirschbaum. Diese Paar Zeilen schreibe ich bei Orgelmusik, deswegen ist meine Schrift so schlecht. Niki ist hier gewesen!, war hier! Selbstverständlich redeten wir Ungarisch. Er arbeitet in Sidney mit 11 Gehilfen, und alle sind Ungarn.  
  Das Nachtschwester-Zimmer war mir von Anfang an nicht sympathisch. Der Maschinenraum ist nebenan. Ich weiß nicht, ob ich mich damit abfinden soll. Wissen Sie, Péter, ich bin schon auf dem Weg hinaus aus allem, und ich weiß nicht, ob ich noch das Recht auf Veränderungen habe. Doch lieber zu meinem Traum:  
  Ich hielt fest, dass es ja doch eine Unmöglichkeit sei, was ich da tat. Nicht zu ihnen hinunterzugehen, obwohl sie hier wohnen. Ich ging hinunter. Ich klingelte. Die Stimme Ihrer Gitti von weitem: Ich komme schon! Ich habe Sie schon erwartet! Im Park neben dem Eingang lagen kaum bekleidete Frauen im Gras. Pfui, wie hässlich ihr seid!, sagte ich in Ruhe auf Ungarisch. Zu meiner Verblüffung gab mir die eine Widerworte ... auf Ungarisch. Da ging das Tor auf. Péter liegt drin, sagt Gitti und gibt mir das Kind. Ich wusste nicht, dass das kleine Kind Marcell war. Ich stellte es nur anhand seiner Augen fest. Es waren Ihre Augen. Wir gingen hinein. Ich setzte den Kleinen auf Ihrer Brust ab und küsste Sie auf die Stirn. Sie wollten mich begrüßen, aber Sie konnten sich nicht aufsetzen wegen dem Kind auf Ihrer Brust. Sie murmelten etwas, was Ihnen oder Ihrem Stil sehr ähnlich war. Ich habe es nicht gut verstanden, aber ich reimte mir aus dem Gemurmel etwas wie: Zum Teufel aber auch!, zusammen. Das bedeutete von Ihrer Seite eine Rüge gegen sich selbst. Die nackten Frauen klopften ans Fenster. Sie wummerten dagegen und schüttelten Nüsse in ihren Fäusten! Daraufhin kam Gitti herein und nahm das kleine Kind mit. Ich wachte auf... Das Erlebnis war fast greifbar.  
  Zum Advent werde ich schon wieder zu Hause sein. Ich bemühe mich, die Bücher zu bekommen. Ich danke Gitti für ihre Opferbereitschaft.  
  Es umarmt Sie Ihre greise Jolánka  
 
 
  48 Lieber Péter!  
  Endlich bin ich wieder zu Hause, gehe in der Wohnung auf und ab. Ohne Stock!!! Aber ich bin noch schwach. Der Appetit ist gut. Ich lese Kishon-Erzählungen, wenn ich nicht gerade einschlafe.  
  Es umarmt Sie herzlich:  
  Jolánka  
  PS: Mein Teurer, passen Sie auf sich auf. Sie sind so ein »Tollpatsch«. Aber das ist gut. Das müssen Sie begreifen und sich bewahren. Natürlich wissen Sie besser, »womit man das Volk hinterm Ofen hervorlockt «. Sehen Sie, ich lerne von Ihnen. Sie haben einen furchtbaren Stil.  
  J.  
 
 
  49 Tante Jolan am Sonntag verstorben. Michael  
 
 
  50 Des Meisters Tage sind repräsentativ; das ist schmeichelhaft für ihn, diese Mischung aus Erhabenem und Trivialem, aus ewigen Dingen und Vergänglichkeiten. Denn was war noch mal an jenem trüben, klammen Nachmittag geschehen? Er wollte gerade zum Begräbnis des Mittelverteidigers aufbrechen, an dem die Mannschaft gemeinschaft- lieh teilnehmen sollte, als Herr Kisteleki, ein Mittelfeldspieler, der schon bessere Tage gesehen hatte*
n
Jegyzet Seitdem sieht er wieder bessere Tage.
, an ihn herantrat und den Meister bat, ihn irgendwie in seine Notizen aufzunehmen (in meine Notizen! - E.), das würde ihm jetzt, noch vor der Winterpause (denn die Mannschaften werden sich in die Winterpause begeben), in Sachen Publizität sehr guttun, nachdem er letztens den Platz mit Carbamid-Kunstdünger bestreut hatte, worauf wegen der Lücken in der Abdeckung hässliche, große Narben diesseits, jenseits und auf der Strafraumgrenze entstanden sind, was ihm - obwohl Herr Kisteleki gut im Umgang mit dem Ball ist - angekreidet wurde, mehr noch, wenn er auf den Platz kommt, fliegen ihm schon die höhnischen Bemerkungen der LPG-Mitglieder entgegen. Der Meister erglänzte ob des Wirkungsgrades von Literatur. (»Also wissen Sie, gnädige Frau«, sagte einmal Máriácska, die dabei hilft, das elterliche Haus ein wenig in Ordnung zu halten, nachdem die Mutter ihr, um ihren Stolz zu kanalisieren, ein kleines Meisterstück des Meisters zu lesen gegeben hatte, »wissen Sie, Frau Gräfin, ich finde keine Worte. Was zu viel ist, ist zu viel. Ich bin nun wirklich keine unbelesene Person« - das ist sie tatsächlich nicht -, »aber das hier hat weder Hand noch Fuß. Wie sich die Welt doch gewandelt hat! Dass man so was heutzutage Kunst nennt! Nehmen Sie’s mir nicht übel,gnä Frau, aber ich bin so wütend geworden.« Der Meister lernte, wie es seine Gewohnheit ist, nicht besonders aus dem Fall, aber als Mensch gab es ihm natürlich zu denken. - Übrigens ist das sein Trick. - »Was kann die Máriácska dazu veranlasst haben, so freiheraus zu werden? Wieso mäkelt sie nicht um den heißen Brei herum? Unbegreiflich.« Die Frau ist sonst nämlich ziemlich duckmäuserisch. Sie ist noch vor 45 gebrochen worden in der Knechtschaft; so was gibt’s; und es gibt andere. »Wieso ist sie so geradeheraus wie der Kalinin-Prospekt?!«)  
  Bei einer späteren Gelegenheit erzählte der Meister Herrn Csaba ein wenig aufschneiderisch, dass er, da Herr Kisteleki ihn - basierend auf seinen Vasas-Verbindungen - zum letzten Zweierspiel ins Sta- dion hineingeschleust hatte, diesen in seinen Roman eingebaut habe. Herr Csaba, ein Prosaautor aus Decs, der seine Kindheit im örtlichen (Decser) Fotografenatelier zwischen den Fotografien fremder Gesichter verbracht hatte, zwischen Porträts, die den von außen sichtbaren Menschen zeigten, gab seinen Bedenken Ausdruck. »Es gibt so viele Spiele. Nimmst du jetzt jeden Kartenschieber mit auf?« Der Meister grinste verwundert. »Aber es gibt doch so viele Romane! - Es wird so viele geben. - Und aber die entstehen doch genau so.« (Die Zeichen mehren sich:)  
  Er ging auf die Beerdigung. Sein abgewetzter Trenchcoat stach etwas hervor. Es waren viele da. Die schlammverschmierten Blätter pressten sich aufeinander. Die Blechbläser schüttelten zwischen zwei Darbietungen den Speichel aus ihrem Instrument. Die Betriebsleitung stand abseits in einem Halbkreis, zufällig. Herr Kohut grüßte den Meister herzlich, als wär’s in einem Park. Er grüßte zurück. Das Vaterunser wurde von den Frauen gebetet und vom Meister. »Das ist eine komplizierte Sache, mon ami.« Als sich die Prozession in Gang setzte, fing es zu regnen an. Er senkte den Kopf, trotz des aufgestellten Kragens erreichte die Feuchte seinen ungeschützt-warmen Nacken. Der Meister achtete nur noch darauf, in keine Pfütze zu treten. Selbstredend trat er ständig darein. »Wochenlang blieb der Schlamm an meinen Schuhen haften.« Um das Grab herum überall frischer Lehm.------  
  : als dann bei dem gewissenhaften Arbeiten sich die Zeiten hinzogen - die Sache eskalierte etwas, und langsam aber sicher bekam jedes Ereignis seinen Platz im Spiralheft, konkret passierte Folgendes, der Meister geriet in eine Auseinandersetzung mit einem A.er Bürger namens János Apró (für den Namen stehe ich nicht gerade), seines Zeichens Villenbesitzer, von dem er für gutes Geld über den Gästezimmerservice der IBUSZ-Agentur die Villa gemietet hatte, denn er wollte, dass Gittilein - wenn ich mich dieses Ausdrucks »Gittilein« bedienen darf - ein wenig Erholung zuteilwird, denn unter uns gesagt, die Behauptung: der Meister ist ein Mustergatte, besagt nichts, denn das Gros der Arbeit teilte sich allein die Frau, und der Roman führte dazu, dass die Zahl der vom Meister ausgeführten Abwäsche geradezu beschämend gering war*
n
Jegyzet o; in vierteljährlicher Aufschlüsselung: o; o; o; o. »M e in Freund, also das ist doch etwas übertrieben.«
, es kam also zu einer Auseinandersetzung, denn der Villenbesitzer, übrigens augenscheinlich ein Mensch, der das Befehlen gewohnt war, ging davon aus, der Meister und seine Gattin würden bereits Sonntag abreisen, aber er hatte extra so gebucht, dass sie nicht abends mit den vielen Sonntagsfahrern zurückfahren mussten, sondern »locker und entspannt« erst am Montag, er zeigte also den Zimmeranweisungsschein mit der Seriennummer 205 189, technisches Zeichen: 211, vor, aus dem die Situation mit 1oo%iger Klarheit abzulesen war, was den Villenbesitzer aber zum großen Erstaunen des Meisters nicht überzeugte, der warf nur einen flüchtigen Blick darauf und sprach beim zweiten Wortwechsel bereits auf eine für den Meister sehr empfindliche und zusetzende Weise so, wie der Feldwebel mit seinem Untergebenen (wobei der Meister der Untergebene sein sollte), und der Meister ertappte sich dabei, dass er »beispiellos kindisch« zurückgiftete (»man konnte es nicht umgehen, alle glauben sie, die Welt gehöre ihnen!«) und nah dran war zu sagen: »Fichte, pass bloß auf, ich sag’ meinen Brüdern Bescheid!«, aber dann, als der Besitzer Verwünschungen ausstoßend davonging und dem Meister versicherte, er würde ihn Montag in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett klingeln, sprach er ihm mit folgenden Worten zu, in Ordnung, aber dann würde er sich mit kaltem Essen für zwei Tage in der Wohnung einschließen und fertig, und da der Patron daraufhin nur hämisch lachte, sagte er: »Und noch was, Chef. Achten Sie mal auf die sogenannten Literaturzeitschriften. Denn dass ich Sie in irgendwas reinschreiben werde, dass es nur so kracht, das ist so fix wie das Amen in der Kirche«, was die gebührende Wirkung erzielte, denn zwar wurde nichts davon verstanden (die Popularität des Meisters hat noch nicht alle Barrieren durchbrochen), aber der gezeigte belämmerte Gesichtsausdruck war genau das, was der Große Geist »an diesem geistigen Tiefpunkt« brauchte,  
  sagte er, während er ergeben sein Spiralheft ausbreitete und sich von der flüchtigen und sich im Abschluss befindlichen Situation abwandte: »Gittis, das kann so nicht weitergehen. Das ist linear (?) nicht auszuhalten. Von jetzt an werde ich nur noch schreiben und Fußball spielen, bis ich fertig bin. Ich mach Schluss mit dem, was da ist.« Und das tat er auch. (Dem kann man nachforschen. Natürlich lebt er, während der Leser dies liest, bereits wieder sein totales Leben - wenn es auch ein anderes ist als jenes »vorher«.)  
 
 
  51 (vom Verräter zur erhaltenden Kraft - Verzeihung, Verzeihung) Da er sah, dass sich die Verhältnisse gefährlich und vor allem über die Maßen verschlechterten - die Auflösung der Jugendmannschaft wegen Ausrüstungsmangel, die Streichung der Zwei aus der Reservemeisterschaft, der Rückgang der Besucherzahlen bei den im sonnendurchwobenen Schatten der niedergerissenen Umkleide stattfindenden Trainingsstunden, die hoffnungslosen Streitereien der Herren Öschen und Armand -, reiften im Inneren des Meisters bewusste positive Verpflichtungen heran. Und er, der den Sommer im Zeichen des Verrats - bitte um Vergebung - hatte vergehen lassen, oder zumindest in dem der Treulosigkeit, und wie wir wissen: es lag nicht an ihm!, er nun zähneknirschend ...! Wie ein Band umschlang er die laufenden Ereignisse und die laufenden Ereignislosigkeiten; die Mannschaft, den Platz. Dabei dürfen wir an nichts Spektakuläres denken, kein strahlendes Wunder, welches »zu den Klängen der Internationale« von oben herabschwebt, sondern an die kleinen Begeisterungen des Alltags; an die Arbeit, welche kein Jungmädchentraum. Der Meister hielt es so, dass diese Begeisterung keinem zur Hülfe war außer ihm, dem Meister, selbst, er zog seine Kraft daraus - »das Volk ist immer gleich stark«. Tja, nun, etwas vereinfacht, das heißt von der komplizierten Praxis her betrachtet, hätte der Mannschaft nur noch eine Sache helfen können: Ziegelsteine. (Ziegelsteine!, aber ja.) Denn wenn erst die kühleren Zeiten kommen würden, und sie würden kommen, war der Weidling nicht mehr haltbar ... Das Gastgeberrecht haben sie für die der ersten 5 Heimspiele getauscht. Beziehungsweise ein Klub, der Mahart, machte nicht mit. Oder die Brüderlichkeit. Woraufhin man sich in der nahe gelegenen Schule umziehen musste; und über den Zaun klettern! Man kann es sich vorstellen! Eine Mannschaft! Auf den Zäunen! Wie gemeine Pfirsichdiebe! Und das Klacken der Schuhe auf dem Asphalt! Letzteres bezeichnete der Meister als: Widerlich. Jedes Mal, wenn ihm diese Szene einfiel, in der Hauptsache das Klacken, drängte sich ihm dieses Wort auf die Lippen. Bedeutung (deutsch): zuwider, ekelerregend, abstoßend. Aus Rache hatte es Herr Öschen so arrangiert, dass für die Maharter kein warmes Wasser übrig blieb. Dabei stand es ihnen zu, ohne das kann man kein Match spielen, aber da war es schon gespielt. Die haben vielleicht geflucht! »So was kommt vor, Kumpel«, und sie plinselten durch die Tür der provisorischen Umkleide, während ihr Rücken schelmischer Weise noch vom warmen Wasser dampfte.  
  Nun, auf einmal, an einem trockenen Herbsttag, erschien Herr Öschen griesgrämig mit einer Wagenladung Ziegelsteine. Onkel Farkas saß auf dem Bock und beruhigte die Pferde. »Hooh, na, hooh!« Herr Öschen eilte schmollend in den Geräteraum. Onkel Farkas schnippte mit dem Finger. »Jungchen. Man müsst abladen.« Herr Armand überschritt die persönlichen Grenzen - indem er auf die Frage, »wer hat die Steine gebracht«, pfiff - und schwang sich sogleich zum Herrn der Lage auf. Er formte eine Schützenkette aus den Jungs (auch aus den Verteidigern, ha, ha, ha), und schon flogen die Ziegel wie gedrungene Vögel an ihren Platz. Aus der Schlagfertigkeit der Anordnung konnte man schließen, dass Herr Armand sich schon viele Gedanken über das Was-wohin gemacht hatte. Obwohl, dass Herr Öschen den Wagen dorthin geführt hatte, wohin er ihn geführt hatte, zeigte wiederum dessen Vorausdenken. Wie tragisch doch diese Übereinstimmung war! Dabei mag sein, dass sie selbst als Ergebnis doch der Grund waren: sie, bezüglich des Auseinanderfallens der Dinge; weil sie so entschlossen gegeneinander gifteten, dass das dahin geführt hatte! Weil der eine aufgeben muss! Herr Armand stand auf der theoretischen Ebene, seine Chancen waren so ...! Und eine Mannschaft ohne Trainer?! Natürlich würde sich früher oder später ein anderer finden! Aber wer ersetzt diese manische Liebe zum Sport, welche in Herrn Armand, diesem Herzensmenschen, wohnt, dessen Ausstrahlung so wichtig war...  
  Der Meister stand in seinen neuen Schuhen in der Reihe, ein Geschenk von Herrn György; gerade heute wollte er die Fußbekleidung einlaufen. Die Schuhe funkelten blitzeblank, das hemmte ihn. Puma Pele King. » Zu schade für dich.« - »Zu schade«, er nickte zwischen zwei Ziegelsteinen. Er tat die Arbeit mit großer Hingabe, nicht dass noch die Katze aus dem Sack hüpft, dass er keine Ahnung von derselben hatte. (Neulich hatte er Herrn Icsi geholfen, dort hatte er dieses Erlebnis: dass er noch nie im Leben gearbeitet hatte! Was sich dann auch deutlich zeigte. Dabei handelte es sich um eine einfache Trägerarbeit. Bis zu Herrn Icsis Wohnung. Einmal musste z. B. Schutt abtransportiert werden, ca. 10 m3. Und das war sehr interessant und herzergreifend, wie an jenem Abend die Jungs einer nach dem anderen auftauchten, von hier und von da, auch ehemalige Klassenkameraden, jemand aus der Mannschaft, ein anderer von irgendeiner Bolz [ein Gegner] etc., und schleppten, einander ablösend, den vielen Schutt. Das war schön.)  
  Aber dann, in den Ziegel-Pausen, beäugte er so schmerzlich und verzweifelt seine vom Ziegelstaub rosaroten und ganz allmählich ausfasernden Handflächen, dass es früher oder später ins Auge fiel (die Katze kam aus dem Sack). »Du«, sagte jemand freundlich, »du, zeig mal, wie groß ist deine Hand?« Der Meister zeigte sie hin, aber jener Stolz, mit dem er sie für die Frauen drehte und wendete, anlässlich jener Wetten, war nun ordentlich verflogen. Der, der gefragt hatte, schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist deine richtige Hand?« Und betastete vorsichtig, wie ein Wunder, das abgeschürfte, staubige, ge- quälte Händchen des Meisters. Die Ordnung hatte sich aufgelöst, die Schützenkette war zerrissen. »Tuttelt mal nicht so viel«, sagte der kleine Rechtsaußen gereizt. Er hätte nicht gedacht, dass es statt des Trainings hinterrücks so was geben würde; dabei mochte er nicht einmal das Training mehr. Eine analoge Antwort wäre schon parat gewesen, vielleicht von Seiten Herrn Öschens, und dann hätte auch Herr Armand nicht länger geschwiegen - sie arbeiteten an zwei Enden der Kette, Herr Öschen hatte sich nämlich kaum merklich aus dem Geräteraum gestohlen und stellte sich an den Wagen, um herunterzureichen, Onkel Farkas stand da, paffte an seiner schwarz gewordenen Pfeife und sprach mit seinem Pferd, wie es heute die wenigsten mehr tun - es hätte sich also ein Donnerwetter ergeben, unter dessen Ägide sie sowieso die ganze Zeit zu Gange waren, als Herr Icsi die eh schon ziemlich aufgelöste Reihe noch weiter auflöste, indem er vorsprang, sich vor den Meister hinkniete (lange noch war auf seinem Knie der erstaunliche Abdruck des höckerigen Bodens zu sehen; »pockig«; sogar beim Umziehen sah er noch ein kleines Kieselstückchen, das sich in die Haut gepresst hatte), die im Mittelpunkt stehende Hand, die Hand des Meisters, über sich ergriff und seufzte also: »Und sag, Kumpel, führst du damit... damit die Feder  
  »Marsch ab«, rief der Meister parodistisch bei dieser improvisierten Dichterbegegnung, entriss seine Hand den Händen und machte sie somit frei für die Steine. Was für eine feine Symbolhaftigkeit war das von seiner Seite, plus die Arbeit, die auch wieder in Schwung kam ... Und die federführende Hand - denn ich muss nicht extra erwähnen, dass sie das war; Herr Icsi hatte es richtig erahnt - faserte und faserte nur weiter aus (im Dienste) ...  
  Die Ziegelsteine nahmen allmählich ab - die Hälfte musste neu aufgeschichtet werden, weil sie sie an der falschen Stelle abgeladen hatten, umsonst das doppelte Denken! - und langsam legte sich graues Zwielicht auf das Ensemble. Der Flug der Steine flaute ab, die Zungen lockerten sich, wie abends in der Spinnstube ...  
  »Gestern waren wir mit diesem Fichte Józsi beim Feri.« - »Wer hat den Schlüssel? Der Fähri«, warf er ein und errang damit einen beispiellosen Erfolg, als gutes Beispiel dafür, dass eine Gemeinschaft auch eine solche Wortkargheit erträgt (Sommeraufbautraining, KISZ-Lager mit Mädchen, Holzhäuser, Holzhäuser mit Schlüsseln, Schlüsseln, Schlüsseln; und den Schlüssel hat der Fähri). »Wir gehen rein. Kommt der Feri, ist ein großes Tier da, Schlips ...« - »Brillantine.« - »Der Feri ist ein richtiger Herr.« - »Kommt an, was steht an, Jungens. Woraufhin der Fichte Józsi mittenmang der ganzen Figuren sagt,fichteeyferimeinlieber (Verzeihung), ich bräucht’ne gute italienische Bux, die eng ist, Fichte, aber mir nicht die Eier abquetscht. Das so, Wort für Wort, über die Köpfe der Kundschaft hinweg.« - »Der gute Ferenc wird sich gefreut haben.« - »Er hatte die Hosen voll. Bei jedem Fichte guckte er sich erschrocken um und sagte: Ichbittdich.« - »Um wie mit Löschpapier die vorangegangenen bösen Worte quasi verschwinden zu lassen«, dachte er verständnisvoll. »Und dann, ichbittdich, hat er uns ganz schnell, ichbittdich, in diese Mantelgassen hineingetrieben. « - »Und gab es eine Bux?« - »Klar, hat eine unterm Ladentisch organisiert und uns schnell rausgeschoben. Und draußen auf der Straße hat er uns ordentlich runtergefichtet.« Man kann es sich vorstellen. »Er hat bloß gezeigt, dass er es auch kann.« - »Das kannst du laut sagen.«  
  Der eine oder andere Stein machte sich auf den Weg, wurde angehalten, früher oder später kam er aber am Ziel an, in den kompetenten Händen des Herrn Armand. »Stellt euch vor, der Sneci. Hat von irgendwo her das Geweih vom Direktor gemopst, wisst ihr, was der geschossen hat, hat sich’s an den Kopf gehalten und ist damit über den Fabrikhof gerannt und hat rumgebrüllt, selbst den hat man für den alten Fichte angebunden, selbst den hat man für den alten Fichte angebunden! Und wir, Fichte, haben uns schön in einer Reihe vor der Werkstatt aufgestellt und haben gejohlt. Und von oben haben sich die Miezen aus den Bürofenstern gelehnt, und wir haben raufgeschrien, aber sie haben die Fenster schnell wieder zugemacht. War eine gute Hetz.« - »Und was ist? Hat man den Sneci gegrillt?« - »Hat einen Verweis bekommen.« Der Halblinks verstummte geheimnisvoll. Sie drängten ihn pflichtgemäß. »Er bekam einen Verweis, weil er oft zu spät kommt.« - »Schweinerei.« - »Er kommt wirklich zu spät«, der Halblinks lachte. »Hoppala.«  
  Der Rechtsverteidiger erzählte, erst leise, dann im (direkten) Verhältnis zur wachsenden Aufmerksamkeit immer lauter, jedoch mit konstanter Schadenfreude, wie sie - an einem großen Fest der Arbeiterbewegung - mit Wasser gefüllte »Luftballons« auf der Kranschiene aufgehängt hatten, und wenn eine gute oder schlechte oder mittelmäßige Frau dort vorbeikam, paff, mit dem Katapult, in den Nacken! »Aber einmal, gottistmeinzeuge aus Versehen, kam ausgerechnet der Laci Kohut...« - »Irren ist menschlich«, gaben sie ihrem Bedauern Ausdruck. Und ein anderes Mal kam es vor, dass, weil der Herr Kohut gerne vor Schichtende unerwartet in der Dusche auftaucht und wenn die Jungs dann gerne schon duschen, also es kam mal vor, dass sie warteten, bis Herr Kohut nach hinten gegangen war, und dann drehten sich die Rücken auf einmal nach außen, damit das herunterprasselnde heiße Wasser in die entsprechende Richtung abprallte, und Herr Kohut wurde nass gepladdert mit seinem Schlips, und nicht einmal flüchten war leicht, weil einige in der Mitte tüchtig geseift hatten. »Leider, leider.« - »Die Frauen in der Werkstatt sind aber auch ihr Geld wert.« - »Du meinst, sie verlangen Geld dafür?« - »Blödsinn. Als ich als Lehrling hinkam, stand ich nur da, mit offenem Mund, das sind aber viele Muttis ... Quasi eine neben der anderen. Als ich das erste Mal reinkam, verschwamm’s mir vor den Augen; sie saßen in zwei Reihen, und dann, wie wir den Mädels hinterher, haben sie mir auf zwei Fingern gleich zugepfiffen. Ich ging los, mich beim Werkführer melden, und der war am anderen Ende des Saals ... Die gucken mich alle an, ich geh an ihnen vorbei, und dann stellt eine ein Bein raus ...« - »Elfmeter! Wenn es einen Gott gibt, gibt er ihn ...« - »Er hat ihn gegeben. Aber als hätten sie sich abgesprochen, denn wie ich nach vorne falle, dreht sich die nächste mitsamt Stuhl raus, die Moni, ein riesiges Ding von einem Weib, und ich ihr mit dem Gesicht in den Schoß.« - »Eins zu null.« - »Und die streichelt mir über den Kopf, ist gut, hier bist du richtig. Und alle lachen. Aber sie haben mich nicht ausgelacht. Ich bekam kaum Luft. Beziehungsweise, die Luft, die ich bekam, war schon einmal zwischen den Schenkeln der Frau durch. War ganz schön heiß.«  
  Der Meister lächelt, lächelt (wie eine winzige Schauspielerin).  
  Als dann auch der letzte Stein an seinem vorläufigen Platz war, blieb die Schützenkette für einen merkwürdigen Augenblick intakt, die Hände fielen müde herunter, die Schultern krümmten sich, die Finger mühten sich, nicht aneinander zu geraten, stachen angespannt in die dunkle Luft, Knie erzitterten, und die selbstsicheren Grätschen strahlten auch keine Kraft mehr aus. Gerade rechtzeitig - noch bevor man sich hätte erklären müssen - schrillte Herrn Armands Trillerpfeife. »Sein Speichel spritzte.«  
  Und, als wären sie am Ende eines tatsächlichen Trainings angelangt, liefen sie noch eine abschließende Runde. Die Mehrheit legte die Vierhundert gewohnheitsgemäß galoppierend zurück, um eher mit dem Duschen fertig zu werden, der Meister trabte wie gewohnt nur »locker« vor sich hin und dachte sich jetzt noch schadenfroh: »Bah! Duschen! Weidling, meine Lieben, Weidling.« Mit doppelter Überlegung zog er so über die Runde.  
  Da er durch aus fachlicher Sicht viel zu hohes Gras lief, zeichneten die Grashalme dünne, schlängelnde Streifen auf die staubige Spitze der Puma Pele King. »Als wären magere Schnecken darübergekrochen.« Als hätten sie dort ihr Rendezvous gehabt. Manchmal stellte er den ohnehin schon langsamen Lauf ein und tauschte ihn gegen Spazieren. Der Abend summte, und je größer der Abstand zu den anderen wurde, die in törichter Weise das Laufen gewählt hatten, desto stärker spürte er das Alleinsein in diesem Tiefdunkeln und gleichzeitig eine Art kühne Verwobenheit mit der Natur. (Der Herr Vater des Meisters hält es damit ganz gegenteilig: wie dieser Mensch von der einen Schreibmaschine zur nächsten anlangt - wie ein Schlafwandler.) An der Gegenkurve fand er sich dem Berg gegenüber, diesem großen, schwarzen Block, der beinahe mit dem Himmel verschmolz, in Letzterem sorgten Sterne, an Ersterem der Schein schwankender Lampen für Abwechslung und Unterschiedlichkeit. Von oben war das Gekläff von Hunden zu hören. Die elegische Runde nahm mit einem kurzen Sprint ihr Ende.  
  Drinnen schlüpfte er mit einer unerwarteten Wendung in seine Kleidung (das beim Waschen eingelaufene Hemd, das er von Herrn György bekommen hatte etc.), die er direkt auf seinen verschwitzten und ein wenig juckenden Körper zog. »Diese Woche schon gebadet?« Er hob seinen Lehrfinger (auf dem noch weniger Nagel zu finden ist als auf den anderen; vielleicht wegen der Aufgabe, deswegen), es wurde still im Winkel der Geräteraum genannten ehemaligen kleinen Umkleide, die heute die Umkleide war. »Man kann sich an den Dreck gewöhnen«, sagte er bedeutungsvoll, was er schon von anderer Stelle wissen mochte. Auf welch bittere Weise sollte er recht behalten!  
 
 
  52 Frau Gitti sank krank zu Bette. Der Motor der Familie. Eines Abends setzte sie sich plötzlich auf im Bett, der Engel, der die Träume verteilt, saß ihr noch im Gesicht, ihre Züge dösig pressend, und sie sagte zum Meister, der gerade das Buch des peruanischen Herrn Vargas Llosa las: »Du, Fichte (!), der Sattler Tabacskó ist so eine Art Künstlermensch. Er malt, sammelt Bücher. Liebt die Kunst.« (Bei V. L. fällt mir ein: der Meister hatte noch in der Grundschule einen Klassenkameraden namens Varga Jóska, Torhüter der Klassenmannschaft. Er war ein Torhüter mit guten Reflexen, aber nicht verlässlich. Jedenfalls hatte er von Zeit zu Zeit große Paraden. Wenn das der Fall war, »duckmäuserte « er händeringend auf und ab und gab sich unzufrieden. Da musste man zu ihm hingehen und ihm ehrlich Folgendes sagen: »Aber nein, Józsi, du hast ausgesprochen gut gehalten.« - »Meint ihr?« In Varga József keimte wieder die Hoffnung. »Das ist der Vargajóska- Effekt.« Der Meister setzt ihn manchmal Frau Gitti gegenüber ein. - Wie wir sehen können, Effekte hat er wie Sand am Meer.)  
  Er sprang zu der Frau hin, strich ihr die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. Streichelte sie. »Armes Ding.« Und ging in die Apotheke. Die Kassiererin fragte den Meister, ob er 50 Fillér hätte. Er antwortete: »Hab ich«, und fing an, in der komfortablen Tasche seines Lodenmantels - Herrn Györgys freigiebiges Herz! - zu kramen, und fand tatsächlich 50 Fillér, was er selbst nicht gedacht hätte, als er die Währungseinheit überreichte, sprach er also lächelnd: »Dabei meinte ich es gar nicht ernst.« Er verließ das auf diese Weise in eine Freundschaft mündende Gebiet, und, wie üblich, stellte er sich von der Seite an den Anfang der Kassenschlange. Hier sprach ihn jemand feindselig an: »Stellen Sie sich bitte hinten an.« - »Wer schon bezahlt hat, soll sich vorne hinstellen«, zu Hilfe kam ihm die Apothekerin, die dem Meister sehr gefiel. (»Was ist das denn für eine?«, fragte Frau Gitti. Der Meister winkte schönfärberisch ab. »Kumpelchen, ich bin ein lyrisches Ich.«) Er wollte sich schon geschlagen trollen, denn leider ist er so ein Typus, als mehrere bemerkten, dass hier alle schon gezahlt hätten. Daraufhin erhellte sich sein Gesicht, sein Sprachgefühl bahnte sich seinen Weg, und er sagte zufrieden zu der vor ihm stehenden betagten Dame: »Dann ist das hier die Schlange der Nichtschlangestehenden. « Er sah, dass der junge Mann, der zwei vor ihm stand, lächelte, und dass der, der ihn zuerst nach hinten geschickt hatte, die Schultern zuckte--------  
  Auf den Meister wälzten sich Verpflichtungen. »Alles kam ziemlich zusammen.« (Die Dinge mehrten sich ...) In aller Herrgottsfrühe wird der Meister gefragt, ob er noch schlafe; und je mehr Zeit vergeht, umso weniger kann er die sybillische Gewitztheit der Frage genießen. »Papali, schläfst du?« Er drehte sich auf die andere Seite, das Dilemma auf diese Weise von sich scheuchend; und er wusste sehr wohl um den nächsten Trick des kleinen Frauchens, erwartete ihn mit angespannten Muskeln. »Papali! Aa! Aa!«, kicherte Genannte freudestrahlend. So was habe ich noch nie gesehen: als wäre sie von einer Feder hochgeschleudert, sprang die soeben noch bleierne Seele auf und machte sich schlaftrunken daran, das Nachtgeschirr zu holen; und als er dann aus der Küche taumelte, denn beim Anblick der abscheu- lichen Mengen von schmutzigem Geschirr war er schier in Ohnmacht gefallen, insbesondere bei dem eines Silber- oder eher Alpaka-Tabletts, auf dem in dicker Schicht gelbe Eierreste klebten, und als er ins Badezimmer kam, konnte er nichts finden, nicht einmal sein Gesicht im Spiegel, und als er dann in das hintere Zimmer geschwankt kam, sah er dort sein zerwühltes Bett, darin die kleine Frau mit dem gelben Haar, die sich wie eine Katze zusammengerollt hatte, und da trat er an das Bett heran, beugte sich ein wenig darüber und stützte sich gleichzeitig auf, und dann sah er Mitovics scharf in die Augen (das Laken dunkelte feucht, die Lippen des Mädchens waren geschürzt) und er sagte: »Der Hochmut, Chef, hat dich übermannt.«  
  (Man darf lächeln. Aber diese Situation - wie der Meister auf das Bett und sein Kind niedersinkend ohnmächtig den Blick umherschweifen lässt, um schnellstmöglich das Nachtgeschirr in der Nähe zu finden, und mit hoffnungsloser Wut und Liebe den kleinen Schlingel anschaut sowie seine süß schlummernde Gattin, während die emsigen Nachbarn schon die Rollos hochziehen und ihre quengelig langsamen Kinder auf den Hinterkopf klapsen, damit die nicht zu spät in den Kindergarten und sie anschließend zur Arbeit kommen -, nun, diese Situation zeigt, die entfremdende Wirkung der Gerüche mit einberechnet, die aussichtslosen Einsamkeitsräume eines Lebens, worüber schon andere geschrieben haben, und auch ich an anderer Stelle.)  
  Getrieben von seiner großen Lebenskraft schusterte der Meister die Kleine schließlich auf das Geschirr, als gäbe es das geschehene Malheur gar nicht in der ihm eigenen Gelbheit neben der süßen Frau, »wie ein perverser Ehemann«.  
  Er sah sich gerührt um, das Mägdlein thronte, Frau Gitti schlummerte süß. »Wissen Sie, mein Freund, da trat ich ans Fenster, drückte die Stirn ans Glas, hinterließ eine Spur, und mir fiel ein, dass ich mich immer an diese Zeiten erinnern sollte, denn ich war ...« - hier räusperte er sich mit verschämtem Zaudern - »denn ich war glücklich.« Hei!  
  Und so wird meine Beschreibung immer genauer, Gott sei Dank.  
  Doch dieser kleine Ausblick durch das Fenster auf größere Zusammenhänge reichte aus, damit ihm die Arbeit bereits auf den Nägeln (!) brannte. Der Spross heulte auf, weil der Rand nass war, und die Gattin sprach mir nichts, dir nichts: »Hast du das Teewasser aufgesetzt?« Er hatte es noch nicht aufgesetzt. »Ja«, antwortete er und wetzte in die Küche. Hier begann das große Tohuwabohu! Was für eine einer Rache ähnliche Verkettung von Orten, Gleichzeitigkeiten, Veränderungen und Angleichungen!  
  Da das unabgewaschene Geschirr strebsamen Wettkämpfern gleich nahezu bis zum Wasserhahn hinaufgelangt konnte man die Kanne nur in Schieflage an ihren Platz bugsieren aber da sie auf diese Weise nur halb voll zu bekommen war musste man sie ein wenig gerader halten woraufhin einige Geschirrteile auf dem Grunde des Abwaschbeckens zu klirren anfingen da sie nachrutschten als der Meister als der präzise Mensch der er ist bemerkte dass das laufende Wasser kalt war beabsichtigte er dieses auszugießen und plante es durch Inanspruchnahme des Gasboilers gegen warmes zu tauschen doch irgendwie geriet das Rohr des Wasserhahns mittlerweile in die Kanne hinein wo er weder vor noch zurück nur wenn er sie ankippte aber dann würde das Wasser das er gerade erst eingefüllt hatte wieder hinausfließen doch da kam es ihm wie ein Blitzschlag dass er genau das wollte.  
  »Mir fiel ein, mein Freund ... Es ist doch was anderes: wenn man es gießt und wenn es von allein ausläuft.« Sein Stolz schien unbrechbar zu sein. Da die Platzierung des warmen Wassers eine Verschiebung in der Zeit zur Folge hatte, beschloss er, das Gas auf große Flamme zu drehen. Aber vorher musste es noch angezündet werden. Wir wollen nicht ins Detail gehen, jemand könnte denken, ich will mich über ihn amüsieren. Es seien lediglich ein paar zerbrochene Streichhölzer, ein peinvoller (Ssssss!-) Gesichtsausdruck und der Ausruf »Herrgottsakrakruxitürken nochmal!« in Inventur genommen; sowie der Gasgeruch: da er zunächst ein anderes aufgedreht hatte als das, das er anzünden wollte.  
  Da er anschließend - wie man sagt, vollkommen überflüssigerweise - das Asbestgitter unter dem Kandl gelassen hatte, fing dieses nach kurzer Zeit zu glühen an und brachte spektakuläre Schattierungen von Rosa- bis Feuerrot auf die Oberfläche. Er betrachtete dies zunächst unter ästhetischen Gesichtspunkten, später fiel bei ihm der Groschen. Runter mit der Kanne. Anschließend ein fehlerhafter Versuch mit der bloßen Hand! Der Schmerz. Dann der Topflappen - ein eigenhändiges Meisterwerk Frau Gittis –, und damit! zum Gasgeruch jetzt auch noch der Geruch der angesengten Wolle! (»Keine Wolle, Péterchen, Teppichfaden.«)  
  Als er damit fertig war, setzte er sich hin, um sich auszuruhen. Und gerade jetzt kam die Gattin in die Küche. Die das Bett nicht aus Jux und Dollerei hütete, aber sie hatte so einen Verdacht. »Mieze«, hatte er voller Charme bei Beginn der Krankheit gesagt, »du bist auf der Liste der Verletzten.« - »Vor dem Spiel, nach dem Spiel«, sich ein Lächeln abzwingend, das von Fieberrosen gefärbte Gesicht hatte genickt. Aber jetzt war sie schon auf dem Weg der Besserung. »Was tust du hier, mein einziger Schatz?« Einziger sagte sie so, dass sich ihre Zähne dabei nicht voneinander lösten. Kann man sich das vorstellen? Und versuchen: einziger. Es gab dafür einen gewissen Grund, welcher sich nach dem Anblick richtete: nach dem Meister, der kopfnickend dem brüllenden Radio zuhörte (»Pa-rampa-rampapa-apahlavi! Karel Gott! Erkennst du ihn?«), dem schamlos offen stehenden Kühlschrank, dem immer noch aus dem Wasserhahn strömenden Warmwasser, dem »irrationalen Rasseln« des Boilergedröhns, dem im Aufruhr befindlichen Teewasser.  
  »Das Wasser ist völlig verkocht.« Die durch Krankheit abgezehrte Frau hielt sich an diesem formulierbaren Konkretum fest. Der große Mann erschrak sofort, möglicherweise umsonst in aller Frühe aufgestanden zu sein ... Er packte also von unten an das »weibliche Fleisch« und lenkte die sich matt wehrende Gattin zurück ins Bett. Mit der Frau im Arm blieb er schnaufend am Bett stehen, um, bumstili!, die Hand unter dem Körper wegzuziehen, welcher mit großer Umsicht ins Bett plumpste. »Du Hinterhältiger!« - »Du bleibst hier«, befahl das Oberhaupt der Familie. »Eine falsche Bewegung ...« Und zeigte das traditionelle Zack an.  
  Wieder hinaus in die Küche aus Prestige! Kurze Zeit später hielt er mit einem Tablett Einzug, darauf die Produkte. »Das Frühstück, gnä Frau.« - »Danke, guter Mann. Die Tagespresse?« - »Ist in Verspätung, habe die Ehre, genau dort!« Der Gatte rieb seine von Butter, Salami, rußigem Kerzenende, Teestückchen und Heißwasser mitgenommenen Händchen aneinander. »Na bitte, es läuft doch, wie ein Frühstück im Bett«, sagte er schließlich.  
  ––––  
  Frau Gitti, aus ihrer nächtlichen Beschäftigung, dem Schlafen, aufschreckend, versäumt nicht, mit milchigen Lippen zu erwähnen: »Liebster!« Und das sanft schwingende Wort, die Schwingungen im Raum, aufsteigend wie Lampions, oh Schmerz, niemand sieht sie, denn er, wie ein Murmeltier-------- errötend blickt er Frau Gitti an! Oh, diese Wärme!, diese Härte!, diese unbeirrbare Sanftmut!, Freude und Bitterkeit!, die Unendlichkeit der Alltage und jene kleine Chance!-------- Du bist alt, alt, alt, alt*
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Jegyzet Ein verspielt verblüffender Gedanke ist das über eine Frau in ihren Zwanzigern.
, deine Hüften werden immer breiter, deine Schultern sind muskulös, ich hasse dich**
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Jegyzet Na, na, nicht doch, na: mein süßer Kleiner.
, du läufst wie ein Schwimmer; du wackelst! dein Gesicht ist groß, um die Augen hast du Krähenfüße, deine Nase ist so ein Nichts, du bist hässlich, du bist gemein, ich hab genug. Ja: ein Künstler - »oder ein Ehemann, mon ami, oder ein Ehemann« - kann mit seinem Instinkt-Bewusstsein auch in einem Augenblick verdichtet die Verwüstung des Alltags begreifen! All die Monotonie unseres verdorbenen Daseins!, du Teure, wie wunderschön fraulich du wirst, eine Grandedame wirst du, du bist immer anders, das Bouquet deiner Krähenfüße ist mein, selbst der kleinste Fettkräusel an deinem Bauch bist du, mein Einundalliges, mein Gott, und was mag Frau Gitti davon erspüren, und umgekehrt*
n
Jegyzet !!!!!!!
; von diesem Alpha und Omega?!**
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Jegyzet » Schön und wahr«, sagte Frau Gitti, bei einer gnadenvollen Gelegenheit, als alles hervorkam in seiner rabiaten Art mit einer Träne im Auge.
 
 
 
  53 Er schob und schob die zahnärztliche Pflicht vor sich her. Er fürchtete sich zwar kein bisschen (denn die Kindheitsfälle sind dank des Onkels mit den goldenen Händen nicht zu verkrampften Erinnerungen geworden, sondern blieben Familienbesuche - mehr noch, es gab dort auch noch das Bild einer nackten Frau als ausgesprochenes Plus), er fürchtete sich also nicht, sondern hatte sich abgefunden, denn die anfängliche Gefahrensituation war gewichen, obwohl sich manchmal rechts hinten etwas entzündete, dabei entstand auch ein winziger Eitersack, an dem er mit derselben gnadenlosen Neugier herumdrückte wie als Teenager, wenn man unerbittlich den Schorf hier und da abpult, aber im Grunde war der Zahn - abgesehen vom morgendlichen unangenehmen Mundgeruch - erträglich. Tja nun, der Zahn war zwar erträglich, aber er fing an, abzunehmen. (Vom Gebrauch hatten sich kleine Splitter gelöst. Am nächsten Tag versuchte dann die Zunge das abgesplittert-scharfe Gebiet zu meiden. Dann gewöhnte sie sich daran. Oder der Zahn wurde wieder runder. Unterhalb - oberhalb - eines gewissen Niveaus ist das egal.) Das Abhandenkommen war kein Kinderspiel mehr, er suchte die Zahnärztin auf.  
  Die schöne Zahnärztin stopfte seinen Mund mit Gaze, Spreizern, allem Möglichen voll. Hier stellt sich immer eine sehr interessante Situation ein (schon wieder eine, die dadurch aufhört, dass sie entsteht): sobald das Vollstopfen erledigt ist, würde er, der bis dahin schmal, die Hände zwischen den Knien, im monströsen Sessel gesessen hatte, nun anfangen, befreit zu reden, leichthin und inhaltsreich zu plaudern über dies und das (es sei angemerkt - oder ist das dasselbe? -, dass auch die Frau Doktor ab diesem Punkt anfängt, Sachen zu sagen, auf die man antworten kann), mehr noch, er begnügt sich nicht mit dem Wunsch, sondern fängt, wie er es geplant hatte, an (siehe oben). Aber das kann man sich schon vorstellen: »Aöaeiaöo!« - so, nur so. Die Frau Doktor erzählte, ihr Sohn sei der Meinung, Herr Marci und der Meister seien wie Kasparek und Cserniczky. Er, mit seinem aufgespreizten verknebelten Mund in der großen, blassen Leuchtkraft, musste eine verzweifelte Erscheinung abgeben. Deswegen oder nicht sagte die Frau Doktor: »Natürlich lesen Sie keinen Mikszáth.« - »Iaöao.« - »Sie sind natürlich ein moderner Autor.« - »Auöeoi.« Der Speichelabsauger gab ein sympathisches (unerträgliches) Schlürfgeräusch von sich. »Blutgeschmack.« - »Sagen Sie, mein Freund, wie kommt es, dass unter manchen weißen Kitteln ein Schlüpfer zu erahnen ist und unter manchen nicht?« Ich weiß es nicht.  
 
 
  54 Vor der Portierskabine hängte er sorgfältig die Schlüssel auf und wechselte ein paar freundliche Worte mit dem alten Portier, zu dem er bereits ein gutes Verhältnis aufgebaut hatte, als er noch keinen unbefristeten Ausgang hatte.  
  Jung und dynamisch - der Jugend gehört die Zukunft! (»Oh nein, mein Freund, die Zukunft gehört meinem Altsein, beziehungsweise vorher noch meinem Mittelaltsein!«) - schwang er sich auf den Rücken seines Orlow’schen Rappen und machte sich auf... nirgendwohin. Er startete noch einmal. Als er jenes charakteristische, immer brüchiger werdende, zermanschte und leise Wiehern vernahm, wurde ihm eng ums Herz. Nach zwei weiteren Versuchen war das Ergebnis nur noch ein hoffnungsloses Wichhh. Unbeholfen stand er herum, sein Rappe sah ihn traurig an, und er war auf einmal erfüllt von unbegründeten Minderwertigkeitsgefühlen, wie er sie zuletzt Frau Gitti gegenüber empfunden hatte. Schließlich überwand er sich und sprach jemanden an.  
  »Entschuldigt, würdet ihr mich anschieben?« - Die beiden jun- gen Burschen grinsten sich an, weil er das so missverständlich formuliert hatte. Anschließend schoben sie ihn und schoben ihn, vergebens. Der Meister hörte ihr Keuchen. Schließlich baten sie den Meister etwas gereizt um Vergebung und verschwanden. »Ich glaube, sie müssen unterwegs ins Kossuth-Kino gewesen sein.« Er lavierte beschwerlich zwischen zwei Autos, nahm seine Satteltasche vom Sattelknopf und stand da! Wer schon einmal so stehen geblieben ist, weiß, wie demütigend das ist. Den Gesetzen der Seele treu, schlug die Selbstzerfleischung in aktive Wut um. Der arme Meister fletschte regelrecht die Zähne gegen die vorbeihuschenden Autos. »Meine Zähne knirschten. «  
  Langsam machte er sich auf zur Bushaltestelle. Wie anders waren nun die entwaffnend gleichförmigen, schweren grauen Blöcke der Häuser, als sie es noch am Morgen gewesen waren. Einheitlicher, selbstbewusster. - Der Meister bevorzugt kleine, schmächtige frühmorgendliche Straßen. Die Sonne scheint schräg zwischen den Häusern herein. »Irgendwie sind auch die Häuser selbst schräg. Die Linie, die durch das Aufeinandertreffen zweier berechtigter Hauswände entsteht, genießt Freiheit: irgendeine hat immer den Mut, die Perspektiven zu ruinieren.« Der schmutzige Gehsteig ist schon gespritzt worden, aber nicht so schön »gestäubt«, wie das der Vater des Meisters tut, man hat eher nur so hingekleckert - damit es gemacht ist. Auch diese Oberflächlichkeit gereichte ihm zur Freude. Und die Gerüche. Des Gemüseladens, des zum Müllabladeplatz gewordenen Grunds, an dem immer dann die große Frau im Jeansrock vorbeikommt, wenn der Meister auf den kleinen Pfad einbiegt, der am Grund vorbeischleicht, und wenn der Meister sich am struppigen Stamm der Pappel umwendet und zurückschaut (ein-, zweimal hatte er das bereits getan), macht sich der zwielichtig dreinblickende Schäferhund, den die Frau nicht lange davor von der Leine genommen haben musste, gerade daran, sein Geschäft zu erledigen (dass die Frau noch kein einziges Mal den Meister angesehen hätte, ist vollkommen unwahrscheinlich; doch da es wahr ist, ist es »hoffnungserweckend«), der Geruch der Bettwäsche, die in manch ein offenes Fenster gelegt worden ist, dahinter sind verschlossene Frauengesichter zu sehen, der Geruch des Selbstbedienungsrestaurants im Eckhaus gleich neben dem Grund, der alten Frau in der Selbstbedienung, die, während sie sich unter den Baumwollstrumpf fasst und an der Wade kratzt, über die Briefe von Josephus Flavius spricht, und alle, auch der Meister, einen Schritt weg machen, des Trafikers, der den Kaugummi kaufenden Meister jedes Mal um 20-30 Fillér übervorteilt, was dieser auch jedes Mal anmerkt, doch der Trafiker ist mit einer frappanten Erklärung zur Stelle, der Straßenbahn, der Schienen und besonders der der Weichen (die Weichen verströmen einen unverwechselbaren Geruch),  
  des Reifendienstes, wo ein gewisser Herr Tamás (wir durften ihm bei der Wandtafel begegnen) einmal die Zuverlässigkeit des dortigen Druckmessers in Zweifel zog, und als sich der Besitzer darauf berief, der Druckmesser sei ein englisches Produkt, zog der vorzügliche Rechentechnikexperte einen manuellen Druckmesser aus der Innentasche seines feschen Sakkos, »englisch oder nicht, der hier arbeitet mit Wasser und der da mit einer Feder«, was dem Meister, der als Augenzeuge dabei war, wahrlich unangenehm war, denn er hatte das Gefühl, der »alte Spezi« könne allein schon vom Ansehen her sagen, was wie viel Atmo hat, darüber hinaus - ein emotionelles Motiv - war er gerührt ob des zerfurchten Gesichts des Alten, seiner Hände, in die sich das Öl hineingefressen hatte, der jahrzehntealte Schmutz, und neben diesen Händen (»hier ist die Verschiebung, mein Freund, in die wir hineinspaziert sind«) waren er und sein Kollege (der übrigens +0,1 atm. Abweichung nachwies!!!) peinlich gut gekleidet, weswegen er nach dem Grund lieber nicht geradeaus, sondern nach rechts geht, also zwischen je zwei Seiten eines Rechtecks wählt, was eine symmetrische Möglichkeit ist*
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Jegyzet a + b = b + a
, und nichts spricht für oder gegen die eine oder andere Wegführung - die Summe der sonnigen und schattigen Intervalle differiert nicht, Parkierungsmöglichkeiten sind irrelevant, der Bettwäschegeruch wird kompensiert durch den des geschlossenen Gemüseladens, die Menschen auf dem Bürgersteig sind zufällig.  
  Der Wind puffte die Straße entlang, trieb Papierfetzen und Blätter in die Luft, (enthusiastische Beschreibung von Pest) (Einmal hatte der Meister unter den Pappeln gestanden, vor dem Haus, dort, wo man zwischen Oma Tocskas O-Beinen bis zur HEV-Haltestelle schauen kann, und seine Frau Mutter fuhr den Meister an, er möge sofort einen Zettel suchen, den ihrer Ansicht nach der Meister verloren hatte - das hatte er tatsächlich -, und da puffte der Wind die Straße entlang, er schloss die Augen, seine Tränen und der Staub brannten, er streckte die Hand vor wie tatsächliche Blinde, und es war jener Zettel!)  
 
 
  55 Die Umkleide wurde wieder aufgebaut und man bekam auch einen neuen Duschraum, besser als der alte. Jetzt stellte sich heraus, was eine Umkleide und ein Duschraum sind. Nichts. »Milch und Brot.« Und der Meister spürte ganz richtig - schließlich schnappte er dieselbe Luft (und wie er nach ihr, ha-ha-ha, schnappte!) - diese nach unten tendierende Atmosphäre; als wäre alles nach außen geraten; es sei hinzugefügt: fälschlicherweise. »Fortwursteln«, murmelte er hoffnungsvoll, somit seine Träume rationalisierend; und es fiel ihm nichts Besseres zu tun ein, als - »in den Spuren der Vorangegangenen, mon ami« - auf dem Platz zu sterben, um es mit einem poetischen Bild zu sagen. Jede Woche konnte man denken: jetzt ist Schluss. Jeder geht nach Hause und die Herren Öschen und Armand liegen mit zertrümmertem Schädel neben der Seitenlinie, mit Schädel zertrümmernden Werkzeugen in der Hand. Und die Aasgeier bohren ihre Krallen in die Querlatte. »Das ist schön.« Aber wie die Zeit verging, denn sie verging, gewöhnten sie sich an die neue Situation, sie verlor ihren Giftzahn: die alte Situation stellte sich wieder ein. Doch das ist wieder deprimierender, als am untersten Grund der Dinge zu sein: wegen des Fernbleibens der Katharsis.  
  –––––  
  »Wissen Sie, mein Freund, es gibt zwei Dinge, die ich sicher in meinem Leben erreichen möchte (auf die ich scharf bin): Einmal den Ball vom Goli-Platz in die Donau schießen.« - Herrn György ist dies bereits einmal Anfang der 70er Jahre gelungen. Und einem gewissen Herrn Tibor gleich dreimal! Während ein und desselben Spiels. Er wurde fast vom Platz gestellt. Aber das wäre ein bereits unerreichbarer Wunschtraum. Das ist die eine Sache. Und die andere wäre, in einer unbestreitbaren Fair-Play-Situation, in der er den Einwurf pflichtgemäß zurückgeben müsste, würde er, bimm, über die Seite davonwetzen und dann »mitten hinein, zwischen die Augen«! - »Und sich hinterher, natürlich, entschuldigen. Wunderschön.«---------- Einmal ergab es sich, dass er und Herr Marci an der Mittellinie spazierten. Man hatte sie vorgeschoben. Zwei einsame Spitzen. Sie stromerten auf und ab (Platzwechsel etc.), ein paar Verteidiger begleiteten sie. Herr Marci nahm den Gedanken an die Tarnkappe auf. Dabei handelte es sich um ein gemeinsames Kindheitserlebnis, und die beiden Brüder wurden nun durch dieses katalysiert. Mit großer Laune und Erfindungsgeist wälzten sie die Nutzbarkeit der Kappe. Z. B. am 11-Meter- Punkt den Ball nicht vorm Gegner wegschnippen, sondern den Fuß davorhalten, was so wäre, als würde der Gegner gegen Beton treten! »Und der Ball, wie einer, dem man in den Arsch getreten hat, plumpst zur Seite weg.« Sie kicherten am Mittelkreis vor sich hin. Die Verteidiger wechselten Blicke, die Zeit verging (90 Minuten).  
  –––––  
  Als die Umkleide und der Duschraum aufgebaut waren, hielten sie ein Speckbraten ab, ein feierliches Speckbraten nach dem Training. Es war eine komplexe Situation. - Er mochte es sehr, wenn man von Zeit zu Zeit im großen Garten der Familie zum Speckbraten zusammenkam! Das aufziehende Übelsein wegen des rußigen Fetts, der Gegenangriff des Rotweins, der verbrannt-süßliche Geruch des Specks noch tagelang in der Jeans - im Hintergrund der alte Zigeuner mit dem Il Silencio, im Unterhemd, wie ein gewitzter Italiener!  
  »Meister«, der Meister log Herrn Armand vor dem Training an, »ich bin schmerzhaft.« - »Was ist?« - »Knöchel gerissen.« Dieser ländliche Ausdruck rief Heiterkeit hervor. Seitens Herrn Armands hob folgende Frage-Feststellung sein Haupt: »Was ist, Pepe, ist dir der Stift auf den Fuß gefallen?« Alle lachten über alle. Diese Leichtigkeit des Herrn Armand war, wenn man Herrn Armand kannte, zum Weinen.  
  Das Training - lockeres Durchbewegen - begann und der Meister ging los, um ein paar verlässliche Spieße zu erjagen. Er nahm seinen Weg bedauerlicherweis’ zum Akazienwäldchen; doch er hielt tapfer durch. Obwohl, ohne die Aushilfe des Rechten Verteidigers hätte er vielleicht aufgegeben. Der Rechte Verteidiger war mit Verspätung gekommen, entschuldigt, er musste seine zwei Kinder ins Krankenhaus bringen, weil sie keine Luft bekamen. »Péter, mein Lieber, also so was hab ich noch nicht gesehen. Haben sich nur so herumgeworfen. Die Frau und ich haben eine Weile zugeschaut, ich hab meinen freien Tag, weißt du, da lieg ich manchmal den ganzen Tag im Bett, ich steh nur auf, um mir den Wanst vollzuhauen, aber manchmal bringt mir die Frau das Essen auch rein und dann behalte ich sie gleich da, verstehst du?! ... Fraulein deck dich, wie im Märchen.« Der Rechte Verteidiger schnitzte mit geübter Hand. »Musst das dickere Ende anspitzen, Gräflein.« - »Wissen Sie, mein Freund, diese Spieße waren so mickrig, da gab es kein dicker oder dünner!« Und was der Meister da noch gar nicht wusste: der Gewinn, das künftige Qualmen bei der Berührung mit dem Feuer, das Zischen, das Perlen! Dieses dickere Ende war sowieso eine ganz neue Information für ihn! Denn was nützte die Routine im Garten mit Il Silencio, dort hatte Herr György, der Teure, alles professionell vorbereitet. (Der kleine Meister ging einmal mit Herrn György über die Zigeunerzeile, sie waren einer wertvollen, verrosteten Fahrradkette hinterher. Doch auf das Kreischen einer zahnlosen, verfetteten, wenn auch mit tausendschönem Haar ausgestatteten Frau hin fingen sie zu rennen an. Sie wurden auch gejagt, weil sie rannten. Herr György vollführte ein seitdem zum Klassiker avanciertes Geschrei: »Brave Leut, zu Hilfe! Brave Leut! Zu Hilfe!« Die- ses »Braveleut« kehrte jahrelang zurück, als Spott. Der Meister war genauso dabei, Fersengeld zu geben. Hier hatte angeblich einer aus der Verfolgergruppe der Zigeuner gerufen, die Mutter des Meisters und des noch knirpsigeren Herrn Györgys sei eine Grafsche. Hier sollen sich die beiden eingeschüchterten Kinder angeblickt haben, gleichzeitig verlangsamten sie. Sie warteten, dass die anderen sie einholten. »Deine Mutter ist ’ne Grafsche«, sollen sie zu irgendeinem schmuddelgesichtigen, nichtsdestotrotz so im Nachhinein liebenswürdigen Knäblein gesagt haben und schlugen ihm die Fresse ein, und umgekehrt.)  
  »Ich dachte, sie machen nur Theater, deswegen werfen sie sich so herum. Der Größere ist so. Aber dann, du, das ist viehisch interessant, Peti, wir liegen so da mit der Frau, du, Alter, ich weiß nicht, wie’s bei dir ist, aber ich bin seit 7 Jahren verheiratet, und mich überkommt’s immer noch heiß, wenn ich die Frau sehe.« - »Mich überkommt’s auch heiß«, sagte der Meister mitfühlend und wurde rot. »Ganz plötzlich sind wir erschrocken, und völlig gleichzeitig. Zum Kuckuck aber auch!« Der Meister hörte zufrieden sein Wort, das Lehrergebnis. »Hoch mit der Bux, die zwei Kinder untern Arm, die Treppe runter, das waren vielleicht viele Treppen, wie ein Aufbautraining, hin zum Motorrad, ab ins Krankenhaus. Ein Glück, dass es nah dran ist.« - »Hast du noch deine gehäkelte Bux?« - »Bist du deppert?«  
  Sie arbeiteten wortlos, der Meister zischelte, wenn er in Dornen griff. Der Rechte Verteidiger erklärte geduldig die Tricks des Entlaubens und Rutenschneidens. »Ich habe dein Buch da gelesen«, brummte der Rechte Verteidiger. Der Meister nickte traurig. Der andere schnitzte. »Ich lese so was normalerweise nicht (tu so was nicht lesen). Ich rackere mich ab für die Knete, hab wen, für den ich’s ausgeben kann, und danach schlafe ich. Ich verdiene es, oder etwa nicht?!« - »Ich kann’s mir vorstellen«, sagte er verschlossen. Er befreite den Ast von den Zweigen. Das Messer rutschte immer wieder ab, er erschrak jedes Mal ein bisschen. »Paar Sachen haben mir gefallen, ’n paar nicht.« - »So ist das meistens.« Der Rechte Verteidiger schüt- telte den Kopf, auch die Antwort gefiel nicht, und vielleicht hatte auch der Meister etwas anderes sagen wollen. (»So geht das.«) »Warte mal.« Er kniff seine winzigen Augen noch mehr zusammen, fast schon schielte er. »Warte mal. Es ist nicht so, dass ich es nicht verstanden hätte, Pepe, natürlich hab ich’s auch nicht verstanden, aber ich hab mich vor allem selbst nicht verstanden.«  
  In der Hand des Meisters blieb das gefährliche Werkzeug stehen, er sah sich diesen langsam Fett ansetzenden, konsolidierten, fast dreißigjährigen jungen Mann an. (Dem er gerade zu dieser Zeit etwas gram war, denn dieser hielt ihn bereits seit Monaten hin, er würde ihm ein Buch über Taubenzucht mitbringen, das er unabdingbar benötigte. - Er ließ seine Mannschaftskameraden für sich arbeiten. Er ließ sie nicht nur langen und ausschließlich nach einem ausdauernden Laufen als unerreichbar einschätzbaren Bällen hinterherrennen, sondern auch Daten. Der Halblinks musste über die Vergütung der Weberinnen Nachricht bringen. »Sie verdienen gut, aber es ist eine Scheißmaloche «, sagte der Halblinks. »Genauer, mein Junge, ich brauche es ganz genau.« - »Wozu?« - »Wozu, wozu?! Dazu.« Womit der Faden abgeschnitten gewesen wäre. Doch die Beauftragten arbeiteten mangels einer Motivation ziemlich faul. Das gab dann auch ein Anfahren. Giftig sprach er einen Schwänzer an: »Fichte, ich mach einen [-]Helden aus dir, dass es nur so kracht!« Die Jungs lachten nur und lachten - aber ein bisschen waren sie schon eingeschüchtert.)  
  Das Messer hielt also inne, des Meisters Blick glitt über die verräterische, füllige Figur des Rechten Verteidigers, und er sagte leise: »Danke.« Um seine Rührung zu verbergen, rief er aus: »Guck mal, Kumpel.« Doch dazu bedurfte es des Glücks, »und diese Glücksfälle, mein Freund, habe ich bisher immer erhalten von der Welt*
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Jegyzet Ungarn
«, nämlich, dass gerade zwei Handballerinnen vorbeikamen. Die zwei besten Torschützinnen. »Was für ein Fichte Sport«, manches Mal schnitt der Meister das dankbare Thema an, »wo eine Regelwidrigkeit eine gebräuchliche Form der Ballabnahme ist?!« (Das ist tatsächlich so. - E.) »Was ist los, Schönheiten, seid ihr Zwillinge?«, rief der Rechte Verteidiger, während er dem Meister zuzwinkerte. Die Kleinere war drauf und dran, etwas zu antworten (sie hätte: ja gesagt, oder: nein, oder: ein bisschen sind wir Zwillinge), aber die Größere, obwohl sie auch lachte, stieß sie mit dem Ellbogen an, so dass sie nichts sagte. Sie hatten Kattunkleider mit roten Rosen an und die gleichen grünen Schuhe. Sie sahen furchtbar aus: sie waren wunderschön. »Wieso froren sie nicht?«  
  »Seid ihr Zwillinge?... Weil wir, mit dem Petyka, sind Zwillinge.« Daraufhin hielt sogar die Größere an. Das hätten sie nicht gedacht. »Ihr?« Der Rechte Verteidiger umarmte wie ein schlechter Schauspieler - »wie ein guter Schauspieler, mein Freund, der spielt, dass er ein schlechter Schauspieler ist« - den Meister. »Klar, wir. Nicht wahr, Petyka? Wir sind ein Zwillingspaar.« Das betonte er so - ein, Paar - , als sähe er einen Widerspruch hinter den Dingen. Der Meister lachte vor sich hin. Für die Mädchen wurde alles plötzlich nicht mehr so interessant. »Schön für euch«, sagte die Größere und ging los. Doch der Rechte Verteidiger wollte das Abenteuer nicht so einfach verplätschern lassen, er gellte ihnen mit großer Stimme hinterher: »Klar ist’s schön für uns. Aber zusammen wär’s auch schön! Na?!« So wendete sich alles wieder zum Guten: die Mädchen drehten sich um und lachten, die Kleine wie die Große. »Die sind total verliebt in uns«, sagte noch der Verteidiger wie nebenher und fing an, die Spieße zu zählen.  
  Der Meister warf einen Blick auf seine Uhr. Er musste gehen. (Was hatte er zu tun? Was konnte wichtiger sein? Vielleicht ... vielleicht musste er schreiben? Und was? Bestimmt haben wir nicht so ein Glück, dass er ausgerechnet das aufschreiben ging, aber im Grunde ist das auch egal. Es ist, als wäre er tatsächlich deswegen gegangen ... Die immergrüne Tragödie, und wie flach!) Die Jungs hatten sich schon angezogen, taxierten misstrauisch die Spieße. »Die feinsten Stücke, aus der Herstellung namhafter Meister ...« - »Welchen hast du ge- macht?«, fragte Herr Icsi vorsichtig. »Oh, die schönsten habe ich hergestellt. « - »Trotzdem, konkret, welche?« - »Du wirst schon sehen, die mit dem ästhetischen Schwung ...« - »Und dann: Krach«, warf Herr Icsi ein. Der Meister nickte glücklich zu dieser versteckten Ars poetica: »Ja, ja. Und dann: Krach.«  
  Die Speckstreifen kamen auf die Spieße und vorne, auf die Spitze, wie eine »kleine, kokette, molette Dame«: die Zwiebel. »Ich muss gehen.« Doch der Geruch des frischen Brotkantens - des Scherzl - machte ihn ganz wild. Er säbelte ein bisschen Speck ab. Stützte ihn mit dem Daumen ab. Der Block erzitterte, sein Finger sank ein, das Material wurde dichter, auf der Seite glänzte, wie Schweiß, das Fett auf. Sein Messer arbeitete sich beschwerlich nach unten, bocksprang, scheute wie ein störrisches Pferd, die Speckspalte schaukelte im Rhythmus seiner Bewegungen, es war zu befürchten: sie zerreißt.  
  Grob, mit einer für andere typischen Eile, zerpflückte er eine Zwiebel, aß einen Teil »auf der Stelle« auf, legte einige nicht unversehrte Ringe auf den Speck, anschließend alles zusammen auf den Scherzl. Er schlang. Die anderen steckten entweder noch in den Vorbereitungen oder ließen, bereits am Feuer sitzend, amateurhaft die Spieße in die Flammen hängen. »Über der Glut, ausschließlich über der Glut.« Gemeinsam war ihnen, dass sie nicht aßen. Der Meister stand im Hintergrund am verrosteten Geländer und stopfte sich hastig schlingend den Stoff hinein. Eine dissonante Erscheinung, der Situation würdig. »Eine der erbärmlichsten Sachen überhaupt, mein Freund, ist es, beim Speckbraten rohen Speck zu essen. Eine der erbärmlichsten ... Vielleicht nur noch vergleichbar mit Tee mit Puderzucker  
  Und dann sein Atem! Wie dieser feine Geist stank, mein Gott, mein Gott...!  
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  Zu einem alles entscheidenden Spiel kann man auf zwei Arten gelangen: und . (»Das Happyend warf seinen Schatten voraus. Seinen großen, schwarzen Schatten.«)  
  –––––  
  Das Spiel war noch in vollem Gange, aber es war schon entschieden. Herumgelaufen wurde natürlich noch. Auch der Meister selbst, obwohl er nicht am Ball war, »heizte los«, nicht gerade ohne Sinn und Verstand, aber möglicherweise: unnötig, machte Platz für den Halblinks, der das - der Meister kennt ihn gut - ohne Zögern wahrnehmen und (in einem sanften Bogen) an den verwaisten Platz des Meisters laufen würde: was für Konsequenzen wiederum Herr Csucsu, möglicherweise gerade in Ballbesitz, daraus ziehen würde: das war überaus nebulös. Doch bevor Zweifel und Hoffnung erblüht wären, kam ein Verteidiger heran und warf Esterházy in seinem endgültigen Elend hin. - Wohin, mag ein Outsider fragen; der Verfasser dieser Zeilen setzt eine gewisse Bewandertheit voraus. - Eine groteske Szene! Er, der er ist, wer und was er ist, wird nach kurzem Straucheln auf die Schlacke stürzen, und um die - ich sage es, wie es ist! - Lächerlichkeit seines Sturzes zu mindern, streckt er beide Hände vor, damit es fast schon so scheinen möge, als würde sich die Haut nur an der Handfläche hie und da öffnen (dass sich die »schöne Schlacke« »zugleich« dorthin »traute«), doch dann, als etwas später und von einer unbekannten Stelle die Beine ankommen°, wird sich mindestens ein Unterarm nach außen biegen, welchen der Brustkorb entweder sofort unter sich begraben wird, oder es wird zuerst der Körper über seinen kurzen Kreisbogen rollen: so oder so: der Ellbogen wird aus mehreren Wunden bluten.  
  °Für die Bequemlichkeit des gebeugten Lesers schalte ich hier eine kleine Geschichte ein, nicht als Fußnote, obwohl es, Gott ist mein Zeuge, gerade hier stilvoll wäre, eine kleine Geschichte, welche sowohl den Meister als auch die Welt beschreibt. Es geschah, dass ich wusste: wir werden uns irgendwann, irgendwo begegnen - die zerklüfteten Wege der Seele! -, und ich dachte, ich werde ihm zu Gefallen sein und besorgte ihm »Kanonendonner und Jungfrauen im weißen Chorhemd «, zumindest behaupteten sie, welche zu sein, und ich hatte keinen Grund, zu zweifeln. - Niemals, und sei es auf noch so taktvolle Weise, spielte ich ihm gegenüber auf das jus primae noctis an. - Doch er wies diese puritanisch von sich. »Mein Freund, beruhigt Euch. Ich bin jetzt als Privatperson hier. So zittert nicht wie Espenlaub.« Er hob den Fuß und drehte ihn aus dem Gelenk. Es gab einen eigentümlichen Ton von sich, als würden jedes Mal sämtliche Knochen dort zu Staub zerbersten. »Das ist beim Danuvia-Spiel passiert ... Ich hätte sofort vom Platz sollen ... Sofort, nachdem es gekracht hatte ...« Mit Inbrunst - »mein Freund, dieses narzisstische Selbstgefallen, wie ich es aus der Feder der Gräfin Hahn-Hahn lese, ist das angebracht?« -, mit Inbrunst lauschte ich ihm. Was für Details, was für Details! Doch hier versteckte er plötzlich seine Füße, zog sie unter sich, so gierig und mit solcher Hast, als würde er sich ärgern, und zwar über sich, weil er zu viel von sich »herausgegeben« hatte - »ha-ha-ha: der Magvető Verlag!, der war’s!« -, und nahm mit einer energischen Bewegung sein Campari-Glas zur Hand. (»Mein Freund«, sprach er mich an, an einem der letzten Tage, als die kühnen Stapel der Durchschlag- und Schreibpapiere bereits in Bereitschaft lagen, »mein Freund«, fragte er mich mit lockerer Zunge, während sein Herz von einem eisigen Schrecken durchdrungen ward. »Still«, sagte ich respektvoll, selbst ebenfalls auf die Papiere schauend. Denn tatsächlich bin ich ihm ein Staudamm, doch er, wie die Flut, stürzt über mich hinweg. Sein Fleisch-und-Blut! Der Ärmste.)  
  Reden wir über etwas anderes. Er drehte das Glas gegen das Licht. »Wir reden immer über anderes.« - »Gefällig.« Doch anstatt der befangenen Stille folgte der Schwung. »Erinnern Sie sich, mein Freund, während des Krieges, simmm-summm, sssch, paff, plumpsten die Bomben hernieder und auf einmal rief einer heraus: Es sind Unsere!, und zerlumpte Soldatenmützen und zivile Kopfbedeckungen flogen gemeinsam hoch, hoch!« Ja, der Luftdruck ... »Einen Schmarrn, der Luftdruck. Äch, Sie ... Nicht der Luftdruck: die Freude!« Das Campari-Glas perlte vor Kälte. »Na, sehen Sie, wenn ich also durch das leichte Aneinanderstupsen meiner Beine oder durch eine andere, eventuell gröbere Idee auf dem Boden lande, während von einer unbekannten Stelle die Füße ankommen, rufe ich beinahe aus: Es sind Unsere! Und dieses Gefühl ist unabhängig davon, ob der Fall sich innerhalb oder außerhalb des Strafraumes zugetragen hat oder vielleicht genau auf der Linie.«  
 
 
  56 (Parthenogenese) In seinem vom Maschineschreiben herrührenden Elend bat der Meister seinen Vater, für ihn zu tippen. Zu seinem Unglück war gerade eine einschlägige Passage dran. Der Vater meldete Kritik an. »Zweifellos gebildet; man hat ihn studieren lassen, undsoweiter... « - »Was soll das heißen, Kleppervogel? Was soll das heißen, Kleppervogel?« Er war getroffen. »Fattachen«, die Hölle brach los, »halt deine Bildung zurück und tippe.« Ohne Frage: das waren harte Worte! Dann, als das Tippen bei der Stelle angelangt war, wo es hieß: »ich liebe den Vater des Meisters, schließlich ist er der Vater des Meisters«, sagte der Meister, der auch die Satzzeichen ansagte: »Der Vater des Meisters, zwei Ausrufezeichen.« - »Damit kann man mich nicht bestechen«, schnaubte der Vater des Meisters. Der Herr der (seiner) Welt winkte ab. »In Ordnung. Sollen es drei Ausrufezeichen sein!!!«*
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Jegyzet Sagen wir Dank , dass dies - bzw. das da oben - nicht der Vater des Meisters tippt. D a könnten wir was erleben ...
- »Sehen Sie, mein Freund, hier kann man mit Recht sagen: das ist keiner, der weder Vater noch Mutter kennt.«------------ Er durchforstete den Berg der Fahnen. Doch das geschah bereits zu einem so späten Terminus, dass es kaum mehr registriert werden konnte. Nur so, im Nachhinein, zum Ärger (und auf Kosten) der Druckerei. Wir sind nach Art einer spät reifenden, saftigen, spätsommerlichen Frucht. »Die Zeichen mehren sich, mein Freund, dass etwas anfängt, sich aufzufressen. Die Dekadenz der Jetzt-Zeit, Täubchen; und wenn unser Milieu ein anderes wäre, würden wir eine harte, traurige Orgie veranstalten, zechten bis zum Morgengrauen, wie im untergehenden Rom ... Die Vehergähänglichihkeit«, trällerte er noch. Diese Aussage hatte etwas von einer selbstgeißlerischen Traurigkeit; sehet, das Leben des problematischen Individuums. (Wir lesen.) Ja, das sind bereits die Farben des Abends: sie sind reicher, harmonischer als die Farben des Tages, der Schatten der Nacht dunkelt bereits in ihnen. Die Korrekturfahnen also. »Schau, Gittu, wie viele Frauen mich gesetzt haben!« Denn über der Fahne stand zum Beispiel: 78 8943 0017 001 Veronika Bursits 78 8943,17. Produktionsroman VII. 31. 9. masch - woraus er herausfilterte, dass am 31. Juli und am 1. August 9 Frauen auf ihn angesetzt worden waren. Éva H., Magdi Sz., Éva Urbán, J. Ács, Fr. Sziklafi, Judit Bellér, Fr. Szabó, Irén Gombos, Veronika Bursits. »Ich hoffe, Jot Ács ist auch eine Frau«, murmelte er und freute sich gar sehr über diese ganze Sache, schwenkte glücklich die Abzüge mit dem Damenkranz. »Judit Bellér ist bestimmt groß«, kalmäuserte er. »Oder klein.« - »Oder eine sog. Mittelgroße«, Frau Gitti gab sich pikiert. »Hmm«, Esterházy zog sich zurück in innere, fachliche Gefilde, »das hier gilt, lediglich, für die erste Ausgabe. Wie gebunden wir uns fühlen!« Und der Horicont, guter Herr!?-----------»Bodoni halbfett«, sagte er einmal über eine »beleibte, sinnliche Tschechin« auf dem Platz der Solymárer Ziegel.------------Es wurde auf die begrenzte Korrektur aufmerksam gemacht. Gehemmt trat er aus dem Paternoster, dabei muss er immer an den Sohn des Linksaußen Herrn Kocsis denken, dessen Knöchel von so einem Apparat mitgenommen worden sein soll, und von da an ging es abwärts mit Herrn Kocsis Laufbahn, das Kinn des Meisters knisterte vor Bartstoppeln, und er blickte liebenswürdigerschrocken umher, ob es jemand gehört habe, »wie das Wachsen der Gräser«. Blinzelnd fand er die entsprechende Verlegertür; die er suchte, telefonierte gerade, beim Anblick des Meisters hielt sie den Hörer von ihrem Mund weg. »Nur ein Scherz«, flüsterte sie und senkte für einen Moment die Wimpern. Der Lippenstift war frisch aufgetragen, amtlich. »Was schauen Sie«, fragte die, die der Meister suchte. »Sie«, flüsterte er geschickt, so dass alle lachten, nur die nicht, die der Meister suchte. Man redete über dies und das, währenddessen er listig herausbekam, dass: »pro Wort, Satzzeichen, Wortzwischenraum drei dreißig Forint, in den Fahnen, im Umbruch sechs fünfzig«. Es wurde für selt- sam befunden, dass er dies aufschrieb. (Für viele ist er keine Perle.) »All dies ist vielleicht nicht ganz genau so wahr.« - »Wahr ist, was voranbringt.« - » Siehe , so ergötzt sich ein ungarischer Sorgfalter!" « ------------Wussten Sie, mein Freund, dass Claude Garamond 1480 das Licht der Welt erblickte und sein fackelgleich loderndes Leben 1561 aushauchte!?« Er stolpert zwar, doch fällt er nicht.  
 
 
  57 Dass er in notwendiger Weise zur Feder greift, kann auf tausendfache Weise passieren und es passiert auch. Dennoch ist ein In-Verwirrung- Geraten spürbar, wenn dies durch etwas Unerwartetes »zusammengebracht « wird, das eventuelle Vorstellungen über den Haufen werfen könnte. Das können wir hier auf Schritt und Tritt verfolgen. Das Fass lief (zum zweiten Mal) über, als wegen, nach einem wegen einer aufgeregten Nachricht eilig besorgten Telefonats, erneut ein Zur- Feder-Greifen erfolgte. »Mein Freund«, es brach mit ehrlichem Minderwertigkeitsgefühl aus ihm heraus, »das ist furchtbar. Es wird dicker als ...« Er wagte es gar nicht auszusprechen.*
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Jegyzet Verschleiern wir es nicht: Er dachte an das Buch des Herrn Géza. (Ottlik, Die Schule an der Grenze.) Er liest periodenweise darin, damit er weiß, »wo es langgeht «.
Ein anderes Mal jedoch legt er dasselbe mit jungenhafter Oberflächlichkeit trocken: »Hey. In uns ist ein Mór Jókai nicht verloren gegangen.« (Heimisch im Himmel wie in der Hölle sind sie!) Doch nach jenem Telefonat sagte er: »Sehen Sie, mein Freund, wie zufällig alles ist! Der Roman, der sich selbst schreibt.« Er sann nach. »Wo trennen sich wohl Philosophie und Klatsch?«  
 
 
  58 Lieber mon ami,  
  bei einer für mich angenehmen Gelegenheit fragten Sie mich nach Methoden, die Mathematizität etc. Ich wich Ihnen auf meine übliche Art aus. (Die natürliche Musikalität, brabbelte ich.) Auch jetzt zwingt mich nur die Not dazu; doch ich will nicht klagen, sondern eine prinzipielle Grundlage schaffen. Pardon. Was nun folgt, ist keine »Erkenntnis «, sondern »die Stimmung einer Periode«.  
  Was ich sage, gilt leider sogar für Meisterwerke. (Obligatorisch: geschweige denn ...) Dass »das Gleiche« tausendfach gemacht werden kann, und es wird gleich gut. Diesem »Toben der Beliebigkeit« meinte ich zu begegnen, indem ich zuließ, dass es sich selbst vorantreibt, soll sich die Schrift selber schreiben, soll die Willkürlichkeit des »persönlichen Tages« sie gestalten. Tatsächlich löst das die Frage der »Einstellung « (das ist nicht wenig, hoho!, keineswegs), doch nicht die der Praxis. Die Welt muss ihren Beschreibungen entsprechen, durfte ich unlängst gerade von Herrn Imre hören. Aber damit wäre ich wieder bei der Beschreibung angelangt.  
  Dass es sich stets lediglich um eine Version handeln kann, war natürlich immer offensichtlich - wenn einer auch nur ein bisschen Verstand besaß - , und ich kann mit meinem verdammten Sprachgefühl neben den Wörtern sitzen und kann mich blind schreiben, wie mein studierter Freund Herr James (der Ire), und kann ein Wort gegen ein anderes austauschen, und das ist dann entweder besser oder schlechter, genauer gesagt: nicht besser. Dort - bis jetzt, einschließlich dieses Buchs - wird die »Einstellung« so gelöst, dass man auf die »Selbstformulierung«, das Entstehen einer Stille (usw. usw.) hoffen kann, welche - über den Text huschend - im Nachhinein den Platz des einen oder anderen Wortes mehr oder weniger irrelevant macht.  
  Ein anderes Mal (deswegen sage ich, dass es keine »Wahrheit« ist, was ich sage, sondern »Empfindelei«), ein anderes Mal aber bleibt eine Gereiztheit wegen dieser Freiheit zurück; da diese die Welt (gar nicht mich!) mit einer unerwünschten Verantwortungslosigkeit kleidet. Das war dieses Mal der Fall. Jetzt sehe ich die Lösung in einer Art »Zwangsstand«, in einer »unserem Herzen nahestehenden Funktion « (die die Zuordnung zwischen einem gewissen Wortarsenal und einer gut definierbaren Totalität bestimmen würde). Was ich erzählt habe, ist für mich die Praxis. (Heißt: ist keine Theorie, und: heißt: sie wird eine.) (All dies ist offensichtlich keine »Form«, das heißt, wenn es »und Inhalt« gibt.) - Bemerkung: die Sache mit der Funktion ist nicht so erschreckend: das Herz will jenseits allem doch nur hoffen.  
  Es umarmt Sie: Ihr Péter  
  PS: 1. Sehen Sie, jetzt darf ich auch das mit der Maschine schreiben, um es als Originaldokument einfügen zu können.  
  2. Wenn Sie auf Ihre Schrift achteten, ergraute ich nicht vor der Zeit.  
  3. Hier*
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Jegyzet Er sandte den Brief in zwei Exemplaren. Eines war der Brief, das andere der Auszug. »Gotthilfmir.« - »Gnade, liebe Mutter, Mama, schau, gedichtet ist auch dieser Vers.«
sende ich einen Ausschnitt aus dem Buch.  
 
 
  59 Eine Gegend vor dem Spiel ist leicht zu erkennen. Langsames Rieseln der schwarzen - denn aus entsprechender Entfernung sind sie schwarz - Menschen. »Ein liegender Schneefall, aber wirklich!« Natürlich ist nicht von den unmittelbar vorangehenden Minuten die Rede, nicht von den drängelnden Laufschritten! Nein, eher von »gegen Ende« der ersten Halbzeit des Vorspiels! Vor sich hin spazieren, einkehren auf einen Schluck Bier, ein Wort mit einem Bekannten wechseln, der am Gartentor steht, im Bad ostdeutschen Fräuleins hinterherpfeifen, den Kindern Schäferhunde und Schäfchenwolken zeigen. »Na, Murkel, das ist eine Schäfchenwolke ... Den Häcksler kennst du jetzt auch schon.«  
  Um dem Adabeitum zu entgehen, das ihm durch ein Hinzustoßen zu diesem lockeren Zug zuteilgeworden wäre, legte der Meister mit seinen langen, »musizierenden« Schritten beachtlich zu. An der Ecke, vor ihm, hob ein Unbekannter die Hand zum Gruß. Auch er stellte zur Erwiderung seine offene Handfläche auf. Der so Gegrüßte rührte sich aber nicht (in vier Richtungen: nach vorne Richtung Feld, nach hinten Richtung HÉV, weg und zum Meister hin); was so viel bedeutete, dass der Unbekannte: ein Bekannter (!) war und auf den Meister wartete.  
  Es war der Linke Verteidiger. »Grüß dich, Pepe.« - »Servus, mein Junge.« Sie gaben sich die Hand, kraftvoll, männlich. Der Linke Verteidiger war ein sehr zeremonieller Bursche, beim Händeschütteln spannte sich sein Gesicht an, die braune Haut glänzte regelrecht feierlich. Und er gab immer jedem die Hand. Ein ernsthafter Mensch mit einem eisernen Griff. (Gegeben ist ein Richter, er hat schon viele ihrer Spiele geleitet. »Ein Aas.« Er [der Meister] wurde so manches Mal gefragt, wieso er dem einen oder anderen Schiedsrichter-Sportskameraden die Hand gegeben habe. Er sagte einfach: »Das ist mein Job.« [Er ist der Mannschaftskapitän.] Zurück nun zum erwähnten Schiri. Dem Meister fiel bei der der Spielhälftenwahl vorangehenden Zeremonie auf, was für einen laschen Händedruck Genannter hatte. »Wie Schmelzkäse. Mir troff die Hand, Alter, von dem Händedruck.« Nach dem Spiel nahm ihm dann der Meister, nachdem er für sich eine negative Meinung über dessen Wirken formuliert hatte, besonders übel, dass: »er in meinem Alter war, mein Freund, und wissen Sie, wie er sprach ... er sprach wie ein ... und er war in meinem Alter«, nun, hier heckte der Meister einen teuflischen Plan aus. Er schickte den Linken Verteidiger hin und sagte ihm auch, wieso. Also das hätte man sehen müssen! »Danke«, der Linke Verteidiger nickte und zapp! schnappte die eiserne Hand zu. Der andere jaulte fast los, zappelte, lief rot an und sie sahen zu. »Danke, Schiedsrichter-Sportskamerad.« - Bezeichnenderweise hielt Letzterer die Bierflasche später in der anderen Hand, während diese leblos herunterbaumelte. Doch den Meister beschäftigte zu diesem Zeitpunkt bereits, wieso man dem ein Bier gab; er war dagegen und andere auch.)  
  Dem Linken Verteidiger war gerade ein Sohn geboren worden. Die beiden Väter tauschten stölzliche Erfahrungen aus! Hierbei lachte der Verteidiger groß heraus, sein breites Zahnfleisch war auffällig zu sehen, und er schlug sich auf die Schenkel. Und bei einer Gelegenheit brachten sie die Grasmücke gemeinsam ins Krankenhaus. Der Meister trös- tete den linksfüßigen Stürmer. »Du hattest recht, Alter, ein echter Stürmer musste da rein!« Es gab auch einiges zum Trösten an der Grasmücke: seine Nase war jetzt weiter rechts platziert, als hinge sie ihm aus dem rechten Auge heraus. Der Meister beobachtete die Wanderung der Nase mit besonderem Mitgefühl. Was verständlich ist. Er tröstete, doch er bewahrte sich einen ehrlichen Zug. »Ja, ein echter Stürmer, zweifellos.« Er schwenkte den Kopf. »Aber, Fichte, wer auch nur ein bisschen Verstand hat!« Der Linke Verteidiger schlug sich auf die Schenkel. Der Orlow’sche Rappe war gut beladen. Selbst die Frau des Linken Verteidigers saß mit drauf. Wenn der Meister im Sattel in den Rückspiegel blickte, waren die hell-lichternen Änderungen des Straßenverkehrs das Letzte, was er dort zu sehen bekam. Stattdessen was? Vor allem nichts anderes als das Schnütchen der Frau des Linken Verteidigers! »Hmm«, sagte er bedächtig blinzelnd, »wie gut der Spiegel heute ist! Selten, dass er so ein blendendes Bild zeigt!« Der Meister als Schöntuer; dazu sagt er, dass er ein Ehemann-Typ sei! Doch die Frau des Linken Verteidigers fing zu kichern an. Der Meister fragte schnell: »Tut’s weh?« Die Grasmücke nickte-------- vor dem Spiel stützte er sich mit dem Ellbogen auf das Geländer auf, die Zuschauer versammelten sich schon, die »B« war schon im Gange, und man sprach ihn immer wieder an. »Peti, mein Lieber, werdet ihr gewinnen? « - »Ich darf mich nicht äußern«, antwortete er scherzhaft und unaufmerksam; alle vertrauten allen; da er ins Gesicht des neben ihm stehenden, die rigide Eisenstange umklammernden Herrn Csucsu blickte, sah er dort dieselbe Angespanntheit wie in seinem eigenen, und er sprach zärtlich: »Csucsulein, sag, drückt dich hier dasselbe wie mich?!«, und zeigte irgendwohin zwischen Herz und Magengrube. Herr Csucsu lachte ein bisschen, ein bisschen.  
 
 
  60 »Was zum Kuckuck, ist uns denn nichts mehr heilig ?«  
 
 
  61 »Mein Herz ist so schwer.« - »Lass uns Mama Joplin hören.« - »Spürst du denn nicht, dass dieses Mamadschoplinen dasselbe ist wie das verdammte Attila-Spiel?!« Er fuchtelte mit den Armen. »Hör auf, mir was vorzuwedeln. Wer bist du, der Karajan?« (??)  
 
 
  62 Das Dunkel senkte sich hernieder. Der Meister fühlte sich irgendwie »unten«. Von dort aus sah er, dass die Pappeln gegenüber keine Ausdehnung hatten, als wären sie aus Papier ausgeschnitten. An ihren Stämmen zog sich die Fabrikmauer entlang, lang, weiß, still. Still wegen des Sonntags. An der Mauer war keine Schrift zu sehen, aber er wusste, dass dort s lebe ie beiterklass stand. Alsdann sah er Riesenbesen in den Bäumen. »Wer wohl so große braucht?« Er konnte es sich nicht vorstellen. Ihn schmerzte der Reitmuskel.  
  Rechter Hand tauchte die Kneipe auf und er - quasi eilig, damit er es noch vor der Ankunft hinter sich gebracht hätte - sagte zum neben ihm hertrottenden Libero: »Du, es ist so leer hier drin, ich kriege kaum Luft.« Er zeigte auch drauf. Der Libero war schon in der Tür, nickte. »Fichte.«  
  Sie setzten sich um den Zweiertisch, und die Biere kamen nur und kamen, als hätten sie gewonnen. Er saß wortlos da; aber, damit ihn keiner danach fragte, sagte er manchmal dies oder das. »Wer ist älter, der Bobiorr oder der Filesposito?« Solche Sachen. Und selbst das in 3 Raten. »Ich gehe«, sagte er 1 Stunde später, »Mitics muss gebadet werden.« Er stand schon im Mantel da, hielt den gekreuzten Schal mit dem gesenkten Kinn bzw. dem Doppelkinn, als ihn jemand laut fragte, ob denn der Meister wisse, auf welche Weise man messe, ob das Badewassser die richtige Temperatur habe? Er hob mit unbewegter Miene seinen Ellbogen, schob sich, von tosendem Applaus begleitet, zwischen den Stühlen hinaus und ging nach Hause.  
  »Du riechst vielleicht nach Kneipe«, schnaufte zu Hause Frau Gitti liebevoll in die Luft. »Sprich nicht mit mir«, sagte er wild. (So viel Kraft hatte er inzwischen gesammelt! Ich muss schon sagen!) Frau Gitti schwieg verständnisvoll. Sie trat an ihren Gatten heran, strich ihm mit großem Mitgefühl und Hilfsbereitschaft über die Stirn. »Wissen Sie, mein Freund, das war zu viel. Dieses Betutteln.« In großer Erregung krallte er sich eine Nagyvilág - irgendwie fallen immer die zum Opfer - und jagte ohne ein Wort aus der Wohnung, setzte sich draußen an den kalten Fuß des Zauns, von dorten starrte er in den Himmel. Später schlich er zurück. »Entschuldige«, sagte einer von ihnen------»Gittu«, sagte er, durch die Küche marodierend, bezüglich des mittäglichen Huhns, »das ist aber kein Beefsteak  
 
 
  63 Der Meister saß in verzagter seelischer Verfassung auf der Ersatzbank. Mit ihr verwachsen war er; jedenfalls wies nichts daraufhin, dass er jemals wieder aufstehen würde. Das Spiel war längst vorbei, ein paar Leute standen beim Bier und schimpften auf die Welt. Er knautschte seinen schmutzigen Frühlingsmantel - in diesem schlechten Herbst - unter sich! Noch nie hatte ein Mensch ihn einen Mantel unter sich zurechtrücken gesehen! Die Ersatzbank! Das Holz! - Einmal, als er gerade einen Verteidiger von sich abgeschält hatte*
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Jegyzet
3 Engel wachen über mich
einer am Kopfe
der zweite am Fuße,
der dritte erwartet meine sündige Seele.
(Aus seinem Gesumm an der Strafraumgrenze; in bestechender Form!)
, blickte er zur Bank hinaus, wo die Ersatzspieler das bittere Brot der Ersatzspieler aßen, und die im Licht herausfordernd aufblitzenden gelben Trainingsjacken sowie die Dank der Kunstfasern sowieso schon glänzenden Hosen - nahmen ihn gefangen. Als er dann einmal in einem gelben Trikot und einer blauen Hose hatte spielen dürfen - gut oder schlecht -, freute er sich minutenlang wie ein Kind. »In Gelb und Blau?«, fragte am Nachmittag der Vater des Meisters und lächelte zart (der Zahnstein).  
  Er sah zu Boden, in seiner Hand hing eine Flasche Bier. Sein Gesicht wurde dünner, die Haut klebte ihm an den Knochen, er fühlte seine Gesichtszüge in seinem Mund. Dadurch wies die Zeichnung des Mundes etwas nach unten. Diese Tragik stand ihm gut zu Gesicht. (Herr Péter - es gibt so viele von ihnen! - machte einmal ein Bild davon. Es war ein großer Nachmittag. Mauernd hatte er den »Schmalblendenfotografen « geschmäht, doch dieser fotografierte wirklich. Das Foto [siehe Foto nächste Seite] machte dem Meister später große Freude. »Ein gekreuzigtes Gesicht«, sagte Herr Vasa; er liebt christliche Vergleiche von großer Kraft.)  
  Er schüttelte den Kopf, wie einer, der ein Selbstgespräch führt und sich gerade widerspricht. (Kleppervogel - das konnte man nun auch von ihm sagen.) »Mehr Licht!« Der schwungvolle Bogen seiner natürlichen Locken und die spontanen Gruppen seiner Haare, die sonst beweglichen Büschel, wurden nun von etwas beschwert, einem schwer formulierbaren Etwas, das man so nicht nennen kann: Schmutz; nicht, dass es (das Haar) sauber gewesen wäre - nach vergangenen zwei Wochen konnte davon nicht die Rede sein - ; doch die Steifheit des einzelnen Haars, seine traurige Brüchigkeit, die Angst der aneinanderklebenden Locken, das auf diese Weise hervorblitzende Ohr, »es gibt nichts, mein Freund, das verlassener wäre, als eine aus dem Haarbusche hervorblitzende nackte Ohrmuschel!« - wie ungreifbar ist all das! So, wie man auch den Wind am Haar spüren kann: nicht die Zerzaustheit, der Griff! Es kam nicht selten vor, dass sie mit Herrn Csucsu irgendwo standen, unweit einer grimmig flatternden Eckfahne, und abhängig davon, ob sie als Zuschauer oder als Spieler dort standen, zog er das Trikot um sich zusammen, es in die Faust nehmend und ein wenig anhebend, nach oben, zum Hals hin, oder er stellte den Kragen seines abgetragenen Mantels hoch, und wie sie sich im pfeifenden Wind zusammenzogen, mehr noch, ihre Münder auseinanderspreizend sozusagen die Zähne fletschten, strich sich der Meister übers Haar, hielt anschließend betont die Handfläche vor sich, die dazugehörigen Finger (»die Eigen-Finger, mein Freund, die Eigen-Finger!«) wölbten sich zurückfallend über genannte Handfläche, und er sagte: »Der Wind weht.« Voilá, ein Beweis.  
   
  Er spürte die Feuchte der vermoderten Sitzfläche. »Feuchte, feucht.« Seine unbewusst kratzende Hand löste ein Stück Holz heraus. Es zerfiel zwischen seinen Fingern. Ein »Farb-Plättchen« blieb an seinem Finger kleben; er wischte es hinunter. Währenddessen fing das Etikett an der Bierflasche an, hin und her zu rutschen. Auch dieses, hinunter: 10,5 B° 0,51 PN 8761
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Jegyzet Verbraucherpreis in Verk- auf und Ausschank: 5,20 nicht pasteurisiert haltbar : 8 Tage
.  
  Er hatte keine Lust, nach hinten, zu den Nebengelassen zu gehen, andererseits musste er gehen. Das war kein Gehen, sondern ein Schleichen. Er blieb auf dem Lehmhügel stehen, hinten, am Kesselhaus. Hier entstand folgende Aufnahme.  
   
  (Ich will gewiss kein Museum errichten, wo eventuell der Saalaufseher seinen Speck verzehrt und seine fettige Hand an seiner dicken, warmen Flanellhose abwischt, ich begreife den Meister als Menschen und gebe ihn in seiner Hinfälligkeit und seiner Titangröße; ich bemühe mich, drängle, ziehe mich zurück, breite mich aus, beobachte, halte durch! Verzeihung: schon wieder rede ich von mir!, ganz wie Herr Babits.) Auf dem Bild sehen wir den Meister, wie er ein Kőbányaer Helles hochhebt, im Hintergrund der Fußballplatz - »das furchtbare Viereck! «, rechts der aus der Zeit des Aufbautrainings gut bekannte Berg. Die Große Kurve! »Wissen Sie, mein Freund, der Sinn des Aufbautrainings ist, dass man das zu bewältigende Material gerade so nicht schafft .« Der Meister wünscht sich die Große Kurve nicht einmal in seinen Träumen. Schauen wir uns sein Gesicht an! Über allen Gipfeln ist Ruh. Selbst nach solchen 90 Minuten war er in der Lage, etwas von den finalen Heiterkeiten aufblitzen zu lassen! Neben ihm der gebrochene Herr Pék.  
 
 
  64 Er musste seine Frau Mutter anrufen, denn diese hatte angefangen, sich - als Folge einer Telefonnachricht neutralen Inhalts von einer gewissen Stelle (»Seien Sie so pett und sagen Sie dem Péter, er solle mich zurückrufen. Möglichst heute noch.«) - aktiv und konkret Sorgen um ihren Sohn zu machen. Er präpelte lange mit Gabel, Handgriff und Wählscheibe. Und dabei die Busse, Kräne und Zils im Berggang! Während er dergestalt mit der Reihenfolge zu tricksen versuchte, erschien in seinem peripherischen Sehen (Herrn Armands Wort) eine Frau. Des Meisters großer und durchdringender Blick löste sich vom mattschwarzen, nach Zigaretten riechenden klammen Hörer und er fragte mit ausladenden, konventionellen Gesten, ob die Frau telefonieren wolle. Die Frau nickte taktvoll und fein ein »Ja«, wie jemand, der nicht stören will, dabei hatte er noch nicht einmal ein Freizeichen. Später hatte er eins, er wählte und sagte anschließend, während er darauf wartete, dass sich der angewählte Anschluss meldete - »ich weiß nicht, mein Freund, ob Sie es schon beobachtet haben, aber das ist so ein verantwortungsloser Moment!« –: »Ich wäre nicht darauf gekommen, dass Sie aufs Telefon warten. Sie stehen«, hier begann das Klingeln am anderen Ende und er beschleunigte, »so bescheiden. Hier.« Das Gesicht der Frau verriet nichts. »Wissen Sie, ich bin ein wenig kurzsichtig, und so konnte ich nicht...« Hier meldete sich des Meisters Vater. »Ja!« - »Ich bin es, wart ein bisschen, Alter«, und er flüs- terte überhastet der Frau zu: »... so konnte ich nicht in Ihren Augen lesen!«  
  Dementsprechend fing der Vater das Telefongespräch mit einer verständlichen Gereiztheit an. Doch wer denkt, dass der Meister sehr viel ruhiger gewesen wäre: irrt. Er sagte etwas in der Art, dass er genug mit seinem eigenen Schrecken zu tun habe, er habe keinen Bedarf am Familienschrecken. Der Vater des Meisters war beleidigt, wie es auf seine alten Tage seine Gewohnheit geworden war, und sagte, was das für Reden seien, ob es denn besser wäre, wenn sie sich keine Sorgen machten: wäre das vielleicht besser? »Gib mir die Mam«, sagte er beileibe nicht versöhnlich. »Hallo«, sagte die liebe Mutter mit einer vorurteilsvollen Kühle. (Sie hatte den vorangegangenen Zank zweifellos gehört.) Der Meister war plötzlich von Wärme überflutet, wie nach dem Nasenbluten. »Seht, Mamachen, kein Wort«, denn er spürte genau, dass die Mutter dies oder jenes zu beanstanden hätte, »es ist alles in Ordnung, das wollte ich nur sagen. Kuss, Kuss, Kuss.« - »Auf Wiedersehen, mein Sohn«, sagte die Mutter, reserviert, aber auch gelöst.  
  –––––  
  Er schwieg heftig. Der Schiedsrichter hatte schon das zweite Mal gepfiffen, drängend. »Mein Freund, was schassieren Sie hier von keinem her in Ihrem eigenen und anderer Leute geraden Winkel? Grätschen Sie nicht Ihre schützende Hand über mich!« Sein Blick beschlug. »Sehen Sie, mon ami, ich habe mich der Wahrheit verpflichtet. Deswegen bekomme ich mein Geld vom Staat...« Er richtete seinen Stutzen, den er nie in der Lage war, ordentlich »anzulegen«: Er zog ihn hoch wie einen Strumpf und den Zubinder fädelte er unter den Gummi. Tja ... Seine Lippen wurden ein wenig weiß. Der Meister ist eine lebenslustige Figur, aber manchmal wird er weiß. »Und für den Schrecken, den Sie in den Augen meiner lieben Mutter sehen können, zum Beispiel jetzt, mein Freund, in diesem Augenblick, jetzt, da ich ihr diese Zeilen zeige, in ihren grüngrauen wunderbaren Augen, verdient jene Zeit doch jede Rücksichtslosigkeit! Jede, auch von mir.« Ich würde gerne sagen, dass ... »Nein!« Er trat aus der Tür der winzigen Ankleide, zog instinktiv den Kopf ein - wenn sich hier einer stößt, bricht das ganze Gebäude zusammen –, und bei seinem Heraustreten ertönte das enthusiastische, magere »Los, Jungs!«, und der Vater des Liberos nahm das Bier von seinem Mund: »Peti, mein Lieber, haut ihnen zwei rein, dann können sie nach Hause. Zu Mutti.«  
 
 
  65 Der Libero erzählte dem Meister gerade, dass er eine Puppe in Pécs habe, dass die die beste Braut in ganz Pécs sei. »Ich sag nur eins: sie hat einen schwarzen BH.« Der Meister ging wortlos vor sich hin. »Sie wartet mit ’nem Schiguli am Bahnhof auf mich. Und sie bezahlt alles.« - »Aha.« Und dann fing der Meister - Verzeihung - zu johlen an. »Geht’s deiner Frau gut?« Doch der gewünschte Effekt wurde nicht erzielt, der Junge sah den Meister befremdet an, warum es denn »lustig« sei, dass seine Frau krank ist. »Nein, leider. Marika geht es nicht gut. Die Niere.« - »Ja, ich weiß.« Er wusste es, denn die Mutter des Meisters hatte dem Libero geholfen, ausländische Medikamente zu besorgen. Im Grunde interessierte sich der Meister für die Frau in Pécs und er fragte nach einer angemessenen Pause. »Wie ist sie?« - »So«, zeigte der Libero mit zur Faust geballten Hand, er blieb also auf der alten Wellenlänge. »Weißt du, Pepe, ich liebe diese reifen Frauen.« Der Meister hielt seine wachsende schlechte Laune mit Scherzen im Zaum. »Sie ist also alt.« Dem Meister erschien das Gesicht der Gattin des Liberos: das Puppengesichtchen, das kleine Doppelkinn - »der Anfang vom Breitwerden« -, ihre glatte Haut und die müden Augen. »Ein Mädchen mit erwachsenen Augen.« - »Die Arme«, sagte er halblaut. Der Libero lachte über das »Sie ist also alt« und konnte so dieses »Die Arme« nicht hören; die Sache hätte sich weiter verkompliziert, ohne das Versprechen auf eine Lösung.  
  Sie gingen an einer langen Fabrikmauer entlang. An der geweißten Wand standen rote, verblasste, brüchige Buchstaben. So aus der Nähe waren sie unlesbar. Eine andere Frage ist, dass der Meister die Originalaufschrift kannte.  
  »Ich habe ältere Frauen immer schon gemocht!«, sagte der Libero herausfordernd. Er streckte beide Hände nach vorne, als würde er in etwas hineingreifen. »Haben Sie es schon beobachtet, mein Freund«, sagte er zu einem späteren Terminus, »was für ein unendliches Ding die Handfläche ist? Ich dächte nämlich nicht, dass es einen Frauenhintern, eine gutmütige Hanke gäbe, deren Wölbung sie nicht aufnehmen könnte!«  
  Früher hätte er sich vielleicht - sich ein wenig gezwungen fühlend - einspannen lassen in eine wenig geschmackvolle Konversation bezüglich der Positiva betagter Frauen, doch wie er sich auf anderen Gebieten »radikalisiert« hatte, so auch auf diesem, und überhaupt: er hätte es gerne gehabt, wenn er das Volk zu einigen Sachen hätte bewegen können. Das ist sowieso die Aufgabe für sie beide. (Der zeitgenössische ungarische Schriftsteller kann von den Höhen der Zukunft ins Heute blicken: überall sieht er die Großartigkeit und unbezwingbare Kraft des Neuen. Um wie viel leidenschaftlicher muss er also den Kampf mit allem Überholten aufnehmen im Interesse dieser geplanten Zukunft. »Usw. usw.«) Also sagte er leise am Eingang des Ausschanks: »Ich bin Pro-Ehefrau.« - »Erspar mir bitte das Gesums «, sagte der Libero. »So ist es nun mal, Kumpel«, sagte er bescheiden.  
  Sie setzten sich an einen Tisch, das heißt, zuerst schoben sie zwei zusammen und setzten sich so dazu. Die Hand des guten Herrn György, diese riesige Schaufel mit den tektonischen Rissen, umflocht je einen Krug und ließ sie ihnen sogleich zutrudeln. »Da habt ihr’s.« Kurz darauf kamen auch die anderen an, der Rechtsaußen ließ sich entschuldigen, er »hatte eine Verabredung«. Biere auf Biere, wie bei großen Lustbarkeiten. Langsam liefen die Worte und Gesten auseinander, der Libero erzählte, er habe am Freitag »mit dem Kumpel zwei Hühner aufgegriffen«, aber »der Kumpel hat die Muffe gekriegt«, umsonst suchte der Libero nach seinem Freund, »der Kumpel hatte Licht bekommen «, und er blieb mit den zwei Frauen zurück, und vergeblich bat er die eine, die andere nach Hause zu schicken, keine gab klein bei, so hatte er beide an der Fichte (am Hals), aber das 2. Mal war »nur mehr Rauch und Asche«, »mein Sexualleben war wie ein mittelmäßiges Volksstück: bumm, bäng - und dann gemeinsam Trübsal« (was für ein Geschreib, was für ein Wasistdas!); in der einen Ecke erhob sich wehmütiger Gesang, Herr Armand murmelte gleichsam vor sich hin, was er so oft zu murmeln pflegte (»Bei bestimmten Mannschaften hat jeder die moralische Pflicht, sie windelweich zu schlagen.«*
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Jegyzet Er hat recht. Aber um seine Behauptung überprüfen zu können, müsste ich wissen, wer der Gegner ist. »Na , wer schon?! Die Ziegelei Buda .« - »W ir verwickeln uns in einfache Scherze, zu unserer Freude.«
), auch die Augen des Meisters waren leicht unterlaufen, sein Schweigen war zittriger als sonst, als er sich an Armand wandte und hoffend-bangend fragte: »Was wird jetzt? « Herr Armand sah den Meister an. Er drehte seinen Krug hin und her. »Was soll schon werden.«--------- Was wird jetzt ? Was soll schon werden. Was wird jetzt ? Was soll schon werden. Was wird jetzt? Was soll schon werden.-------- Als er sich auf den Nachhauseweg machen wollte - das Kind baden! -, hielt ihn Herr György auf und zwinkerte ihm zu. »Pass mal auf hier!« Und er schrie, den Rumor überschreiend: »Papa! ... Sie! Sie da! Passen Sie mal auf, Papa! So viel wie Sie in Ihrem Leben schon getrunken haben, könnte man damit eine kleinere Wassermühle betreiben?!« Ein Alter erhob sich zwischen den Rücken. »Ach so, der alte Farkas.« - »Gyuri, mein Lieber! Von wegen Wassermühle!? Das große russische Schleppboot könnte darin wenden.« - »Ist gut, Papa.« Der Wirt winkte die Szene ab; der Meister dankte seinem jüngeren Bruder für die Produktion, und Herr György schlug freundschaftlich auf des Meisters Schulter. »Hab’s direkt für dich erzählen lassen.« - »Danke.« - »Du kannst es verwenden.« (Denn bis dahin hatte der Meister schon alle infiziert.)  
 
 
  66 Der Meister legte seine Hände statt eines Schlummerkissens unter den Nacken. »Gittu«, schnaufte er, »ich habe heute so viele tolle Weiber gesehen.« - »Ist gut, alter Schwerenöter«, die Frau lobte den Mann und verpasste ihm, summ!, wie eine Ohrfeige, einen Kuss auf den Mund. Der Meister ward - und zwar bis ins kleinste Glied! - von der bekannten, heißen Blutwelle überflutet. Aufdringlich wendete er, zurück zur Frau, und sie stießen frontal zusammen, aber nicht nur so halb-halb, ihr Fleisch klatschte nur so aufeinander, und sie wurden zutiefst erschüttert von alledem. Für den Moment des auf den Unfall folgenden Schocks verharrten sie bewegungslos ineinander verflochten, aber nur, damit es hinterher umso wirbelnder weitergehen konnte.  
  Die Beine der Frau brachen plötzlich aus, besonders der Weg der starken, straffen Schenkel war deutlich vernehmbar, da der Meister, nachdem sich diese an seine Taille anknüpften, ja sogar etwas an die Rippen, krachend, kaum mehr Luft bekam; doch wie er sich erbost losreißen wollte - gab es kein »los« mehr: stattdessen klammerte sich »jemand« (natürlich war Frau Gitti dieser Jemand) an seine Schultern, dem Meister in den Kragen schnaufend und nestelnd. Undsoweiter, undsoweiter, man kann sich eine Vorstellung machen.  
  Aber diese Gedrängtheit! Das Zusammen-Atmen und die Hitze im Zeitalter der Andrängungen, Zurücksenkungen, das Toben, das Dringen, die Zurückziehungen, Verlassungen, Erhebungen, Entfernungen und Verbeugungen, Rundungen und krampfartigen Versteifungen! Und das müde, schmerzliche Sichhingießen in einen wie ohnmächtigen Schlaf. »Große Chefin, ich liebe dich«, sagte er zur schlafenden Frau. »Ich liebe dich, weil du wunderschön bist, eine Menge Grips hast und dein Arsch ziiiemlich heeervorragend ist.« (Hoi! Hier konnte ich mich nicht, aus Kontra, vor der Treue unter dem Rock der Wahrheit verstecken, wo große Dunkelheit herrscht, noch nicht einmal zwischen den Schenkeln scheint die Sonne herein!)  
  Der frische Weihnachtsbaum erbebte dunkel. »Der letzte Zeitpunkt ist Weihnachten.« Ein aufgehängtes Bonbon zwirbelte um die eigene Achse. Der Meister legte eine Hand unter seinen Nacken, denn die andere war von heißen Schenkeln gedrückt, nicht etwa mit Kraft, einfach vom eigenen Gewicht her---------Zu einer morgendlichen Stunde stand er bereits im Mantel da, gehbereit, als er durchaus nicht absichtlich Folgendes aus der Nachbarwohnung hörte: »Um Gottes willen, was druckst du hier im Zimmer herum?« Der Meister liebte es sehr zu lauschen. Die Musikakademie war sein bevorzugtes Feld. Ein Pfadfinder auf Zehenspitzen mit einem Lachssandwich in der Hand ist er. Und wenn ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wird, weil sämtliche Elemente der ausgespähten Gesellschaft nicht nur mit forschendem Blick zu ihm zurückgeschaut haben, sondern auch schon ein gewisses befangen machendes Gewisper angehoben hat, sagt er sehr bescheiden, doch mit nicht wenig Elementarismus - natürlich: an alle und keinen -: Jungens , ich glaube , György Kroó könnte STERBEN FÜR SO EINE MUSIK.  
  Er trat aus der Wohnungstür, die Nachbarn auch gerade, vorne stürmte der Ehemann, hinter ihm, groß, elegant, die Frau; ein großer, grüner Hut beschattete ihr Gesicht. (»Eine angesagte Friseuse.« - »Angesagt, angesagt«, sagte daraufhin Frau Gitti und winkte ab.) - Einmal hatte er ihr die Hand geküsst, hatte die Hand der Frau lange in seiner eigenen platziert, drückte sie, nicht zu frech, doch zärtlich, und hauchte dann einen heißen und parodistischen Kuss auf die wohlriechende Hand. Doch die Frau wurde rot, und wie sie ihn unter langen, dichten Wimpern hervor ansah, überlief es ihn kalt oder warm, und der Meister erschrak, denn er dachte, das Offensichtliche wäre offensichtlich gewesen. Und wenn auch die Frau nur einen Scherz machte? »Aha«, er dachte darüber nach, »tatsächlich. Das kann sein, tatsächlich, dass sie es nur scherzhaft ernst genommen hat.« Übrigens hing dieser Dankeskuss (oder wie ich ihn nennen soll) nicht nur einfach so in der Luft, es gab einen Grund dafür. Der Meister hatte nämlich - »nachdem nach einer erinnerungswürdigen Nacht das Bett zusammengebrochen war« - sich einen Hammer aus der Nachbarschaft geborgt. Was Werkzeuge anbelangt, nahm die Familie des Meisters keine elegant vornehme Stellung ein. Sie hatten einen sog. Bildernageleinschlaghammer - mit dem nämlich Frau Gitti die »Original Csontváry- Repros« an der Wand zu befestigen pflegte. (Nach einer gewissen passierten Fischsuppe hatten der Meister und Co am Wasser gestanden. Der Spiegel des Sees bewegte sich kaum, nur er und Kapitän András schlugen einige Bewegung. In der dunstigen Ferne bot sich ein Panorama zur Betrachtung an ... Da sagte er, an nichts anknüpfend, plötzlich: »Weißt du, was ich besorgen werde, mein lieber András?« Der hohe Mann hob sich. »Na?« - »Ein riesiges James-Joyce-Bild.« Und dann so, wie Herr Marci die Bärte anzeigt: »Wumm! Über die ganze Zimmerwand!« Kapitän András nickte und blickte fachkundig auf einen aufzappelnden Fisch: »Amur, das war ein Amur.« - »Frisst die Schilfkolben, nespa?«, sagte der Meister wie ein Kind. »Genau, genau «, der Kapitän nickte heftig. Das liebte er sehr an ihm: dass er sich so freute, wenn jemand ein wenig recht hatte. »Statt dass er den Tang fräße. Der wächst nur so vor sich hin ... Aber er hat sehr gutes Fleisch.«)  
  Doch zurück zum Hämmerchen, als dieses den Praxistest nicht bestand - dabei ist, vielleicht ist es kein Sakrileg, das zu erwähnen, die Praxis der Prüfstein eines jeden Hammers - und der echte, etwas rostige, jedoch gerade Nagel im Bettrahmen sich nicht einmal rührte, schmetterte der Meister, nachdem er sich mit einem sogenannten Danebenhauen in den entsprechenden Schwung gebracht hatte, das zu niedliche Werkzeug zu Boden, so dass es dort zerbrach. (Bis zum heutigen Tag ist der Hammerkopf mit dem kurzen Restgriff zu bewundern, welcher so schön-splitterig abbrach, wie ein Kristall. Wahrhaftig wie ein Kaktus!)  
  Die Friseuse mühte sich mit dem Schlüssel ab, beobachtete mit einem Auge den Meister, dem sie sichtlich aus dem Weg gehen wollte. Der hervorsprudelnde Mann war schon fast aus dem Treppenhaus, als ihn der Gruß des Meisters einholte, von dort auch die Antwort, doch der Nachbar war bereits ab. Die Frau blieb allein zurück. Und nachdem der Mann so spektakulär davongebraust war - »unabhängig davon, mein Freund, wer im Streit im Recht war, wenn es überhaupt einer war!« -, blieb die Frau unterlegen zurück, in ausgelieferter Weise! Meine an der Literatur geschliffene Phantasie denkt: dass die Frau sich ein wenig entblößt vorgekommen sein muss.  
  Er »schlüsselte« noch etwas länger vor sich hin, ließ das Ehepaar komplett vorneweg gehen. »Wissen Sie, mein Freund, es gibt wenige Dinge, über die ich mich so freue, wie wenn morgens einer vor mir zur Garage kommt und nicht ich mit steifen Fingern mit dem Schlüssel des Vorhängeschlosses herummurksen und mich gegen die Schiebetür stemmen muss ... Obwohl die Schiebetür ja noch angeht.« Eine ähnlich einfache Freude erfasst ihn, wenn er ein literarisches Blatt geschenkt bekommt. Das kommt nicht häufig vor, aber manchmal gibt ihm der eine oder der andere Redaktor aus vergesslicher Höflichkeit eines. Hinterher ist er für Stunden nicht zu bremsen! »Mein Freund! Umsonst! Haben Sie gehört, umsonst!« Und er schüttelt die Faust. »Denn sonst hätte ich, dieses, leider gekauft!«  
  Beim Verschwindenlassen des Schlüssels in der Tasche blickte er hoch, die Frau passierte gerade die Gartentür: von der Seite war das stark gefärbte Augenlid zu sehen (»Ein Profi!«) sowie der herunterlappende Hutrand, wie ein zweites Profil. Dem Blick der Frau war anzusehen, dass sie sich absichtlich nicht umsah. »Albern. Als wäre Hinsehen und gerade Nicht-Hinsehen nicht das Gleiche.« Als die gertenschöne Figur verschwunden war, schoss ihm ein »Ob die wohl herumdruckst?« durch den Kopf, und er wiegte ihn kraftvoll.  
  Nun beeilte er sich umsonst; denn die vollständige Quelle der Freude ist es, wenn wir »vor der vor uns hinausgelassenen Person losziehen und diese sich noch mit dem Anwärmen ihres wassergekühlten Viertaktkraftfahrzeugs beschäftigen muss«. Der Meister winkte dem aus der Garage ausfahrenden Ehepaar dennoch fröhlich zu; das geschminkte Auge und die Geschwindigkeit: als wäre es aus einem Zug! »Der Auszug des geschminkten Auges.«  
  Als er in die Box seines treuen Pferdes trat und das Pferd gelangweilt nach einer Prise Heu langte, glaubte der Meister seinen Augen nicht. »Mein Freund, die Zündung war noch an.« Darüber freut sich natürlich kein Ross ostentativ. »Das Aas bewegte sich auch keinen Zoll.« Er zuckte einmal mit den Schultern und nahm seinen Weg Richtung Bus. Doch Glück hatte er (technisch gesehen) nicht viel, denn der Busfahrer war gerade dabei, sein Fahrzeug zu reparieren.  
  Und dort eine ausgesprochene Frau Süsann im Kleide einer Dame! »Ein Dromedar, mein Freund. Und dennoch ...« Nun, ja: denn die Frau war zwar groß, jedoch von ansprechender Form! Unter dem hoch geschlitzten, leichten grünen Wintermantel blitzte die kräftige Linie der Wade hervor, um dann, weiter oben, in der gemeinsamen Deckung des ebenfalls sichtbaren Rocks und des faul schwingenden Mantels zu verschwinden, wie ein Pfeil: zielgerichtet, energisch. »Mein Freund: Er zeigte den Weg an für die Verirrten und die Zauderer!« Nicht die Ausmaße waren verblüffend, obwohl sie es hätten sein können: was für eine Hanke!, und vorne die Ausströmung!, nicht nur das üppige Barock der Linien, aber »das ist ein Heiligtum, mon ami, ein Heiligtum « !, »sondern dass der Mantel genauso spannte wie eine Bluse oder ein Rock«. Das war ein großes Erlebnis.  
  Der Chauffeur montierte etwas neben dem Sitz der Frau; hob eine Gummiabdeckung hoch, schob eine Metallplatte beiseite, und als sich der Meister nach vorne beugte - denn, ich muss es nicht extra erwähnen, er hatte sein Lager irgendwo in der Nähe der Frau aufgeschlagen -, konnte er durch die Öffnung auf die Erde darunter gucken. Das erschien ihm so lächerlich.  
  Der Chauffeur, ein dünner, trockener Mensch, langte mit einem Schraubenzieher in dieses Loch hinein, wodurch kleine Funken aufstoben, ein Himmelswagen bei Tage! Woraufhin diese »Ur-Frau«, diese »Bauern-Venus« hysterisch herauskrisch, der Mann möge sofort dieses Funkensprühen einstellen, sie sei schon 40 Jahre alt und ihr Nervensystem sei ohnehin strapaziert. Der Chauffeur hatte die Metallplatte bereits wieder zurückgeschoben und stopfte die Gummiabdeckung mit der Fußsohle zurück. Er sah die Frau an. »Dass Ihr Nervensystem strapaziert ist, konnte ich nicht wissen.« Und er ging nach vorne zum Lenkrad; sie fuhren los.  
  Der traurige Herzensbrecher« stieg später in einen 15er-Bus um und hielt auf das Herz der Stadt zu, da er dort letztens einen Baum- verkaufsplatz gesehen hatte, der sein Gefallen fand. »Er fand mein Gefallen. So was gibt es. Jemand sieht etwas, und Schluss: aus: es hat angefangen. « Eine große NESCAFÉ-Überschrift brachte ihm Herrn Péter in Erinnerung. (Herr Péter - mit seinen selbstmörderischen Telefongesprächen! »Der Junge ist wieder im Lot«, sagte er dem taktlosen Meister über jemanden, den er, der Meister, gar nicht kannte, nur bei einer Gelegenheit »abgehört« hatte. »Ich vermute immer stärker, dass ich unter Wirklichkeit das verstehe, was durch die Polizei ermittelt werden kann. Alles oder nichts.« Bedauerlich.) Herrn Péters Neskaffees sind höchstens noch mit Herrn Bangas Maus-Kaffees vergleichbar. Sie planten schon seit langem, sich in ein Stück Terrassenraum hinauszusetzen und bei einem Bierchen miteinander zu schwatzen. »Seitdem, alter Freund«, sagte er zu dem stillen Mann, »schaue ich mir jedes Objekt (Gastronomieobj. - E.) danach an, ob man sich darin mit dir raussetzen kann oder nicht. Mehr noch. Ich berücksichtige sogar schon die Temperaturfaktoren. Ob, wenn die Sonne hinschiene und der Mantel warm genug wäre, ob man dann vielleicht und so weiter; es gibt viele Variablen ...« - »Es wird schon wieder warm«, sagte Herr Péter.  
  Der Himmel zog sich zu, eine seltsame Vormittagsdunkelheit entstand: feierlich und furchteinflößend. »Mein Freund, das ist, wie der Deutsche es sehr nett ausdrückt: doppelt gemoppelt. (? - E.) Das Feierliche ist immer furchteinflößend.« Denken wir nur an die schrillen Drapierungen, und oben auf dem abgedeckten Tisch auf einem Plastikteller der Krug nebst sechs Wassergläsern! »Mein Freund, die Wassergläser! Hat jemals einer aus denen getrunken?!« Dass das Material des Festtagsweihnachtsbaums dem des Kreuzes gleich sein kann...  
  Doch weiter in der Beschreibung der Natur: an diesem größten Fest der Christenheit legte auch die Winternatur eine festliche Kapuze an. Übergangsschwierigkeiten bestanden: der Schnee war eher Schneeregen, aber wenigstens war überhaupt welcher da. Die Geschäfte und die Auslagen erglänzten in einem feengleichen Licht vor lauter vielen Geschenken. In der Váci-Straße promenierten elegante Frauen. »Und dann, mein Freund, dieser Vorfall mit jener Frau mit dem breitkrempigen, phänomenalen dunkelblauen Hut!« Breitkrempige Hüte sind seine Schwäche, besonders wegen des Schattens, der über die halbe Nase und die Wangen geworfen wird! (Mein Gott, so viele Motive! Wäre ich ein anderer, würde ich aufbegehren: das sind doch gar keine Motive mehr, das ist ein Hut-Salon! Ich bin , der ich bin.)  
  Die Rank- und Schlankheit der Frau, der Einsatz von Puder und Farbe, das selbstbewusste Wogen - machten den Eindruck einer sogenannten unerreichbaren Frau. »Männerschönheit, mein Freund«, er gab das verdiente Wissen weiter, »Männerschönheit ist nichts anderes als ein gewisses Aufblitzen des Blicks! Aber diese Frau! Was soll ich sagen, sie war so schön ... dass ich sie mir nur klug vorzustellen vermochte. « Das ist kein einfacher Scherz, sondern das Ausstrahlen der Totalität, also eine tiefe Sache.  
  Der Meister tauchte quasi mit einem Mal aus der Régiposta-Straße auf. Das sage ich nicht als Entschuldigung. Der Schneefall oder der Schneeregen waren so richtig nichts Besonderes, abschläglich dessen, dass Weihnachten war. Die erwähnte Frau schritt gerade jetzt an ihm vorbei. Ihr Gesicht war ruhig, heiter und fern; das fiel auf in jenem heiligen Gemenge! Sie summte leise vor sich hin. »Mein Freund, schnallen Sie sich fest, und werden Sie nicht ohnmächtig ... Sie sang leise, was eher ein rhythmisches Psalmodieren denn wahrhaftiger Gesang war: Zicke, zacke, Hühnerkacke, zicke, zacke, Hühnerkacke ...«)  
  Im Meister rissen die Landschaften der Kindheit auf, besonders das tausendfältige Gesicht seiner Großmutter kam hervor, wie der Schnee auf es fällt und er sieht, wie die Flocken schmelzen und die Niederungen der Falten mit »echtem Wasser« füllen, wie die Gräben am Straßenrand. Viele Ferien hatte er im Laufe der Zeit bei der immer gebeugter werdenden, betagten Frau verbracht. Der schwarze, schmutzige Trenchcoat spannte sich auf ihrem Rücken wie bei den Hexen. Die Großmutter war die Erste, die dem Meister das Arbeiten beigebracht hatte. Wasserholen 50 Fillér - das war das beste Geschäft, nur leider endlich! Holzstämme gab es - je nach Dicke und Härtegrad - für 1o Fillér, 20 Fillér, 50 Fillér, 1 Forint und 2 Forint. Der kleine Meister und Herr György wussten nach dem Augenmaß, wie viel das jeweilige Holz wert war; und sie betrogen niemals. Sie überwachten einander sogar ein bisschen. (Aus dieser Zeit stammt folgendes rührendes Dokument: im Buch Viktor Szombathys mit dem Titel Vértes- Gerecse, Bp. Gondolat 1960, erschienen in 2400 Exemplaren, ist auf einem der Fotos der blond gelockte kleine Meister zu sehen, vor ihm zwei schwere Krüge. Die Unterschrift der Aufnahme lautet: Ein Wappen über der Klause. Die Aufnahme hatte Zoltán Tildy d. J. gemacht.) Auch an die Strenge erinnert er sich, besonders daran, wie konsequent diese war. Einmal wurde, wie man erzählte, vergessen, den Sauerampfer mit heißem Wasser zu überbrühen, weswegen dieser - das nun ist sicher - so bitter geworden war wie Galle. Der Meister versuchte, ihn unter Aufwendung Unmengen Brots hinunterzubringen, doch alle naselang erfasste ihn der Brechreiz, so dass er schließlich sagte, er fühle sich nicht wohl. Was zugleich also wahr war, aber auch falsch; im Wesentlichen war es eine Lüge. »Du bist krank?« Die Großmutter sah ihn an. Um den Sparherd herum Rauch, Dampf. Von den Stühlen sprangen Katzen herunter. Denn das war noch eine Attraktion für sich! Wie man dort mit den Katzen umging! Wie mit Lebewesen! Der Meister war bei einer Gelegenheit Zeuge, wie sein eigener Vater eine Katze, nachdem diese in einem unbeobachteten Moment ihre Zunge in die wässrige Suppe gesteckt hatte, sie am Schwanz packend in den Hof hinausschleuderte. Das gab ein derartiges Pladauz, dass er in Lachen ausbrach, ebenso sein Vater, laut. Doch da kam es zu einer bösen Auseinandersetzung zwischen dem Vater des Meisters und der Großmutter des Meisters. »Ja, ich bin krank«, antwortete er, obwohl er bereits etwas vom Fallencharakter der Frage ahnte. Welche ihn dann auch gefangen nahm: denn er musste drei Tage im Bett liegen, was aber im Grunde ein Hausarrest war. Das erwies sich besonders deswegen als großer Aderlass, weil die Fallschirmspringerschau zur gleichen Zeit stattfand. Vom Hof aus hätte man sie (ein bisschen) sehen können. Es kamen immer viele zu Besuch: sie war sehr gastfreundlich. Es gab ein denkwürdiges Gästebuch! Mit allen möglichen berühmten Leuten drin! Auch der Meister schrieb sich mehrmals ein. Und jedes Enkelkind am Türpfosten gemessen; regelmäßig. Beim Abschiedskuss zeichnete sie mit ihrem rechten Daumen ein Kreuz an die Stirn. »Dabei war sie wie ein Priester.« In ihre Rede mischte sie, gleichsam wie Herr Gyula, Füllwörter - bei Herrn Gyula: gö-gö, und bei Großmutter: dn-dn -, was die Enkelkinder anfangs immer zum Lachen angespornt hatte (sehr viel später erst bemerkte er das Herzgewinnende daran, zum einen den unwillkürlichen Ausdruck einer »fehlenden Behauptung « sowie zum anderen in den Stammel-Pausen dieses seltsamen Stammelns: die Schutzlosigkeit). Der Herr Vater des Meisters erzürnte sich jedes Mal sehr. - Ähnlich unbegreiflich war die Heftigkeit, als anlässlich eines in der Umgebung unternommenen Ausflugs Herr Marci angesichts des großen bronzenen Turul-Vogels, der, die Pracht und Herrlichkeit (?) des Tausendjährigen Ungarns zu verkünden, dort auf einem Bergkamme stand, gefragt hatte, was dieses Ding denn darstellen sollte. »Eine Turul-Ziege«, antwortete der schalkhafte Meister. »Da bewegten sich die Wangenknochen.« - »Das will ich nie wieder hören.« - »Aber wieso«, gab er Widerworte. »Es gibt Dinge, mit denen macht man keine Scherze«, sagte der Vater und blieb aufgebracht. »Darin, mein Freund, war etwas sehr Ungarisches.«  
  Der Meister erblickte sofort Den Baum. Er wusste: den oder keinen. Der kleine Baum zeigte sich sowohl aus der blinzelnden Ferne als auch aus der kontrollierenden Nähe als wohlgeformt, die Proportionen deuteten Heimeligkeit an, nicht irgendeine Niedrigkeit, er hatte Haltung, nicht Stolz, jedoch Ethos; mit dieser bescheidenen Selbstbewusstheit lehnte er in der Umarmung einer Ecke, allein, verlassen. Daneben weder Baum noch Mensch! Wie glücklich sich doch auch das fügte. Etwas weiter fand großes Gemenge statt. »Die Mildherzigkeit - Paff, da hast du’s! - stahl Tränen in die Augen der Anwesenden - Und wie lange ich erst, Alter! -, das edle Augenwasser der Rührung waren diese - Sie Schwein! Nehmen Sie wenigstens auf ihren Zustand Rücksicht! –, sie erzählten beredt darüber, wie schön doch die Mildherzigkeit ist; und dennoch, wie wenige praktizieren sie!« Hierzu kann Herrn Marcis kleine Maxime zitiert werden: »Du, du Tier im Menschen!« (Denn bei einer Gelegenheit - »langsam schließen wir den Kreis« - hatte Herr Marci noch seine morgendliche Siesta verbracht, ein Schlafbedürfnis, das hat er!, als der Meister sich in sein Zimmer schlich und mit großer Umsicht, »nicht dass er einen Splitter in die Hand bekommt«, über Herrn Marcis Schienbein strich, wobei er gerührt flüsterte: »Mein süßes, kleines Holzbein!« Herr Marci sprang auf eine Weise auf - der Meister zitterte später noch lange angsterfüllt. Der Mittelstürmer, der von so vielen geliebt und gehasst wurde, brüllte die o. g. Knappheit heraus. Er bezog sie auf den Meister.)  
  Um Den Baum herum herrschte Stille. Der Meister zerrieb, es nah an seine Nase heranholend, eine Tannennadel zwischen zwei Fingern, der Insel-Frieden, den der gute Geruch und der Baum bedeuteten, war da: Weihnachten. Der Meister stand entschlossen neben dem »fetten Fang«, bewegte sich kein Jota. Der Verkäufer, ein hochgewachsener junger Bursche mit einem Zollstock in der Hand, bemerkte den Menschen neben dem Baum ums Verrecken nicht. (»Voilá un homme!« hatte am Höhepunkt des Sommers der Präsident jenes Klubs ausgerufen, in dem der Meister eine Probe gab; voilá, ein Mensch: und darin ist das Wichtigste enthalten, was man über Esterházy sagen kann! Er ist wie ein Mensch.)  
  Er lupfte seinen hohen Zeigefinger ein ums andere Mal, vergebens. Er winkte, wie man einem Kellner winkt; das mag der Fehler gewesen sein. Doch eine Bezahlung wird früher oder später vonstattengegangen sein, anschließend drehte und wendete er sich so lange, bis er sich durch die wirbelnde Menschheit hindurchgeschubst hatte und im Bus hinten stehen konnte: er und sein Baum. Die Menschen sahen ihn sich an, nickten, ein jeder mit einem Lächeln. »Die Anerkennung!« Später würde er die solcherart erstandene Reserve noch sehr gut gebrauchen können.  
  »Was. Ist das?«, fragte die Gattin mit einer unheilschwangeren Pause. »Was soll es schon sein?« - »Was ist dieses kümmerliche, verkrüppelte Gestrüpp ?« Auf den Lippen des Meisters lag bereits ein Gekränktsein parat; sintemal letztes Jahr Jozef Veverka mit einem Baum hereingeplatzt war, so groß wie ein ganzer Wald. »Sind wir denn der Prunksaal des Parlaments?«, hatte er damals die junge Frau gefragt. Doch eine junge Frau ist in solchen Fällen voreingenommen. Jetzt hingegen war Frau Gitti nicht auf den Kopf gefallen, sie hatte die psychische Situation des Meisters durchschaut. »Willst du es so egalisieren? ... Nimm zur Kenntnis, dass das ein sehr strammer Baum war!« - »Allerdings. Wir haben 1,5 Meter abgeschnitten und er war immer noch stramm «, konterte der Meister, während er sehr gerissener Weise den Spagat entknotete, damit die Gattin für die Größe durch die Form entschädigt würde. »Schau, Liebchen. Was für ein Format!« Und er löste auch noch den letzten Knoten und enthüllte das Werk. Ließ den Baum sogar noch eine Pirouette drehen und verbeugte sich.  
  Wie er dort stand, gekrümmt, der Gürtel der Hose drängte in seinen Bauch, beziehungsweise die Schnalle, wie er so auf den anerkennenden und erstaunten Ausruf wartete, fiel sein Blick auf das Parkett, das unter dem Teppich hervorgerutscht war, auf die geheimnisvolle Gitterzeichnung und die Lücken, welche - das war der Gewinn in der schweren Betrachtung! - sich in genau demselben Winkel legten wie die Latten selbst. Hier war ein ehefraulicher Seufzer zu vernehmen, er schnippte hoch »wie ein Schnappmesser aus Balmazújvaros«. »Siehst du«, sagte er sofort. Die Siegestrunkenheit erwies sich als Eintagsfliege. »Was ist das, Péterchen? Aus diesem Baum ist ein Stück herausgebissen worden.« Er sah zum Bäumchen - »perrrrfekt!« -, dann fragend zur Frau. »Dreh ihn mal, mein Hübscher«, ihre Stimme tönte zynisch. Er handelte, als da plötzlich ...! »Mein Freund, da gab es einen Teil, den es nicht gab.« (Wie die Umkleide, wenn ich mich recht entsinne.) In eine Tanne beißen! So was aber auch! Er nickte; er war Körper gewordenes ...; man kann es sich vorstellen. Daraufhin war wiederum Frau Gitti aufwärts! »Macht nichts, wir drehen es zur Wand ...« - »Gipsengel«, murrte der begossene Schaffende. » Gipsengel, Gipsengel«, blödelte seine Hälfte. »Aber er gehört uns!« Womit sie das entscheidende Wort gesprochen hatte---------Nach dem mageren Mittag wurde er in seinen riesigen Fauteuil befohlen, aber nicht, damit er literarische Delikatessen nachlese oder unter lebhaftem Kratzen seines Kopfes ein Grundbett für eine neue Geschichte bemesse, oder ein altes vertiefte oder verflachte oder damit er einfach nur pausierte; nein! Dabei versteht er es sehr, zu solchen Gelegenheiten mit einem literarischen Blatt zu winken!  
  »Festbinden!«, sagte Frau Gitti zum postierten Meister und zeigte auf die Bonbons in Rauschepapier. Er vernahm das mit großer Freude, zeit seines Lebens liebte er Hausarbeiten, für die er seinen Verstand nicht zu benutzen brauchte. Deswegen ist der erschrockene kleine Oberton seiner Frage verständlich: »Und die Fisseln?« Frau Gitti war gerade dabei, geschmackvolle Pakete anzufertigen. (Letztes Jahr zu Weihnachten hatte es ein großes Paket gegeben, jederlei Anmut bar: Spagat und Packpapier! Nichtsdestotrotz, das war eine sehr gute Tat. Namentlich handelte es sich um das Verdienst der Frau, zwar fehlt es auch dem Meister nicht an gutem Willen, wohl jedoch an der Fähigkeit der Durchführung. Gitti hatte Kenntnis davon erhalten, dass es einen Ingenieur gab, der seine 7 Töchter allein erzog. Da machte sich Frau Gitti auf den Weg, von Hinz zu Kunz, wer etwas übrig hätte. Dann kam der große Tag. Aber so, wie sie das geplant hatten! Das Geschenk sollte persönlich sein, aber nicht bedrückend! Damit der Ingenieur sich nicht mehr als knapp zu bedanken brauchte! Sie versteckten das Pferd in einer dunklen Seitengasse, der Meister trug ihm auf, auf der Hut zu sein. Das kam ihnen noch gelegen! Denn nach ein paar schnellen Ungelenkheiten kamen sie freudig, doch mit eiligen Schritten zurück. »Du, Süßeste«, sagte er, während sein Fuß, der Blinde, den Steigbügel suchte. »Ich will auch 7 Töchter. Auch die würden so dastehen nebeneinander wie die Orgelpfeifen, du, und jede hätte eine unerschröckbar große Nase!« - Wir wissen, es kam anders etc.)  
  »Hstd Fslln gsgt?« Die Frau riss das Verbandszeug für das Paket mit dem Mund ab. »Ja, die. Die Fisseln«, sagte der Meister verzweifelt. »Worauf wartest du, um Gottes willen, da hast du das Knäuel, die Schere, und fertig!« Aus der Partnerin brach die Verzagtheit hervor, denn gerade war ihr das Verbandszeug gerissen, aber, wie ich anfügen muss: nicht dort, wo es hätte sollen. Doch der Meister wollte gerade das Abwägen vermeiden, wie lang soll der Bindfaden sein, reicht es, ihn einfach zu nehmen, und er wollte auch die Fingerfertigkeit vermeiden: denn die Wollfäden kleben aneinander, kräuseln sich ein und aus etc. »Wenn Kraft vonnöten ist, und nur die, bin ich bereit«, pflegte er stolz zu sagen. (Obwohl die Entrümpelung des Schutts bei Herrn Icsi dem zu widersprechen scheint ... »Da war ich auch noch kümmerlich .« Na, da kann ich nur sagen, dass dann nicht mehr allzu viel bleibt...)  
  Als Frau Gitti die Wurzeln der Unseligkeit erkannte, streichelte sie den Meister und erweckte ihn damit aus seiner scheintoten Hoffnungslosigkeit, so dass dieser nur noch konstatieren konnte, dass die auf Maß geschnittenen Fisseln bereits eng beieinander dalagen, wie »tote Würmer «, die Armlehne mit Streifen verzierend. Er rieb tatbereit die Händchen aneinander und sagte in undankbarer Weise: »Sind die nicht etwas lang?« Er sorgte sich ein wenig. »Doch, Péter, sie sind lang.« - »Ja, nicht wahr. Na, macht nichts. Wir lassen uns schon was einfallen.« - »Sie sind lang, Péter«, setzte Frau Gitti gemessen fort. »Genau so lang, wie sie sein sollen.« Er band und band.  
  Damit fertig geworden ging er hinaus auf die Loggia, um den Baum zu holen, blieb mit ihm mehr als einmal (zweimal) an der Tür hängen, zu einem Bruch kam es nicht, nur zu einem neuerlichen Blätterfall. Dann stellte sich heraus, dass der kleine Baum unten zu dick war und nicht in die Halterung passte. »Kleine Männer gehen mit großen Stöcken«, ließ der Meister kleinlaut verlauten. Die Frau beugte sich vor, besah sich das Problem, ihr Kleid flammte vorne auf und der Meister bohrte sofort seinen großen und durchdringenden Blick dorthin, in dieses nicht offizielle Dekollete. »Gittu, du bist meine Busenfreun- din.« - Einmal hatten sie beide einen Obenohnestrand besucht. Er wanderte sofort herum, um, zu seiner Frau zurückgekehrt, dieser mitzuteilen, sie sei seiner Meinung nach »gut im Rennen«, »sicheres Mittelfeld « beziehungsweise »untere Oberliga«, was »nicht wenig« sei. Nach einem weiteren Spaziergang kam der große Mann voll wilder Hast gerannt. »Süßeste«, keuchte er, »schau dir das an.« Der Meister hatte nämlich eine bombastische schwarze Frau gesehen, in sitzender Weise an der Open-Air-Bar. »Wie Ihr Kopf, mein Freund! Aber Sie müssen es sich so vorstellen, als wäre Ihr Kopf gefedert!« Die brave Frau ging los, sich das schwarze Wunder anzuschauen, doch als sie zurückkam, sagte sie: »Ich hab sie nicht gefunden.« - »Nicht so wichtig «, sagte der im Sand eingegrabene Meister, ohne auch nur die Augen zu öffnen.  
  Er säbelte an dem Bäumchen herum, balgte es, dass es ein Wunder war, dass am Ende noch immergrüne Blätter daran waren. »Ein guter, kleiner, mickeriger Baum ist das«, sagte er schließlich siegreich, und die Frau widersprach nicht-------- Die Natur hatte sich - trotz ihres vormittäglichen Anlaufs - doch nicht festlich gekleidet. Große, ohnmächtige Schneewolken dienten als Verdunkelungsvorhänge.  
  »Wissen Sie, mein Freund, als ich in die Küche hinausging, um meine Tochter zu holen, damit wir mit dem Erklingen der >Engelsglöckchen< das Fest beginnen konnten, und ich auf eine verstauchte Fliese trat, ging mir plötzlich auf, dass schon längst Weihnachten war.« Vielleicht war er unaufmerksam gewesen, oder es mag ein Trick allgemein der Zeit beziehungsweise des Festes gewesen sein, Fakt ist, er war schon mittendrin im Weihnachten. »Gittu!«, rief er hinein, während er sich bückte, um den brüchigen Stein zu richten, »Gittu, es ist Weihnachten!« Doch da die Frau bei dem Gedankengang außen vor geblieben war, dachte sie, sie würde aufgezogen, und antwortete entsprechend. Der Meister, missvergnügt ob des ihn umgebenden Unverständnisses, montierte Mitocska vom Geschirr ab und flüsterte ihr dabei wieder und wieder ins kleine Ohr, »skizzierte die Lage«, erwähnte, dass Weihnachten eine unerschöpfliche Fundgrube der Dich- tung sei; wie vieles fällt auf diesen Tag!, das kleine Jesuskind bringt den Kindern Geschenke, selbst wenn in den Wochen davor der Nikolaus sie sehr erschreckt hatte, beziehungsweise der Krampus, und während die liebe Mama alles, was ihre Speisekammer an Schätzen zu bieten hat, aufstellt, Waffeln, Nüsse, Äpfel undsow., ertönt das Lied der Sternsinger unter dem Fenster. - Auch der Meister war einst Sternsinger gewesen, wenn er es auch nur bis zum III. Hirten gebracht hatte. Sie gingen von einer katholischen Familie zur nächsten. Einmal, als er, seiner Rolle gemäß, herausjauchzte: dasjesuskindistgeborenfrohlocketihrchristen, und dabei einen Ausfallschritt nach vorne durchführte, spürte er, dass der Dielenboden unter ihm nachließ, quasi unter ihm heraussprang. »Das Parkett schlug praktisch Wellen.« Das allein hätte noch kein Unheil nach sich gezogen, denn sie waren eine disziplinierte kleine Mannschaft, wenn die Erwachsenen, die lampenfiebernd im Kreis standen, nicht so getan hätten, als wäre nichts passiert. »Sie winkten ohne Worte, ermunternd, nichts passiert, macht nur ruhig ... Von wegen, es ist nichts passiert! Der arme Heiligejosef (leider ist er seitdem in die BRD dissidiert; nicht deswegen - E.) schwankte wie ein betrunkener Matrose zwischen den Heiligen und Königen, in kippender Weise fast die Jungfraumaria niederschmetternd!« Woraufhin Esterházy mit seiner dünnen Knäblein-Stimme aufjohlte! »Irgendwie lief dann die Sache bis zum Ende durch. Aber ich erinnere mich nur noch an die furchtbare Hitze, aber nicht wegen des Schafspelzes - der III. Hirte ohne Schafspelz: unvorstellbar! -, sondern wegen meines Gesichts. Wie nach einer Ohrfeige.« Davon oder von einer anderen war er auch nicht weit entfernt: es schien, dem jungen, rotbäckigen Kaplan juckte gehörig die Hand!  
  »Na, mein Kind«, sagte der Meister müde, denn das Wickeln hatte ihn, so dastehend, mitgenommen; desgleichen das Opfer: das insuffiziente Einknüllen hatte zu vollständiger Durchnässung geführt, »na, jetzt wird gleich das Engelchen klingeln, das heißt in seinem Auftrag deine Mutter, und wir gehen rein.« Da warteten sie, Vater und Tochter, im stechenden Gestank, aber nicht in dem von Weihnachten, das Geschirr war auf dem Hocker geblieben. »Engel kling«, sagte das kleine Mädchen. »Ich sage gerade zur Mitocs«, brüllte er hinein, »wenn er klingelt, Gittu, wenn er klingelt!, der Engel, dann gehen wir los.« - »Ist gut, ist gut.« Er war regelrecht frappiert.  
  » De Kling .« Das kindliche Gesicht erhellte sich und sie zogen ein. Das junge Paar sah sich gerührt die Kleine an, in deren Augen sich die vielen Kerzen und die schwingenden-knisternden Wunderkerzen spiegelten. »Dann werden wir jetzt beten.« - »Beti, beti«, sagte Mitocska. »Papali ockt, Mamali ockt.« D. h. sie mögen sich hinknien. Tatsächlich. »Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, so wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.«  
  »De Baum.« Kasimir Mitovics zeigte auf den Baum, nachdem sie flugs die Ritapüppchen, Großteddys und Nackentleos untersucht hatte. »Fehlerlos kombiniert«, dachte er und hob das kleine Geschöpf hoch und wirbelte es, drehte sich mit ihm bis zum Himmel. Nachdem er es wieder abgestellt hatte und sie beide vor Schwindligsein quakelig hin und her tapsten, hob die Kleine eine Nadel in ihre pummeliggepolsterte Hand. »Papali! Klein Papali«, sie sah ihren Vater bittend an, »zurück!« Und sie reichte die Nadel zum Baum. Der Meister streichelte machtlos das goldene Köpfchen. »Verzeih.«-------- Fürwahr, jedes Jahr macht sich Groß und Klein im Haus auf den Weg, um gut bestiefelt den knirschenden Schnee bis zum Gotteshaus zu beschreiten; Klein und Groß können kaum die Augen offen halten vor lauter Schläfrigkeit, doch nicht um die Welt würden sie wegbleiben und dem Jesulein nicht für das Geschenk danken und den extra zu diesem Zwecke gefangenen Spatzen nicht in der Kirche freilassen. Ein wunderschönes, idyllisches Bild - so naiv es ist, so erhaben ist es auch. Bahh, knirschender Schnee! Wo ist der Schnee von vorgestern? Doch sie »beschritten die Zeit« bis zur kleinen Kathedrale, die Posi- tiva einer Weißen Weihnacht dabei erwähnend - doch schließlich: Das Fest muss man jedes Jahr ins gegebene Wetter dareingeben. Die Kirche ist von innen sowieso so, wie sie immer ist; bestimmt haargenau. Unterwegs trafen sie die Geschwister und den Vater. Die Mutter des Meisters hatte immer noch ein wehes Bein, diese Heilige von einer Frau ist sowieso etwas zimperlich, was Menschenmengen anbelangt. »Das ist so turbulent, mein Sohn.« Die Männer vertraten sich draußen vor der Kirche die Beine, summten um Frau Gitti herum, Herr György schlug ihr respektlos auf den Rücken, Herr Marci etc. Der ergraute Zeitungsschreiber sorgte sich. »Wissen Sie, mein Freund, dem Genannten kann einiges vorgeworfen werden, nur keine Kursive, mein Freund, aber so viel ist fix: in zwei Dingen ist er unschlagbar: wie er die Stirn in Wellen legt und im Sichsorgen.« Sein Sichsorgen müsste man in der Schule unterrichten. »Kinder, vielleicht wäre es angebracht, hineinzugehen, dann bekäme man sogar noch einen Platz.« - »Keine Panik, Alter«, sagte kraftvoll Herr György.  
  Schließlich war für alle ein Platz da, nur für den Meister und Herrn Marci: zum Stehen. Es kam viel Volk dahin, zur Charakterisierung der Dichte sei nur so viel gesagt, dass man sich bei der Elevation nicht hinknien konnte. Sein geliebter jüngerer Bruder verschränkte seinen Arm mit dem seinen und stützte ihn, fast schon liebkosend, und wie er im Heer der ordentlich-katholischen Menschen stand, hätte es ihm vor lauter Gemeinschaftsgefühl eng werden können in der Brust (die Chancen dafür standen gut, eine winzige Drängelei, das winzige, schicksalhafte Trippeln als Folge der Eigenbewegung der Masse, es reicht, wenn die Tür des Beichtstuhls aufgeht, mehr noch, selbst ein tieferer Seufzer ob der versäumten Beichten reicht schon - die Anlehnungen, die Reibungen und das Geraschel, das auf all diese Bewegungen folgte, war quasi der physische Ausdruck dieses Gemeinschaftsgefühls - »46 mag das so gewesen sein, mein Freund, in dem einen oder anderen Internatszimmer« –, er hat eine große Neigung zu diesem Gefühl, am prägnantesten lässt es sich am Strand erleben - was für eine mondäne Kulisse! -, man muss auf dem Rasen sitzen, man muss müde sein von einem gewissen Ballspiel, es gibt zu wenig Decken, so dass einige auf dem Gras sitzen müssen, er muss schweigen, aber man fragt ihn auch nicht, man kennt ihn gerade mal so, dann muss ihm einer ein Krügerl hinschieben und sprechen : »Hier, Fichte, hast gut gespielt«, natürlich muss man a priori etwas von jenem Ballspiel verstehen und man muss ranklotzen, damit der Körper klebrig vom Schweiße werde und auch die Hand am gedrungenen Körper des Kruges zunächst verrutsche, aus demselben Grund), doch statt all dem - möge man mir die komödiantische Wendung verzeihen - wurde es ihm eng in der Brust vor Einsamkeit, »sein Blick löste sich von seinem Auge «, er sah dort alles und jeden, »und er hätte nur noch wenig Gründe nennen können«.  
  Doch das Wort kommt: »Wissen Sie, mein Freund, jedes Existierende ist ein Analogon alles Existierenden; daher erscheint uns das Dasein immer zu gleicher Zeit gesondert und verknüpft. Folgt man der Analogie zu sehr, so fällt alles identisch zusammen; meidet man sie, so zerstreut sich alles ins Unendliche. In beiden Fällen stagniert die Betrachtung, einmal als überlebendig, das andere Mal als getötet.«  
  Mit verständlichem Entsetzen begann er zu beten, woraus ihn ein sehr alltägliches Vorkommnis beim Abendmahl herausriss, eine unrichtige und unangebrachte Bemerkung seitens Herrn Marci, apropos eines eventuellen »Wunsches«, ein »lila Häschen zu entführen«. Das war eines Herrn Marcis unwürdig und ich spreche es rundheraus aus: auch unwürdig des Meisters - besonders jenes unterdrückte, pennälerhafte Lachen, angezeigt durch das kraftvolle Beben des Rückens, welches sich dann auch auf den Herrn Marci übertrug und ein missgelauntes Empören im sitzenden Vater auslöste. »Reg dich ab, Alter«, sagte diesmal Herr Marci respektlos, bereits vor der Kirche, und, paff!, versetzte er dem Rücken des ergrauten Zeitungsschreibers einen tüchtigen Schlag. »Das tat weh«, sagte der Vater. »Was hast du erwartet? «  
  Eine Weile standen sie noch dort herum, wechselten ein paar Worte mit den Nachbarn. Herr Marci wurde von jemandem begrüßt, von Herrn Hús. »Hús und Basa kamen die Treppen herunter.« Der rechte Flügel bei der Christmette! »Die sind gut eingespielt, was?« Herr Marci grinste nach der Grußerwiderung den Meister an. »Alter«, sagte dieser gerade zu seinem Vater, »ich hab dir eine kleine Delikatesse besorgt.« Und er erzählte, ihm sei es gelungen, echte Bitter zu besorgen, sogenannte Zartbitterschokolade. Er hatte die Stadt dafür auf den Kopf gestellt. Er konnte sich gut aus den Jahren der Kindheit erinnern, dass der Vater: die Bitterschokolade bekam, weil er die mag. Genauso war es mit der Mutter und dem Rücken des Huhns. Mit erwachsenem Verstand und Geschmack kam es ihm etwas seltsam vor, aber Gott! Wenn sie das mögen! »Ich werd’ dir gleich sagen, wer das mag«, die Bitternis (ein Scherz - E.) der vielen Jahre brach gutgelaunt aus dem Vater heraus. Was für eine Verdeckung der Wahrheit! So stellt sich also, fast durch Zufall, heraus, obwohl, das hätte man schon anderswoher wissen können, dass die Eltern des Meisters aufopferungsvolle Menschen sind. »Ich will ausschließlich Brust und Keule«, sagte die liebe Mutter anlässlich einer späteren Überprüfung.  
  Die beiden Familien nahmen voneinander Abschied, die einen hierhin, die anderen dorthin, verschlafen. Frau Gitti hängte sich bei dem Meister ein; welcher wie ein Fremder. Der schneelose Heiligabend näherte sich seinem Ende; doch in der kleinen Küche - deren kalter Stein von verabscheuenswerter Temperatur war; »häslich«, pflegte Dorko Mitics zu trampeln - blitzte er noch ein letztes Mal auf, um seinen Platz, dem ewigen Gesetz der Natur folgend, dem Morgen zu überlassen. Barfuß, im verdrehten Pyjama, zerpflückte er die Sulz, als Frau Gitti (in Pantoffeln!) als Element eines bereits im Gange befindlichen, doch dem Meister unbekannten Gesprächs Folgendes sagte: »Hoffentlich ist nicht zu viel Fleisch drin.« Es gehörte sich, dass der Meister etwas antwortete, aber er wusste nicht genau, worauf sich das Wort bezogen hatte. »Wir schwelgen nicht zu knapp«, sagte er schließlich zurückhaltend und griff nach dem Essig. Er stieß die Gabel in die Sulz, öffnete die Oberfläche mit kleinen Hin-und-her-Bewegungen und goss Essig in den furchtbaren Riss.  
 
 
  67 »Wir besorgen ein wenig Wein, Weib und Gesang und lassen’s ein bisschen krachen«, sagte der Meister bitter. (Das letzte Abendmahl.) Sie standen nach dem letzten Training vor dem Geräteraum. Den Meister nahm der ganze Prozess sehr mit, jener nämlich, dass man nach jedem Training die Ausrüstung zurückbringen musste. Fangen wir damit an, dass er es immer vergisst. »So was gibt es. Ich hab’s einfach nicht im Blut.« Gemeinhin aber gibt es einen, der ihn, während er gerade dabei ist, den Kopf wegen der Niedrigkeit des Eingangs der kleinen Umkleide gesenkt, dieselbe zu verlassen, darauf aufmerksam macht. Das stößt ihm übel auf. Und dann, wie er sie trägt! Als würde er einen Umzug machen! Dabei, worum geht es schon groß: eine Hose, ein Trikot, zwei Socken und ein Paar Schuhe! Sozusagen: gar nichts. Und dennoch, die Schuhe in seiner Hand springen herum wie eine feurige Chinchilla, die Socken ringeln sich wie »verweste Schals« um sein Handgelenk - und er kommt ans Ziel: das ist schon was! Und auf die Zweckmäßigkeit, wie die Hose in das Trikot eingerollt ist - »zwei Fliegen, mein Freund, nicht weniger!« —, ist er ausgesprochen stolz. Und dann die Sortiererei!! Die Sortiererei lässt er weg. Er schaut sich um wie ein kleiner Festredner, und wenn Herr Öschen gerade nicht herschaut, versteckt er das kleine Knäuel schnell in einem der Haufen. Herr Öschen kennt natürlich die Meisterstücke des Meisters (Wortspiel) haargenau und: »lacht sich ins Fäustchen«. Mit seiner zierlichen Hand tätschelt er den Meister: »Ist gut, Péter, klotzt nur ordentlich ran!« Er fährt hoch: »Wochentags, mein lieber Öschen? Da ist kein Match.« Der Gerätewart senkt demütig den Kopf: »Immer. « Gefällig.  
  Die Mannschaft trat im überheizten Geräteraum von einem Fuß auf den anderen, wollte gehen, wollte auch bleiben. Die Einzelheiten des saisonabschließenden Abendessens mussten besprochen werden. »Wohin wollen wir gehen?« - »Jungens«, er breitete betriebsam die Hände aus. Herr Armand - sonst Herr aller Lagen - kramte im Hintergrund, wie schon seit einer Weile, von wegen, die Dinge liefen nicht, sie stünden still. Etwas war zerbrochen in Herrn Armand. Ein Trainer ist, mögen sich die Umfelder wie auch immer verändern, für seine Mannschaft verantwortlich. Und sie waren jetzt... »Wissen Sie, mein lieber Freund, mehr noch, mon ami, meine Ausgangsposition ist eine viel günstigere. Ich habe kein kollektives Schuldbewusstsein.« Ja: der Meister ist die Verheißung selbst. Herr Armand vertrat zu vieles, das gescheitert war, und obwohl Herr Armand persönlich ohne Makel war, hatte dies (»deswegen!«) zu einem Bruch in ihm geführt, also verschwand er auch jetzt betont zwischen den Regalen, es schien ihm sehr wichtig zu sein, die Ausrüstung in Ordnung zu bringen. »Das ist die Lage der Väter.«  
  So also der Meister weiter. »Jungens. Geht in die Stadt. Dort werdet ihr einen Menschen treffen, der einen Krug Bier tragen wird. Dem geht hinterher, und wo er hineingeht, dort sagt dem Hausherrn: der Meister lässt fragen, wo ist jener Saal, wo ich mit meinen Mannschaftskameraden das Abendessen verzehren kann? Er wird euch einen geräumigen, zur Mahlzeit hergerichteten Saal zeigen.« Diese Worte erklangen am Fuße der verwüsteten und kleinlich neu erbauten Umkleidekabinen. Der Rechtsaußen verzog das Gesicht. Als er den Blick rasch dorthin lenkte, sagte dieser: »Peti, mein Lieber.«----------- Die Lösung wurde, wie schon so häufig, Herrn Györgys Kneipe. Er kam verfrüht, saß mit Herrn György neben dem »toten« Flipper. Der große Bruder war müde. »Ich habe Fleisch besorgt und billige Kartoffeln. « - »Und Salat? Wird’s auch Salat geben?« (Egal, was für ein gemeinsames Abendessen in Aussicht gestellt wird, er forscht sogleich nach dem Salat. Z. B.: »Wenn ihr die Tesi schlagt, kriegt ihr ein Abendessen im Bárány!« - »Danke, Herr Pék! Wird’s auch Salat geben? « - »Wenn, dann ja.« - »Gurkensalatchen?« etc.) Herr György antwortete nicht. Manchmal langweilte ihn der Meister.  
  Eine Frau kam herein. »Guck mal, die Mama«, sagte der Schenk, »sie ist verliebt in mich.« — »Natürlich.« Aber vielleicht war tatsächlich etwas dran an der Sache, denn die Frau rückte Herrn György ziemlich auf die Pelle. Als sie gegangen war, sie beeilte sich zurück in ihre Trafik, sagte der Meister: »Die redete mit dir wie ein Ehe- drachen.« - »Hast du’s gesehen?«, antwortete Herr György mit infantiler Begeisterung, die den Meister freute, doch dann bemerkte er einen unachtsamen schnellen Seitenblick des Jüngeren und begriff, dass es diesen langweilte, die Gefühlsflut zeigte er wohl eher nur, um den Meister aufzuheitern. »Hast du’s gesehen? So versucht sie’s zu verbergen. « - »Wie’s halt üblich ist«, brummte der landesweit bekannte Schriftsteller. Neben ihnen blieb das Mütterchen mit dem Eimer und dem Aufwaschtuch stehen. Ihr Kopf wackelte stark. »Für einen Zwanziger macht sie das Klo sauber«, flüsterte Herr György. »Das lohnt sich. Weißt du, was das für eine entsetzliche Maloche ist?« Der Meister verriet seine bitteren militaristischen Erfahrungen nicht. Das Mütterchen grinste Herrn György zahnlos an. (Nachdem die Greisin gegangen war, konnte der Meister nicht an sich halten und bemerkte: »Kumpel, ich glaube, auch die ... auch die mag dich.« - »Ein honettes Frauenzimmer «, sagte der junge Mann und zwinkerte, als der Scherze liebende Mensch, der er war, mit dem Auge.) Das Mütterchen redete und schüttelte währenddessen im Takt der Rede sowie ihres Kopfzitterns den Eimer, welcher »zum Gotterbarmen quietschte«. - »Gyuri, mein Lieber, mich wundert’s gar nicht, dass Se de Frau nicht wollen ...« Die Aussprache der Kackmutter ähnelte gespenstisch der des Herrn Kassák. »Gyuri, mein Lieber, ich sags Ihnen, Sie haben recht. Wenn ich ein Mann wär’ und wenn ich tausend Knüttel hätte« - hier wieherte sie, dass es ihnen kalt die Rücken hinunterlief -, »wenn ich tausend Knüttel hätte, diese Frau würde ich nicht einmal dem 1001sten anvertrauen. « - »Ist gut, Mutter, geben Sie sich eine halbe Kirsche und dann ab nach Hause.« - »Nach Hause, nach Hause«, präppelte die Alte wieder in sich versunken, doch Herr György trieb sie erbarmungslos zum Tresen. Der Meister atmete schuldbewusst auf.  
  Er schickte sich an aufzustehen, doch da Herr György seine Handfläche auf seiner Schulter hielt, schlug diese Vorstellung fehl. »Bleib sitzen, lass uns ein bisschen reden.« Der Meister wusste wirklich nicht, ob er weinen sollte oder lachen. »Das oder, mein Freund, genau das ist es.« - »Ich mach ein äußerst schniekes Beisl aus dem Loch«, sagte Herr György und zeigte herum. »Die Hälfte meines Königreichs «, übersetzte der Meister die Armbewegung in die Sprache der Menschen. »Als Erstes lasse ich die Brandmauer mit Feuerbohnen beranken. Ich hab schon die Mam gefragt, wann man Feuerbohnen setzen muss.« - »Und, wusste sie es?« - »Sie druckste herum, aber als ich dann gesagt habe, sie solle nicht herummähren, sondern heraus damit, war sie beleidigt und hat mich rausgejagt, ich sollte nicht so frech sein.« Der Meister holte Luft, um mit der Kette seiner Einwände anzuheben, welche, gewohnheitsgemäß, auf Herrn Györgys Beziehung zur Welt abgezielt hätten, doch erneut traf er auf den schnellen Seitenblick, so dass er die Luft wieder herausließ. »Ffff.« Herrn György lassen die unangenehmen Sachen konsequent kalt. »Aber beim Abendessen war schon wieder Friede, und sie hat versprochen, den langen Lulatsch zu fragen, der wüsste Bescheid.« Wirklich erstaunlich, wen Herr György alles kennt - verglichen mit dem Meister. »Der Große, der früher Gendarm war, glaube ich.« Ihm schwante etwas. »War er nicht Leibgardist?« - »Ja.« - »Ein echtes Muskel- Tier.« (So ist er seinen Deutschübersetzern zu Gefallen. Ein Gentleman.) »Jedenfalls ist er ein alter Verehrer der Familie.« - »Also zuerst die Feuerbohnen, dann eine Klavierspielerin.« Mit dem Meister gingen die Pferde durch: »Eine kleine, verdorrte alte Frau, eine zigarettenrauchige, französische Stimme, im Fenster eine Tafel: Jeden Abend Margó, in großen, goldenen Lettern ...« - »Irgendwie so in der Art«, versetzte sich Herr György hinein. »Und sie hat es sehr drauf zu spielen.« Der Meister hat, nach eigenen Angaben, was das Wort »draufhaben« anbelangt, sein Sprachgefühl verloren. Betrachten wir diese seine sprachliche Voreingenommenheit in statu nascendi: Sagen wir, er und Herr Csucsu sind den ganzen Nachmittag unterwegs, ohne ein Wort zu wechseln, denn mit Herrn Csucsu vermag er sehr gut (er hat’s drauf!) zu schweigen, doch dann, am Rand irgendeines Sportplatzes, in einem Betonhalbkreis oder auf Betontreppen oder nur auf dem Betonbalken eines umgestürzten Strommastes — Letzterer steht auf dem hinter dem Spielfeld gelegenen Hügel wie ein riesiger Zahnstocher –, sagt einer von ihnen, während er mit dem Kopf auf einen verdienten Spieler deutet: »Der hat’s drauf.« Der andere (wenn also etc.) nickt: »Hat er.« Und das Werk dreht seinen Lauf.  
  »Und hat’s sehr gut drauf, zu spielen«, er begeisterte sich also für die zukünftige Musikerin, doch Herr György goss Wasser in seinen Wein. »Das ist egal«, sagte er grau. »Hauptsache, es gibt Musik. Das gibt einen anderen Satz.« Der Meister war schon bereit, seine gute Laune gegen eine schlechte zu tauschen, als ihm Herr György ein Papier in die Hand drückte. »Erst mal nur ins Unreine geschrieben. Schau’s dir an, schließlich bist du ein großer Stilist«, und er unterdrückte ein Lachen. Der Meister fing an.  
  S. g. G. R!  
  Hiermit möchten wir beantragen, die Öffnungszeiten unseres Geschäfts von bisher 10-22 auf 10-23 zu ändern. Zur Begründung: Der Umsatz des Geschäfts beträgt nach unserem Ermessen zwischen 10 und 12 h max. 500 Ft. Dieser enorme Rückgang der Einnahmen ist auf die Umsatz reduzierende Wirkung des vor kurzem eröffneten Büfés zurückzuführen. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Einnahmen des Geschäfts zwischen 22 und 23 h größer wären, und wir damit gewissermaßen den vormittäglichen Einnahmerückgang ausgleichen könnten.  
  Wir bitten um die Unterstützung unserer Vorstellungen.  
  Hochachtungsvoll: + +  
  Nun war er es, der von quickem Desinteresse erfasst ward, er gab es nickend zurück; er sagte nur so viel: »Vor dem und muss kein Komma hin.« - »Verreck doch.«  
  Wie die Jungs langsam eintrudelten, so nahmen Herrn Györgys Pflichten innerhalb seines Arbeitsbereichs zu, und im Verhältnis dazu »zerbleichte« die innige, wenn auch von Spannungen nicht freie Zweisamkeit der beiden Brüder. »Meine Herren«, der stellvertretende Objektleiter verbeugte sich, »es ist uns gelungen, das Separée für Sie zu reservieren.« Und er zeigte in die Ecke, wo drei zusammengeschobene Tische standen. Die zurückgenommene Heiterkeit ob dieses Scherzes war noch gar nicht verklungen, als ihnen Herr György schon mit einem neuen schmeichelte. Denn der Alte Farkas war an ihn herangetreten, er habe ein Haar in seinem Krug. »Wo?«, fragte Herr György mit lautstarker Gutmütigkeit. Der Alte zeigte es. »Papa, das ist kein Haar, sondern eine Markierung am Glas.« - »Markierung? Von innen?« - »Natürlich, die Markierung, dass man bis dahin einschenken soll.« - »Na, Brüderchen, dann trag’s hübsch zurück und schenk bis dahin ein.« Herr György musste dastehen wie ein begossener Pudel und dem berechtigten Anspruch nachkommen. Der Meister hatte das Gefühl, sein Bruder kannte dieses Ende schon von Anfang an. »Die Töchter des alten Farkas!«, er spann dann den Gedanken weiter. Edit und Klári. Lange Zeit war der Meister von nagenden Gewissensbissen verfolgt worden. Es handelte sich um immergrüne katholische Gewissensbisse: er ging noch nicht zur Schule, als er mit den beiden Mädchen in einen Sack schlüpfte! Zuerst mit der einen, dann mit der anderen. Das war ein sehr gutes Spiel, »Selbstmörderer- Spiel oder was«, er bekam rote Wangen davon, an die Hitze kann er sich erinnern. Doch dann tauchte die Möglichkeit auf, dass es sich um eine Sünde handeln könnte und das Geplänkel fand ein Ende. Bedripst war er lange Zeit; »leider«. - Später geriet der Alte Farkas in eine schlechte Form, er vertrank alles. Und als er beim Abiturbankett der beiden Mädchen aufkreuzte, zwischen all den aufgeputzten, beturnürten Pester Damen! Man mag glauben, was für eine Szene, sie verlangt nach der Feder eines Schriftstellers. »Die Szene, die skandalöse, verlangte nach der Feder eines früheren (älteren?) Schriftstellers ... Wissen Sie, mon ami, der alte Farkas war majestätisch. Es sei angemerkt, das ist er auch heute. Mir gegenüber zum Beispiel bewahrt er sich das auch noch.« - Er respektiert ihn auch sehr dafür! - »Wie er da auftauchte, zerlumpt, abgemagert, unrasiert, und dennoch irgendwie so, dass er keine Rechenschaft für nichts verlangte, weder Salami noch Schinken, wie wir sagen. Ich bin ich und ihr seid: ihr; ich bin euch nicht gram. So einer war er. Konkret wollte er natürlich essen, Salami, Schinken. Zu behaupten, die Mädchen hätten vor Freude getanzt, wäre sicher eine Übertreibung. Und natürlich gab es auch ein Skandalon; auf der Oberfläche gibt es ständig Skandale«, sagte er und kappte den bunten Faden.  
  Unterdessen war Herr Armand eingetroffen, wie einer unter vielen. Er setzte sich an den Tisch, wo schon einige saßen, unter ihnen auch der Meister. Doch das Sichsetzen ging nicht als gutes Beispiel voran, mancher stand wieder auf, um sich die Flipperspieler anzuschauen, oder spielte selber mit, oder er palaverte mit Herrn György, während dieser den Krug hypnotisierte, währenddessen kamen andere an, mit demselben Schicksal. Am Flipper stand ein Mädchen. »Mürbe.« Aber Herr Csucsu sagte: »Wir gingen zusammen zur Grundschule.« Der Meister war taktvoll (wie ein Markgraf, ha, ha, ha). »Aber jetzt, als würde sie selbst gegen eine geringe Vergütung...« - »Ein Krug. Aber wenn du sie darum bittest, auch mal nur so aus der Laune heraus.« - »Sie ist ziemlich herunter.« - »Wir sind gleichaltrig«, wiederholte, wie ein Argument, Herr Csucsu. »Eine Nympho?« - »Iwo. Ordentliche Hure.«  
  Der Tisch befand sich in einem Zustand ständiger Wandlung. Der Meister ließ den Blick beunruhigt über diese »Formlosigkeit« schweifen. Ich sage ehrlich, wie es ist - das ist ein charakteristischer »Tick« von ihm -, er befürchtete, dass das Abschiedsabendessen nicht beginnen würde. Jemand hatte eine Flasche rumänischen Cognac besorgt, diese machte die Runde. (Der Verletzte Linksaußen wurde schnell beschwipst.) »Ich weiß nicht, mon ami, wie es anderen damit ging, aber ich wartete auf etwas.« (»Darf zitiert werden.«) Dieses, das Erstere, natürlich, teilte der Meister dem Linksverteidiger mit, der es gutmütig missverstand und Herrn György wegen des Abendessens antrieb.  
  Die Biere kamen automatisch, die Wangen röteten sich, auch die des Herrn Armand. Unglücksschwangerer Frohmut verbreitete sich. Der Meister hoffte darauf, dass das Abendessen — »die elementare Kraft der Biologie« - die Menschen zusammentreiben, und Herr Armand dann aufstehen würde, sich räuspern, und, ein kleines bisschen gerührt - was, wie wir sehen konnten, ihm nicht fremd ist, und die Aufgaben in der Gemeinschaft holen das auch immer schön aus ihm heraus -, seine Jahresendrede halten würde, das heißt, die Leistungen bewerten, die Statistiken mitteilen, die beste Durchschnittsleistung; den erfolgreichsten Torschützen (das wäre der Meister mit 24 Toren), und dann würde er ankündigen ... Ja, er würde ankündigen, ob er zurücktritt oder nicht zurücktritt. Denn auch das war irgendwie nicht klar.  
  Doch der Meister wurde schnöde enttäuscht. In der ersten Etappe von sich selbst, dann von der Entwicklung. »Eine redliche Reihenfolge. « - »Meine Herren, die Menage«, schallte Herr György, auf seinem Arm, wie eine Perlenschnur, die Teller. »Du, wie ein echter Kellner!«, er staunte voller Bewunderung über seinen kleinen Bruder. Er hat eine hohe Affinität zu Kellnern. »Das Saure«, sagte der Kellner und zauberte kleine grauweiße Porzellantellerchen mit Essigpaprika und gemischtem sauren Gemüse hervor. »Schön stark. Der Holubka schickt es der Mannschaft.« - »Es geht los.« Er rieb sich die Hände, denn auf die Düfte hin hob das Strömen der Jungs an, das Zurückströmen. Er sah, wie Herr Armand aus der Außen(»!«)tasche seines kurzen (jedoch neuen) Ledersakkos das karierte Blatt hervornahm, es auseinanderfaltete, es glättete, es wieder zusammenfaltete und sich räusperte.  
  Die Teller kamen mit beruhigender Stetigkeit, es handelte sich also nicht nur um eine Anfütterung wie sonst so oft, und mit einer Schnelligkeit, dass der, der schon Essen vor sich hatte, natürlicherweise wartete. So entstand eine echte Harmonie, denn auch der, der nichts vor sich hatte, wartete natürlicherweise. Doch wie auf jede Harmonie folgte auch auf diese Wirrnis.  
  Unerwartet war ein Plumpsen zu vernehmen, sofort gefolgt von einem Aufschrei der ehemaligen Klassenkameradin des Herrn Csucsu (»Wissen Sie, es war wie in einem Film, und als ob das eine synchronisierte Stimme wäre.«) und auch noch von einem Krachen. »Als wäre ein Kleid zerrissen, nur schwerer. Oder, sagen wir: als wäre ein sehr teures Kleid aufgerissen.«  
  Anhand seiner bisherigen Praxis ging der Meister davon aus, sich gut auszukennen in der Welt der unrasierten Kinne, der umherwirbelnden Hüften, der flachen und angehobenen Brüste, des WCs mit den geteerten Wänden, des sich über dem verstopften Abfluss erhebenden trüben, gelben Sees, der verwischten Augenbrauen, der aufgerissenen, blutenden Lippen, des von Adern umkreisten Augapfels, des säuerlichen Mund- und abgestandenen Achselgeruchs, der weggerollten Hosenstallknöpfe, der sich nie schließenden Zipper und der vielen weiblichen Steiße - laute humanistische Requisiten - , doch jetzt, als er das Gesicht des Mannes sah, der auf dem Boden lag, und den anderen, von hinten, nur die breite Schulter, unter denen manchmal die Beine herausklafften, um zuzutreten, und sie taten es auch, traten in das auf der Erde liegende Gesicht, konnte er sich nicht einmal rühren. Dabei war seine Position die günstigste. »Wissen Sie, mein Freund, ich hatte Angst. So ein Gesicht ... und besonders das Krachen ...« Herr Armand stieß den Stuhl unter sich zurück und stand schon bei der Schlägerei, doch da ergriff plötzlich Herr György - nachdem er sich auf magische Weise von seinem Geschirr befreit hatte - die breiten Schultern, und hob, als wenn er eine Katze wäre, den untersetzten Angreifer weg vom Opfer; er drehte ihn zu sich um und hielt ihn gleichzeitig vorsichtig auf Distanz. »Sei nicht dumm«, sagte der baumgroße Mensch. »Ein netter Taxifahrerjunge«, sagte Herr György zu einem späteren Terminus, »er hat mich oft nach Hause gebracht, wenn ich einen Affen hatte.« - »Aber so zutreten«, sagte er, vor Schreck pingelig geworden. »Du weißt, wie das ist. Das Blut ist ihm ins Gehirn geschossen.«  
  Die Szene zog sich noch eine Weile hin; ein bezeichnender Beleg dafür ist, dass der Meister eine halbe Stunde später einen Knopf mittlerer Größe neben seinem Schuh entdeckte. Er hob ihn auf. »Ein Hosenstallknopf«, sagte er mit skandalöser Offenheit. »Gib ihn der Mieze«, sagte jemand ein wenig boshaft. Er erweiterte diese Kleinig- keit respektvoll, indem er »Reliquie. Piff« sagte und den Knopf davonschnippte. Was jeder verstehen mag, wie er will. (Behändes Heranzitieren eines Ottlik-Satzes.)  
  Auf dem Tisch standen, mit wenigen Ausnahmen, die Fleischsorten und kühlten vor sich hin. Schnitzel nature und paniert, sowie Kartoffeln. »Die besten Stampfkartoffeln, wo gibt.« - »Gyuri, mein Lieber, ich hätte dich umgebracht, wenn du Reis gebracht hättest!«, sagte der Libero. »So haben wir’s da.« Herr György war dem Libero nicht besonders zugetan, um es mal so zu sagen.  
  Hier ergriff der Meister, wie es seine Gewohnheit war, und sei es in den vornehmsten Restaurants, eine kleine Kartoffel mit der Hand und verschlang sie auf einen Happs. »Die Etikette bin ich«, sagte er, unterspreizt von der Zeit, der historischen. Doch nun war ein großer Fehler passiert. Auf seine Bewegung hin waren die Leidenschaften nicht mehr im Zaum zu halten: die Jungs fingen zu essen an. »Lasst uns doch warten «, er versuchte sich. Und dabei, das ist das Phantastischste, griff er - offenbar unbewusst - nach einer neuen Kartoffel, mehr noch, er sprach quasi mit vollem Mund.  
  Nun war das Durcheinander perfekt. Es gab welche, die nicht mehr aßen, welche, die noch nicht aßen, sowie welche, die gerade anfingen. Der Libero sammelte Knochen für seinen Hund. Der Junge Manndecker klaute scherzeshalber eins von Herrn Icsis Schnitzeln, der das nicht bemerkte, so dass es ein großes Gelächter gab, als der Junge Manndecker Herrn Icsi mit vollem Mund fragte: »Reicht’s?« Herr Icsi war, wie immer, höflich, strich sich über das charakteristische, drahtige Haar: »Danke der Nachfrage. Sowohl quantitativ wie qualitativ ...« - »Idiot.« (Es war allgemein bekannt: »Herr Icsi trägt seine Geschmacksknospen auf der Fußsohle.«)  
  Da es mancherorts nichts mehr zu tun gab, entstanden kleine Gruppen, die sich unterhielten. Der Meister perzipierte versteinert, während sich auch um ihn eine Gruppe rundete, dass der Abend nicht nur angefangen hatte, er war bereits über seinen Zenit hinaus. Nach allen möglichen Reden bemerkte er, dass neben ihm geflüstert wurde, konspirativ geflüstert. »Über die Modalitäten.« Ob sie verkünden sollten, dass sie, wenn Herr Armand nicht Trainer bleiben kann, zurücktreten. »Was soll das heißen, zurücktreten?« Er wurde nachdenklich. »Das wäre nur, um ihnen einen Schreck einzujagen«, man klärte ihn leise auf, »man müsste bloß bezeugen, dass der Öschen so und so.« - »Aber das stimmt nicht«, sagte er bestürzt. »Also Wort für Wort ist es so nicht passiert«, sagte der Halblinks, » aber im Wesentlichen geht der Armand wegen dem Öschen.« - »Das stimmt.« - »Das war eine ernsthafte Niederlage, mein Freund. Zum einen das Flüstern ... Wir gruppierten uns und flüsterten um einer guten Sache willen, aber keiner stand auf, um am Tisch eins zu eins zu sagen ... Und das viele Reden tat den Kindern nicht gut. In ihren Taten sind sie fassbar: zum Beispiel sind sie hart oder duckmäuserisch, der eine so, der andere so. Aber wissen Sie, mon ami, diese Theorien, mit denen sie daherkamen ...!«  
  Nichtsdestotrotz wurde sein Herz, für ein kurzes Intervall, von Wärme geflutet, weil doch er derjenige war, um den herum diese streitbare Gruppierung entstanden war; wenn er auch anders ist, so ist er doch auch einer von ihnen. (Hoho, da erwartet ihn noch eine Überraschung!) Sie fingen an, das Schnippspiel zu spielen; was auf den vorangeschrittenen Zustand der Getränke hinwies. »Wissen Sie, mein Lieber, zwischen zwei Bierflaschen herauszuschauen, so, dass keine dabei umfällt, ist keine leichte Sache.«  
  Der Meister ging zu Herrn Armand hinüber, um schließlich und endlich Klarheit zu haben. Er nahm den gequälten Trainer beiseite und fing an, leise auf ihn einzureden. »Komm, Armand, bleib doch.« Das Gespräch nahm ein schnelles Ende. »Lassen wir das, Péter.« Sie sahen einander an. Vielleicht hatten auch andere etwas von diesem Moment gespürt, aber das Bier nahm weiter ab und die Schnippspieler schnippten. »Versucht es. Halte sie zusammen.« Der Meister schlug wütend in die Luft. »Lassen wir das«, sagte nun er. Und wieder standen sie da. Trotz ihrer Wut zürnten sie einander nicht: sie kannten einander. »Wissen Sie, mein Freund, ich bin in einer glücklich leichten Lage: ich spiele!« Mein Gott, wie leicht! Das kann man sagen!  
  Er trottete an seinen Platz zurück. Auf den fettigen Tellern die Knäuel zerknüllter Servietten. Der Rechtsaußen erwartete ihn schon. »Was kapazitierst du ihn! Es wird Zeit, dass er geht.« Ihm verschlug es die Sprache. Er hätte nicht gedacht, dass Herr Armand auch Feinde hatte! Aus den Flüstereien schien es ihm, als stünden sie wie ein Mann hinter dem Trainer. (»Aber das ist ja die Eigenheit von Flüstereien!«) Er sagte das dem Rechtsaußen. Dieser lachte dünn auf. »Peti, mein Lieber! Was weißt du schon groß!« - »Wie, was«, stammelte er. »Halt so! Du bist zum Training hier und zu den Spielen, und aus, gehst nach Hause.« - »Wieso? Was gibt es noch?«, fragte er beleidigt. Der kleine, schwarzhaarige Junge sah zum Libero hinüber. Er auch? »Was es noch gibt? Wir schieben die ganze Woche Galeerendienst in der Fabrik.« Er wartete ein wenig, bevor er fortfuhr: »Was glaubst du denn?! Dass du keine Feinde hast? Dass über dich nicht geredet wird?« Er stand da. »Das ist überall so, Péter«, sagte der Libero.  
 
 
  68 Herr György drängte zum Ende. »Feierabend!« Als Herr Armand die Hand hob. Stille herrschte alsdann. Péter Esterházys Herz machte einen Satz. Ein wenig vergebens, wie meist. »Zeitpunkt des ersten Trainings: der erste Sonntag im Januar, zehn Uhr Vormittag«, sagte Herr Armand, wobei er den Blick auf den Tisch gerichtet hielt. »Seid da.«